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Bundeskanzlerin Angela Merkel wartete vier Tage, bis sie sich zu einer Äußerung zum Trump-Putin-Gipfel durchrang; diese war eher neutral gehalten: „Ich finde, daß es wieder zur Normalität werden muß, daß russische und amerikanische Präsidenten sich treffen.“ Immerhin ist das weit entfernt von der Hysterie in den meisten Medien. Aber andere prominente Stimmen in Deutschland bringen die positive Haltung der Mehrheit der Deutschen und Europäer klarer zum Ausdruck.
Der Ökonom Folker Hellmeyer, einer der Redner der internationalen Konferenz des Schiller-Instituts in Bad Soden am 1. Juli, lieferte in seinem täglichen Rundbrief am 20. Juli eine Einschätzung des Dialogs zwischen Trump und Putin. Anders als Präsident Obama, der die Einstellung der Gesprächsformate als Element der geopolitischen Eskalation nutzte, „setzt Trump auf das Gespräch, auf Diplomatie, obwohl ihn die Welt bezüglich der Form seines Auftritts regelmäßig als undiplomatisch etikettiert. Diese Divergenz ist faszinierend und medial zu wenig beleuchtet.“
Trump sei zwar später gezwungen worden, sich von Äußerungen zu distanzieren, aber: „Gestern setzte er seine Linie fort und hat Präsident Putin im Herbst zu weiteren Konsultationen nach Washington eingeladen. Wir begrüßen diese Politik von US-Präsident Trump im höchsten Maße, denn diese Politik ist eine Kampfansage an das neokonservative Establishment, das für die Regime-Change Politik (das ist mehr als vermeintliche Wahlbeeinflussung!) steht und damit für bisher ungeahndete internationale Rechtsbrüche verantwortlich ist.“
Hellmeyer ist kein Anhänger von Trump, besonders nicht von dessen Handelspolitik, erklärt aber anerkennend: „Sich mit dem neokonservativen Establishment, das in beiden Parteien, der US-Administration, den Geheimdiensten und dem US-Medienzirkus fest verankert ist, anzulegen, beinhaltet nicht unwesentliche persönliche Risiken. Fakt ist, daß der Wille zum Frieden und damit für Humanismus (Krieg ist ultimativ inhuman – siehe Afghanistan, siehe Irak, siehe Syrien, siehe Libyen, siehe 1. und 2. WK!) und Prosperität nur über das Gespräch miteinander möglich ist. Vor diesem Hintergrund lieferte Donald Trump in dieser Woche Gründe zuversichtlicher zu sein. Es fühlt sich wie Luxus an, Hoffnungen haben zu dürfen!“
Der Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums, Mathias Platzeck, äußerte sich in einem Interview mit dem Radiosender WDR zufrieden über den Gipfel. „Ich bin froh, daß eine lange Phase der Sprachlosigkeit erstmal beendet ist“, sagte er. Man dürfe nicht vergessen, daß es um die beiden größten Atommächte geht, allein Rußland habe 6200 einsatzbereite Atomsprengköpfe. Deshalb sei das Treffen für die europäische Sicherheit sehr wichtig.
Er begrüßte das Ende der Spirale der Aufrüstung, besonders im Bereich der Kernwaffen, die Sicherheitsgarantie für Israel und die Zusammenarbeit für nukleare Abrüstung Nordkoreas. Auch die Einigung der beiden Präsidenten darauf, die Voraussetzungen für die Rückkehr der Flüchtlinge nach Syrien zu schaffen, sei für Europa wegen der Flüchtlingskrise besonders wichtig.
Die Lage in Syrien hat sich schnell zu einer positiven Lösung hin entwickelt, seit die Regierung Trump letztes Jahr entschieden hat, mit Rußland bei der Ausschaltung der Terrorgruppen zusammenzuarbeiten und zuzulassen, daß die syrische Armee Gebiete zurückerobert, um Sicherheit wiederherzustellen, Versöhnung einzuleiten und den Wiederaufbau zu beginnen. Sehr systematisch geschieht dies im Süden des Landes, in Daraa und auf der syrischen Seite der Golanhöhen, zwei Provinzen, die an Jordanien und Israel grenzen. Berichten zufolge hat Washington Ende Juni die Führung der Freien Syrischen Armee (FSA) wissen lassen, daß sie nicht länger mit Unterstützung rechnen kann, und ihr geraten, sich mit Damaskus friedlich zu einigen.
