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Neue Solidarität
Nr. 25, 18. Juni 2020

Ernährt die Zukunft: Essen ist ein moralisches Recht

Ein Dialog mit amerikanischen Farmern

© Schiller-Institut
Bob Baker, Virginia, Landwirtschafts-Koordinator des Schiller Instituts.

Bob Baker: Ich möchte dem Schiller-Institut und auch Helga LaRouche für die Gelegenheit danken, diese sehr wichtigen Fragen aufzugreifen. Die Welt steht vor der größten Nahrungsmittelkrise der Geschichte. Dazu gehören auch die Vereinigten Staaten. Was war die Lage vor sechs Monaten? In Europa waren Tausende von Landwirten mit ihren Traktoren auf den Straßen von Berlin, Paris und Madrid; und Monat für Monat verstopften sie die europäischen Städte und Hunderte von Kilometern von Autobahnen. In den Vereinigten Staaten verließen im vergangenen Jahr Hunderte von Landwirten ihre Farmen und Felder und zogen zu Massenversammlungen im Farmbelt. Warum? Das Finanz- und Wirtschaftssystem war so desolat geworden, daß sie für das Recht auf Nahrungsmittelproduktion demonstrierten. So war es auch in anderen Teilen der Welt, wo Menschen aus Südafrika, Südamerika und dem Nahen Osten auf der Straße waren. Sie konnten es sich nicht mehr leisten zu essen! In Afrika ist fast die Hälfte des gesamten riesigen Kontinents auf Nahrungsmittelimporte angewiesen, während er mit der richtigen Technologie die ganze Welt ernähren könnte.

Wir wußten also bereits, daß wir ein neues System brauchen. Dann, peng! – hat das neue Virus zugeschlagen. Jetzt müssen wir dieses bösartige, zusammenbrechende Spekulationssystem der Wall Street, City of London sofort durch ein neues Produktionssystem ersetzen. Und den Landwirten kommt dabei eine besondere Rolle zu, denn sie haben als Lebensmittelproduzenten Autorität. Nahrung ist ein moralisches Recht.

Ich bin sehr stolz auf dieses Team von sechs Landwirtschaftsvertretern, die sich hier und heute dafür einsetzen. Sie stehen den Bauern auf der ganzen Welt zur Seite, aber sie kämpfen auch für die Städte, die Nahrung brauchen. Und jetzt, im Gefolge der Krise, unterstützen wir die Wiedergeburt eines Systems souveräner Nationen, jede mit ihrer eigenen autarken Lebensmittelversorgung, so daß keine internationale Bank oder kein Unternehmensmonopol jemals wieder die Lebensmittelproduzenten und die arbeitenden Menschen ausplündern wird. Dies ist eine echte Harmonie der Interessen, wie es Abraham Lincolns Wirtschaftsberater Henry Carey forderte.

Wir werden gleich Stimmen aus dem gesamten Mittleren Westen der Vereinigten Staaten hören, aus Indiana, Missouri und Kansas, aus dem Flußbecken des Mississippi, aus den High Planes, aus Montana und Colorado und aus Kalifornien. Ich selbst stamme aus Iowa, wo fast meine ganze Familie Mais und Sojabohnen anbaut und Rinder und Schweine züchtet. In jeder Botschaft werden Sie verschiedene Grundprinzipien hören, die wir durchsetzen müssen, wie z.B. faire Preisgestaltung, kein Ausspielen einer Nation gegen eine andere mehr, keine Mega-Lebensmittelkartelle mehr, kein Abzocken in den Supermärkten mehr. Wir müssen handeln. Die weltweite Hungerpandemie ist neben der Viruspandemie eine echte Gefahr.

Zuerst brauchen wir Sofortmaßnahmen, um überall sämtliche landwirtschaftlichen Kapazitäten zu retten. Retten wir die Herden, die Ernten, die Bauernhöfe und die Bauernfamilien auf dem Land. Einkommensbeihilfen, wo es erforderlich ist, einen Paritätspreis, keine Zwangsvollstreckungen von Bauernhöfen oder landwirtschaftlichen Betrieben und vieles mehr. Die Lebensmittel müssen dorthin gelangen, wo sie hin müssen. Planung und Verteilung von Getreide an die 36 Länder, die vollständig von Lieferungen von außen abhängig sind. Planung in Stufen. Nutzen wir den Vorschlag des Welternährungsprogramms für humanitäre Drehscheiben, und sorgen wir dafür, daß es funktioniert.

