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Von Harley Schlanger
Der 19. Parteitag der Chinesischen Kommunistischen Partei begann am 18. Oktober mit einer beeindruckend optimistischen Rede von Präsident Xi Jinping. Er beschrieb darin eine ehrgeizige Strategie für den weiteren Fortschritt der chinesischen Volkswirtschaft als Beitrag zur Verwirklichung der „gemeinsamen Bestimmung der Menschheit und von dauerhaftem Frieden und Stabilität“ auf der Welt. Xi erläuterte, wie China auf seinen außerordentlichen Fortschritten bei der Armutsbekämpfung aufbauen wird: Bis 2020 werde die Armut in ganz China überwunden und bis 2035 das ganze Land vollständig modernisiert sein. Die treibende Kraft ist dabei der Ausbau der Neuen Seidenstraße zu einer Weltlandbrücke, mit Chinas Gürtel- und Straßen-Initiative (BRI) im Mittelpunkt, aber Xi sprach auch über das Denken hinter dieser Strategie, wozu auch gehöre, den wissenschaftlichen Forschergeist und die klassische Kultur zu fördern, um China zu einer „Innovationsgesellschaft“ zu machen.
Die Vorsitzende des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, die schon sehr früh für die Neue Seidenstraße geworben hat und heute regelmäßig in chinesischen Medien zu Gast ist, um ihre Analyse dieses Prozesses darzulegen, beschrieb die Wirkung der chinesischen Politik als die „entscheidende, unaufhaltsame Dynamik auf der Welt“.
Um diesen „Geist der Seidenstraße“ auch einem westlichen Publikum zu vermitteln, veranstaltet sie seit kurzem ein wöchentliches Internetforum in englischer Sprache (siehe newparadigm.schillerinstitute.com), um der falschen Darstellung von Chinas Politik und Xi Jinpings Führung in den Medien der transatlantischen Welt entgegenzuwirken, wo man nur selten ehrliche Berichte über Chinas spektakuläre Errungenschaften und seine Ziele für die Zukunft findet.
„Die meisten Menschen wissen immer noch nicht, daß wir an einer Wegscheide der Geschichte stehen“, sagte Zepp-LaRouche in ihrem ersten Internetforum am 5. Oktober. Wenn ehrlich darüber berichtet würde, was China tut, dann wären die Menschen begeistert und wären gerne selbst Teil dieser Dynamik, dem „neuen Paradigma für die Menschheit“. Es gebe eine gute Gelegenheit, dies voranzutreiben, wenn US-Präsident Trump Anfang November zu mehreren wichtigen Gipfeltreffen nach Asien reist; am 8. November wird Trump mit Präsident Xi zusammentreffen.
Eine der häufig wiederholten, falschen Behauptungen über Chinas Wirtschaft in den westlichen Medien ist, durch die hohe Kreditvergabe chinesischer Finanzinstitute für die Projekte der BRI sei eine Blase entstanden, die irgendwann platzen müsse. Die Behauptung beruht auf dem klassischen neoliberalen Dogma, öffentliche Ausgaben (auch für den Ausbau der Infrastruktur) seien immer Geldverschwendung. Dieser Irrglaube ist wesentlich mit dafür verantwortlich, daß die westlichen Nationen nicht in die Modernisierung ihrer Infrastruktur investieren, und er steckt hinter der volkswirtschaftlich inkompetenten Forderung der Neoliberalen, Infrastruktur über Öffentlich-Private Partnerschaften (PPP bzw. ÖPP) zu finanzieren und dafür nur Projekte auszuwählen, die unmittelbar Gewinn abwerfen. Da die Staatsschulden der Vereinigten Staaten auf inzwischen etwa 20 Billionen Dollar angewachsen sind (der größte Teil davon unter den Präsidenten Bush und Obama), könne der Staat keinen Kredit für Infrastrukturausbau vergeben, weil das Defizit schon viel zu groß sei, argumentieren die Anhänger dieser Sichtweise. Statt neuer Investitionen fordern sie „Sparmaßnahmen“, die aber in Wirklichkeit die produktive Wirtschaftaktivität und damit die Wertschöpfung nur noch weiter drosseln.
