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Von Rachel Douglas
In diesem Dokumentarartikel befaßt sich Rachel Douglas mit dem britischen Hintergrund des neuen US-Botschafters in Moskau, Michael McFaul, und der „farbigen Revolutionen“, die in Wirklichkeit eine Form des Kleinkrieges darstellen.
Das Jahr 1812, vor genau zwei Jahrhunderten, war für Rußland wie für die jungen Vereinigten Staaten von Amerika ein Jahr existentieller Bedrohungen. Die Ostküste der USA wurde von den Briten angegriffen, die neue Hauptstadt Washington besetzt und niedergebrannt, und gleichzeitig marschierte der von den Anglo-Venezianern aufgebaute Napoleon auf Moskau. Der damalige US-Botschafter in St. Petersburg war der spätere US-Präsident John Quincy Adams, ein umfassend gebildeter Astronom und Redner, einer der herausragenden Staatsmänner Amerikas. Im Grafen Nikolai Romanzoff, dem Handelsminister, Außenminister und Kanzler des russischen Zaren Alexander I., fand Adams während seines Aufenthalts in Rußland 1809-14 einen Gesprächspartner mit ähnlich umfassenden Interessen. Einer der wichtigsten Punkte, der sie verband, war ihr Bewußtsein, daß das Britische Empire der gemeinsame Feind der Vereinigten Staaten und Rußlands ist.
Heute wäre für die USA eine ähnlich hochkarätige diplomatische Vertretung in Rußland vonnöten, weil die Finanzmächte und Geostrategen des sterbenden transatlantischen Systems - die Nachfahren jenes Empires von 1812 - die Welt in ein neues finsteres Zeitalter der Entvölkerung und des Krieges zu stürzen drohen, eines Atomkriegs, der die gesamte Zivilisation vernichten würde.
Aber Präsident Barack Obama hat gerade einen neuen Botschafter ganz anderer Art nach Moskau geschickt, einen gewissen Michael McFaul, der während seiner gesamten Laufbahn schon immer sehr engstirnige, ideologische Ziele verfolgte. Seine Vorstellungen sind nicht amerikanisch, sondern britisch: der zynische Aufbau angeblich „demokratischer“ Bewegungen zu geopolitischen Zwecken, um Regierungen, die bei der Globalisierung nicht mitmachen wollen, loszuwerden.
Das war von Anfang an, seit den siebziger und achtziger Jahren, die Ausrichtung des „Project Democracy“. Die persönlichen Oxford-Verbindungen McFauls und anderer führender Figuren des „Project Democracy“, wie der Vizepräsidentin der Organisation „National Endowment for Democracy“ (NED) Nadia Diuk, unterstreichen den britischen Aspekt dieser Aktivitäten. Sie sprechen auch ganz unverhohlen aus, was sie bezwecken. McFaul erklärte im Juni 2011 in einem Interview mit Slon.ru: „Die meisten Rußland-Beobachter sind Diplomaten oder Spezialisten für Sicherheit und Abrüstung, oder für die russische Kultur. Ich bin nichts davon. Ich kann Puschkin nicht auswendig rezitieren. Ich bin ein Spezialist für die Demokratie, antidiktatorische Bewegungen und Revolutionen.“ (Hervorhebung hinzugefügt, d. Red.)
Kaum ein Mensch lernt die russische Sprache, ohne irgend etwas von Rußlands Nationaldichter Alexander Puschkin auswendig zu lernen, und nur jemand, der ganz andere Prioritäten verfolgt, wird sich dem entziehen und dann auch noch damit brüsten.