Zweitens: Setzen wir auf längere Sicht alle Maßnahmen zum Aufbau einer Agrar- und Industrieproduktion in allen Ländern um. Kein Outsourcing von Nahrungsmitteln durch die imperialen Kreise mehr. Das bedeutet Zusammenarbeit; deshalb sind wir heute hier. Das bedeutet, daß alle essen sollen, und das ist die Zukunft. Aus diesem Grund ist die Kultur, über die im letzten Panel diskutiert wurde, sehr wichtig als ein Aspekt, die Landwirtschaft wieder zu einer Kultur zu machen.

Hören wir nun die Berichte der Landwirte. Der erste ist Joe Maxwell. Ich danke Ihnen vielmals.

© Joe Maxwell
Joe Maxwell, Missouri, ehem. stellv. Gouverneur von Missouri und Mitgründer der Family Farm Action Alliance.

Joe Maxwell: Ich möchte dem Schiller-Institut dafür danken, daß ich heute hier sein darf, und ich danke Ihnen allen, daß Sie sich uns angeschlossen haben. Ich bin Joe Maxwell. Ich bin Mitbegründer der Family Farm Action Alliance. Ich leite einen Familienbetrieb in der vierten Generation in den Vereinigten Staaten. Meine Farm liegt im Bundesstaat Missouri, etwa 100 Meilen westlich des Mississippi. Heute sind wir alle bedroht; eine Bedrohung, die von der COVID-19-Pandemie ausgeht. Sie bedroht unsere Gesundheit, die Gesundheit unserer Familien und die Gesundheit unserer Nachbarn auf der ganzen Welt. Sie ist auch eine Bedrohung für unsere Wirtschaft, für unsere Lebensweise. Weltweit sind Menschen entlassen worden. Landwirte und Viehzüchter haben keinen Markt mehr. Die Verbraucher werden in den Supermärkten über die Preise ausgebeutet. Das bedroht unsere Lebensweise. Die Bedrohung geht ebenso sehr von der Pandemie wie von den Monopolen aus, die den Markt und unsere Wirtschaft kontrollieren.

In den letzten 30 oder 40 Jahren haben unsere Regierungen einer Handvoll Unternehmen erlaubt, unsere Lebensmittel und unsere Landwirtschaft zu kontrollieren. Das geschah im Namen der Effizienz, doch viele von uns empörten sich über das unhaltbare System und seine Schwächen. Doch wir wurden nur selten gehört.

Was heute unsere Wirtschaft bedroht, ist, daß unsere Regierungen die Existenz dieser globalen Giganten zugelassen haben. Als Beispiel: JBS, der weltgrößte Fleischproduzent, hatte im letzten Quartal im Vergleich zum Vorjahr einen Umsatzanstieg von 322%, während bäuerliche Familienbetriebe, Viehzüchter und Kleinunternehmer weltweit in Konkurs gehen. Als ehemaliger Vizegouverneur des Bundesstaates Missouri kann ich Ihnen sagen, daß wir jede Art von Wirtschaft haben können, die wir wollen, aber die Politik muß sie unterstützen. Die Wirtschaft, die von großen Monopolen gekapert wurde, ist das Resultat davon, daß unsere Regierungen dies zugelassen haben. Wenn es etwas Gutes an einer Pandemie geben kann, wie wir sie weltweit erleben, dann das, daß wir alle mit einer Stimme sprechen, Farmer und Viehzüchter zusammen mit den Arbeitern, Arbeiter zusammen mit den Farmern und Viehzüchtern, Kleinunternehmer mit den Farmern, die sich für die Arbeiter in den Betrieben einsetzen. Zusammenstehen, eine Stimme erheben und einen Paradigmenwechsel, d.h. einen Wandel in unserer Wirtschaft fordern. Wir müssen die Wirtschaft den Konzernriesen wie JBS aus den Händen reißen und sie wieder in unsere Hände legen. Die Wirtschaft gehört dem Volk, und wir haben das Recht, Veränderungen zu fordern. Dann kann die Pandemie etwas Gutes bewirken.