Diejenigen, die behaupten, China habe mit den Ausgaben für die BRI eine riesige, unhaltbare Finanzblase geschaffen, und die westlichen Regierungen dürften auf keinen Fall Chinas Beispiel folgen und ebenfalls große Summen in die Infrastruktur stecken, sehen den Splitter im Auge der anderen, aber nicht den Balken im eigenen. Sie scheinen völlig die Tatsache zu übersehen, daß die größte Finanzblase der Welt keine chinesische ist, sondern durch die Stützungsaktionen für die Banken und Finanzinstitute in der transatlantischen Welt nach dem Krach von 2008 entstand. Die Zentralbanken gaben im Rahmen des Liquiditätspumpens der „Quantitativen Erleichterung“ diesen Instituten praktisch zinslose Kredite und erlaubten ihnen dadurch, wertlose Papiere weiter in ihren Büchern zu führen, zu kaufen und zu verkaufen, und gleichzeitig Geld in die überbewerteten Aktienmärkte zu pumpen. Hier gilt ihr Dogma von der „Sparpolitik“ und dem „Nichteingreifen des Staats in die Wirtschaft“ plötzlich nicht mehr, wenn es darum geht, ihre bankrotten Finanzinstitute zu retten, damit sie weiter zocken können!
Infolgedessen sind die „systemrelevanten“ Banken, die „zu groß sind, um sie scheitern zu lassen“, heute noch viel größer als zur Zeit des Krachs von 2008 – die größten US-Banken sogar um 40% größer. Und weil es insgesamt weniger Banken gibt, konzentrieren sich die Vermögenswerte in immer weniger Instituten. Zudem hat auch die Derivatspekulation noch zugenommen, weil man sich nicht ernsthaft bemüht hat, sie einzudämmen. Präsident Obamas Bankenreform „Dodd-Frank“ half nicht, sie zu beschränken, zumal die Abschnitte über den Derivathandel darin von Derivathändlern verfaßt wurden! Mit der ungeheuren Menge billigen Geldes, das von den Zentralbanken an die Großbanken floß, nahm der Handel mit fragwürdigen Finanzinstrumenten immer weiter zu, weil die Händler auf der Jagd nach dem höchsten Profit immer größere Risiken eingehen.
Ein sehr großer Teil der Ökonomen, Journalisten und Politiker, die Chinas „Schuldenblase“ kritisieren, lobte diese Finanzblase im Westen als „Obamas Aufschwung“ und jubelte, als die Börsen immer neue Rekordhöhen erreichten. Aber da die Aktienkurse auf einem „Meer von Liquidität“ schwimmen, wie es Mohamed El-Erian formulierte, besteht die akute Gefahr, daß ein Krach kommt, wenn die Zentralbanken durch Zinserhöhung die Liquidität drosseln.
El-Erian, Chefberater der Allianz-Versicherung und früherer Chef des größten Anleihenhänders der Welt, PIMCO, ist nur eine von vielen Stimmen aus etablierten Institutionen, die in den letzten Wochen warnen, es drohe ein noch größerer Krach als 2008. Sowohl der Weltwährungsfonds (IWF) als auch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) äußern sich alarmiert über Pläne von Zentralbanken, die Zinsen zu erhöhen und minderwertige Papiere, die sie als Sicherheiten für frische Liquidität angenommen haben, abzustoßen. Auf dem IWF-Herbsttreffen in Washington warnten IWF-Vertreter vor möglichen „Kehrseiten“ einer Entscheidung der Zentralbanken für eine „größer als erwartete“ Drosselung der Liquidität, und die BIZ-Ökonomen sprechen in ihrem Jahresbericht von einer „Risiko-Dreifaltigkeit“: geringer Produktivitätsanstieg, ungewöhnlich hoher Verschuldungsgrad und eingeschränkte politische Manövrierfähigkeit wegen der „populistischen“ Bewegungen, die gegen das politische und finanzielle Establishment aufstehen.
In einem Bericht des Londoner Adam-Smith-Instituts mit dem Titel „Kein Streß III: Die Mängel in den Streßtests der Bank von England“ heißt es, den sog. Streßtests, mit denen die Anfälligkeit der Großbanken geprüft werden soll, „fehlt es an Glaubwürdigkeit“, und die Schlußfolgerung lautet: „Früher oder später muß das britische Bankensystem Schiffbruch erleiden“. Ein erfahrener Insider der City, Ambrose Evans-Pritchard vom Daily Telegraph, schrieb über die wirtschaftlichen Zustände im Westen, er habe „nie zuvor einen gefährlicheren Zusammenfluß von Umständen oder eine frappierendere Selbstgefälligkeit gesehen“.
Ein wirklich abstruser Fall ist der scheidende deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, der gegenüber der Financial Times erklärte, er sei besorgt „über die gestiegenen Risiken durch die Akkumulation von immer mehr Liquidität und das Wachstum der öffentlichen und privaten Verschuldung“. Bekanntlich war Schäuble selbst einer der Hauptverantwortlichen für die Politik des Liquiditätspumpens der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Rettung der „systemrelevanten“ Banken in der EU. Und nun warnt dieser Mann ohne einen Hauch von Selbstkritik, durch das Wachstum der Blasen drohe ein neuer Finanzkrach!
