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Von Helga Zepp-LaRouche
Die Gründerin und Vorsitzende des Schiller-Instituts eröffnete am 20. Juni mit dem folgenden Vortrag die Konferenz „Apollo+50: Die Zukunft der Menschheit muß die Gegenwart bestimmen. Ein Dialog der Kulturen darüber, wie die Bevölkerung und die produktive Arbeitskraft für die kommenden 50 Jahre der Erde entwickelt werden können.“ Die Rede wurde aus dem Englischen übersetzt.
Meine Damen und Herren, liebe Freunde des Schiller-Instituts, es gibt heute einen sehr freudigen Moment, denn wir feiern den 50. Jahrestag der Mondlandung. Das ist ein wirklich universelles Ereignis, ein Ereignis, das die gesamte Menschheit vereint. Im Jahr 1969 verfolgten 500 Millionen Menschen die Landung auf dem Mond. Es sorgte damals für unglaubliche Inspiration und Aufregung. Sie können sicher sein, daß heute, wo die Kommunikation so viel besser ist, wo bereits in den letzten Wochen Millionen von Menschen Programme dazu aus der Vergangenheit gesehen haben, Dokumentationen, daß es wieder Hunderte von Millionen von Menschen sein werden, die vereint dieses unglaubliche Ereignis feiern. 1969 war das jeder siebte Mensch auf der Erde [der die Mondlandung mitverfolgte].
Der Grund, warum der Weltraum so absolut wichtig ist, liegt darin, daß dies alles mit der Identität des Menschen zu tun hat. Wie mein verstorbener, geliebter Ehemann Lyndon LaRouche sagte, ist der Weltraum der Beweis dafür, daß die Menschen keine Erdlinge sind, wir sind eine Gattung des Weltraums; und daß wir alle den göttlichen Funken der Vernunft haben, der sicherstellt, daß jeder einzelne von uns zur grenzenlosen Selbstvervollkommnung fähig ist, um die Gesetze des physischen Universums zu studieren und immer mehr zu entdecken. Oder, wie unser lieber Freund, der große Weltraumpionier Krafft Ehricke, sagte: es ist der Homo sapiens extraterrestris; der Mensch ist der Mensch im All.
Es ist erfreulich, daß heute, nach buchstäblich jahrzehntelanger Unterbrechung, Kürzung der Mittel für die NASA und sehr schlechter Finanzierung der ESA [European Space Agency], die Perspektive der Industrialisierung des Mondes und einer Kolonie auf dem Mars wieder ganz auf der Tagesordnung steht. Wie [der Moderator] Dennis [Speed] gerade erwähnte, sagte Präsident Trump, daß die Vereinigten Staaten bis 2024 einen Mann und eine Frau auf den Mond bringen werden.
Anläßlich dieses 50jährigen Jubiläums haben die Chinesen gerade ihren Chang'e-4-Mondmissionsrover und -lander auf der anderen Seite des Mondes reaktiviert. Heute, ebenfalls auf dieses Datum verschoben, ist eine Sojus-Rakete von Baikonur gestartet, mit einem Russen, einem Amerikaner und einem Italiener, die für die nächste Zeit zur Internationalen Raumstation fliegen. Der Italiener, Luca Parmitano, wird im zweiten Teil dieser Mission Kommandant auf der ISS sein. Er sagte, was wir auf der ISS tun, dient der Erde, der ganzen Menschheit. Die ebenfalls aus diesem Anlaß geplante indische Mission Chandrayaan-2 zum Südpol des Mondes, die das Eis in den Kratern des Mondsüdpols untersuchen wird, wurde etwas verschoben, soll aber im September auf dem Mond landen. Außerdem gratulierte Dmitrij Rogosin aus Rußland, der Chef von Roskosmos, NASA-Chef Jim Bridenstine und lobte die drei ursprünglichen Astronauten – Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins – und alle großen Weltraumpioniere vor ihnen, weil sie es „gewagt hatten, sich auf eine Reise ins Unbekannte zu begeben, um für die gesamte Menschheit die Grenzen der erreichbaren Welt zu verschieben“.
