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Neue Solidarität
Nr. 28, 12. Juli 2018

Das Zusammenfallen der Gegensätze – die Welt von Morgen

Von Helga Zepp-LaRouche

Meine Damen und Herren, liebe Freunde des Schiller-Instituts!

Nach dem historischen Gipfeltreffen zwischen Präsident Trump und dem Vorsitzenden Kim Jong-un, das die Welt überraschte, hatte ich den Vorschlag gemacht, daß man mit diesem Modell eine feindselige Beziehung – und wir standen tatsächlich am Rande eines möglichen globalen Kriegs – in das genaue Gegenteil, nämlich Kooperation, verwandeln kann, wenn es den guten Willen dazu gibt und die Großmächte zusammenarbeiten. In diesem Fall haben die Vereinigten Staaten, China und Rußland im Hintergrund zusammengewirkt, damit der Gipfel möglich wurde.

Ich schlug deshalb vor, daß der EU-Gipfel, der jetzt gerade zu Ende gegangen ist, nur einen Tagesordnungspunkt haben sollte, nämlich die Entwicklung Afrikas durch die Neue Seidenstraße. Die EU sollte dazu den chinesischen Präsidenten Xi Jinping und etwa sechs Staatschefs afrikanischer Länder, die bereits mit China zusammenarbeiten, einladen und ein Crashprogramm zur Industrialierung Afrikas verkünden, um so die Neue Seidenstraße auf alle diese Länder auszudehnen.

Aufgrund der Anwesenheit von Präsident Xi Jinping, der in Afrika einen sehr guten Ruf genießt, hätte dies absolute Glaubwürdigkeit und bedeutete, daß man es ernst meint. Alle jungen Menschen in Afrika erhielten so die Hoffnung, daß sie sich am Aufbau ihrer Länder beteiligen können. Für Europa wäre dies der einzige menschenwürdige Weg, die Flüchtlingskrise zu lösen.

Mein Vorschlag wurde in zehn oder mehr Sprachen übersetzt – die meisten europäischen Sprachen, russisch, chinesisch, japanisch, koreanisch – und erhielt international eine weite Verbreitung. Hatte ich geglaubt, daß dies ein realistisches Programm für die EU wäre? Sicherlich nicht. Aber ist dies die  richtige Idee, die unbedingt vorangebracht werden sollte? Ja. Schließlich ließe sich ein solcher Gipfel von einer Kombination von Ländern jederzeit einberufen. Auch auf der UN-Generalversammlung im September könnte darüber diskutiert werden.

Inzwischen wurde zwischen Präsident Putin und Präsident Trump ein weiterer Gipfel bestätigt, der am 16. Juli, nach dem NATO-Treffen, in Helsinki stattfinden soll. Ein Thema wird wahrscheinlich eine amerikanisch-russische Absprache über die Zukunft Syriens sein, vielleicht sogar ein umfassender Plan für Südwestasien. Außerdem wird darüber gesprochen werden, daß man eine globale nukleare Abrüstung braucht, was der russische UN-Botschafter Antonow gegenüber den Vereinigten Staaten geltend machte. Gleichzeitig stellte Präsident Putin jedoch klar, daß er für eine globale Denuklearisierung von einer Position der Stärke eintrete, denn auf einer Pressekonferenz im Kreml am 1. März hatte er gesagt, Rußland sei bei einigen Waffensystemen dem Westen um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte voraus. Inzwischen haben sich bereits die Generäle Dunford und Gerasimow in Helsinki getroffen, um den Gipfel vorzubereiten.

Das neoliberale Establishment des Westens ist darüber völlig entsetzt. Die Welt und die Londoner Times sprachen von einer „apokalyptischen Entwicklung“. Besonders entsetzt ist man über die Möglichkeit, daß Trump die US-Truppen in Europa reduzieren könnte – was offensichtlich eine gute Sache wäre, aber die geopolitische Fraktion geriet über diese Frage völlig außer Kontrolle.

Die Reaktion des Westens auf etwas, was jede friedliebende Person begrüßen würde, nämlich daß sich die Beziehung zwischen den Großmächten – China, Vereinigte Staaten und Rußland – verbessern, zeigt, daß etwas anderes erforderlich ist: Wir brauchen ein ganz neues Paradigma im Denken, wenn es um die Beziehungen zwischen den Nationen geht.