Am 16. Oktober schließlich sagte Präsident Trumps oberster wirtschaftspolitischer Berater, der frühere Goldman-Sachs-Präsident Gary Cohn, dem US-Bankenverband ABA, die Clearingstellen, die unter dem Dodd-Frank-Gesetz eingerichtet wurden, um angeblich den Derivathandel transparenter zu machen, seien selbst „ein neues systemisches Problem“, das ihm Sorge bereite. Diese Clearinghäuser sollen Zahlungen garantieren, wenn bei Derivatgeschäften eine Partei nicht zahlen kann. Aber was passiert, fragte Cohn, wenn ein solches Clearinghaus selbst zahlungsunfähig ist? Schätzungsweise 278 Billionen Dollar (!) an Zinsderivaten liefen durch die Clearinghäuser. „Das sind schwindelerregende Zahlen“, betonte er, „wir haben dafür keinen Abwicklungsplan.“
Man vergleiche den bankrotten Zustand des westlichen Finanz- und Wirtschaftssystems, der Anlaß für die genannten Warnungen ist, mit dem rasanten Wachstum der Realwirtschaft in China dank der Produktivitätssteigerungen als Resultat der BRI-Projekte. Die Zentralbanken des transatlantischen Systems geben Billionen Dollars an Spielgeld aus, um Banken, die eigentlich insolvent sind, weil sie auf Unmengen von wertlosem Papier in ihren Büchern sitzen, mit Liquidität zu versorgen und sie so vor dem Untergang zu retten. Ganz im Gegensatz dazu bauen die staatlichen Kreditinstitute und die großen Banken Chinas die Infrastrukturplattformen der Zukunft auf, und das nicht nur in China, sondern in ganz Eurasien und auch in Afrika.
Und wenn dieselben Leute, die mit ihrer neoliberalen Politik, den Bankenstützungen und der Austerität die Krise erzeugt haben, wie Schäuble und der IWF, jetzt vor dem großen Finanzkrach warnen – welche Lösung haben sie anzubieten? Keine. Weiter so, meinen sie, wir müssen das Finanzsystem um jeden Preis retten, auch wenn die Methoden massenmörderisch sind.
Vor 30 Jahren, am 19. Oktober 1987, gab es an der New Yorker Aktienbörse innerhalb eines Tages den größten Absturz aller Zeiten – die Aktienblase platzte. Vier Monate zuvor hatte Lyndon LaRouche vorausgesagt, daß es im Oktober einen Börsenkrach geben werde. 20 Jahre später, im Juli 2007, warnte LaRouche vor dem nahen Ende des „Bush-Aufschwungs“, der wieder nur eine Blase war, diesmal gestützt auf Hypothekenpapiere in einem Markt, der mit der Aufhebung der Glass-Steagall-Bankentrennung 1999 dereguliert worden war. Beide Male forderte LaRouche als Ausweg die Rückbesinnung auf das Amerikanische System der politischen Ökonomie, mit einer Wiedereinführung der Bankentrennung, um die staatliche Stützung verantwortungsloser Spekulation zu beenden, und mit Kreditschöpfung für Investitionen in die reale Produktion.
Ein zentrales Element in diesem Amerikanischen System, das LaRouche wieder aufgegriffen hat, ist das Hamiltonische Kreditsystem – benannt nach dem ersten Finanzminister der USA Alexander Hamilton – mit einer Nationalbank für Investitionen in realwirtschaftliche Prozesse, welche die Produktivität erhöhen. Dies ist auch ein Punkt von LaRouches „Vier Gesetzen“. Der Ausgangspunkt ist dabei die Erkenntnis, daß es ein grundsätzlicher Unterschied ist, ob Kredit investiert wird, um die Produktivität zu steigern und so die ganze Volkswirtschaft auf eine höhere Ebene zu heben, oder ob man mehr Schulden in die Welt setzt, um Zocker und Spekulanten damit zu versorgen, die erwarten, daß sie der Staat rettet, wenn ihre Blasen platzen – was diese früher oder später unweigerlich tun werden.
Das Werk Lyndon LaRouches und seiner Ehefrau Helga zur Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik spiegelt sich in Chinas Gürtel- und Straßen-Initiative wider, Chinas Staatsführung hat offensichtlich die Prinzipien hinter LaRouches Vier Gesetzen verstanden. Das ist die Grundlage des Neuen Paradigmas, für das Helga Zepp-LaRouche sich unermüdlich einsetzt und das jetzt eine „unaufhaltsame globale Dynamik“ ist, seitdem Xi Jinping 2013 die BRI verkündete. Jetzt müssen Europa und Amerika sich diesem Neuen Paradigma anschließen. Es wird Zeit, das Alte Paradigma mit seinen Kriegen, Terrorismus, Austerität und Spekulantenrettung ein für allemal zu beenden.