Wenn man über die Weite des Universums nachdenkt, über das, was bisher durch die Bilder des Hubble-Teleskops bekannt ist, so gibt es mindestens zwei Billionen Galaxien. Vor kurzem wurde der Beweis gefunden, daß Einsteins Annahme über Gravitationswellen tatsächlich die Realität ist. Und es konnte auch die Einsteinsche Annahme nachgewiesen werden, daß sich tatsächlich im Zentrum jeder Galaxie Schwarze Löcher befinden, was bedeutet, daß wir in einem relativistischen Universum leben. Das wird sehr deutlich, und dieses letzte Beispiel ist der letzte Beweis, wenn man noch einen brauchte, denn die Darstellung dieser schwarzen Löcher konnte nur erreicht werden, weil acht Länder aus der ganzen Welt ihre Radioteleskope miteinander verbunden haben, um ein solches Bild machen zu können.
Die wichtigste Botschaft lautet daher: Raumfahrt und Weltraumforschung erfordern internationale Zusammenarbeit, Kooperation und nicht Konfrontation. Deshalb sollten wir uns nicht an einem „Wettlauf“ zum Mond oder zum Mars beteiligen. Dies ist die einzigartige Chance, über den geopolitischen Wettbewerb zwischen den Ländern hinauszuwachsen. Wir müssen die Zukunft im Weltraum aus dem Blickwinkel des gemeinsamen Interesses der gesamten Menschheit betrachten.
Es gibt mehrere Gründe für die absolute Notwendigkeit der Raumfahrt und der Erforschung und Kolonisierung des Weltraums. Negativ betrachtet, würde schon ein einziger großer Asteroid ausreichen, um die gesamte Zivilisation und alles, was die schöne Menschheit je hervorgebracht hat, auszulöschen, von den großen Dramen Shakespeares bis zu den großen Kompositionen Beethovens. Deshalb brauchen wir die strategische Verteidigung der Erde, die internationale Zusammenarbeit aller Nationen. Die positive Seite sieht man, wenn man den langen Bogen der menschlichen Evolution betrachtet, wie sich der Mensch in relativ kurzer Zeit (in Anbetracht der Jahre des Universums insgesamt) vom Höhlenmenschen, der Äxte benutzte, um seine Mitmenschen zu töten, entwickelt hat bis hin zu der rationalen internationalen Zusammenarbeit, die wir seit langem auf der ISS sehen. Deshalb ist die internationale Zusammenarbeit im Weltraum die nächste Phase in der Evolution der Menschheit, wo wir uns als menschliche Gattung von rauflustigen Halbstarken zu schönen Seelen im Sinne Schillers entwickeln, wo Freiheit und Notwendigkeit, Pflicht und Leidenschaft ein und dasselbe sind. Oder wie Krafft Ehricke sagte, wo der Mensch vom extraterrestrischen Imperativ geleitet wird.
Die Raumfahrt und Erforschung und Kolonisierung des Weltraums ist entscheidend für das Menschenbild und den kulturellen Optimismus, der die Grundlage für diese Kreativität und die wahre Freiheit des Menschen ist. Sie sind der eindrucksvollste Beweis dafür, daß wir nicht in einem erdgebundenen System mit begrenzten Ressourcen leben. Diese Vorstellung eines erdgebundenen Systems ist die gesamte Grundlage für die Existenz der Umweltschutzbewegung, die sich in jüngster Zeit in eine Bewegung der Weltuntergangs-Hysterie verwandelt hat, die extremen Kulturpessimismus und Verzweiflung verursacht.
Blicken wir 90 Jahre zurück: 1929 drehte Fritz Lang diesen atemberaubenden Film Frau im Mond, der ein schönes polemisches Argument gegen jede Rückständigkeit und Technikfeindlichkeit war. Der wissenschaftliche Berater dieses Films war Hermann Oberth, einer der herausragenden Pioniere der Raketentechnik sowie der Luft- und Raumfahrt. Dieser Film war die Inspiration für viele der Weltraumpioniere, die folgen sollten. Einer von ihnen war der herausragende Krafft Ehricke, der dann wichtige Beiträge zur Atlas-Rakete leistete. Er war der Leiter des Centaur-Programms. Bereits in den 1950er und 60er Jahren entwickelte er eine unglaublich weitsichtige Vision vom Mond als Sprungbrett zur Kolonisierung des Mars und schließlich des gesamten Sonnensystems.
40 Jahre nach Frau im Mond fand dann das Ereignis statt, das wir heute feiern – die Landung von Apollo 11 auf dem Mond. Das bedeutete in der Tat einen großen Sprung für die Menschheit. Aber interessanterweise hat Mike Collins – der Astronaut, der nicht auf dem Mond herumlief, sondern im Orbit blieb – gestern darauf hingewiesen, daß für ihn Apollo 8 eigentlich ein noch größerer Wendepunkt war, weil damit zum erstenmal ein Mensch der Schwerkraft der Erde vollständig entkommen war. Darüber sollte man nachdenken, denn daß es dem Menschen gelungen ist, die Erdoberfläche zu verlassen und ins All zu gelangen, ist keine Selbstverständlichkeit. Das ist bereits der absolute Beweis dafür, daß wir nicht in einem erdgebundenen System leben.