Das Drama der Flüchtlingskrise

Kommen wir jetzt zur Flüchtlingskrise zurück. Nach Angaben des Jahresberichts des UN-Flüchtlingswerks, in dem Ende 2017 die globalen Trends veröffentlicht wurden, gab es 68,6 Mio. Vertriebene auf der Welt, das ist fast die Größe der deutschen Bevölkerung. 2017 gab es 16,2 Mio. neue Flüchtlinge: 44.500 neue Flüchtlinge jeden Tag oder 1 Person jede Sekunde. Wir sollten dabei bedenken, daß jedes einzelne dieser Individuen Menschen sind, wie ich und Sie alle hier im Raum. Das sind keine abstrakten Zahlen, sondern dies sind Menschen wie Ihr Nachbar, Ihr Freund, Ihre Angehörigen.

Die EU hat auf ihrem jüngsten Treffen eine Vielzahl sehr vager Beschlüsse gefaßt; so sollen Auffanglager entstehen, Frontex wird militarisiert und ähnliche Maßnahmen, die sämtlich so barbarisch wie unausführbar sind. Die EU-Außengrenzen sollen geschlossen werden, Frontex soll ein robustes Mandat erhalten und viel Geld soll ausgegeben werden. EU-Parlamentspräsident Tajani verlangte, daß man 6 Mrd. Euro ausgeben sollte, allein um das Mittelmeer vor Libyen zu schließen. Ex-NATO-General Egon Romms forderte sogar ein Bundeswehrmandat, um Frontex zu unterstützen. Andere wollen, daß die NATO eingeschaltet wird. Auffanglager sollen zunächst auf europäischem Boden, später auch in Afrika eingerichtet werden.

Das Problem dabei ist jedoch, daß keines der betroffenen Länder solche Lager haben will, weder Ägypten noch Libyen, Marokko, Tunesien oder Algerien. Auch die Albaner und Mazedonier wollen sie nicht. Libyen will solche Lager südlich seiner Grenzen in Ländern wie Niger und Mail einrichten, wo es keinerlei Infrastruktur gibt – dort ist nur Wüste.

Nach einem Bericht im deutschen Fernsehen hat die algerische Regierung 13.000 Flüchtlinge ohne Nahrung und Wasser, ohne Handys oder Geld zurück in die Sahara geschickt. Bei 48°C mußten die Menschen zu einem kleinen Dorf in Niger wandern. Es waren schwangere Frauen und Kinder darunter, viele von ihnen wurden nicht mehr wieder gesehen. Die algerische Regierung hat abgestritten, daß dies wahr sei. Es mag stimmen oder nicht – in unserer Welt von fake news weiß man das nie.

Aber ich bin mir sicher, daß dies immerzu passiert. Die Menschen wandern durch die Sahara, sterben, und niemand berichtet darüber. Papst Franziskus verglich diese Lager, zum Beispiel in Libyen, über die die Regierung keinerlei Kontrolle hat, wo die Menschen gefoltert, vergewaltigt, verstümmelt und als Sklaven verkauft werden, mit Konzentrationslagern, die jenen in Nazi-Deutschland während des Zweiten Weltkriegs gleichkommen.

Natürlich hat jeder Staat das Recht, seine Grenzen zu schützen, aber man kann nicht das Recht auf Leben, das Recht auf Asyl und das Elend der Flüchtlinge einfach ignorieren. Der albanische Ministerpräsident Edi Rama wird keine solchen Lager dulden; er ist dagegen, daß Menschen, die niemand will, wie Giftmüll abgeladen werden. Albanien will nicht der Wellenbrecher für die Flüchtlinge sein.

Wenn man sich die Flüchtlingsdebatte in Europa anschaut, und in den letzten Tagen gab es viele davon, so fragt man sich: Wo sind die „westlichen Werte“, wo ist die „Demokratie“ geblieben? Was man bei der Flüchtlingskrise sieht, ist die Verletzung der grundlegendsten Menschenrechte – das Recht auf Leben, das Recht auf Asyl – vor den Augen der Weltöffentlichkeit.

Dem liegt eine grundlegende Änderung in unserem Menschenbild zugrunde, was der russische Außenminister Lawrow einmal als „postchristliche Werte“ beschrieben hat – eine vollständige Abstumpfung von Empfindung, ein vollständiger Verlust der Achtung für die Unantastbarkeit menschlichen Lebens. Einige der schlimmsten Hardliner der sogenannten christlichen Parteien sprechen von „Asyltouristen“ oder „Flüchtlings-Shuttleschiffen“, was eine pathologische Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden und Sterben von Menschen ausdrückt.

