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Neue Solidarität
Nr. 13, 26. März 2020

Wissenschaftliche Bewertung der Lage in Italien: eine Warnung an andere Länder

Die britische medizinische Fachzeitschrift Lancet veröffentlichte einen Bericht zweier italienischer Experten aus Bergamo, Andrea und Giuseppe Remuzzi, der das internationale Publikum über die Lage in Italien informieren und zu schnellem Handeln gegen das Coronavirus an zwei Fronten motivieren soll:

1. drastische Maßnahmen zur Begrenzung sozialer Kontakte,

2. Erhöhung der intensivmedizinischen Kapazitäten.1

Eine „koordinierte globale Reaktion“ sei dringend erforderlich, betonen die beiden Experten. Sie vergleichen Italien mit der chinesischen Provinz Hubei – mit jeweils rund 60 Mio. Einwohnern – und schreiben dazu: „Man kann davon ausgehen, daß wir während der schlimmsten Zeit der Infektion, die in etwa vier Wochen ab dem 11. März erwartet wird, etwa 4000 Betten auf Intensivstationen benötigen werden. Dies ist eine Herausforderung für Italien, denn es gibt derzeit im ganzen Land kaum mehr als 5200 Intensivbetten. Das Ziel ist es nun, diese Zahl zu erhöhen, um den zukünftigen Notfallbedarf sicher zu decken. Unserer Prognose zufolge haben wir nur wenige Wochen Zeit, um dieses Ziel in Bezug auf die Beschaffung von Personal, technischer Ausrüstung und Material zu erreichen. Diese Überlegungen könnten auch auf andere europäische Länder zutreffen, die eine ähnliche Anzahl von infizierten Patienten und ähnliche Bedürfnisse hinsichtlich der Intensivbehandlungen haben könnten.“ (Hervorhebung hinzugefügt)

Nach der Berechnung der Experten erreicht das System, wenn nichts unternommen wird, bereits am 14. März seine maximale Auslastung, wenn man davon ausgeht, daß die Hälfte der derzeit verfügbaren Intensivbetten für COVID-19-Patienten genutzt werden kann. Sie erklären, die landesweiten Eindämmungsmaßnahmen der Regierung gingen in die richtige Richtung, müßten jedoch sorgfältig umgesetzt werden. Wenn man von den Erfahrungen in Hubei ausgehe, würden die klinischen und sozialen Probleme ein nicht mehr zu bewältigendes Ausmaß annehmen, was katastrophale Folgen haben kann, wenn das Tempo der Infektionen nicht bald gesenkt wird.

Doch wenn die Eindämmungsmaßnahmen funktionieren und ein ähnlicher Trend wie in China folgt, werde die Zahl der neu infizierten Patienten ab etwa 3-4 Tagen nach dem 11. März langsamer ansteigen. Dennoch werde sie, wie prognostiziert, einen Höchststand erreichen, für den 4000 Betten auf Intensivstationen benötigt werden.

Die Autoren gehen davon aus, „daß bei einer Fortsetzung des exponentiellen Trends in den nächsten Tagen nach nur einer Woche mehr als 2500 Intensivbetten benötigt werden. Unterdessen bereitet die Regierung ein Gesetz vor, das es dem Gesundheitsdienst ermöglichen wird, 20.000 weitere Ärzte und Krankenschwestern einzustellen und 5000 weitere Beatmungsgeräte an italienische Krankenhäuser zu liefern. Diese Maßnahmen sind ein Schritt in die richtige Richtung, aber unser Modell sagt uns, daß sie schleunigst umgesetzt werden müssen, innerhalb weniger Tage. Andernfalls wird eine beträchtliche Anzahl unnötiger Todesfälle unvermeidlich werden.“

Die beiden Experten warnen, ein Versagen bei der Organisation der richtigen Reaktion könne zu einer Situation führen, in der Ärzte und Krankenschwestern „die gleichen Regeln befolgen müssen, die für das Gesundheitspersonal in [militärischen] Konflikt- und Katastrophengebieten gelten“ – d.h. die Entscheidung, nur Patienten mit längerer Lebenserwartung zu heilen.

In einigen ziemlich weit verbreiteten Zeitungsartikeln und Internetberichten wird behauptet, italienische Krankenhäuser führten bereits Triage durch, d.h. sie müßten aus Mangel an Ressourcen entscheiden, welche Patienten man überleben und welche man sterben läßt. Diese Vorwürfe wurden von Melania Rizzoli, Ärztin und Landesrätin für Arbeit und Bildung in der Regionalregierung der Lombardei, in einem Gastbeitrag in der Tageszeitung Libero Quotidiano am 13. März mit der Überschrift „Keine Todeslisten: niemand entscheidet, welche Patienten gerettet werden“ entschieden zurückgewiesen. Es ist jedoch klar, daß diese Situation unvermeidbar wird, wenn die medizinischen Kapazitäten nicht sehr schnell stark ausgeweitet werden.


Anmerkung

1. Siehe https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)30627-9/fulltext