Dieser erste Mensch, der auf dem Mond spazierte, löste damals enormen Optimismus auf der ganzen Welt aus. Aber es war auch sehr klar, daß die internationale Oligarchie über diese Vorstellung nicht erfreut war, denn ihre gesamte Macht basiert auf der Idee, daß sich die Masse der Bevölkerung als Untergebene betrachten und pessimistisch über ihre Zukunft sein soll. So begannen bereits 1964 verschiedene Studien und Umfragen, um „die Auswirkungen von Weltraumprogrammen“ auf verschiedene Bevölkerungsgruppen zu untersuchen. Ein berühmter Bericht (The Second Order Consequences) wurde damals unter der Leitung eines gewissen Robert N. Rapaport, eines Anthropologen der Northwestern University und des Committee on Space, von Raymond A. Bauer u.a. verfaßt. Die These dieses Berichts war, daß das Raumfahrtprogramm einen gefährlichen Ausbruch von kulturellem Optimismus hervorgerufen hatte – dem Glauben, daß kreatives wissenschaftliches Denken jedes Problem auf dem Planeten lösen könnte.
Gegen diesen Optimismus startete die Oligarchie sofort den Club of Rome und dessen Schwindel Die Grenzen des Wachstums, mit der Vorstellung, daß der Mensch an die Erde gebunden sei, daß die Ressourcen begrenzt seien und wir zu einem Nullwachstum übergehen müßten. Gleichzeitig produzierten Harris und Gallup Umfragen, um angeblich zu zeigen, daß die Amerikaner die hohen Ausgaben für die bemannte Raumfahrt ablehnten. Diese Umfragen beeinflußten den Wahlkampf 1970-72. Die Reduzierung der Finanzierung des Raumfahrtprogramms wurde zu einem Wahlkampfthema.
Das alles führte zu einem relativen Stillstand, zumindest was das amerikanische Raumfahrtprogramm betrifft. Als 1985 die Konferenz zu Ehren des gerade verstorbenen Krafft Ehricke stattfand, der inzwischen ein sehr enger Freund und Mitarbeiter des Schiller-Instituts geworden war, gab es daher eine Diskussion zwischen meinem Mann und einigen Konferenzteilnehmern über den Vorschlag, Krafft Ehrickes Idee einer permanenten Kolonie auf dem Mars aufzugreifen. Lyndon LaRouche behandelte das dann in seinem umwerfenden Film The Woman on Mars, dessen Drehbuch er 1987 entwarf und dessen Anfang Sie gerade gesehen haben.
In diesem Film und den dazugehörigen Schriften sagte Lyn im Grunde genommen, daß die National Commission on Space bereits ein Jahr nach der Krafft Ehricke-Konferenz einen Plan verabschiedete, genau das zu tun, nämlich, ein auf Jahrzehnte angelegtes Programm für die Kolonisierung des Mars zu entwickeln, was Präsident Reagan dann unterstützte.
Lyn sagte, das Mars-Kolonisationsprojekt – das war die hoffnungsvolle Vorhersage – würde dann Teil der Rede des nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika zur Lage der Nation im Jahr 1989 sein. Aber dann stellte sich heraus, daß dieser Präsident Bush senior war, deshalb geschah das nicht. Stattdessen spielte Bush eine wesentliche Rolle dabei, nicht nur Lyn, sondern mit ihm auch alle die Ideen, die er vertrat, ins Gefängnis zu sperren.
Lyn hatte in vielen früheren Schriften und The Woman on Mars die schöne Vision entwickelt, bis 2027 eine Kolonie auf dem Mars aufzubauen. Er sagte auch, wenn man das NASA-Programm nach der Apollo-Landung nicht zurückgeschraubt hätte, dann wäre eine Kolonie auf dem Mond bereits 1986 möglich gewesen. Dann definierte er die nächste 40jährige Perspektive, wie man Schritt für Schritt die notwendigen Durchbrüche für diesen Plan erzielt.
