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Die italienische Regierung kann einige Erfolge beim Schutz des nationalen Kredits verbuchen. Anfang Januar gab es dazu zwei wesentliche Maßnahmen: einen Zusatz zum Haushaltsgesetz, der die Genossenschaftsbanken der nationalen Gesetzgebung unterstellt, sowie Schritte, um eine „Bail-in“-Abwicklung der in Schieflage befindlichen Genueser Sparkasse Carige zu verhindern. Die Regierung spricht auch von der Bankentrennung, wagt aber noch nicht, diese umzusetzen.
Der Zusatz über Genossenschaftsbanken (Banche di Credito Cooperativo, BCC) wurde vom Haushaltsausschuß des Parlaments beschlossen und ist nun Gesetz. Damit sollen die beiden kürzlich geschaffenen großen Holdings italienischer Genossenschaftsbanken, Iccrea und Cassa Centrale, von den internationalen Bilanzvorschriften, die die Europäische Zentralbank (EZB) unter der europäischen Bankenunion anwendet, ausgenommen werden. Sonst müßten die Staatsanleihen im Besitz der beiden Holdings abgewertet werden und es entstünde ein Verlust von 2,6 Mrd.€.
Geschäftsbanken halten Staatsanleihen als Teil ihres Kapitals und refinanzieren oder verkaufen diese bei Fälligkeit zum Nennwert. Investmentbanken dagegen handeln damit zum Marktwert auf dem Sekundärmarkt, um damit zu spekulieren. Der Versuch, auch Geschäftsbanken zu zwingen, die Anleihen zum Marktwert zu bilanzieren, soll ihre Kapitalbasis schwächen und so ihre Kreditvergabe an die produktive Wirtschaft behindern.
Zum zweiten Punkt: Nachdem die EZB die Carige unter Insolvenzverwaltung gestellt hatte, reagierte die italienische Regierung, indem sie der Carige eine unbegrenzte Garantie erteilte, um eine „Bail-in-Abwicklung“ zu verhindern, bei der Aktionäre, Anleihenbesitzer und Einleger enteignet werden. Vizepremier Luigi Di Maio erläuterte diesen Schritt in einer Zehn-Punkte-Erklärung, in der auch eine Glass-Steagall-Bankentrennung gefordert wird. Punkt 9 besagt: „Wir werden in Europa dafür kämpfen, das System der Bankenaufsicht zu reformieren, und wir werden eine Trennung zwischen Geschäfts- und Investmentbanken umsetzen.“
Der Schwachpunkt ist, daß der Versuch, die europäische Gesetzgebung entsprechend zu ändern, einer Quadratur des Kreises gleichkommt. Aber eine Bankentrennung jetzt – vor der kommenden Finanzkrise – würde einem erneuten Versuch vorgreifen, die Regierungen dazu zu erpressen, die Spekulanten zu retten.
Dennoch gab es bereits wütende Reaktionen EU-freundlicher Kreise; beispielhaft dafür ist ein Kommentar im deutschen Handelsblatt vom 8. Januar, wo eine „peinliche Kehrtwende“ der italienischen Regierung und die Abkehr von den EU-Regeln für Bankenabwicklungen beklagt werden.
Die Reaktion der Europäischen Zentralbank ließ nicht lange auf sich warten: In einem Brief, den die EZB an die Bank Monte dei Paschi schickte, verlangte sie Rückstellungen in der vollen Höhe ihres gesamten Bestandes an notleidenden Krediten (non-performing loans, NPL). Das Bekanntwerden des Briefes ließ die Bankaktien an der Mailänder Börse am 14. Januar um 10% einbrechen.
Der stellvertretende italienische Ministerpräsident Matteo Salvini warf daraufhin der EZB vor, den italienischen Bankensektor zerstören zu wollen. Salvini bezeichnete das EZB-Ultimatum an Monte dei Paschi als „mißbräuchlich“.
„Der jüngste Tiefschlag der EZB kann Italien 15 Milliarden Euro kosten“, sagte Salvini in einer schriftlichen Erklärung. Salvini forderte mehr Transparenz bei den Entscheidungen der EZB, „um die Zweifel zu vertreiben, daß die EZB ihre Befugnisse politisch einsetzt“. Die Aktion der EZB sei eine Demonstration, „daß die Bankenunion nicht nur unser Finanzsystem nicht stabilisiert hat, sondern vielmehr Instabilität verursacht, die Ersparnisse der Bürger gefährdet und ein Bankensystem wie das italienische, welches der Finanzkrise 2008 besser widerstanden hat als alle anderen.“
Die EZB habe ein „mißbräuchliches Verhalten“ angenommen und umgehe „jüngste Entscheidungen der [EU]-Kommission“ (Damit verweist Salvini auf eine Entscheidung der Kommission, die neuen Regeln nur auf künftige NPL anzuwenden.) „Unabhängigkeit bedeutet nicht Verantwortungslosigkeit“, sagt Salvini.
In einem Artikel mit dem Titel „Der Konflikt zwischen Italien und der EZB eskaliert“ vom 15. Januar berichtet Reuters, die EZB habe allen italienischen Banken Richtlinien übermittelt, ähnlich denen, die an Monte dei Paschi di Siena gesandt wurden, und ihnen eine Frist für den Verkauf ihrer NPLs auf dem Markt gesetzt. Die Frist variiert von Bank zu Bank.
Ein solches Ultimatum zwingt die Banken dazu, die Preise der Geierfonds zu akzeptieren, die NPLs für einen oder wenige Cent kaufen und durch die Pfändung der beigefügten Sicherheiten einen Gewinn von bis zu 400% erzielen. Trotzdem fordert die EZB jetzt, daß NPLs in den Büchern der Banken nicht zu diesem abgezinsten Preis bewertet werden, sondern zu einem Nullwert, wodurch die Banken gezwungen werden, zusätzliche Risikovorsorgen für Kredite in Höhe von 100% des Nennwerts dieser Kredite zu errichten.
Salvini hat völlig Recht, wenn er der EZB vorwirft, den Geschäftsbankensektor zerstört zu haben. Es ist ungeheuerlich, daß die EZB ausfallende Kredite für gewerbliche Zwecke auf null festlegt und gleichzeitig den Investmentbanken erlaubt, toxische Vermögenswerte zum Nennwert in ihren Büchern zu führen. So bewertet beispielsweise die Deutsche Bank ihre Level-3-Derivate, die hochtoxisch sind und keinen Marktpreis und keine Sicherheiten enthalten, mit 23 Milliarden Euro (!). Aber die EZB hat die Deutsche Bank nicht aufgefordert, diese Verluste aus den Vermögenswerten in ihrer Bilanz zu entfernen. (Tatsächlich wären die Verluste der Deutschen Bank in diesem Fall größer als ihr Kapital).
ccc