© Bill Bullard
Bill Bullard, Montana, Vorstandschef R-CALF USA.

Bill Billard: Hallo, ich bin Bill Bullard, Vorsitzender von R-CALF USA, dem größten Erzeugerverband, der ausschließlich Rinderzüchter in den Vereinigten Staaten vertritt. Die Rinderzucht ist das größte Segment der amerikanischen Landwirtschaft und erwirtschaftet jährlich etwa 67 Milliarden Dollar aus dem Verkauf von Rindern und Kälbern. Die Viehproduzenten sind über alle 50 Bundesstaaten verstreut, und unsere Lebendrinder-Industrie ist wohl der wichtigste Eckpfeiler für das gesamte ländliche Amerika.

Doch unsere Rinderindustrie schrumpft schnell. In nur wenigen Jahrzehnten haben wir über eine halbe Million Viehzüchter verloren. Vier von zehn Rinderproduzenten, die 1980 im Geschäft waren, sind heute verschwunden. Unsere Rinderherden sind um 15% geschrumpft; unsere Mutterkuhherden haben sich um mehr als 5 Millionen Tiere verringert. Wir haben 75% unserer unabhängigen Rinderfutterbetriebe verloren.

Diese Schrumpfung der Lebendviehkette fällt mit einer massiven Konzentration in der Vermarktungsstruktur unserer Branche zusammen. Ein Viertel der lokalen und regionalen Viehauktionshöfe unseres Landes sind verschwunden, und eine Reihe von Fleischverarbeitungsbetrieben sind weggefallen, wobei jetzt nur noch vier große Unternehmen die Schlachtung von etwa 85 % der etwa 25 Millionen Rinder kontrollieren, die in Amerika jedes Jahr anfallen.

Unsere Lebendviehkette schrumpft auch aufgrund einer verfehlten Handelspolitik. In den letzten 25 Jahren wurde die Einfuhr von billigem Rindfleisch und Rindern erleichtert, ohne den hiesigen Viehzüchtern die Möglichkeit zu geben, ihr eigenes Rindfleisch von diesen Billigimporten zu unterscheiden. Nur eine kurze Zeitlang wurde den US-Rinderproduzenten ein obligatorisches Länder- oder Herkunftsetikett auf Rindfleischprodukte gewährt, das ihnen für diesen kurzen Moment erlaubte, auf ihrem eigenen Markt zu konkurrieren.

Unsere Rinderindustrie ist der einzige verbleibende Viehzuchtsektor in Amerika, der noch über die kritische Masse an wettbewerbsfähigen Vermarktungskanälen verfügt, um mit dem Wiederaufbau einer robusten, wettbewerbsfähigen Industrie zu beginnen. Die Schweine-, Geflügel- und Schafzuchtindustrie ist so weit geschrumpft worden, daß sie von Grund auf neu aufgebaut werden muß, weil sie nur noch aus sehr wenigen Betrieben besteht.

Die Schrumpfung, von der ich spreche, besteht in der vertikalen Integration; und das tötet den Wettbewerb. Die amerikanische Schweine- und Geflügelindustrie wird heute vom Ei bis zum Verbrauch oder von der Geburt bis zum Verbrauch von multinationalen Fleischverarbeitungskonglomeraten kontrolliert.

Unsere Lebendvieh-Industrie ist die letzte Bastion, die die multinationalen Fleischverarbeiter noch erobern müssen. Aber wir werden das nicht zulassen. Wir wehren uns an vielen Fronten. Im US-Kongreß streben wir Reformen an, um unsere kaputten Märkte wieder aufzubauen. Die Praktiken der Fleischverarbeiter müssen verboten werden, die auf dem Markt ein völliges Ungleichgewicht zwischen Rinderproduzenten und -verarbeitern geschaffen haben. Bei der Regierung streben wir Reformen der Handelspolitik an, die jetzt die Viehzüchter benachteiligt und die multinationalen Unternehmen begünstigt. In Justizbereich setzen wir in einer historischen Sammelklage die amerikanischen Anti-Trust-Gesetze gegen die vier größten Rindfleischverarbeiter durch, denen vorgeworfen wird, unrechtmäßige Absprachen getroffen zu haben, um die Erzeugerpreise zu drücken und gleichzeitig ihre eigenen Gewinne in die Höhe zu treiben.