Es erfordert einen Durchbruch bei der Kernfusion, denn der Flug zum Mond dauert damit drei Tage, während er mit herkömmlichen Mitteln acht Monate dauert, was der menschliche Körper nicht bewältigen kann. Sie erfordert eine ständige Beschleunigung bis zur Hälfte der Fahrt und dann das langsame Abbremsen im zweiten Teil. Sie erfordert einen Durchbruch bei Lasern und anderen gerichteten elektromagnetischen Impulsen als grundlegendes Werkzeug; die Entwicklung der optischen Biophysik und leistungsfähigerer Computersysteme, höhere Energiedichte auf dem Mars selbst für das Terraforming, die Schaffung von Kuppeln; eine künstliche Atmosphäre; und die zweite Generation der thermonuklearen Fusion.
Lyn entwickelte sechs Phasen:
1. die Industrialisierung des Mondes;
2. autarke Versorgung mit Nahrungsmitteln und Materialien vom Mond;
3. landwirtschaftliche und industrielle Entwicklung;
4. vernetzte Satelliten im Orbit um den Mars;
5. einen kompletten astrophysikalischen Beobachtungskomplex;
6. ein Marsorbit-Weltraumterminal zur Lieferung von Materialien für den Bau einer permanenten Wohnstätte auf der Marsoberfläche.
Lyn dachte zwei bis drei Generationen voraus, mit der Vorstellung, daß dieses Projekt schließlich Zehntausende von Wissenschaftlern und Ingenieuren erfordern würde, um eine solche Kolonie aufzubauen, und schließlich Kolonien auf dem Niveau wichtiger Städte der Erde zu bauen, nämlich Millionen von Menschen.
Das ist im Prinzip der Punkt, an dem wir jetzt stehen. Präsident Trump hat ja angekündigt, bald die amerikanische Flagge auf dem Mars zu hissen. Er versprach auch, daß es sich um eine internationale Zusammenarbeit handeln würde. Das ist es, was China im nächsten Jahr starten wird, um zu testen, ob ein Terraforrming auf dem Mars möglich ist.
Die Chinesen haben bereits ein Modell dieser Marskolonie in der Wüste Gobi, wo die chinesischen Astronauten „landeten“. Es heißt Mars-Basis 1 (Huoxing 1). Das ist eine Modell-Raumstation mit Wohnräumen, Recycling, Anbau von Pflanzen für Lebensmittel. Und in der Nähe entstehen Trainingszentren und Hotels, denn die chinesische Jugend wartet sehr gespannt darauf, sich in die Raumfahrt und Weltraumforschung einzubringen.
Lyn hatte eine Vision von der internationalen Weltraumkooperation, weil sie mehr als alles andere den Funken der Vernunft entwickelt, mit der Idee, daß jede nützliche Idee zum Wohl der ganzen Menschheit beiträgt. Lyn war auch absolut optimistisch über die Idee, daß die Raumfahrt das Gute in den Menschen verstärkt und den moralischen Charakter verbessert. Krafft Ehricke mochte das Schiller-Institut so sehr, weil er erkannte, daß die ästhetische Bildung absolut notwendig ist, damit die Veredelung des Menschen mit dem technischen und wissenschaftlichen Fortschritt Schritt hält. Lyn äußerte sich in verschiedenen Schriften sehr optimistisch, daß die moralische und intellektuelle Entwicklung unserer Enkel und Urenkel im Weltraum von einer viel besseren Qualität sein würde, als wir sie heute leben. Nur durch die Kolonisierung des Mondes, des Mars, des Sonnensystems, kann der Mensch zur unsterblichen Spezies werden.
Es gibt zwei wichtige Erkenntnisse aus den letzten 50 oder sogar 90 Jahren der Weltraumforschung und -entwicklung. Erstens brauchen wir unbedingt eine ausreichende, kontinuierliche Finanzierung, um nie wieder solche Rückschläge zu erleiden, wie wir sie in den letzten 40 Jahren erlebt haben. Und wir brauchen unbedingt eine vereinte Weltraumallianz und internationale Zusammenarbeit und müssen die Konfrontation für immer überwinden.
Jetzt ist der Moment, zu diesem absolut optimistischen Menschenbild zurückzukehren: daß die Menschheit die einzige bisher im Universum bekannte kreative Gattung ist, daß es unsere Aufgabe ist, uns zu mehren und uns nicht nur die Erde, sondern das gesamte Sonnensystem untertan zu machen – und vielleicht auch noch mehr.
Warum sollen wir das tun? Weil wir Menschen sind: Wir haben in uns eine angeborene Güte, eine Fähigkeit zur Agapë, und alles Böse in der Welt ist nur das Ergebnis eines Mangels an Entwicklung, und das werden wir durch die Raumfahrt beheben. Ich danke Ihnen.