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Auf der Moskauer Sicherheitskonferenz am 23. Mai haben führende Militärsprecher aus Rußland und Weißrußland scharf die „neue Technik der Aggression“ des Westens angegriffen.
Auf der jährlichen Moskauer Konferenz über Internationale Sicherheit, die am 23. Mai stattfand, haben Verteidigungsminister und Militärchefs aus Rußland und Weißrußland erklärt, daß sie die sogenannten „farbigen Revolutionen“ als eine neue Form des Angriffskriegs betrachten. Die Steuerung dieser Revolutionen von außen sei eine „neue Technik der Aggression“, mit dem geopolitischen Ziel, Länder, die an einer strategisch wichtigen Position liegen und eine unabhängige Außenpolitik betreiben, gezielt zu destabilisieren. Auf diese Weise solle „in einer bestimmten Region eine erhebliche Verschiebung des Mächtegleichgewichts“ erreicht werden. Das richte sich nicht nur gegen Rußland, sondern auch gegen China, den Nahen Osten, Afrika, Zentralasien und Südasien.
Anthony Cordesman von der einflußreichen Washingtoner Denkfabrik CSIS (Center for Strategic and International Studies), der an der Konferenz teilnahm, war so beeindruckt, daß er 52 Seiten eigene Aufzeichnungen und die Powerpoint-Bilder der Redner auf die CSIS-Webseite stellte. Cordesman schreibt dazu:
„Russische Offiziere bringen jetzt den Begriff ,Farbige Revolution’ mit der Krise in der Ukraine in Verbindung, und mit einer, wie sie es sehen, neuen amerikanischen und europäischen Methode der Kriegführung, die darauf abzielt, in anderen Staaten destabilisierende Revolutionen zu erzeugen, welche mit geringen Kosten und minimalen Opfern eigene Sicherheitsinteressen fördern. Dies wird als potentielle Bedrohung für Rußland im benachbarten Ausland, für China und asiatische Länder angesehen, die nicht mit den USA verbündet sind...
Hohe russische Offiziere und Amtsträger erklärten, ihrer Ansicht nach destabilisierten die USA und der Westen gezielt Länder in Nordafrika, dem Nahen Osten und dem Rest der Welt für ihre eigenen Zwecke. Diese Aktionen seien gescheitert und seien eine wichtige Quelle des Terrorismus. Der Westen lehne eine Partnerschaft ab, da der Westen Rußland als Bedrohung an allen seinen Grenzen mit Europa betrachte.
Führende russische Amtsträger verwenden den Begriff ,Farbrevolution’ weitaus kritischer als früher. Zum Beispiel hat der russische Außenminister Sergej Lawrow den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union vorgeworfen, in der Ukraine eine weitere farbige Revolution anzuzetteln, und er sagte auf der Konferenz: ,Versuche, anderen Ländern hausgemachte Rezepte für innere Veränderungen aufzuzwingen, ohne deren Traditionen und nationalen Besonderheiten zu berücksichtigen, den Export von Demokratie zu betreiben, hat destruktive Folgen für die internationalen Beziehungen und führt zu einer Zunahme von Krisenherden auf der Weltkarte.’
Das Endergebnis ist eine radikal andere Auffassung der modernen Geschichte, von amerikanischer und europäischer Strategie, deren Einsatz von Gewalt und der amerikanischen und europäischen Ziele und Vorgehensweise, als man sie irgendwo in der westlichen und früheren russischen Literatur findet...
Es ist von entscheidender Bedeutung, daß die USA und Europa darauf hören, was die russischen Militärführer und -strategen sagen. Europa und die USA können es sich nicht leisten, diese russischen Ansichten zu ignorieren.“ (Hervorhebung im Original)
Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu beschrieb zur Eröffnung der Konferenz die negativen Folgen „farbiger Revolutionen“ für die internationale Stabilität. Laut der Zusammenfassung von Dmitri Gorenburg auf der Webseite russiamil.wordpress sagte Schoigu, die Farbrevolution sei eine neue Form der Kriegführung, die sich westliche Regierungen ausgedacht hätten, um Regierungen abzusetzen und durch westlich gesteuerte Regime zu ersetzen. Auf diese Weise sollten etlichen Ländern auf der Welt fremde Werte aufgezwungen werden. Dabei sei man in einer Vielzahl von Fällen nach dem gleichen Schema vorgegangen: Anfänglich werde versucht, Regierungen durch angeblich vom Volke ausgehende Proteste auszutauschen, dann jedoch folgten, falls diese Proteste erfolglos blieben, massive Destabilisierung und Schüren innerer Konflikte. Das sei das Vorgehen in Serbien, Libyen und Syrien gewesen - alles Länder, in denen politische Einmischung des Westens in Militäreinsätze überging. Diese Methode benutze man nun in der Ukraine, wo die Lage in den letzten Wochen praktisch zu einem Bürgerkrieg eskalierte, und in Venezuela, wo die sog. demokratische Opposition in Wirklichkeit von den USA gesteuert sei.
