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Von Rachel Douglas
Um den Hintergrund der Strategie der „Farbigen Revolutionen“ weiter zu belegen, bringen wir im folgenden erneut die wichtigsten Auszüge aus dem grundlegenden Dokumentationsmaterial, das Rachel Douglas von EIR vor mehr als zwei Jahren zusammengetragen hat.
Nimmt man die Ereignisse vor der russischen Parlamentswahl vom 4. Dezember 2011, deren Annullierung von Demonstranten gefordert wurde, genauer unter die Lupe, so zeigt sich, daß nicht nur der frühere sowjetische Staatschef und britische Einflußagent Michail Gorbatschow bis über beide Ohren darin verwickelt ist. Auch der riesige Apparat des „Project Democracy“, den die LaRouche-Bewegung schon in den achtziger Jahren als Element einer verfassungswidrigen „Geheimregierung“ in den USA anprangerte, ist voll mobilisiert, um zu verhindern, daß die gegenwärtige russische Führung sich an der Macht halten kann.
Ein anschauliches Beispiel ist die Aussage der Vizepräsidentin des National Endowment for Democracy (NED), Nadia Diuk, vor dem Unterausschuß für Europa und Eurasien im außenpolitischen Ausschuß des Repräsentantenhauses am 26. Juli letzten Jahres. Das NED fungiert als Dachorganisation des Project Democracy und arbeitet über das mit der Republikanischen Partei verbundene International Republican Institute (IRI) und das „demokratische“ Gegenstück, das National Democratic Institute (NDI), das gegenwärtig von Madeleine Albright geleitet wird.
Diuk wurde an der Universität von Sussex in England als Rußlandexpertin ausgebildet und lehrte an der Universität Oxford, bis sie Anfang der neunziger Jahre als Leiterin der NED-Programme in Osteuropa und Rußland in die USA kam. Ihr Ehemann und häufiger Mitautor, Adrian Karatnycky vom Atlantic Institute, leitet zwölf Jahre lang Freedom House, einen privaten Ableger der US-Nachrichtendienste. Diuks Rolle ist typisch dafür, wie die Briten wesentliche strategische Operationen in US-amerikanische Einrichtungen „auslagern“.
In ihrer Aussage vor dem Ausschuß wirkte Diuk wie eine Reinkarnation der Kalten Krieger der fünfziger Jahre, so wütete sie gegen die „autoritäre“ und „diktatorische“ russische Regierung. Sie sagte: „Die Trendkurven für Freiheit und Demokratie in Rußland sind unablässig negativ, seit Wladimir Putin an die Macht kam und daran ging, systematisch eine Vertretung dieser Interessen innerhalb des Staates zu schaffen.“ Dann verkündete sie lange vor den Wahlen, daß diese nicht fair sein würden: „Das derzeitige Regime wird die anstehende Parlamentswahl im Dezember 2011 und die Präsidentschaftswahl im März 2012 wahrscheinlich mit den unvermeidlichen Fälschungen und Manipulationen benutzen, um die weitere Legitimität seiner Herrschaft zu behaupten.“
Diuk äußerte die Hoffnung, daß das (verheerende) Experiment der „Orangenen Revolution“ von 2004 in der Ukraine in Rußland wiederholt werden könne, und behauptete: „Als die Proteste gegen die autoritäre Herrschaft in der Orangenen Revolution in der Ukraine 2004 zum Sturz der Regierung führten, sahen Rußlands Bürger jenseits der Grenze eine Vision einer anderen Zukunft für sich als slawische Nation.“ Sie lieferte dann eine Darstellung der angeblichen Reaktionen des Kreml auf die Ereignisse in der Ukraine und behauptete: „Die Führer des Kreml - stets die kreativsten Innovatoren im Club der Autoritären - ergriffen auch aktive Maßnahmen, um die Regierung zu unterstützen und die demokratische Opposition zu unterminieren...“
Das NED, das über ein Jahresbudget von 100 Mio. Dollar verfügt, fördert Dutzende sogenannter zivilgesellschaftlicher Gruppen in Rußland. So hat die angeblich „unabhängige“ Wahlbeobachter-Gruppe Golos, die schon vor der Wahl erklärte, es werde zu Unregelmäßigkeiten kommen, seit dem Jahr 2000 über das NDI Gelder des NED erhalten, und es zahlt seinen Wahlbeobachtern eine Prämie für jeden Bericht über Unregelmäßigkeiten bei der Wahl. An den „Korruptionsbekämpfer“ Alexej Nawalnij, die Kultfigur der Dezember-Demonstrationen im Internet, fließen auch schon seit 2006 NED-Gelder. Damals startete er zusammen mit Maria Gaidar - der Tochter des inzwischen verstorbenen, in London ausgebildeten Premierministers Jegor Gaidar, der für die berüchtigte „Schocktherapie“ verantwortlich zeichnete - ein Projekt namens „DA!“ (russisch „Ja!“, aber auch die Abkürzung für „Demokratische Alternative“) für politische Debatten junger Menschen. Gorbatschows enger Mitstreiter Wladimir Ryschkow, der gegenwärtig mit Kudrin über die Bedingungen eines „Dialogs zwischen den Behörden und der Opposition“ verhandelt, hat für seine „Weltbewegung für Demokratie“ ebenfalls Gelder des NED erhalten.
