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Neue Solidarität
Nr. 40, 30. September 2015

Schweizer Franken-Kredite in Griechenland: politische und rechtliche Auswirkungen

Über dieses Thema sprach die Anwältin Amalia Sarantopoulous aus Athen bei der Konferenz Europäischer Anwälte am 9. und 10. September in London. In ihrer Rede beschrieb sie, wie in Griechenland zwischen 2006 und 2009 massiv Fremdwährungskredite zur Hausfinanzierung angepriesen und unters Volk gebracht wurden. Sie überzeugten die Kunden, die ihr Darlehen in Euro ausbezahlt bekamen und nie einen Schweizer Franken sahen, mit allen möglichen Versprechungen, Schweizer Franken-Kredite für Immobilienzwecke seien günstiger als Euro-Kredite.

Als „Vorteile“ solcher Fremdwährungskredite wurden angepriesen: Sicherheit und Stabilität des Schweizer Franken; ein stabiler Wechselkurs zwischen Euro und Schweizer Franken; sehr niedrige Zinsrate (LIBOR). Massive Werbung in Fernsehen und Zeitungen erweckten den Eindruck, hier handele es sich um ein richtiges Schnäppchen, während die Gefahren eines solchen Fremdwährungsgeschäftes für den Verbraucher verborgen wurden.

Dies und das Verhalten der Bankberater erzeugte für den Kunden eine „völlig andere Realität“, sagt Sarantopoulos. „Diese Realität spielte die hauptsächliche katalytische Rolle dabei, den künftigen Kunden dazu zu bringen, seine Belastbarkeit einzuschätzen und sich [für den Kredit] zu entscheiden.“ Hätten sie gewußt, wie gefährlich und trügerisch diese Kredite waren, hätten die Kunden diese Geschäfte nie abgeschlossen, so Frau Sarantopoulos.

„Diese Beschreibungen, Versprechen, Skizzen wurden den Kunden nur verbal mitgeteilt, ohne eine spezifische Darlegung des schwankenden Wechselkursverhältnisses der beiden Währungen, ohne schriftliche Ausführung realistischer Beispiele anhand der wirtschaftlichen  Verhältnisse und Gesamtverbindlichkeiten des Schuldners und ohne Erläuterung, wie sich die Kombination aus Wechselkursen, monatlichen Zahlungen und  ausstehender Restsumme in der Zukunft auswirken würde. Zu den vielen Variablen, die bedacht werden müssen, gehören die Veränderung des Wechselkurses, das Einkommen des Kreditnehmers und seine Ausgaben, mögliche Einkommenseinbussen, die Wirtschaftskrise, variable Zinsen im Verein mit variablem Wechselkurs, etc.

Niemand hat diese Faktoren betont! Denn Banken sind bekanntlich keine gemeinnützigen Organisationen, sondern Kreditwucherer mit rechtlicher Legitimation... Sie verheimlichten, daß ihr Profit, der neben den Zinsen genau durch den Faktor des Wechselkurses entstehen würde, sie überglücklich machte. Als Resultat sind heute über 75.000 griechische Schuldner mit der Schweizer-Franken-,Guillotine’ konfrontiert: ihre Schulden sind jetzt höher als die Summe, die sie zu Anfang als Kredit aufgenommen haben!“

Sie fuhr fort: „Im Laufe der Zeit kam die Wahrheit heraus. Und in Wirklichkeit verhält es sich so: Diese SF-Kredite sind Investmentportfolio-Produkte, Währungsswap-Geschäfte, und dieses Kreditgeschäft besteht im wesentlichen im Tausch von Zinsraten und Hauptschuld in zwei verschiedenen Währungen. Das heißt, es handelt sich nicht um einen Hypothekenkredit, wie vom Kreditnehmer gewollt und den er als solchen ansah.

Nach dem 15. Januar 2015, als der Wechselkurs des Schweizer Franken freigegeben wurde, dämmerte es den Kreditnehmern, daß ein Fremdwährungskredit mit allen Gefahren des makroökonomischen Umfelds verbunden ist; daher ist jede Vorhersage über die Entwicklung eines solchen Kredits in der Zukunft für den normalen Kreditnehmer, der natürlich über kein solches Finanzwissen verfügt, abstrus. Banken haben andererseits die nötige Wissensgrundlage, sie setzen Kompensationsprodukte ein, um ihre Profite zu sichern (Finanzderivate, Devisen-Swaps, Devisen-Termingeschäfte, Optionsgeschäfte etc.). Von diesen Möglichkeiten hörten die Kunden in Griechenland nie ein Wort; ebenso wenig halfen ihnen, wie gesetzlich vorgeschrieben, Bankspezialisten dabei, eine informierte Willensentscheidung zu treffen...“

Griechischen Juristen zufolge gibt es, so Frau Sarantopoulous, entweder die Möglichkeit, daß die Banken über diese Kreditverträge mit vorhandenen SF-Beständen spekulierten oder daß es sich im Kern nur um die Grundlage für ein System fiktiver Swap-Geschäfte mit anderen Banken handelte. Mit diesen Krediten konnten die Banken eine adäquate Kapitalausstattung vorgeben und ihr Kapital- und Glaubwürdigkeitsindex ermöglichte es, sie als wirtschaftlich gesund zu bewerten. „All dies geschah, während der Kreditnehmer niemals einen Schweizer Franken, eine Quittung oder ein Zertifikat über Devisenverkäufe zu sehen bekam.“

Es handele sich, so Frau Sarantopoulos, um kriminelles Verhalten, das viele Gesetzes- und Rechtsverstöße betrifft, einschließlich der (nicht erfolgten) Inspektion und Aufsicht durch die griechische Zentralbank.