Der Niedergang des Westens

Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte Konrad Adenauer die CDU ausdrücklich als christliche Partei mit christlichen Werten als Bollwerk aufbauen, damit sich die Greuel der Nazis nie wiederholen würden. Heute spricht der Spiegel von „Faschismus“, wenn es um Präsident Trump geht; aber dessen Politik unterscheidet sich in nichts von der der EU. Wie ist das möglich?

Dazu müssen wir zu dem Paradigmenwandel zurückkehren, der sich im Westen vollzogen hat. Schritt für Schritt sind wir von dem, was Adenauer meinte, zu der Nullwachstums-Ideologie übergegangen, wie sie vom Club of Rome, dem World Wildlife Fund und der Umweltbewegung vertreten wird. Danach leben wir in einer Welt mit begrenzten Ressourcen und einem geschlossenen System; darin ist jeder Mensch eine Belastung für die Natur. Die weitere Eskalation kam mit der völligen Deregulierung der Märkte, der zunehmenden Macht der Wall Street und der City of London, der Vorherrschaft des neoliberalen Dogmas, daß die Märkte die oberste Autorität noch über Gott sind. Die Rolle des Staates war nicht mehr, das Gemeinwohl zu schützen, sondern die Rechte der Banken und Spekulanten durchzusetzen.

Das sah man besonders nach 2008, mit der vollständigen Deregulierung des Finanzsystems, das zum Selbstbedienungsladen für die Reichen auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung wurde. Das Gemeinwohl wurde zusammengestrichen, sämtliche Bereiche des Lebens und der Wirtschaft wurden privatisiert, und die Ungleichheiten stiegen dramatisch an.

Der Mensch wurde zum Gegenstand von Kosten-Nutzen-Analysen; es verbreitete sich die Vorstellung, daß es keine wißbare Wahrheit mehr gebe, nur noch postfaktische Meinungen, nach denen die gesamte Realität dem Wettbewerbsmodell der Wirtschaft unterworfen wird. Selbst die Demokratie mußte den Märkten angepaßt werden. Frau Merkel hat ja einmal gesagt, daß wir zwar in einer Demokratie leben, die aber müsse marktkonform sein. Nach den jüngsten Wahlen in Italien sagte außerdem EU-Kommissar Oettinger, der über den Wahlsieg von Lega und Fünfsternepartei erbost war: „Die Märkte werden den Italienern schon lehren, wie sie zu wählen haben“ – was die völlige Arroganz des neoliberalen Establishments zeigt. Dieses ist völlig unfähig, die Ursachen für den Niedergang des westlichen Modells zu erkennen. Für diesen Niedergang sind nicht China oder Putin verantwortlich, sondern einzig und allein die Politik des Westens.

Als die Sowjetunion 1989-90 die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands zuließ, gab es die Möglichkeit, eine ganz andere Richtung einzuschlagen. Und nach dem Zerfall der Sowjetunion gab es die Chance auf eine Friedensordnung für das 21. Jahrhundert, denn ein Block hatte sich aufgelöst, und es gab keinen Feind mehr.

Schon 1988 hatte mein Ehemann Lyndon LaRouche – in weiser Voraussicht des baldigen Endes der Mauer – die schnelle Wiedervereinigung Deutschlands mit Berlin als Hauptstadt vorhergesagt und vorgeschlagen, Polen als Modell für den gesamten Comecon mit westlichen Technologien zu entwickeln. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion schlugen wir dann vor, das sogenannte Produktive Dreieck Paris-Berlin-Wien nach Eurasien auszudehnen. Wir nannten dies die Eurasische Landbrücke – das, was heute zur Neuen Seidenstraße wird.

Schon früher hatte Lyndon LaRouche eine Internationale Entwicklungsbank und einen Oasenplan für Südwestasien vorgeschlagen; er arbeitete mit Lopez Portillo bei einem Integrationsplan für Lateinamerika, genannt Operation Juarez, zusammen. Wir arbeiteten mit Indira Gandhi an einem 40-Jahresplan für Indien, wir arbeiteten an einem 50-Jahresplan für das Pazifische Becken. Außerdem hat mein Ehemann die Strategische Verteidigungsinitiative entworfen – die etwas ganz anderes war, als die Medien sie darstellten und bei der es auch um einen gigantischen Technologietransfer in den Entwicklungssektor ging.