Schoigu sagte weiter, die Resultate der Revolutionen seien ganz andere, als die Protestbewegungen selbst es ursprünglich anstrebten. Überall auf der Welt sei vor allem Instabilität die Folge gewesen. Der Arabische Frühling beispielsweise habe den Nahen Osten und Nordafrika destabilisiert. Infolge der Ereignisse in Libyen stünden eine ganze Reihe afrikanischer Staaten kurz vor dem Zusammenbruch. Auch Afghanistan sei zunehmend instabil, was Rußland zur Verstärkung seiner Militärpräsenz in Zentralasien gezwungen habe.
Andere Sprecher, die ausführlich auf das Thema eingingen, waren der russische Generalstabschef Walerij Gerasimow, der weißrussische Verteidigungsminister Juri Schadobin, der Generalsekretär der Organisation des Vertrags über Kollektive Sicherheit (OVKS) General Nikolai Bordjuscha sowie Gen. Wladimir Sarudnizkij, Chef des Operativen Hauptdirektorats des russischen Generalstabs, der in der Sitzung über den Nahen Osten und Nordafrika sprach.
Gen. Gerasimow bekräftigte die Einschätzung, die USA hätten eine neue Methode der Kriegführung entwickelt, bei der anfangs nichtmilitärische Taktiken eingesetzt würden, um gegnerische Regierungen mit Hilfe farbiger Revolutionen zu stürzen, indem man sich das Protestpotential in der Bevölkerung zunutze macht, um einen friedlichen Regimewechsel herbeizuführen. Sollte sich das Protestpotential als ungenügend erweisen, werde militärische Gewalt eingesetzt; Libyen sei hierfür das Lehrbeispiel. In Syrien setze der Westen Söldner und Militärhilfe ein, um die Regierung zu stürzen. Ein anfangs rein innerer Konflikt habe sich in einen Krieg zwischen religiösen Extremisten und der Regierung verwandelt.
Gorenburg zufolge erwähnte der weißrussische Verteidigungsminister Juri Schadobin auch den US-Professor Gene Sharp als Urheber der bei diesen Revolutionen angewandten Strategie. Auch EIR und Neue Solidarität haben dies ausführlich dokumentiert (siehe dazu unsere Dokumentation). Schadobin sagte, farbige Revolutionen würden immer von außen in Gang gesetzt. Er verwies auch darauf, daß die baltischen Staaten eine „Grauzone“ in Europa darstellten, weil dort die Truppenbegrenzung nach dem Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa nicht gelte. Dort könnten insgeheim größere Truppeneinheiten zusammengezogen werden.
Gen. Sarudnizkij war der Sprecher, der sich am eingehendsten mit der Strategie der Farbrevolution befaßte. Wir zitieren aus Gorenburgs Zusammenfassung:
„Wie die Plenumsprecher konzentrierte sich Sarudnizkij auf die militärischen Aspekte der farbigen Revolutionen. Der Westen betrachte Farbrevolutionen als friedliches Mittel zum Sturz undemokratischer Regime, aber die Ereignisse im Nahen Osten und in Nordafrika hätten gezeigt, daß militärische Gewalt ein integraler Bestandteil aller Aspekte der farbigen Revolutionen sei. Dazu gehöre äußerer Druck auf die fraglichen Regime, um den Einsatz von Gewalt zur Wiederherstellung der Ordnung zu verhindern, die Bereitstellung von Militär- und Wirtschaftshilfe an die aufständischen Kräfte, und wenn diese Maßnahmen nicht ausreichten, die Durchführung von Militäroperationen, um die Regierungstruppen zu besiegen und den Rebellen die Machtübernahme zu ermöglichen. Farbige Revolutionen seien somit eine von den Vereinigten Staaten erdachte neue Angriffstechnik, die darauf abziele, einen Staat durch die Spaltung der Bevölkerung von innen zu zerrütten. Der Vorteil dieser Technik sei, daß sie einen relativ geringen Ressourcenaufwand erfordere, um ihr Ziel zu erreichen.
Sarudnizkij erklärte, bei dieser Art Kriegführung gebe es keine Frontlinie, da sie auf dem Prinzip des Netzwerks beruhe. Sie werde hauptsächlich in Stadtgebieten eingesetzt, wobei häufig Zivilisten als Schutzschilde dienten. Allgemein akzeptierte Regeln der Kriegführung würden mißachtet, da keine offiziellen staatlichen Streitkräfte zum Einsatz kämen. Statt dessen dürften kriminelle und terroristische Kräfte und private Militärfirmen ungestraft agieren. Konterguerilla-Taktiken seien erforderlich, um diese Art Kriegführung niederzuschlagen.
Die wichtige Frage für die Militärplaner laute, gegen welchen Staat als nächstes vorgegangen wird. Schwache Staaten mit schlechter Wirtschaft seien am ehesten Zielscheibe dieser Taktik, aber der Hauptfaktor bei der Zielauswahl sei das geopolitische Interesse des provozierenden Staates. Deswegen würden derartige Revolutionen überwiegend in Ländern mit bedeutsamen Bodenschätzen organisiert oder in solchen, die wichtige strategische Positionen haben und eine unabhängige Außenpolitik betreiben. Die Destabilisierung solcher Länder ermögliche eine erhebliche Verschiebung des Mächtegleichgewichts in einer Region (im Falle des Arabischen Frühlings im Nahen Osten und Nordafrika).“
eir