Auch wenn Bankkunden bereits seit 2012-2013 begannen, ihre Kreditverträge anzufechten, sei erst nach dem 15. Januar 2015 [also der Freigabe des Schweizer Franken-Kurses und der folgenden sofortigen Abwertung des Euro und Aufwertung des SF] selbst den damit befaßten Anwälten „die ungeheuerliche Tragweite, der ganze Umfang und die Bedeutung des Problems klargeworden, allen Beteuerungen der griechischen Banken zum Trotz, daß alles in Ordnung sei und gelöst werden würde.“

Auf Grundlage spezifischer Rechtsmittel nach der griechischen Zivilprozeßordnung (Civil Procedure Code) und dem Bürgerlichen Gesetzbuch (Civil Code) wurden einige Gerichtsentscheidungen zugunsten der Kunden herbeigeführt; weitaus mehr jedoch bisher zugunsten der Banken, so die Anwältin. Nach einer schockierenden Schilderung des Falls ihrer eigenen Familie und ihres juristischen Vorgehens betonte sie die weitgehende Unwissenheit griechischer Richter in dieser neuen Materie und deren mangelnde Bereitschaft, sich angesichts der Komplexität hineinzuarbeiten.

Dazu komme jetzt noch die Ungeheuerlichkeit, daß die sog. „Reformen“ der Troika, in Zukunft den Rechtsweg, der der Bevölkerung zugute kommen sollte statt den Banken, massiv erschweren! Ab jetzt sollen beispielsweise Zeugenaussagen in Zivilprozessen, die bisher nach der griechischen Zivilprozeßordnung als stichhaltige Beweise dienten, weitgehend abgeschafft werden!

Unter dem Troika-Diktat sei Griechenland nicht mehr länger ein souveränes Land mit eigener Gesetzgebung, sondern „ein Protektorat, dessen Reformen von den Gläubigern diktiert werden, durch die Memorandums-Richtlinien“, so Frau Sarantopoulos.

„Dementsprechend wird die Zivilgesetzordnung ab Januar 2016 im wesentlichen folgendermaßen verändert:

Es ist offensichtlich, was griechischen Schuldnern drohen wird, wenn sie vor Gericht verlieren - sie werden auf der Straße landen. Es ist auch offensichtlich, was den griechischen Schuldnern passieren wird, die nicht das Geld haben, um für einen Anwalt und die Gerichtsausgaben aufzukommen. Auch sie werden im Handumdrehen obdachlos sein. Und mit der ständigen Veränderung von Wechselkurs und Neuberechnung des zu zahlenden Kapitals wird selbst der beschlagnahmte Besitz nicht ausreichen, um die Schuldsumme zu tilgen.“

Auch unter der SYRIZA-Regierung sei entgegen vorheriger Versprechungen nichts geschehen, so Frau Sarantopoulos. Das Problem vor Gericht zu bringen, sei nicht ausreichend. Es koste viel Geld und Zeit und sei nervenaufreibend. „Aber was kann in einem Land getan werden, in dem die Demokratie brutal angegriffen wird, in dem einschneidende Verletzungen von Menschenrechten, Sozialrechten und grundlegenden Freiheiten eine etablierte Realität ist? ...

Unter den gegenwärtigen politischen Bedingungen in meinem Land gibt es keine Hoffnung auf eine Gesetzesinitiative bezüglich der SF-Kredite. Der griechischen Regierung ist sogar jede Gesetzesinitiative ohne vorherige Zustimmung der Gläubiger [also der Troika] verboten...

Das Ziel der Gläubiger und leider dann auch unserer Regierung, wie sich herausstellte, ist es, die privaten griechischen Banken auf Kosten der Bevölkerung zu retten (ebenso wie die deutschen privaten Banken, aber das ist ein anderes Thema). Das ist eine Schande, es ist Erpressung, eine humanitäre Katastrophe. Was schlage ich einem Staat vor, dessen Staatsschuld gegen das griechische Volk benutzt wird, um die Demokratie abzubauen?“

Als Maßnahmen forderte Frau Sarantopoulos zum Schluß ein neues Gesetz, nach dem die Rückzahlungen auf der Grundlage des beim Vertragsabschluß gültigen Wechselkurses neu berechnet werden; ein Verbot der Zwangsräumung, wenn der Schuldner diese monatlichen Raten bezahlt, sowie die Verhängung hoher Strafzahlungen gegen Banken, Entschädigungen für Schuldner und gegebenenfalls zugunsten der Staatskasse. Bis zur Verabschiedung eines solches Gesetzes solle die Regierung jedoch sofort die Zahlung von Zinsraten und Tilgungszahlungen einfrieren. Ein Zusatz zum „Gesetz überschuldeter Personen“, wie vor kurzem geschehen, reiche in diesem Zusammenhang nicht aus, vor allem, weil damit keine grundsätzliche Lösung des Problems möglich sei.

Frau Sarantopoulos schloß mit den Worten, daß das gemeinsame juristische Vorgehen und die Zusammenarbeit zwischen den Völkern entscheidend dazu beitragen können, den Kampf für das Recht zu gewinnen.

Amalia S. Sarantopoulous (amaliasrt.law@gmail.com) ist Anwältin in Athen, Griechenland. Den vollständigen Text ihres Vortrages im englischen Wortlaut finden Sie hier, die dazugehörigen Graphiken hier.