Wenn das neoliberale Establishment das Lebenswerk von Lyndon LaRouche gewürdigt hätte, wäre Afrika heute, das kann ich Ihnen versichern, ein blühender Kontinent, und die Welt sähe ganz anders aus. Statt dessen sagte man sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion: „Okay, der Kommunismus ist jetzt besiegt, dann können wir jetzt eine unipolare Welt aufbauen – das Projekt für ein Neues Amerikanisches Jahrhundert. Unterziehen wir Rußland einer Schocktherapie und tauschen wir alle Regierungen, die sich dem widersetzen, durch Farbrevolutionen aus. Weg mit dem Glass-Steagall-Gesetz, und wir erfinden Lügen, um humanitäre Interventionskriege zu führen.“

All das führte zu der Flüchtlingskrise im Nahen Osten und zur Verarmung des Entwicklungssektors und auch von Südeuropa. Das ist die westliche Politik der letzten 20-30 Jahre, mit dem Ergebnis, daß das westliche System jetzt kollabiert. Es kam zur Revolte von innen: der Brexit, die Wahl Trumps, die Wahlen in Österreich, die Rebellion der Visegrád-Staaten in Mittel- und Osteuropa. Wenn es jetzt zu einer Merkelschen Lösung all dieser Probleme kommt, ist das völlig jenseits jeder Realität. Man wird sehen, was passiert, denn das Ergebnis des eben beendeten EU-Gipfels ist sehr vage; alles ist freiwillig, und es wird viele bilaterale Verhandlungen geben. Man muß abwarten, ob Herr Seehofer dies akzeptabel findet, denn vor dem Gipfel erklärte er, wenn die CSU vor Merkel kapituliere, könne sie das Requiem zu singen anfangen. Es wäre zwar ein riesiger Fortschritt, wenn die CSU endlich einmal klassische Musik sänge, aber Seehofer dachte dabei an die anstehenden bayerischen Landtagswahlen.

Man wird wahrscheinlich versuchen, die Dinge noch einmal zu retten, aber das führt zu nichts – vor allem deshalb, weil die Gefahr eines neuen Finanzkrachs droht; sämtliche Finanzparameter sind etwa 40% schlechter als 2008. Der Schuldenstand, besonders bei den Unternehmen, und die Level-3-Derivate stehen alle 40% schlechter. Es besteht deswegen die Gefahr eines Absturzes ins Chaos.

Vor ein paar Tagen beschlossen die Verteidigungsminister von neun EU-Ländern, eine europäische Eingreiftruppe zu schaffen, um mit den Krisen auf der Welt umzugehen – eine ziemliche Anmaßung, wenn man es noch nicht einmal schafft, die gesamte EU hinter einem solchen Ansatz zu vereinigen. All das zeigt indes, daß von der EU und vom Westen insgesamt keine positive Initiative ausgeht, um die strategischen Probleme auf der Welt anzugehen.

Die ganz andere Perspektive

Aber es gibt eine ganz andere Politik und Perspektive. Vor fast fünf Jahren hat Präsident Xi Jinping die Neue Seidenstraße auf die Agenda gesetzt, als Mittel zur Wiederbelebung der antiken Seidenstraße, die dem Austausch von Gütern, Kulturen und Technologien diente und das Leben aller beteiligten Länder verbesserte. Inzwischen ist die Neue Seidenstraße, auch Belt and Road Initiative genannt, zum größten Infrastrukturprojekt der Welt geworden. Nach Darstellung des chinesischen Außenministers Wang Yi sind daran bereits 140 Länder beteiligt, die auf einer Win-Win-Basis zusammenarbeiten. Sechs große Korridore in Eurasien werden realisiert sowie Hunderte Projekte in Afrika, Lateinamerika und Asien – Bahnstrecken, Industrieparks, Wasserkraft.

Aber das ist nicht nur ein Wirtschaftsprogramm. Präsident Xi nennt dies eine „Gemeinschaft für die gemeinsame Zukunft der Menschheit“ – ein völlig neues Modell von Beziehungen zwischen Nationen, die sich eine Win-Win-Perspektive teilen, ihre nationale Souveränität und die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des anderen achten. Das ist ein ganz anderes soziales System.