Die größte Geldquelle für diese Einmischung in die inneren Angelegenheiten Rußlands ist neben den Open Society-Stiftungen (früher Open Society Institute, OSI) des berüchtigten Spekulanten George Soros die US-Behörde für Internationale Entwicklung (USAID), was Mittel einschließt, die über NDI und IRI laufen. Seit 1992 hat USAID offiziell 2,6 Mrd.$ für Projekte in Rußland ausgegeben, derzeit sind es nach offiziellen Angaben rund 70 Mio.$ im Jahr. Davon werden fast die Hälfte für Programme des „gerechten und demokratischen Regierens“ und weitere 30% für „Information“ ausgegeben; nur ein kleiner Teil fließt in Programme wie die Bekämpfung von HIV und Tuberkulose. Am 15. Dezember kündigte der Staatssekretär für europäische und eurasische Angelegenheiten im US-Außenministerium, Philip Gordon, an, die Regierung Obama werde beim Kongreß eine Anhebung der Ausgaben beantragen für „eine Initiative zur Schaffung eines neuen Fonds zur Unterstützung russischer Nichtregierungsorganisationen, die sich für eine pluralistischere und offenere Gesellschaft einsetzen“.
Die Straßendemonstrationen vom Dezember 2011 wurden vor allem über das Internet organisiert. Die Teilnehmerzahl wuchs von einigen hundert am 5. Dezember, dem Tag nach der Wahl, auf geschätzte 20.000, die am 10. Dezember auf dem Bolotnaja-Platz demonstrierten. Am 24. Dezember auf dem Sacharow-Prospekt waren es nach unterschiedlichen Angaben zwischen 30.000 und 120.000.
Die deutliche Ausweitung des Internetzugangs und der „sozialen Netzwerke“ im Internet hat der kulturellen Kriegführung in Rußland eine neue Dimension gegeben. Wie EIR bei seinen Recherchen feststellte, sind britische Geheimdienstnetzwerke an den derzeitigen Versuchen beteiligt, Rußland zu destabilisieren und Putin zu stürzen, und arbeiten intensiv daran, die Internetaktivität in Rußland zu beobachten und für ihre Zecke zu nutzen. Wiederum sind einige Projekte in die USA und Kanada „ausgelagert“, aber das Zentrum für diese Aktivitäten ist die Universität Cambridge in Großbritannien, das Herz des Britischen Empire und die Heimat der Systemanalyse und ähnlicher Unternehmungen Bertrand Russells und der „Cambridge-Apostel“
Bei diesen Projekten geht es um weit mehr als nur darum, Internetteilnehmer und Gruppen zu profilieren; das zeigt die Zusammenarbeit der um Cambridge gruppierten Netzwerke mit dem „Korruptionsbekämpfer“ Alexej Nawalnij, einer zentralen Figur bei den Dezemberprotesten.
