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Neue Solidarität
Nr. 12, 19. März 2020

Coronavirus-Pandemie erzwingt Umdenken:
Internationale Kooperation lebensnotwendig!

Von Helga Zepp-LaRouche

Wir erleben derzeit die schwerste Weltgesundheitskrise der letzten hundert Jahre, die deshalb so gefährlich ist, weil die Coronavirus-Pandemie mit der systemischen Weltfinanzkrise zusammentrifft, die schon vor Ausbruch der medizinischen Krise vor der Explosion stand und nun durch die Pandemie nur ausgelöst worden ist. Es gibt eine Lösung – aber nur, wenn die westlichen Gesellschaften bereit sind, die gesamte Axiomatik des neoliberalen Modells durch eine Wirtschaftspolitik zu ersetzen, die nicht an monetaristischen Gesichtspunkten, d.h. am Profit der Spekulanten, sondern am unbedingten Wert des menschlichen Lebens, naturwissenschaftlichen Prinzipien und der Solidarität mit der gesamten Menschheitsfamilie orientiert ist.

Immerhin hat inzwischen selbst Präsident Macron ausgesprochen, was nicht mehr zu übersehen ist, daß nämlich das politische System der liberalen Demokratie ungeeignet ist, auf existentielle Bedrohungen adäquat zu reagieren. Je schneller in Europa und den USA begriffen wird, daß wir bezüglich der gesundheitlichen Maßnahmen exakt das gleiche tun müssen, was China im Januar in Wuhan und der Provinz Hubei getan hat, desto mehr Menschenleben werden gerettet werden können. Anstatt die Zeit zu nutzen, die die Welt durch das entschlossene Handeln der chinesischen Regierung, das von der WHO korrekterweise als absolut vorbildlich charakterisiert worden ist, gewonnen hatte, verloren die westlichen Regierungen wertvolle Wochen, was dazu führte, daß Europa sich nun zum Epizentrum der Pandemie entwickelt hat und die Lage in den USA aufgrund des bisherigen Mangels an Tests sehr unklar ist.

Aber die notwendige Reorganisation kann nicht auf den Gesundheitsbereich beschränkt bleiben: Wir brauchen ein vollkommen neues Paradigma für die Politik und die Wirtschaft, wenn wir einen Absturz der Zivilisation wie im 14. Jahrhundert verhindern wollen. Zahlreiche Wissenschaftler in mehreren Nationen gehen davon aus, daß sich rund 70 Prozent der Bevölkerung innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre infizieren werden, jedenfalls bis ein Impfstoff gefunden wird und produziert werden kann. Professor Drosten von der Charité zitierte eine neue Studie, nach der man nicht mehr von einer langsameren Verbreitung des Virus im Frühling und Sommer ausgehen kann. Gleichzeitig muß davon ausgegangen werden, daß sich die Pandemie während des Winters in der südlichen Hemisphäre weiter weltweit ausbreiten wird, um dann im Herbst verstärkt und möglicherweise in mutierter Form auf die nördliche Hemisphäre zurückzukehren. Es geht also nicht nur darum, die Folgen des Abbaus unseres nationalen Gesundheitssystem während der letzten Jahrzehnte zu korrigieren und es innerhalb kürzester Zeit für die Behandlung der zu erwartenden Anzahl von Patienten auszustatten, sondern wir müssen kurzfristig die Bedingungen für ein globales Gesundheitssystem schaffen.

Die gegenwärtige Krise kommt keineswegs unerwartet. Bereits 1974 initiierte Lyndon LaRouche eine von ihm so bezeichnete „Biological Holocaust Taskforce“ (Arbeitsgruppe biologischer Holocaust), deren Aufgabe es war, die Wirkung der Austeritätspolitik und der Auflagen des IWF und der Weltbank vor allem auf den Entwicklungssektor zu untersuchen. LaRouche und seine Mitarbeiter präsentierten die Ergebnisse dieser Studien in einer Reihe von Berichten, die davor warnten, daß die von diesen Institutionen verursachte Absenkung des Lebensstandards in mehreren Kontinenten über einen langen Zeitraum hinweg, notwendigerweise zur Wiederkehr alter Seuchen und zum Entstehen neuer Krankheiten und Pandemien führen würde.