R-CALF USA wird weiter für Amerikas Rinderzüchter kämpfen, bis wir gewinnen. Ich danke Ihnen.

© Tyler Dupy
Tyler Dupy, Kansas, Exekutivdirektor der Kansas Cattlemen’s Association.

Tyler Dupy: Mein Name ist Tyler Dupy, und ich möchte Ihnen danken, daß ich heute zu Ihnen sprechen darf. Es ist inspirierend zu sehen, wie mit ein wenig Einfallsreichtum und harter Arbeit so viele große Geister virtuell während dieser COVID-Pandemie zusammenkommen können.

Es gibt eine Kluft zwischen Verbrauchern und Nahrungsmittelproduktion, und sie vergrößert sich derzeit noch. Die Nahrungsmittelproduktion der Konzerne wächst in einem ungeahnten Ausmaß, während die unabhängige Landwirtschaft schrumpft. Die Ernährung ist zu einem Nebenprodukt der Lebensmittel geworden, wobei im Fernsehen nur noch Kochsendungen gebracht werden, in denen jemand eine Mahlzeit zubereitet, ohne irgendeinen Hinweis darauf, wo die Lebensmittel tatsächlich angebaut oder wie sie tatsächlich geerntet werden. Die Landwirtschaft ist die eigentliche Quelle von Lebensmitteln und Ballaststoffen und muß dem Verbraucher die Fakten und keine Fiktion nahebringen.

Die unabhängige Landwirtschaft befindet sich bereits jenseits der Krise. Wir befinden uns inmitten einer Katastrophe noch nie dagewesenen Ausmaßes. Viehzüchter und Landwirte sehen sich täglich Widrigkeiten ausgesetzt; und an der wetterunabhängigen Front erleben wir gesetzgeberische und ordnungspolitische Maßnahmen zur Förderung von Unternehmensinteressen, die so gierig sind, daß alles gegen uns spielt. Für Landwirte ist es nicht nur schwierig, sondern fast unmöglich, Zugang zu Finanzmitteln zu finden. In den meisten Bereichen kontrollieren die Lebensmittel- und Chemiekonzerne die Warenflüsse und Finanzmittel. Gesetze machen traditionelle Bankfinanzierungen nahezu unmöglich. Bei der Vermarktung unserer Produkte erzeugen die spekulativen Terminmärkte Erschütterungen in der gesamten Branche. Die Händler in Chicago und New York füllen ihre Taschen bis zum Rand, während die Produzenten völlig leer ausgehen. Es müssen gezielte Schritte unternommen werden, um die weitere Schrumpfung der Agrarlandschaft und die endgültige vertikale Integration der Nahrungsmittelproduktion zu verhindern. Bald wird das Konzern-Amerika die gesamte Nahrungsmittelproduktion kontrollieren. Wir sind auf dem Weg zu einer Mentalität von Hungerspielen, bei der Nahrung die Belohnung für Wohlverhalten gegenüber dem Unterdrücker ist.

Ich danke Ihnen. Ich weiß es zu schätzen, daß ich heute zu Ihnen sprechen durfte.

© Frank Endres
Frank Endres, Kalifornien, seit 63 Jahren Mitglied der National Farmers Organization.

Frank Endres: Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, zu sprechen, und ich möchte auch Helga LaRouche und dem Schiller-Institut dafür danken, uns die Zeit zu geben, unsere Ansichten darzulegen. Ein wenig über mich selbst: Ich bewirtschafte hier zusammen mit meinen beiden Söhnen eine Ranch im westlichen Sacramento Valley in Nordkalifornien. Wir züchten Vieh und bauen Getreide an.

In den Nachrichten hört man jetzt viel über Ernährungssicherheit, und zwar wegen der COVID-19-Epidemie. Deshalb möchte ich darüber ein wenig sprechen. Einer der Gründe für die Besorgnis über unsere Ernährungssicherheit ist der Verlust von Ackerland. Mehr als 5000 Morgen pro Tag werden der Nahrungsmittelproduktion durch den Bau von Einkaufszentren, Schulen, Parkplätzen, Wohnungen usw. entzogen. Eine neue zusätzliche Bedrohung sind die großen Flächen erstklassigen Ackerlandes, die für Sonnenkollektoren benötigt werden. Dadurch droht uns ein großer Verlust an Ackerland.