Tatsächlich hat McFaul ganz andere Prioritäten, als die russische Kultur und Politik oder auch die sowjetische Geschichte zu verstehen. Das sprach er schon im Dezember 2004 in einem Gastkommentar für die Washington Post klar aus: „Haben sich die Amerikaner in die inneren Angelegenheiten der Ukraine eingemischt?“ fragte er, bezogen auf die Ereignisse jenes Monats, als Straßendemonstrationen in Kiew eine Wiederholung der Präsidentschaftswahl erzwangen, die dann zu einem anderen Ergebnis führte - der sogenannten Orangenen Revolution. „Ja“, beantwortet er die eigene Frage, „die amerikanischen Einflußagenten würden ihre Aktivitäten lieber anders umschreiben - demokratische Unterstützung, Förderung der Demokratie, Unterstützung für die Zivilgesellschaft, etc. - aber ihre Arbeit, wie immer man sie bezeichnet, zielt darauf ab, das politische Geschehen in der Ukraine zu beeinflussen.“
McFaul weiter: „Verstößt eine solche Form der Intervention gegen internationale Standards? Nicht mehr. Es gab eine Zeit, wo der Einsatz für nationale Souveränität eine fortschrittliche Idee war, weil der Vormarsch der Staatlichkeit half, Imperien zu zerstören. Aber diejenigen, die heute die Souveränität des Staates hochhalten, tun dies vor allem, um ihre Autokratie zu verteidigen, während diejenigen, die sich für die Souveränität des Volkes einsetzen, heute die neuen Progressiven sind.“
Es ist kein Wunder, daß der größte private Geldgeber für die „Förderung der Demokratie“ der Großspekulant George Soros ist. Sein OSI steckte Ende der neunziger Jahre jährlich bis zu 400 Mio. Dollar in Programme zur Förderung der „Zivilgesellschaft“ in Mittel- und Osteuropa. Im gleichen Zeitraum wurden bekanntlich Finanzwetten des Hedgefonds-Chefs Soros gegen die Landeswährungen in Asien 1997-98 zu einem wesentlichen Auslöser der Krisenphase des weltweiten Finanzsystems, die dann im russischen Staatsbankrott vom August 1998 ihren Höhepunkt erreichte. Soros’ enge Verbindungen zu den Londoner Finanzinteressen um die Rothschilds reichen bis in die Nachkriegszeit zurück, als sie seine Karriere in Großbritannien förderten, und die Rothschilds und die Inter-Alpha-Gruppe - das größte Finanzkonglomerat der Welt - haben ihre Absicht, sich den Zugriff auf Rußlands riesige Reichtümer zu sichern, niemals aufgegeben. Nat Rothschild aus der gegenwärtigen Generation der Finanzdynastie macht keinen Hehl aus seinen Bestrebungen, eine Präsenz in Rußland aufzubauen, sowohl über seine Investmentfirma JNR Ltd. als auch über seine auf Rußland ausgerichteten Rohstoffunternehmen wie Vallar sowie über seine Beziehungen zu russischen Oligarchen wie Oleg Deripaska.
Was den reinen Umfang der Finanzmittel angeht, sind Soros, NED und USAID nicht zu schlagen. Aber wenn es um die Prinzipien der „Förderung der Demokratie“ geht, dann muß man nach Oxford schauen.
Genau das haben die führenden Gefolgsleute von „Project Democracy“ getan - buchstäblich. McFaul war als Rhodes-Stipendiat in Oxford, die Vertreterin der USA bei den Vereinten Nationen Susan Rice war als Rhodes-Stipendiatin in Oxford, und die Vizepräsidentin des NED Nadia Diuk, die Rußlands heutige Führung grundsätzlich als ein zu stürzendes autoritäres Regime bezeichnet, lehrte sogar in Oxford, bevor sie ihre derzeitigen Funktionen in den Vereinigten Staaten übernahm.
Zwei Oxford-Professoren, Sir Adam Roberts und Timothy Garton Ash, leiten seit 2006 ein Projekt, das sich „Ziviler Widerstand und Machtpolitik“ nennt. Die Ziele und den Zusammenhang davon mit der derzeitigen weltweiten Welle von „Regimewechseln“ kann man besser verstehen, wenn man sich vor Augen führt, wie die Universitäten Oxford und Cambridge seit Jahrhunderten als geistige Leitung des Empire dienen. „Rotröcke“ und Kanonenboote waren die offensichtlichen Instrumente der britisch-imperialen Herrschaft im 18. und 19. Jahrhundert, aber die strategischen Konzepte dahinter waren immer von den Professoren in Cambridge und Oxford entwickelt. Die beiden Universitäten dienten als „Klöster“ der imperialen Hohepriesterschaft. Noch bis ins 19. Jahrhundert mußten die Dozenten („dons“) sogar geistlichen Orden angehören und sich zum Zölibat verpflichten. Auch heute, in einer Zeit, in der das Empire seine Herrschaft mit Hilfe von Finanzmärkten und kultureller Kriegsführung ausübt, ist die Rolle von Cambridge und Oxford in diesem „Imperium des Geistes“ so bedeutend wie eh und je.
