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Neue Solidarität
Nr. 40, 30. September 2015

„Verträge wurden nur dazu geschaffen, der Finanzwelt Profite zu garantieren“

Zu den Rednern der Londoner Konferenz über den Schwindel der Banken mit Anleihen in Fremdwährungen gehörte auch die französische Anwältin Hélène Féron-Poloni, die in mehreren Verfahren französische Städte, Gemeinden und öffentliche Einrichtungen vertrat, die aufgrund der Ratschläge ihrer Banken Opfer toxischer Kredite wurden. Wir bringen aus diesem Anlaß nochmals Auszüge aus einem Interview, in dem Sie schon 2012 das betrügerische Vorgehen der Banken beschrieben hat. Das vollständige Interview erschien damals in der Neuen Solidarität 51/2012.

...Während der 1990er Jahre und Anfang 2000 stellte Dexia fest, daß die kommunale Nachfrage nach neuen Krediten im Abnehmen begriffen war, denn viele Gemeinden hatten sich mittlerweile mit der von ihnen benötigten Infrastruktur versehen. Man braucht nicht vier oder fünf Gemeinschaftshäuser, man braucht nur eins, und sobald es errichtet ist, bezahlt man den Kredit ab und die Sache ist erledigt.

Dexia hatte dann die Idee, „mit Hilfe von etwas Altem etwas Neues zu machen“ und seine Ertragslage dadurch zu verbessern, daß es den Gemeinden „Schuldenmanagement“, wie sie es nannte, verkaufte. Eine Gemeinde z.B., die einen ausstehenden Kredit von, sagen wir, 3 Mio. Euro bei Dexia hatte, den sie im Laufe der nächsten zehn Jahre vollständig abgezahlt hätte, wurde von Dexia dahin gedrängt, den Kredit von 3 Mio. mit einem neuen Kredit zu refinanzieren, was als eine Methode zum Verdienen zusätzlichen Geldes präsentiert wurde, und zwar durch das, was wie geringere Zinsen aussah.

Der erste Trick bei der Aufnahme eines neuen Kredits, der dem Kapital hinzugefügt wird, das man noch von dem vorhergehenden Kredit schuldet, ist die Verlängerung der Rückzahlungsdauer (von 20 auf 30 Jahre). Am Ende eines alten Kredits wird hauptsächlich das Kapital zurückgezahlt, während beim Abschluß eines neuen Kreditvertrags zunächst die Zinsen des Kredits an die Bank bezahlt werden und weniger das Kapital als solches.

In einer zweiten Phase der Geschäftssondierung bei den Gemeinden würde Dexia ihnen sagen: „Das können wir sogar noch besser. Sie können noch höhere Gewinnspannen auf die Zinsen Ihres Kredits realisieren, wenn Sie aktiv an den Finanzmärkten teilnehmen: indem Sie zum Spieler auf den Finanzmärkten werden - wie das geht, werde ich Ihnen nicht erklären, doch keine Angst, wir werden uns um alles kümmern, wir haben eine Lösung und statt 4% Zinsen auf ihre Kredite zu zahlen, werden wir Ihnen einen jährlichen Zinssatz von 3,5% besorgen.“

Natürlich war für die Bürgermeister - die versuchen, die Gemeindesteuern so gering wie möglich zu halten - dieser Vorschlag verständlicherweise verführerisch, doch gleichzeitig, und das stellen wir heute fest, verstanden die meisten von ihnen nicht, was sie da zum Teufel nochmal unterzeichneten.

So brachte Dexia ab 2000 eine riesige Anzahl von Leuten dazu, sogenannte „strukturierte Kredite“ abzuschließen, die sich später in „giftige Kredite“ verwandelten, weil Kommunen gar nicht in der Lage sind, diese finanziellen Verpflichtungen zu bezahlen.

