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Von Cedric Mbend Mezui
Cedric Mbend Mezui ist Autor und Finanzexperte der Denkfabrik FinanceAfrika in Gabun.
Meine Damen und Herren,
Ich fühle mich sehr geehrt, heute bei Ihnen zu sein, um einige Ideen über die Zukunft Afrikas auszutauschen. Ich hätte mir nie träumen lassen, daß es eine ganze Institution und ein Netzwerk gibt, um die Ideen von Alexander Hamilton weiterzugeben.
In der Tat, nach einem Artikel über mein jüngstes Buch, das 2019 auf Französisch erschien – Afrikas Potential erschließen: die Ideen von Alexander Hamilton –, versuchte Herr Sébastien Périmony über alle möglichen sozialen Netzwerke – Facebook, Linkedin etc. – Kontakt mit mir aufzunehmen. Seine Hartnäckigkeit machte mich ein wenig besorgt, aber nach einigen Gesprächen haben wir eine fruchtbare Zusammenarbeit begonnen. Wir haben uns in Abidjan und in Paris getroffen.
Ich werde hier einfach in meinem eigenen Namen sprechen, und es ist eine gute Gelegenheit, Ihnen meine persönliche Meinung mitzuteilen. Für unser Thema heute Nachmittag werde ich über 2019 hinausgehen. Wie ein chinesisches Sprichwort sagt: „Reden kocht keinen Reis.“
Ich hatte die Gelegenheit, etliche Länder Afrikas zu besuchen, insgesamt mehr als 40, und traf mit Interessenvertretern aus dem privaten und öffentlichen Sektor zusammen. Ich hatte die Gelegenheit, mit Studenten und Händlern zu sprechen, die in informellen Geschäften tätig sind. Überall auf dem Kontinent spürt man die Energie, an konkreten Lösungen zu arbeiten. In der Jugend gibt es ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einer größeren Gruppe, den Wunsch nach einem besser integrierten und vereinten Afrika.
Ich möchte das Problem der Industrialisierung Afrikas ansprechen. Dabei sollte man sich von Hamiltons Leitgedanken inspirieren lassen.
Es gibt ein neues Narrativ über Afrika seit Beginn des Jahrhunderts, nach der Zeit der Austeritätspolitik in den 1980er und 1990er Jahren sowie dem HIPC-Programm,1 das in vielen Ländern zu einem Schuldenerlaß führte.
Der Beginn dieses Jahrhunderts war gekennzeichnet durch einen gesunden makroökonomischen Rahmen, wirtschaftliche Diversifizierung und Investitionsprogramme in die Infrastruktur. In vielen Ländern gibt es Pläne, zu „Schwellenländern“ aufzusteigen.
20 Jahre später scheinen die meisten Länder immer noch von den „Jojos“ der internationalen Marktbedingungen abhängig zu sein. Die Produktionsbasis ist weiterhin schwach, Rohstoffe sind weiter die Hauptexportprodukte, und die Staaten sind immer noch von der Einfuhr von Nahrungsmitteln sowie Waren und Dienstleistungen abhängig.
Die Realität ist, daß der Kontinent ein zweistelliges Wachstum braucht, bei dem man sich internen Faktoren leiten lassen sollte. Afrika muß sich industrialisieren und seine Produktion aufwerten. Es besteht die Notwendigkeit, mehr Arbeitsplätze im formellen Sektor zu schaffen.
Wie wir von Alexander Hamilton vor über 200 Jahren in den Vereinigten Staaten gelernt haben, ist die Industrialisierung, vor allem die Produktion, der wichtigste Motor, um die vorhandenen Arbeitskräfte zu absorbieren, Innovationen zu fördern und die Wachstumsdynamik aufrechtzuerhalten.
Afrikanische Länder importieren für mehr als 400 Milliarden Dollar pro Jahr. Viele von ihnen importieren immer noch Eier, Tomaten, Milch, Lebensmittel, Kleidung und andere Produkte, die keine hochentwickelte Technologie erfordern. In vielen Ländern arbeiten mehr als 90% der Arbeitskräfte im informellen Sektor. Das ist nicht akzeptabel.
Lassen Sie uns über die Potentiale reden.
Afrika hat mehrere Stärken, darunter:
Eine der Schlüsselbotschaften dieser Abbildung (Abb.1) ist, daß es in Afrika keine Überbevölkerung gibt, wenn man die Bevölkerungsdichte, die Landmasse und das verfügbare Ackerland betrachtet.
Die interessanteste Grafik ist die zur Abhängigkeit von Altersgruppen:2
Dies hat Auswirkungen in Bezug auf Wachstum, Erträge auf Finanzanlagen, Kapitalallokation usw.