Auf dem 19. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas entwickelte Xi Jinping eine weltweit beispiellose Vision für die nächsten 35 Jahre. Bis 2020 soll in China sämtliche Armut verschwunden sein. Nachdem China bereits 700 Mio. Menschen aus der Armut befreit hat, betreibt die Regierung jetzt ein gigantisches Programm, um sich um jeden einzelnen Haushalt zu kümmern, der noch in Armut lebt, und man kann absolut sicher sein, daß ihnen dies gelingt. Bis 2025 will China in mehreren Bereichen der Wissenschaft und Technologie führend sein. Bis 2035 soll China ein vollständig modernisiertes sozialistisches Land sein, und bis 2050 ein großes, modernes Land, blühend, stark, demokratisch, kulturell entwickelt, harmonisch und schön, wo Reichtum für jeden verfügbar ist. Die Chinesen werden glücklicher und sicherer leben und ein aktives Mitglied der Weltgemeinschaft sein.

Es ist außerdem für alle Parteimitglieder absolut verpflichtend, sich dem Gemeinwohl zu widmen, dem höchsten moralischen Standard zu folgen und sich mit ganzem Herzen für die Verbesserung des Lebensstandards der ganzen Bevölkerung einzusetzen. Xi Jinping berief sich auf die reiche kulturelle Tradition von 5000 Jahren und die wichtigen Beiträge, die China für die universelle Entwicklung der Menschheit gemacht hat. Er nannte es den chinesischen Traum, einen Beitrag dafür zu leisten, daß die gesamte Menschheit ein glücklicheres Leben führen kann, und daß wir eine schönere Welt schaffen.

Die chinesische Wirtschaft basiert auf Innovation, das politische System auf einer Meritokratie. Das gilt nicht nur für China selbst, denn China stellt den Entwicklungsländern die modernsten Technologien zur Verfügung, besonders im Bereich der Kernenergie, und es bietet allen die Kooperation bei der Weltraumforschung an.

Dieses chinesische Modell der Neuen Seidenstraße ist offenbar sehr viel attraktiver. Nach Jahrzehnten des Kolonialismus und der berüchtigten Auflagen von IWF und Weltbank vergibt China heute an Afrika und andere Entwicklungsregionen billige Kredite und sogar Zuschüsse. Zum ersten Mal kommt in vielen Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Asiens die Hoffnung auf, daß Armut und Unterentwicklung überwunden werden können und Arbeitsplätze für junge Menschen entstehen.

Die verschiedenen westlichen Denkfabriken, die den Fortschritt der Neuen Seidenstraße mehr als vier Jahre lang arrogant ignoriert haben, sind nun plötzlich aufgewacht und beobachten die unglaubliche Dynamik dahinter. Auf einmal tauchen zahlreiche entrüstete Artikel auf, die behaupten, China verfolge ganz andere Interessen, China sei ein autoritäres System usw.

Wenn man Leute im Entwicklungssektor fragt, denken sie genau das nicht. Sie denken, China gebe ihnen zum ersten Mal Hoffnung. Das Problem ist, daß die neoliberalen Eliten die Welt durch die geopolitische Brille sehen und sie darauf ihre eigenen Intentionen projizieren. Da ihre eigene Politik neokolonialistisch ist, können sie sich gar nicht vorstellen, daß es auf diesem Planeten ein Land gibt, das sich um das Gemeinwohl der gesamten Weltbevölkerung kümmert.

Konfuzius und Cusa studieren

Wenn China von einem Sozialismus mit chinesischen Charakteristiken spricht, gehe ich persönlich davon aus, daß sich dies vor allem auf die 2500 Jahre des Konfuzianismus bezieht, der in China die vorherrschende Philosophie ist, ausgenommen nur die zehn Jahre der Kulturrevolution. Es ist unbedingt erforderlich, Konfuzius zu studieren, denn er vertritt ein Menschenbild, das dem alten Humanismus, den wir einmal in Europa hatten, sehr nahe kommt. Der Konfuzianismus vertritt die Idee des lebenslangen Lernens, und jeder Mensch hat das Potential, ein Junzi zu werden, was im wesentlichen ein Weiser bedeutet. Dahinter steht die gleiche Idee wie die schöne Seele von Friedrich Schiller: Wenn man sich durch lebenslanges Lernen entwickelt, gibt es Harmonie in den Familien. Wenn jeder sein gesamtes Potential umsetzen kann, ermöglicht dies Harmonie im Staat und Harmonie unter den Staaten.