Im Lauf der Jahrhunderte entwickelte sich zwischen den beiden Universitäten so etwas wie eine Arbeitsteilung: Cambridge, das Zentrum des britischen Kultes der Mathematik, betreibt die grundlegenden intellektuellen Schwindel, wie etwa die Unterminierung der wissenschaftlichen Physik im 19. Jahrhundert nach den Errungenschaften von Gauß, Riemann und Ampère durch James Clerk Maxwell. In den letzten 60 Jahren stand Cambridge im Mittelpunkt der Entwicklung von Computern, des Kults der Kybernetik und der Systemanalyse, der „mathematischen Ökonomie“ der Nachkriegszeit und eines ganzen Arsenals von Gehirnwäschemethoden des „Zeitalters der Information“, wie Facebook, Twitter und das Internet überhaupt. Oxford hingegen organisierte eher die konkrete koloniale Umsetzung dieser Politik, vor allem durch Absolventen der Fakultät für Politik, Philosophie und Wirtschaft (PPE). Eine zentrale Rolle in beiden Aspekten des imperialen Projektes im 20. Jahrhundert spielte Lord Bertrand Russell, den Lyndon LaRouche als den bösartigsten Menschen seiner Zeit bezeichnete.
Nicht jeder Rhodes-Stipendiat wird auch ein britischer Einflußagent, wie das Beispiel Bill Clintons zeigt. Aber die meisten übernehmen voll und ganz die britischen Denkweisen und Methoden. Das beste Beispiel hierfür ist die heutige amerikanische UNO-Botschafterin Susan Rice, deren Oxforder Doktorarbeit von 1990, ein Lob der Initiative des Britischen Commonwealth in Simbabwe, von der außenpolitischen Denkfabrik Chatham House (Royal Institute of International Affairs, RIIA) mit dem Preis der Britischen Gesellschaft für Internationale Studien als beste Dissertation des Jahres zu Fragen der internationalen Beziehungen ausgezeichnet wurde.
Auf der Webseite des Oxford-Projekts „Ziviler Widerstand und Machtpolitik“ (CR&PP) wird nur eine Handvoll „ausgewählter Internetseiten über zivilen Widerstand“ empfohlen; darunter sind das britische openDemocracy.net und das International Center on Nonviolent Conflict (ICNC) aus Washington. Ganz oben auf der kurzen Liste steht die Albert Einstein Institution (AEI) aus East Boston/Massachusetts. Dessen Gründer und Forschungsleiter Gene Sharp lieferte 2007 den Hauptbeitrag einer Sitzung der CR&PP-Konferenz in Oxford: „Die Politik der gewaltfreien Aktion und die Verbreitung der Ideen des zivilen Widerstands.“ Sharp, Jahrgang 1928, ist ein Produkt des gleichen Oxforder Establishments wie McFaul, aber schon um eine Generation älter.
Nach den Ereignissen in der Ukraine 2004-05 wurde Gene Sharp durch Veröffentlichungen von EIR und anderen Publikationen in Rußland weithin als der geistige Vater der „farbigen Revolutionen“ bekannt. Der langjährige Vizestabschef des Kreml Wladislaw Surkow erwähnt Sharp in einem Interview über die Moskauer Demonstrationen im Dezember 2011, kurz bevor er einen neuen Posten als Vizeministerpräsident (für Wirtschaftsmodernisierung) erhielt: „Es besteht keinerlei Zweifel daran, daß einige Leute aus diesen Protesten eine ,farbige Revolution’ machen wollen... Sie handeln buchstäblich nach Sharps Drehbüchern und den jüngsten Leitfäden über revolutionäre Methoden. So buchstäblich, daß es schon langweilig ist.“ In einer Sendung des russischen Staatsfernsehens („Der historische Prozeß“) mit einer lautstarken Debatte über die Frage, ob die Moskauer Straßenaktionen zu so etwas wie der Russischen Revolution vom Februar 1917 (dem Sturz von Zar Nikolaus II.) führen könnten, zeigte einer der Moderatoren, Sergej Kurginjan, große Bilder von Sharp und McFaul.