Dazu kommt eine alternde Landbevölkerung. Unter 35 Jahre alt sind nur 5% der Farm-Bevölkerung, während am anderen Ende des Spektrums über 65% der Farm-Bevölkerung 65 Jahre und älter sind.

Eine weitere Bedrohung, und wahrscheinlich die größte Gefahr für unsere Ernährungssicherheit, sind die niedrigen Rohstoffpreise. Die Art und Weise, wie sich das Einkommen der Farmer zusammensetzt, ermöglicht eine massive Plünderung der Bauernhöfe und Ranchs unseres Landes. Denn der Preis, den die Farmer heute erhalten, wird mit dem Preis verglichen, den er vor einem Jahr, vor zwei Jahren, vor fünf Jahren erhielt. Das hat nichts mehr mit heute zu tun. Ein Preis, den der Landwirt oder jeder andere erhält, muß mit allem verglichen werden, was er heute für seinen Betrieb aufwenden muß. Darüber hinaus muß er eine zusätzliche Vergütung für seine Lebenshaltungskosten erhalten. Darum geht es beim Paritätspreis.

Bezogen auf die Kaufkraft oder Parität des Erzeugers liegen die durchschnittlichen Agrarpreise heute 30% niedriger als während der Weltwirtschaftskrise 1933, als die Agrarpreise 64% der Parität ausmachten. Landwirte und Viehzüchter haben heute über 70% ihrer Kaufkraft verloren. Die einzige Möglichkeit, diesen Verlust auszugleichen, besteht darin, immer mehr Kredite aufzunehmen. Dies hat dazu geführt, daß die Selbstmordrate unter Landwirten heute höher ist als in den 1980er Jahren.

Abschließend möchte ich sagen, daß ein Mensch vielleicht einmal im Leben wirklich einen Arzt, einen Anwalt, einen Geistlichen braucht. Aber dreimal am Tag braucht ein Mensch einen Landwirt, der ein Lebensmittelproduzent ist. Damit möchte ich schließen und sagen, daß auch in vielen anderen Ländern der Welt die Ernährungssicherheit bedroht ist, und das muß korrigiert werden. Ich danke Ihnen.

© James Benham
James Benham, Landespräsident der Indiana Farmers Union und Mitglied des nationalen Vorstands der National Farmers Union.

James Benham: Mein Name ist James Benham. Ich bin Landespräsident der Indiana Farmer's Union und sitze auch im nationalen Vorstand der National Farmer's Union. Ich bin Landwirt; ich züchte Mais und Sojabohnen. Ich habe in der Vergangenheit Tabak angebaut, und als das politisch nicht mehr korrekt war, sind wir alle aus diesem Geschäft ausgestiegen. Aber ich möchte ein wenig über das Problem sprechen, das wir heute mit der Landwirtschaft haben, wobei ich mehr auf das eingehen will, was in den Vereinigten Staaten vor sich geht als in anderen Ländern, aber ich werde versuchen, mein Bestes zu tun, um die ganze Welt so gut wie möglich einzubeziehen. Ich möchte auch dem Schiller-Institut und Helga LaRouche dafür danken, daß ich heute hier teilzunehmen kann. Sie leisten alle eine großartige Arbeit, und wir müssen sie dabei auf jede nur erdenkliche Weise unterstützen.

Ich möchte ein wenig über zwei Viren sprechen, die wir uns eingefangen haben. Das erste ist natürlich das Coronavirus, das für die Welt verheerend ist und das weltweit Milliarden und Abermilliarden Dollar an verlorenen Arbeitsplätzen, Einkünften und Möglichkeiten kostet. Doch es gibt auch das Wallstreet-Virus, das uns jeden Tag verfolgt. Gestern war es da, und es wird auch morgen noch da sein; man läßt uns einfach weiter bluten durch ihre Spekulationen und wie sie über die Märkte denken. Die Bauern haben keine Kontrolle über den Preis – er steigt und fällt wie ein Jo-Jo. Die Theorie von Angebot und Nachfrage, die von den Spekulanten bemüht wurde, ist wie weggeblasen. Es geht nur noch um Dollar und Cent und wie man am besten alles zusammenbringt. Ich denke, hierbei muß es um Glass-Steagall gehen – dafür kämpfen wir schon eine ganze Weile. Wir müssen die Monopolbanken an der Wall Street zerschlagen und wieder dahin zurückkommen, wo die Landwirte verstehen, wie sie sich Geld leihen können, und das Geld in die Hände der Leute kommt, die es brauchen.