Das geopolitische Establishment und die meisten normalen Bürger im Westen sind völlig unfähig, sich das auf der konfuzianischen Philosophie basierende Win-Win-Konzept vorzustellen, denn sie haben nur ein Nullsummenspiel im Kopf – einer gewinnt, der andere verliert.

Es gibt einen westlichen Philosophen, der der beste Pädagoge ist, um uns beizubringen, anders zu denken, und das ist Nikolaus von Kues mit seinem Konzept der coincidentia oppositorum – des Zusammenfalls der Gegensätze. In China ist er nicht bekannt; ich habe nur einen Professor für vergleichende Religion gefunden, der ihn kennt. Dabei war Nikolaus von Kues nicht nur ein religiöser Mensch, er war der Begründer der modernen Wissenschaftsmethode des souveränen Nationalstaats, des repräsentativen Systems, und auch wenn viele seine Argumente aus dem religiösen Bereich abgeleitet sind, haben sie dennoch eine ungeheure philosophische und wissenschaftliche Bedeutung.

Auf der Rückreise von Konstantinopel 1437-38, auf der er die Delegation der griechischen orthodoxen Kirche zu den Konzilen von Ferrara und Florenz begleitete, hatte er, so schreibt er, eine plötzliche Eingebung, die ihn alle Fragen in einem ganz anderen Licht sehen ließ, nämlich den Zusammenfall der Gegensätze. Das richtete sich direkt gegen Aristoteles, der immer argumentiert hatte, daß widersprüchliche Äußerungen nicht gleichzeitig wahr sein könnten. Cusa schrieb, daß dies das gemeinsame Axiom der gesamten bisherigen Philosophie gewesen sei, und Aristoteles habe dies nur am ausdrücklichsten formuliert. Dann zitiert er Philo von Alexandria, der sagte, die Logik des aristotelischen Denkens stehe auf keiner höheren Ebene als die Ratio der Tiere.

In einer sehr wichtigen Schrift mit dem Titel Apologia doctae ignorantiae („Verteidigung der belehrten Unwissenheit“), einer Gegenschrift gegen den Scholastiker Johannes Wenck, beschreibt Cusa, warum der Aristotelianismus eine mangelhafte Denkmethode ist, die nur zu einem methodologischen Hin und Her fähig sei. In seiner De Docta Ignorantia schreibt er:

In einer anderen Schrift mit dem Titel De Visione Dei („Vom Sehen Gottes“) entwickelt er eine Pädagogik, wie man den Geist erziehen kann, um im Sinne der coincidentia oppositorum zu denken  und so die geistige Mauer zu überwinden, hinter der sich die Ebene der Vernunft verbirgt. In De Docta Ignorantia spricht Nikolaus vom spirit universorum, der Religionen, Länder und Völker vereint, die alle Elemente der Unterscheidung sind, aber das Universum als Ganzes ist der vollkommenste Ausdruck für die Vorbedingung allen Seins.

Quodlibet in quolibet ist ein berühmter Satz des Nikolaus: „Alles hat Teil an allem“. Für die politische Ordnung bedeutet dies, die Vielfalt der Menschen läßt sich einbeziehen, ohne ihre besondere Identität zu verletzen, wegen der Gesamtheit der Ordnung, die es bereits gibt. Nach Nikolaus ist jeder Mensch ein Mikrokosmos, der in Keimform den gesamten Makrokosmos auf komplexe, unausgefaltete Weise in sich birgt, was sehr stark dem Monadenkonzept von Leibniz entspricht. Nach dieser Philosophie ist eine Friedensordnung nur möglich, wenn sich alle Mikrokosmen auf bestmögliche Weise entwickeln, daß die Entwicklung des anderen das reziproke Eigeninteresse eines jeden ist, damit Harmonie funktioniert.

Wenn man eine Lösung für die politischen Probleme von heute finden will, muß man im Sinne der coincidentia oppositorum denken; man muß zuerst an die gemeinsamen Ziele der Menschheit denken, denn das Eine hat eine höhere Ordnung als die Größe des Vielen. Deswegen erfordern Selbstvervollkommnung und Veredlung eine Zunahme der relativen potentiellen Bevölkerungsdichte als Vorbedingung für die Existenz zukünftiger Generationen.

