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Neue Solidarität
Nr. 32, 6. August 2020

Die Regierung entschied sich bewußt für die Totalüberwachung

Kirk Wiebe, früherer NSA-Beamter und Mitstreiter Bill Binneys, berichtete über ihren Kampf gegen den Mißbrauch der NSA zur Überwachung unbescholtener Bürger.

Hallo, mein Name ist Kirk Wiebe. Ich bin ein langjähriger Kollege und Freund von Bill Binney, und wir haben zusammen einige Kämpfe durchgemacht, einige feindselige Aktionen der US-Regierung gegen uns. Gott sei Dank haben wir sie überlebt. Aber ich möchte, daß Sie, die Zuhörer, den Hintergrund des Russiagate und einiger anderer Dinge verstehen, die passieren, besonders den Mißbrauch, die illegale Nutzung der Überwachungskapazitäten der US-Regierung gegen Donald Trump und andere Personen, die mit seiner Regierung in Verbindung stehen. Damit meine ich die Tatsache, daß Bill an mehreren eidesstattlichen Erklärungen in Gerichtsverfahren beteiligt ist – u. a. im Verfahren gegen Roger Stone, dem der Präsident gerade Straferlaß gewährt hat –, aber nicht vor Gericht aussagen durfte. Und ich glaube, ich kann Ihnen sagen, warum. Aber Sie müssen im Kontext der letzten 20 Jahre verstehen, was zu dieser Situation geführt hat, die es diesen Leuten ermöglicht, sehr, sehr mächtige Überwachungskapazitäten zu mißbrauchen oder illegal gegen uns – gegen Sie alle – einzusetzen.

Als die NSA, darunter Bill und ich, in den 90er Jahren die Entwicklung der Kommunikationsmöglichkeiten erforschten – etwa in den Jahren 1995, 1996, 1997 –, wurde klar, daß dieses Ding namens Internet auf dem Vormarsch war und sich schnell ausbreitete. Alle möglichen Anwendungen – diese kleinen Symbole, die man auf dem Computer, dem Telefon oder was auch immer findet – florierten, fast über Nacht wurden immer neue Möglichkeiten der Interaktion zwischen Menschen entwickelt. Und das Endresultat ist, daß wir alle sehr verkabelte Menschen sind. Viele von uns haben mehr als ein Telefon in ihren Familien, mehrere Computer; heute ist oft sogar Ihr Kühlschrank mit dem Internet verbunden!

Nun, all dies hat sehr positive Aspekte, aber es gibt auch einige negative: Wenn diese Leute bildlich gesprochen in diesen Draht, der das Internet im Grunde genommen ist, hineinkriechen können, dann können sie auf Ihr Telefon zugreifen, auf Ihren Computer, auf Ihren Kühlschrank.

Aber warum sollten die das tun? Nun, sie wollen Sie überwachen. Damals, als die Vereinigten Staaten für ihre Unabhängigkeit kämpften, wollte der König von England in das Haus eines jeden Bewohners der Kolonien einen Soldaten postieren. Warum? Damit er die Stimmung in der kolonialen Struktur beobachten und überwachen konnte – diese Sonderlinge, die in den Vereinigten Staaten lebten und die er unter Kontrolle halten wollte. Und das ist einer der Faktoren, der zur Revolution der Vereinigten Staaten gegen England führte. Die Menschen wollen Privatsphäre. Und das spiegelt sich letztlich wider in unserer Verfassung, in der Verfassung der Vereinigten Staaten, in Artikel 4 der Bill of Rights. Und wir – Bill und ich, die unter dieser Verfassung aufgewachsen sind und die zu verteidigen wir geschworen haben –, sind überzeugt, daß dieses Recht auf die gesamte Weltbevölkerung ausgedehnt werden sollte. Mit anderen Worten, warum sollte jemand unschuldige Menschen ausspionieren wollen – warum? Es gibt dafür keinen Grund! Es ist schwer genug, die Bösewichte zu fangen, warum also die Dinge komplizieren?

Als Bill und ich also an Möglichkeiten arbeiteten, wie die NSA das Internet ausnutzen oder benutzen könnte, um Terroristen zu fangen, um Menschen zu identifizieren, die Bombenanschläge planen oder was immer es auch sein mag, stellten wir sicher, daß wir Schutzmaßnahmen für unschuldige Menschen einbauten.

Der technische Aufbau des Internets macht uns das möglich. Die Dinge fliegen nicht einfach im freien Raum herum. Genauso wie Sie eine Telefonnummer haben, die Ihnen als Person zugeordnet ist, oder eine E-Mail-Adresse oder etwas in der Art, funktioniert das Internet nach demselben Prinzip: Es gibt sogenannte IP-Adressen – Internetprotokolle –, die jedem Kommunikationsgerät zugeordnet sind. Und das wird überwacht und kann überwacht werden. Wir verwendeten diese Informationen, um jeden auszuschließen, der nicht der Definition eines Terroristen oder eines bekannten Kriminellen entspricht, oder von jemandem, der nachweislich unter dem Verdacht steht, Teil einer terroristischen oder kriminellen Organisation zu sein. Wir hatten also, wenn Sie so wollen, eine Möglichkeit, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Leider wurde Bill Binney eines Abends angewiesen, diese Schutzvorkehrung zu beseitigen. Und seitdem betreibt die NSA eine ungezügelte Überwachung und sammelt alles über jeden, was sie kann. Buchstäblich alles? Nein. Aber es ist so viel, daß die Chancen gut stehen, daß sie, wenn sie etwas über Sie wissen wollen, auch etwas über Sie wissen können. Das verstieß alles gegen den Grundsatz der Privatsphäre nach der Verfassung der Vereinigten Staaten, aber das war ihnen egal. Die Möglichkeit, es zu tun, war zu verführerisch. Und so geraten die Menschen, so gerät die Menschheit auf Abwege. Sie neigen immer dazu, Dinge zu vermasseln, und das haben sie hier getan.

Wären vor 20 Jahren Bill Binneys Schutzmaßnahmen in die Überwachungsprogramme der NSA eingebaut worden, dann wäre Überwachung heute gar kein Thema, und FISA und all diese Dinge, die Sie hören, die gegen die Regierung Trump eingesetzt werden. Die Leute wären gar nicht in der Lage gewesen, unschuldige Menschen zu überwachen. Aber die Regierung hat sich bewußt dafür entschieden, das nicht einzubauen. Und sie wollen nicht, daß Sie erfahren – sie wollen keinen nationalen Aufruhr, sie wollen keinen globalen Aufruhr –, daß das alles mit ein paar einfachen Schritten zu beheben ist. Das ist nicht schwer, man braucht nur den Willen, es zu tun.

Das ist also der Hintergrund für all das, den ich weitergeben wollte, um sicherzustellen, daß Sie es verstehen.