Danach stiegen viele Fraktionen der FSA in den Versöhnungsprozeß ein und bekämpften die Terroristen von ISIS und Al-Nusra in dem Gebiet, das Teil der „Deeskalationszone“ ist, auf die sich führende russische und US-Militärvertreter geeinigt haben. Rebellen/Terroristen, die sich dem verweigerten, erhielten freien Abzug nach Idlib. In den letzten beiden Wochen ist die syrische Armee mit russischer Luftunterstützung nach Qunaitra im syrischen Teil der Golanhöhen einmarschiert und vertrieb ISIS und Nusra aus vielen Dörfern, bis ihnen nur ein kleiner Streifen Land an der israelischen Grenze blieb. Ohne Israels Unterstützung können sie dem syrischen Angriff nicht mehr lange standhalten.
Die jüngsten Moskaubesuche (wenige Tage vor dem Trump-Putin-Gipfel in Helsinki) von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Irans Ali Akbar Velayati, dem engsten Berater des Staatsführers Ali Chamenei, standen offensichtlich im Zusammenhang mit der Lage in Syrien. Das Resultat dieser Gespräche mit Putin sowie seines Treffens mit Trump ist offenbar, daß Israels Sicherheit garantiert wird, indem iranische Kämpfer und die mit ihnen verbündete libanesische Hisbollah aus Syrien abziehen, mindestens aus den Landesteilen, die nahe bei Israel liegen. Im Gegenzug soll Israel dafür seine Unterstützung der Terrorgruppen und seine häufigen militärischen Angriffe gegen Syrien einstellen. Dann kann Netanjahu für sich den Erfolg verbuchen, daß die Iraner abziehen müssen, und die Iraner können es als ihren Sieg verbuchen, wenn alle von Terroristen gehaltenen Gebiete in Daraa und Qunaitra befreit sind.
Die beiden anderen aktiven Kampfzonen sind Idlib im Nordwesten an der türkischen Grenze sowie Hasakeh im Nordosten an der Grenze zur Türkei und dem Irak. Mehrere Terroristengruppen und von den USA und der Türkei geförderte Rebellen, darunter die FSA, beherrschen große Teile Idlibs. Auch zehntausende Terroristen, die am Versöhnungsprozeß in anderen Landesteilen nicht teilnehmen wollten, wurden dorthin gefahren. Viele dieser Gruppen bekämpfen sich gegenseitig, Morde und sogar Massaker sind an der Tagesordnung.
Alles spricht dafür, daß dort das gleiche geschehen wird wie im Süden Syriens; die Türkei wird gezwungen sein, die von ihr kontrollierten Fraktionen wie Ahrar Al-Sham und die FSA zu einer Einigung mit der syrischen Regierung zu bewegen, alle anderen werden eliminiert. Ein Berater des syrischen Versöhnungsministers, Ahmed Munir, so RT Arabic am 19.7., viele Clans und Dörfer hätten Abgesandte zur Regierung und zum russischen Aussöhnungszentrum am Hmaimim-Flughafen in Latakia geschickt, um einen Versöhnungsprozeß einzuleiten und dem Staat die Kontrolle über die Städte zurückzugeben, damit Sicherheit und öffentliche Dienstleistungen wiederhergestellt werden.
Die Ausschaltung der Terroristen in Idlib wird weitaus gewalttätiger vor sich gehen als im Süden, weil sich viele Kämpfer auf engem Raum aufhalten und ihnen kein Fluchtweg bleibt, so daß sie bis zum bitteren Ende kämpfen müssen. Allerdings hat die syrische Armee es offenbar nicht eilig, mit dieser Operation zu beginnen, bevor der Süden ganz gesichert ist.
Die meisten beteiligten Parteien gelangen offenbar zu der Erkenntnis, daß eine Lösung für den tragischen, sieben Jahre langen Krieg in ihrem eigenen Interesse ist und daß die verbesserte amerikanisch-russische Zusammenarbeit zur Versöhnung und zur Rückkehr der Flüchtlinge beiträgt.