Wenn man die heutigen Bedingungen in vielen Nationen in Afrika, Asien, Lateinamerika, ja selbst in armen Regionen in Europa und den USA bedenkt, dann müßte klar sein, daß nur eine globale Änderung der Politik Abhilfe schaffen kann. Gegenwärtig haben rund zwei Milliarden Menschen kein sauberes Trinkwasser, bei den meisten sogenannten Entwicklungsländern kann man überhaupt nicht von einem modernen Gesundheitssystem sprechen. Gegenwärtig herrscht eine Hungersnot in mehreren Ländern Südafrikas, eine Heuschreckenplage, gegen die die Weltgemeinschaft nicht rechtzeitig vorgegangen ist, droht Dutzende von Staaten in Afrika, Asien und Lateinamerika zu verwüsten. Als Resultat der sogenannten „humanitären“ Interventionskriege und der schon genannten Unterentwicklung haben sich Millionen von Flüchtlingen auf den Weg nach Europa und Amerika gemacht, um der Gefahr für Leib und Leben zu entkommen.

Wenn wir also verhindern wollen, daß die Coronavirus-Pandemie sich in Wellen ausbreitet und von der nördlichen zur südlichen Hemisphäre und wieder zurück wandert, und so möglicherweise der Nährboden für weitere ähnliche und schlimmere Viren geschaffen wird, dann müssen wir einen radikalen Systemwandel einleiten.

Nach dem Beispiel von Wuhan und der Provinz Hubei, die insgesamt 14 temporäre Krankenhäuser einschließlich der benötigten Intensivpflegebetten gebaut hatten, müssen auf der ganzen Welt Krankenhäuser mit Isolierstationen gebaut werden. Dabei müssen die Standards der WHO berücksichtigt werden. China hat z.B. in nur einem Monat 16.000 Krankenhausbetten neu geschaffen.

Internationale wissenschaftliche Forschungszentren müssen etabliert werden, um den COVID-19-Virus und andere Viren und Bakterien zu erforschen, Impfstoffe müssen getestet und weiterentwickelt werden. Ergebnisse der Forschung in Biophysik, Nuklearbiologie und Weltraummedizin müssen umgehend allen Nationen zur Verfügung gestellt werden. Referenzpunkt hierbei ist die von Lyndon Larouche entwickelte Konzeption einer Strategic Defense of the Earth (Strategische Verteidigung der Erde, SDE), bei der der Schutz des menschlichen Lebens gegen Pandemien einen Schwerpunkt darstellt.

Diese weltweiten Maßnahmen erfordern Investitionen, die unter den Bedingungen des gegenwärtig kollabierenden Finanzsystems nicht zu leisten sind. Die derzeitigen Maßnahmen der Zentralbanken, Liquidität in Billionenhöhe in das Finanzsystem zu injizieren, und selbst die Bereitstellung von Haushaltsmitteln durch die Regierungen, sind angesichts der hyperinflationären Geldvermehrung nicht aufrecht zu erhalten.

Wenn wir die Coronavirus-Pandemie erfolgreich bekämpfen wollen, die notwendigen Krankenhäuser ausstatten bzw. bauen wollen, brauchen wir das Gesamtpaket von Maßnahmen, das Lyndon LaRouche seit Jahren vorgeschlagen hat:

Die einzigen Institutionen, die ein solches weltweites Programm durchsetzen können, sind die führenden Regierungen dieser Erde, die in ihrer Zusammensetzung repräsentativ für die gesamte Weltbevölkerung sein müssen. Es reicht also keineswegs aus, wenn sich nur die Regierungen der G7 untereinander abstimmen, sondern diese Lösungen können nur mit der Einbeziehung von Rußland, China und Indien durchgesetzt werden.

Das bedeutet auch, daß die Geopolitik endgültig überwunden und durch die Idee der gemeinsamen Zukunft und Ziele der einen Menschheit ersetzt werden muß. Wenn wir den Absturz in ein neues finsteres Zeitalter verhindern wollen, müssen das neumalthusianische Denken, der wissenschaftsfeindliche „Grüne New Deal“, Monetarismus und Eurozentrismus durch die Ideen der physikalischen Ökonomie ersetzt werden, die sich ausschließlich an den wissenschaftlich nachprüfbaren Prinzipien des Universums orientiert.

Und endlich die vielleicht wichtigste Änderung, die wir in unserem Denken vornehmen müssen: Wir brauchen eine neue humanistische Renaissance, eine Renaissance der klassischen Kultur. Denn es war nicht zuletzt der grenzenlose Hedonismus, der mit dem Modell der liberalen und neoliberalen Demokratie einhergegangen ist, der die Welt an diesen Punkt gebracht hat. Jetzt ist der Moment gekommen, in dem wir die Ideologie des „Alles ist erlaubt“ ad acta legen müssen. Wir werden diese Krise nur meistern, wenn wir zu einer inneren Selbstbestimmung in Übereinstimmung mit der Liebe zur Menschheit finden. Aber dazu sind wir schließlich Menschen!

zepp-larouche@eir.de