Wie werden wir langfristig die Bedürfnisse der Menschen auf der ganzen Welt befriedigen können? Das bringt uns zu der Frage, was die Menschen zu essen brauchen. Was wollen wir für sie produzieren? Das größte Problem, das ich sehe, ist, daß wir in den USA, in Afrika und anderswo Verantwortung dafür tragen, daß alle regelmäßig etwas zu essen bekommen und wir uns vor Nahrungsmittelknappheit schützen können. Jetzt ist alles hier in den USA auf das Coronavirus zurückzuführen. Diese Krise ist für uns eine Gelegenheit, langfristige Lösungen für die Ernährungs- und Agrarsysteme zu suchen. Dazu gehört auch die Preisfestsetzung, die wir haben, und andere Mißbräuche durch die Marktmacht der Fleischverarbeitungsindustrie sowie die Anpassung des Angebots bei Milch an die Nachfrage. Es ist kein Geheimnis, daß die Engpässe, die wir erleben, darauf zurückzuführen sind, daß die Hälfte unseres Nahrungsmittelsystems verloren gegangen ist. Bei der anderen Hälfte, die sich in unseren Supermärkten befindet, wo die Menschen ihren Bedarf für die Woche kaufen, gibt es keine Konkurrenz mehr. Dieses „Just-in-time“, an das wir uns alle gewöhnt haben, entspricht nicht unseren heutigen Bedürfnissen.

Auf der anderen Seite haben wir nicht genügend Landwirte, um die Menge an Produkten zu erzeugen, und wir haben auch nicht die Verarbeitungsbetriebe, um die Nachfrage in jeder Krise zu befriedigen. Es gibt ein oder zwei Betriebe hier in den Vereinigten Staaten, die ein Coronavirus-Problem hatten; sie haben ihre Verarbeitung für einen Monat stillgelegt. Das ist ein großer Mangel. Die Nachfrage nach Rindfleisch sinkt, was den Markt für Rindfleisch zum Erliegen brachte. Die Landwirte leiden also ohne eigenes Verschulden, und sie können all die Produkte, die sie erzeugt haben, nirgendwo loswerden. Viele von ihnen, was das Gemüse und so weiter betrifft, pflügen es um; die Farmer töten ihre Tiere, weil sie es sich nicht mehr leisten können, sie zu ernähren.

Um die Sache noch schlimmer zu machen, gebe ich Ihnen nur ein Beispiel. Der Verkaufspreis für ein Pfund Schinkenspeck beträgt 5 Dollar; der Anteil des Landwirts, wenn sein Produkt beim Verbraucher ankommt, beträgt 63 Cents. Schauen wir auf den Weizen, der auf der ganzen Welt angebaut wird: Ein Laib Brot von zwei Pfund kostet im Einzelhandel 3,99 Dollar; der Anteil des Landwirts ist nur 12 Cents. Man könnte ewig so weitermachen. Diejenigen unter Ihnen, die gerne Bier trinken, zahlen für ein Sechserpack Bier 9,99 Dollar im Einzelhandel; der Anteil des Landwirts beträgt 4 Cents. Diese Dinge sind einfach unerhört.

Es ist an der Zeit, daß wir die Dinge ändern. Wir müssen als globale Industrie zusammenarbeiten und versuchen, Lebensmittelpreise so zu gestalten, daß sie für alle Menschen auf der Welt tragbar sind, daß alle eine faire und gerechte Chance haben und die Spekulationsprobleme aus der Welt geschafft werden. Ich danke Ihnen vielmals. Gott segne Sie alle, und ich hoffe, etwas hilfreich gewesen zu sein.

© Mike Callicrate
Mike Callicrate, Kansas/Colorado, Vorstandsmitglied der Organization for Competitive Markets, Inhaber von Ranch Foods Direct.