In diesen strukturierten Krediten existiert ein rein finanzieller Mechanismus, eine „Currency Exchange Option“ (Währungskursoption), die die Kommune an Dexia zu verkaufen hat. Dafür bietet Dexia dann, aber nur für die Anfangsjahre, einen geringeren Zinssatz auf ihren Kredit an. Dexia räumt der Kommune also einen Kredit mit geringeren Zinsen als denen des Vorgängerkredits ein und damit wird die Kommune von einem Kredit profitieren, der von der Wette abhängt, die durch die Währungskursoption definiert ist, die sie über Dexia auf den Märkten verkauft hat, mit der Hoffnung, dass die Wette günstig ausgeht...

Kommunen wurden zum Bürgen einer Wette

Die Kommune wird durch den Verkauf der Währungskursoption an Dexia faktisch zum Bürgen einer Wette, daß ein bestimmter Wechselkurs zwischen zwei Währungen - das waren oft der Euro und der Schweizer Franken - seinen gegebenen Wert behalten würde. Die Kommune würde sagen: „Ich nehme diesen Kredit und wette darauf, daß der Euro niemals unter den Wert von 1,44 SFr fallen wird.“ Gleichzeitig gibt es auf den Finanzmärkten Finanzfirmen, die in einer viel besseren Position als die Kommune für die Beurteilung des Wertes dieser Wette sind, und sie schließen gegenteilige Wette ab! Sie gehen davon aus, daß angesichts der Finanzkrise, die spätestens 2007 begann, der Schweizer Franken gegenüber dem Euro im Kurs steigen wird, so daß weniger als 1,44 SFr gebraucht werden, um 1 Euro zu kaufen.

Die Konsequenz für die Kommune, wenn sie einen Kredit zu 3,5% Zinsen bei Dexia aufnimmt, ist die Garantie von Seiten der Bank, daß die Zinsen in den beiden ersten Jahren nicht steigen werden. Wenn jedoch der Wechselkurs zwischen Euro und Schweizer Franken sich zu Ungunsten der Kommune ändert, was ab dem dritten Jahr möglich ist, dann werden die Zinsen für den Kredit explodieren. Und genau das passierte vielen Kommunen in Frankreich.

2011 trat die Gemeinde Sassenage an mich heran. Damals hatten sie zwei Kredite abzuzahlen, was auch heute noch der Fall ist. Einer war aus dem Jahr 2009 und der andere von 2010. Der Betrag beider Kredite beläuft sich jeweils auf etwas mehr als 4 Mio. Euro, was das ausgeliehene Kapital betrifft. Das sind „strukturierte Kredite“. Der Index, um den es dabei geht, ist der Wechselkurs zwischen Euro und Schweizer Franken, und damit die Kredite ihre ursprünglichen Raten von 3,5% und 3,7% behalten, wurde gewettet, daß für einen Euro weniger als 1,44 Schweizer Franken erforderlich wären. Diese Paritätsgrenze wurde 2011 überschritten. Derzeit erreichen die Zinsraten für Sassenage 15% pro Jahr!

Natürlich wurde die Stadt von Dexia kontaktiert, um eine Lösung für diese Situation zu finden. Die erste dieser Lösungen, wenn man feststellt, daß eine veränderliche Zinsrate explodiert, ist es, zu erwägen, daß man den gesamten Kredit in der vorgesehenen Art und Weise zurückzahlt. Aber die Struktur der Anleihen bewirkt, daß die finanzielle Entschädigung, die man bezahlen muß, um aus diesen Krediten herauszukommen, größer ist als das noch zurückzuzahlende Kapital.

Um eine Anleihe von 4 Mio. Euro zurückzuerstatten, müßte Sassenage mehr als 8 Mio. Euro auftreiben - d.h. die vier Millionen des ursprünglichen Kapitals und mehr als vier Millionen an Kompensation für die erwartete Verzinsung. Warum? Weil, wie schon gesagt, die strukturierten Anleihen den Verkauf einer Devisentauschoption auf den Finanzmärkten erfordert; es gibt ein Finanzunternehmen, das diese Option von der Stadt gekauft hat und das den Gegenwert des Kontraktes verlangt, weil der Wert des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro angestiegen ist. Und um aus dem Vertrag herauszukommen, muß die Stadt die Gegenpartei für den Verkauf der Option bezahlen, der schon Monate oder vielleicht Jahre zuvor erfolgte...