Bei den erwähnten „Drehbüchern“ handelt es sich um Sharps dreibändiges Werk The Politics of Nonviolent Action (Die Politik der gewaltfreien Aktion, 1973) das auf seiner Oxforder Dissertation von 1968 beruht, und Von der Diktatur zur Demokratie (1993). Seine Schriften, insbesondere letztere, wurden in mehr als 40 Sprachen übersetzt. Sharp systematisierte die Methoden „politischen Ungehorsams“, von ihm „PD“ („political defiance“) abgekürzt, in einer Liste mit 198 Taktiken - von Boykotten bis zum Einsatz von Symbolen, wie etwa „Zeigen symbolischer Farben“, „nackten Protesten“, „symbolischen Lichtern“, „Farbe als Protest“, „rohen Gesten“ etc. Zu seinen Empfehlungen gehört auch eine möglichst geschickte Auswahl von Zielen politischer Beeinflussung. So sagte beispielsweise ein Teilnehmer der Proteste auf dem Tahrir-Platz im vergangenen Jahr in Ägypten: „Einer der wichtigsten Punkte, die wir nutzten, war Sharps Idee, die tragenden Säulen eines Regimes zu identifizieren. Wenn es uns gelänge, eine Verbindung zur Armee aufzubauen, der größten unterstützenden Säule Mubaraks, dann wüßten wir, daß er sehr bald am Ende ist.“
Wie seine Freunde in Oxford greift Sharp zu einem äußerst bösartigen Trick und wirft wirklich heroische Kämpfe, wie den Mahatma Gandhis gegen die britische Herrschaft in Indien oder von Martin Luther Kings Bürgerrechtsbewegung in Amerika, in einen Topf mit den völlig synthetischen Bewegungen, die das heutige Britische Empire mit Hilfe von Sharps Rezepten und dem Geld von George Soros und der NED (National Endowment for Democracy) gegen seine Gegner aufbaut. Sharp macht da keine Unterschiede, in seinen Schriften sind es alles „Bewegungen gegen Diktaturen“. Statt politischer Metaphern mit einem tieferen Sinn, wie dem Spinnrad und der selbstgeschneiderten Kleidung bei Gandhi (als Symbol für wirtschaftliche Unabhängigkeit von den Briten und einen schlichten Lebensstil), werden nach Kriterien der Werbebranche in der Art des „viralen Marketing“ z.B. willkürlich Farben als Erkennungszeichen gewählt.
Sharp verbreitet gerne, sein AEI sei nur „ein kleines Institut mit zwei Mitarbeitern in seinem Keller“, aber nach seinen eigenen Angaben erhielt er dafür Gelder vom NED, vom International Republican Institute (IRI, einem Ableger des NED) und der Ford Foundation. Von George Soros’ Open Society Institute (OSI) gab es Geld für die Übersetzung von Sharps Handbuch in verschiedene Sprachen. Das IRI finanzierte Anfang 2000 ein Seminar des AEI für Aktivisten der serbischen Organisation Otpor! („Widerstand!“) in Ungarn, was im weiteren Verlauf des Jahres zum Sturz von Präsident Slobodan Milosevic führen sollte. NED-Vertreter räumten ein, daß das NED Otpor! mit hohen Summen gefördert hat. Später halfen Otpor!-Leute, Sharps Methoden auch in Georgien, der Ukraine und anderen Ländern einzuführen (im nebenstehenden Kasten finden Sie eine Liste der „farbigen Revolutionen“, die in dieser Weise organisiert wurden).
Sharp selbst prahlte 2006 in einem Interview mit The Progressive, er sei 1989 auf dem Tiananmen-Platz in Beijing gewesen und habe sich dort drei oder vier Tage vor dem Niederschlagen der Proteste mit Demokratie-Aktivisten getroffen. Sein Buch Von der Diktatur zur Demokratie habe er auf Bitten birmanischer Exilanten geschrieben, nachdem er 1992 eine Reise nach Myanmar unternommen hatte, zu der er illegal in das Land einreiste.
Nun soll diese Null-acht-fünfzehn-Formel für die farbigen Revolutionen der letzten Jahre auch in Rußland zur Anwendung kommen, auch wenn dies offensichtlich nicht die einzige Trumpfkarte ist, die die britischen Interessen gegen Putin im Ärmel haben. Wie es in der Rezension des CR&PP-Buchs in International Affairs, dem Magazin des Royal Institute of International Affairs (RIIA), über die Proteste in Georgien und der Ukraine heißt: „In beiden Fällen war der Katalysator das Aufdecken des Wahlbetrugs - mit Hilfe westlicher Beobachter.“
Gekürzt aus Neue Solidarität Nr. 7 und 8-9/2012