Mike Callicrate: Wo wir hier jetzt über das COVID-19-Thema sprechen, denke ich, daß das Versagen unseres industriellen Lebensmittelsystems überdeutlich geworden ist. Es gab noch nie mehr Geld im Nahrungsmittelgeschäft als heute. Die Verbraucher haben noch nie mehr für Lebensmittel bezahlt. Und die Erzeuger dieser Lebensmittel, ob die Landarbeiter, die Lebensmittelverarbeiter oder die Landwirte oder Viehzüchter selbst, haben noch nie so wenig von den Lebensmittel-Dollars auf der Verbraucherebene erhalten. Es ist also ein guter Zeitpunkt, um einmal über ein alternatives Ernährungssystem zu sprechen und damit zu beginnen, es umzusetzen - ein System, das eher lokal und regional ausgerichtet ist. Mit Ranch Foods Direct machen wir das seit etwa 20 Jahren. Ich wurde vor 20 Jahren praktisch dazu gezwungen, als ich mein Vieh nicht mehr verkaufen konnte. Ich sagte mir, man könnte zwar prozessieren oder Gesetze erlassen, aber warum machen wir nicht etwas anderes? Warum bauen wir nicht einen alternativen Weg zum Verbraucher auf? Das ist es, was wir heute hier mit Ranch Foods Direct machen.

Wir züchten unsere Tiere in St. Francis, Kansas; wir verarbeiten sie dort. Wir zerteilen sie in Schlachtkörper; diese werden nach Colorado Springs transportiert, wo sie weiter zerlegt und direkt an die Verbraucher verkauft werden. Wir haben das System selbst aufgebaut, und das war harte Arbeit. Wir sind auf alle möglichen Hindernisse und Probleme gestoßen, aber wir sind immer noch da. Ich glaube, heute ist der richtige Zeitpunkt, dies auch in anderen Landesteilen auszubauen. Solange das Land mit den Städten in Verbindung treten kann, läßt sich so etwas auf der ganzen Welt verwirklichen. Es muß mit dem Ziel geschehen, das Einkommen auf den Höfen und Ranchs zu erhöhen und den Arbeitern einen fairen Lohn für ihren Lebensunterhalt zu zahlen.

Wenn man heute überlegt, warum Schweinefleischbetriebe geschlossen werden, weil darin so viele COVID-Fälle aufgetreten sind, warum werden diese Leute krank? Weil sie auf engstem Raum arbeiten; sie essen auf engstem Raum; sie fahren zusammen im selben Auto; sie leben in mehreren Familien in Wohnungen. Warum tun sie das? Weil sie schlecht bezahlt werden; sie erhalten keinen existenzsichernden Lohn, und sie leben wirklich im Abseits. Die meisten von ihnen sind nicht legal hier, deshalb haben sie Angst.

Ich sage, laßt es uns für alle besser machen; vom Landwirt über den Viehzüchter bis hin zum Arbeiter, und für den Verbraucher, damit er gute und gesunde Lebensmittel bekommt, im Gegensatz zu den verarbeiteten Fertigprodukten, die dem Verpacker und dem Einzelhändler viel Geld einbringen; aber die Produzenten und die Verbraucher kommen zu kurz.

Ich denke, jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Wir müssen heute etwas Neues aufbauen. Aber wir brauchen Verordnungen, die zu diesem Konzept passen. Und wir brauchen eine Regierung, die der Idee freundlich gesinnt ist. Das wird wahrscheinlich eine der größten Herausforderungen sein, denn die muß von allen finanziert werden; nicht nur auf dem Rücken der Landwirte, nicht nur auf dem Rücken der Viehzüchter und schon gar nicht auf dem Rücken der Arbeiter, die die Lebensmittel verarbeiten, bevor sie zum Verbraucher gelangen. Es muß von allen finanziert werden. Und im Moment haben die Menschen auf den Farmen und Ranchs wirklich kein Geld. Sie sind schon so lange ausgeplündert und ausgesaugt worden. Sie haben keinerlei Rücklagen; sie können kein Geld verdienen, weil es keine fairen Märkte gibt, auf denen sie ihre Produkte verkaufen können. Wir müssen hier wirklich als Gesellschaft auftreten und all diese Dinge finanzieren, aufbauen und unterstützen.