Dieser Mechanismus wurde von Dexia niemals erläutert. Die Bank hat der Stadt niemals gesagt: „Ich kaufe Ihre Devisentauschoption.“ Aber wir wissen, daß sie das getan haben, weil Finanzexperten diese strukturierten Anleihen untersucht haben. Wir wissen heute mit Sicherheit, daß Dexia diese Devisentauschoption gekauft und weiterverkauft hat. Durch diese Aktivität machte die Bank Gewinne an diesen Anleihekontrakten. Sie kaufte die Optionen den Städten sehr billig ab und verkaufte sie dann mit einer substantiellen Profitmarge auf den Finanzmärkten.

Die Stadt, das muß hier hervorgehoben werden, hatte blindes Vertrauen in Dexia. Und so intervenierte Dexia jedesmal, wenn es Schwierigkeiten mit der Anleihe gab, um zu sehen, wie die Sache geregelt werden konnte. Es war Dexia, das der Stadt jedesmal eine neue Lösung verkaufte, um sie davor zu bewahren, daß sie empörende Zinsen zahlen mußte. Aber bei den Lösungen, die Dexia jedes Jahr verkaufte, blieb der Stadt als einzige Möglichkeit, nicht zu viele Zinsen zu bezahlen, daß sie jedesmal größere Risiken auf den Finanzmärkten einging.

Unwissenheit mißbraucht

Dexia mißbrauchte die Unwissenheit der Stadt in Fragen strukturierter Anleihen. Sie können kein einziges Dokument finden, sei es ein Kontrakt oder ein Wechsel, in dem Dexia einer Stadt erklärt, daß sie dadurch zu einem Verkäufer einer Devisentauschoption auf den Finanzmärkten auf der Grundlage des Wechselkurses zwischen Euro und Schweizer Franken wird. Diese Information ist nirgendwo enthalten. Und noch dazu, ist zu bemerken - und in diesem Fall haben wir schriftliche Dokumente -, behauptete Dexia, daß der Schweizer Franken als eine Fluchtwährung außerordentlich stabil sei, während es tatsächlich in der Natur von Fluchtwährungen liegt, daß sie außerordentlich wechselhaft sind! Und wenn Dexia so gut dabei abschnitt, diese Optionen weiterzuverkaufen - denn auf diese Weise machte sie ihre Profite an diesen strukturierten Krediten -, dann lag das daran, daß auf den Finanzmärkten, während Dexia ihren Kunden sagte, der Schweizer Franken sei eine sehr stabile Währung, viele Unternehmen auf das Gegenteil wetteten, die sagten: „Nein, nein, nein, das wird nicht funktionieren! Wenn man bedenkt, wie sich die Krise seit 2007 entwickelt hat, und wenn man die Engagements ansieht, die ich in Schweizer Franken eingegangen bin, dann muß ich mich definitiv gegen das Währungsrisiko zwischen dem Euro und dem Schweizer Franken schützen!“

Und siehe da, Dexia verkaufte jede Menge Devisentauschoptionen für den Wechselkurs zwischen Euro und Schweizer Franken! Heute kann man von einem Quasibankrott sprechen, d.h., wenn der französische und der belgische Staat nicht eingegriffen hätten, um sie zum zweiten Mal zu stützen - wir reden hier über mehr als 10 Mrd. Euro Stützungsgelder für Dexia: Diese Bank ist so gut wie bankrott, aber wenn man sieht, was sie mit ihren eigenen Kunden getan hat, dann kann man nicht sagen, daß diese Bank gut gemanagt wäre...