Mein Ehemann Lyndon LaRouche hat in zahlreichen Schriften bewiesen, warum eine Zunahme der relativen potentiellen Bevölkerungsdichte und eine ständige Zunahme der Energieflußdichte zwingend erforderlich sind. Auf jedem gegebenen Technologieniveau erreicht man irgendwann einen Punkt, wo sich die Ressourcen und Kosten erschöpfen. Dies erfordert ständige qualitative Durchbrüche im Wissen über die physikalischen Prinzipien des Universums, eine ständig höhere Arbeitsteilung und immer mehr kreative Köpfe, die sich am grenzenlosen Fortschritt der Menschheit beteiligen.

Der spirit universorum ist heute die Neue Seidenstraße

Heute existiert der spirit universorum in Form des Geistes der Neuen Seidenstraße. Die Gemeinschaft der Nationen als Grundlage für das Gemeinwohl aller ist der einzige Weg, die Probleme von heute anzugehen. Diesen Geist spürt man in Asien, Lateinamerika und Afrika und auch in immer mehr europäischen Ländern. Nikolaus von Kues hat in einer Predigt zum Dreikönigsfest in Brixen am 6. Januar 1456 – von Kommentatoren eine „Hymne auf die Zivilisation“ genannt – die Künste und die Naturwissenschaften als großes Geschenk an die Menschheit bezeichnet, an dem sich jeder beteiligen müsse, so daß die Entwicklung nicht eines einzigen Menschen verlangsamt werde. Genau das ist die Rolle der Neuen Seidenstraße heute.

Der Geist der Neuen Seidenstraße hat den Gipfel von Singapur möglich gemacht, und in diesen Tagen finden weitere Gipfeltreffen statt, auf denen über den Bau von Eisenbahnstrecken entlang der West- und bald auch der Ostküste Nordkoreas gesprochen wird, wodurch Süd- und Nordkorea Anschluß an die chinesischen Transportkorridore und die Transsibirische Eisenbahn finden. Präsident Trump hat zugesichert, daß Nordkorea bald ein reiches Land sein werde, und China und Rußland sicherten ebenso zu, dabei eine wichtige Rolle zu spielen. In der chinesischen Global Times hieß es: „Die geographische Lage Nordkoreas prädestiniert das Land für eine Integration in die Belt and Road Initiative“, und das werde viel schneller geschehen, als man sich das vorstellen könne.

Wir schlagen vor, den gleichen Ansatz auch für Afrika zu verfolgen; statt einer Militarisierung der Flüchtlingspolitik brauchen wir einen Plan für die Neue Seidenstraße. Wenn die EU Milliarden von Euros für Lager und die Festung Europa ausgeben will, sollten wir dieses Geld lieber für Kredite zur Industrialisierung, die grundlegende Infrastruktur, für Wasserprojekte, Schnellbahnen, Magnetbahnen, Gesundheits- und Erziehungseinrichtungen, Raumfahrtprogramme und den Bau neuer Städte auf Grundlage modularer urbaner Entwicklung ausgeben. Wenn sich alle europäische Länder mit China, Indien, Japan und auch den Vereinigten Staaten zusammentun, um all dies mit den afrikanischen Staaten anzugehen, die Teil eines solchen Crashprogramms sein wollen, können wir eine Wende in der Flüchtlingskrise schaffen.

Dieser Ansatz erfordert eine leidenschaftliche Liebe für die Menschheit. Genauso hat sich der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed auf einer jüngsten Massenversammlung vor einer halben Million Menschen ausgedrückt, kurz bevor es zu einem Mordanschlag gegen ihn gekommen war: „Der einzige Weg, sich angesichts der ganzen Geschichte vorwärts zu bewegen, ist Vergebung und Liebe. Rache ist für die Schwachen. Und da die Äthiopier nicht schwach sind, brauchen wir keine Rache. Wir werden mit Liebe gewinnen.“

Handeln wir also entsprechend. Die Welt befindet sich in einem unglaublichen Aufruhr. Es ist sehr komplex, und ich glaube nicht, daß sich die Probleme durch noch so viele Einzellösungen überwinden lassen. Wir brauchen eine höhere Ebene der Vernunft, die die gesamte Menschheit vereint. Ich denke, wir haben das Ende einer Epoche, das Ende der Geopolitik erreicht. Wir müssen das neue Paradigma verwirklichen, d.h. im Sinne des Zusammenfalls der Gegensätze denken – dem, was Xi Jinping eine „Gemeinschaft der gemeinsamen Zukunft der Menschheit“ genannt hat. Wenn Europa überleben will, müssen wir die europäischen Länder dafür gewinnen.