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Neue Solidarität
Nr. 26-27, 27. Juni 2019

Flugverbotszonen – Kriegsverbrechen der Internationalen Gemeinschaft?

Von Ulrich Scholz

Oberstleutnant a.D. Ulrich Scholz war Luftwaffenoffizier (Phantom/Tornado-Pilot), NATO-Planer und Dozent für Luftkriegführung und ist heute Berater und Dozent in Angelegenheiten der Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie Coach für Führung und Management mit Schwerpunkt Veränderung. In seinem Internetblog (http://www.kamus-quantum.de/category/verteidigung-und-sicherheit) veröffentlicht er Kommentare zur Sicherheitspolitik, darunter auch den folgenden, den wir mit freundlicher Genehmigung des Verfassers übernommen haben.

Flugverbotszonen sind juristisch und moralisch, ob mit oder ohne UNO-Resolution, ein Kriegsverbrechen. Sie finden, das sei starker Tobak? - Ich finde das auch, und ich weiß, wovon ich rede. Ich habe nämlich in meiner aktiven Zeit als NATO-Luftkriegsplaner Flugverbotszonen geplant und bei der Durchsetzung mitgewirkt und möchte ohne Umschweife vorausschicken: Man kann durch Luftkriegsoperationen Zivilpersonen am Boden nicht schützen! Daß man jetzt wieder eine Flugverbotszone für Syrien ernsthaft diskutiert, zeugt von Naivität, weil nicht informiert, oder von Zynismus, weil gewissenlos. Mit diesem kleinen Beitrag möchte ich die Naiven informieren und die Zyniker bloßstellen. Der Einfachheit halber werde ich in diesem Text die Bezeichnung „Flugverbotszone“ durch das Kürzel des militärischen Fachbegriffs ersetzen: No-Fly Zone = NFZ.

Ich hatte schon zu Beginn des NATO-Luftkrieges gegen Libyen 2011 auf die Verlogenheit von USA und NATO hingewiesen, als die sich unter dem Deckmantel „Responsibilty to Protect“ (Verantwortung für den Schutz von Zivilpersonen) beim UN-Sicherheitsrat eine Resolution für eine NFZ eingeholt hatten. Deutschland hatte sich bei der Abstimmung enthalten. Wir hätten eigentlich dagegen stimmen müssen! Der einzige aktive Widerstand kam vom Abgeordneten der Grünen, Herrn Ströbele.1 Ich hatte diesen darauf aufmerksam gemacht, daß deutsche Planungsoffiziere, die im Hauptquartier der NATO-Luftstreitkräfte für Süd-Europa stationiert waren, auf jeden Fall beim Planungsprozeß mitmachen würden, und das sei nicht verfassungskonform. Auf Anfrage von Herrn Ströbele hatte die Bundesregierung eine Beteiligung deutscher Planungsoffiziere verneint. Herr Ströbele zog vor das Bundesverfassungsgericht und bekam recht. Die Luftwaffenoffiziere mußten aus dem Hauptquartier abgezogen werden. – Gottseidank! – Die Einrichtung der NFZ über Libyen führte nämlich zu einem ausgewachsenen Luftkrieg gegen Libyen, in dessen Verlauf die von amerikanischen, britischen und französischen Spezialkräften unterstützten Rebellengruppen über die libysche Armee die Oberhand gewannen. Der Diktator Gaddafi wurde von einem Rebellen-Mob geköpft und das Land in einen Bürgerkrieg gestürzt, der bis heute andauert. Eine NFZ hatte vielen Tausenden von Menschen das Leben gekostet und das Land zu einem „Failed State“ gemacht. Ein Ende des Leidens der libyschen Bevölkerung ist nicht abzusehen. Politiker und Öffentlichkeit im Westen schauen bis heute weg, und wollen ihre Verantwortlichkeit für die Katastrophe nicht sehen und noch schlimmer: Man hat vor, das Gleiche wieder ablaufen zu lassen.