Man sollte daran erinnern, daß der in den Ländern geschaffene Reichtum in erster Linie auf dem Verhalten des einzelnen in Bezug auf Konsum, Investitionen und Ersparnisse beruht.
Noch wichtiger ist, daß der demographische Aufschwung positiv für den Kontinent ist, denn der Wert des menschlichen Geistes ist unendlich. Jeder einzelne Mensch ist eine Fundgrube von Möglichkeiten.
Zur Industrialisierung möchte ich sagen, daß es mir wünschenswert erscheint, sie um regionale Blöcke statt um Mikrostaaten zu organisieren (Abbildung 3). Mit den folgenden Schritten wird gerechnet:
Um es klar zu sagen: Es ist die sichtbare Hand des Staates, die die Wirtschaft antreibt. Dies erfordert die Schaffung mehrerer geeigneter Institutionen, um die anvisierten Ziele zu erreichen. Das sind zum Beispiel öffentliche Banken und Zentralbanken mit einem Entwicklungsmandat.
Eine Folge der gegenwärtigen Krise ist das Abreißen internationaler Lieferketten, was die Staaten einer externen Verwundbarkeit aussetzt.
Es ist daher dringend notwendig, die Lieferketten zusammenzuführen. Man muß die Maßnahmen zur Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln intensivieren, indem man die lokale und regionale Produktion fördert. Man sollte die bisher betriebenen Industrialisierungsmodelle überdenken und statt dessen regionale Wertschöpfungsketten begünstigen.
Parallel dazu werden alle diese Schritte von zwei Hauptmaßnahmen begleitet: die Entwicklung eines dynamischen inländischen Finanzsystems und die Errichtung einer modernen Infrastruktur. Damit sind alle Schlüsselmechanismen der Hamilton-Politik enthalten.
Neben der demographischen Struktur und dem Industrialisierungsansatz ist die Dynamik der inländischen Ersparnisbildung eine weitere wichtige Triebkraft für diesen Aufschwung.
Bei diesem letzten Punkt ist es wichtig, daran zu erinnern, daß die afrikanischen Volkswirtschaften historisch gesehen von Vorzugsdarlehen durch Geber, hauptsächlich westliche Regierungen und internationale Entwicklungsbanken, abhängig waren.
Die Gründe liegen im geringen internen Steueraufkommen und der Größe des informellen Sektors. Einige Regierungen sind immer noch von der internationalen Gebergemeinschaft abhängig, um ihren Haushaltsverpflichtungen nachzukommen.
Es ist wesentlich zu verstehen, daß die Einführung ausgeklügelter Finanzsysteme ein entscheidender Bestandteil des Aufbaus moderner Volkswirtschaften ist.
Die Überlegung dabei ist: Wenn eine Wirtschaft wächst, sammeln sich in ihren verschiedenen Teilen Ersparnisse an. Banken, Rentenfonds, Versicherungsunternehmen sind natürliche Interessenvertreter, die diese Dynamik nutzen.
Mit der Zeit entwickeln sich Länder von einfachen Systemen zu effizienten Mechanismen der Kapitalallokation.
In Afrika sehen wir in den letzten 20 Jahren eine erstaunliche Dynamik bei den Gesamtvermögen im Bankensektor; das Rentenvermögen wächst. Wir sehen den Wandel der lokalen Kapitalmärkte und mehr grenzüberschreitende Transaktionen. Das auf den lokalen Kapitalmärkten aufgenommene Kapital ist höher als die Auslandsschulden aller Länder.
Der Bestand an Staatsanleihen beläuft sich auf über 400 Mrd. $, während die Auslandsverschuldung rund 360 Mrd. $ beträgt, davon allein 100 Mrd. für Eurobonds.
Die lokalen Kapitalmärkte sind jedoch nach wie vor oberflächlich und unterentwickelt. Auf nur fünf der insgesamt 54 Länder entfallen 80% der ausstehenden Staatsanleihenschulden.
Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt, um geeignete Institutionen zur Einziehung von Ersparnissen wie Rentenfonds und die Vermögensverwaltungsbranche einzurichten.
Weitere Informationen finden Sie in meinen beiden kürzlich erschienenen Büchern, die bisher nur auf Französisch vorliegen. Sie sind von den Ideen Alexander Hamiltons inspiriert. Für englische Versionen bleibe ich offen. In der Diskussion kann ich gerne weitere Einsichten geben.
(Den Videomitschnitt des Vortrags mit allen Graphiken finden Sie in der Konferenzdokumentation auf der Internetseite des Schiller-Instituts.)
Anmerkungen
1. Programm für die Heavily Indebted Poor Countries (hochverschuldete arme Länder).
2. Anzahl der Kinder (unter 15 Jahren) bzw. der Alten (über 65 Jahren) im Verhältnis zur Anzahl der Menschen im arbeitsfähigen Alter.