Unter dem Vorwand „Responsibility to Protect“ planen jetzt die USA, über Syrien eine NFZ einzurichten. Man hat auch schon die Bundesregierung gedrängt, eine solche Flugverbotszone mit Tornado-Kampfflugzeugen (Bombern!) zu unterstützen. Erklärte Absicht der Amerikaner ist, die Kurden und andere Minderheiten in Syrien vor Luftangriffen (der Syrer, der Russen, der Türken?) zu schützen. Es ist (hoffentlich) noch nichts entschieden. Ich möchte in diese Diskussion hineingrätschen und deutlich machen, daß

NFZ – die Theorie

Über einem „Problem“-Land, wird (legaler Weise von der UNO) über einer Region der Luftraum für jeden Flugverkehr gesperrt. Man will verhindern, daß ein Diktator die eigene Bevölkerung aus der Luft terrorisiert bzw. bombardiert. Luftraumüberwachung und Durchsetzung einer NFZ übernimmt ein Land oder ein Bündnis, das die militärischen Fähigkeiten dazu hat und bereit dazu ist. Mit Aktivierung einer NFZ sind rund um die Uhr AWACS-Maschinen in der Luft und überwachen mit ihren Frühwarnradarsystemen das Flugverbot. Gleichzeitig patrouillieren Jagdflugzeuge den Luftraum bzw. stehen am Boden in höchster Alarmbereitschaft.

Bewertung

1. Aufwand. Eine solche NFZ wäre sehr material- und personalaufwendig. Man müßte Jagdflugzeuge und Piloten in dreifacher Stärke einplanen. Während eine Schicht fliegt, macht eine zweite Flugvorbereitung und eine dritte ruht sich vom Einsatz aus. Lange Anflugwege von der Basis in Nachbarländern bis ins Einsatzgebiet würden zusätzlich Tankerflugzeuge benötigen und viel Zeit kosten. Eine schnelle Reaktion auf Luftraumverletzungen könnte nur mit Jagdflugzeugen sichergestellt werden, die sich in der Luft und in der NFZ befinden.

2. Bedrohung. Die für die Überwachung und Durchsetzung der NFZ eingesetzten Flugzeuge wären permanent durch die Frühwarnradars, die Raketenflugabwehr, die Flugabwehr der Bodentruppen und durch die Abfangjäger des Diktators bedroht. Unter einer solchen Bedrohung, die sicher auch eigene Verluste bedeutet, würden weder die USA noch die NATO Luftoperationen durchführen.

Folgerung

Nehmen wir einmal an, daß man bereit ist, für eine NFZ einen Aufwand zu betreiben, wie unter 1. geschildert. Die Bedrohung wäre auf jeden Fall ein „Show-Stopper“. Die kann man nur ausschalten, wenn man vorab die Luftkriegsfähigkeit des Diktators nullt, das heißt de facto, über dem Einsatzland Luftherrschaft herstellt. Dazu müssen großangelegte Luftangriffsoperationen geplant und durchgeführt werden. Ziele wären u.a.: Flugplätze, Flugabwehr, Infrastruktur, Kommunikation, Hauptquartiere, Ausbildungseinrichtungen, Kasernen, Heereseinheiten, Kriegsschiffe usw. Die Zielliste unterscheidet sich für den Luftkriegsplaner kaum merklich von der, die man erstellen würde, um ein Land per Luftkrieg zu besiegen.

Folgerung aus der Folgerung

NFZ-Operationen sind immer Luftangriffsoperationen. Luftangriffsoperationen machen „Friedensstifter“ immer zur Kriegspartei. Wer das nicht begreifen will, ist naiv. Wer das begriffen hat, und trotzdem auf einer NFZ besteht, ist zynisch. Dem geht es nicht darum, Menschen zu schützen, sondern darum, eigene Interessen durchzudrücken (Regime Change z.B.).

Nach Maßgabe von internationalem Recht halte ich die Etablierung einer NFZ für illegal. In Hinblick auf die vielen unschuldigen Menschen, die als Kollateralschäden von Bombenangriffen oder in der Folge von jahrelangem Bürgerkrieg ihr Leben verlieren, halte ich die Einrichtung einer NFZ für ein Verbrechen.

Ein letztes Wort zu „Responsibility to Protect“ (die Verantwortung, zu beschützen). Sie kann aus der Luft allein nicht wahrgenommen, sondern nur unterstützt werden. Die Massenmorde an Bosniern in Srebrenica 1995 und an Jesiden in Syrien 2014 hätte die NATO durch das Eingreifen mit Bodentruppen verhindern können. Ein solcher Einsatz bräuchte keine juristische oder politische Rückversicherung wie eine NFZ. Ein Gewissen hätte gereicht.


Anmerkung

1. Siehe http://www.stroebele-online.de/presse/pressemitteilungen/5044002.html