Während George Soros und sein OSI dem Ausbau des Internetzugangs in den Ländern der früheren Sowjetunion schon vor Jahren Priorität gaben, klagten britische Cyberspace-Spezialisten noch 2008, das Internet lasse sich in Rußland noch nicht wirksam für politische Zwecke nutzen. Das Reuters-Institut für das Studium des Journalismus an der Universität Oxford erstellte 2008 eine von Soros finanzierte Studie mit dem Titel: „The Web that Failed: How opposition politics and independent initiatives are failing on the Internet in Russia“ („Das Web hat versagt - wie oppositionelle Gruppen und unabhängige Initiativen in Rußland im Internet scheitern“). Darin bedauern die Autoren, daß Prozesse wie die Orangene Revolution in der Ukraine, bei denen die Internetkontakte von entscheidender Bedeutung waren, in Rußland nicht Fuß fassen. Aber sie zitieren einen Bericht von Andrew Kuchins vom Carnegie Center in Moskau, die Versiebenfachung der Internetnutzung in Rußland zwischen 2000 und 2007 sei Grund zum Optimismus. Außerdem zitieren sie Robert Orttung von der American University und dem Resource Security Institute, die russischen Blogs erreichten „die dynamischsten Mitglieder der jungen Generation“ und könnten von „Mitgliedern der Zivilgesellschaft“ genutzt werden, um „liberale Oppositionsgruppen und Nationalisten“ zu mobilisieren.
Kaum ein Jahr später hieß es in einem Bericht der Internet-Marktforschungsfirma comScore begeistert, dank des boomenden Internetzgangs habe Rußland inzwischen „das engagierteste Publikum der Welt in sozialen Netzwerken“. Die Zahl der Facebook-Nutzer in Rußland stieg von 2008 auf 2009 um 277%. Das dem Facebook vergleichbare russische soziale Netzwerk-Portal Vkontakte.ru hatte 2009 14,3 Millionen Nutzer, Odnoklassniki.ru (Classmates/Stayfriends vergleichbar) 7,8 Mio. und Mail.ru-My World 6,3 Mio. Diese drei Portale gehören allesamt zu Juri Milners Webimperium Mail.ru/Digital Sky Technologies, wobei die Unternehmen ihren Sitz auf den britischen Virgin Islands oder anderen Offshore-Zentren haben.
In ihrer erwähnten Studie „Das Internet hat versagt“ befaßten sich die Oxford-Reuters-Autoren Floriana Fossato, John Lloyd und Alexander Werchorskij mit den ihrer Meinung nach fehlenden Elementen des russischen Internets. Was wäre notwendig, fragen sie, damit die Teilnehmer des russischen Internets in der Lage wären, „Motivation und anspruchsvolle Zielsetzungen zu inszenieren“? Sie zitieren Julia Minder vom russischen Internetportal Rambler, die über das Mobilisierungspotential sagte: „Blogs sind momentan die Antwort, aber das Entscheidende ist, einen führenden Blogger zu finden, der bereit ist, mehrere Stunden am Tag Leute im Netz zu treffen. Solche führenden Blogger müssen unterhaltsam sein... Das Potential ist da, aber meistens wird es nicht genutzt.“
Wenn man das liest, muß man sich unwillkürlich fragen, ob Alexej Nawalnij eine Art Retorten-Schöpfung ist, um diese fehlende Lücke zu schließen. Es wäre nicht das erste Mal in der jüngeren Geschichte Rußlands, daß so etwas geschieht. 1990 schrieben die zukünftigen „jungen Reformer“ Rußlands Anatoli Tschubais und Sergej Wasiljew ein Papier für das Internationale Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien über die Prioritäten einer Reform in Rußland. Sie erklärten, ein bestimmter Persönlichkeitstyp fehle in der russischen Gesellschaft: der reiche Unternehmer. In ihrem IIASA-Papier schrieben Tschubais und Wasiljew: „Wir sehen jetzt eine Figur vor uns, die aus der historischen Nichtexistenz ersteht: die Figur des Geschäftsmanns oder Unternehmers, der genug Kapital hat, um Verantwortung als Investor zu übernehmen, und genug technische Kenntnisse und Bereitschaft, Innovationen zu unterstützen.“
Dieser Persönlichkeitstyp wurde dann durch den korrupten Prozeß der Privatisierung in Rußland geschaffen - man nennt sie die „Oligarchen“. Wurde Nawalnij in ähnlicher Weise als der charismatische Blogger „erfunden“, den die subversiven Briten für ihre „Mobilisierung“ brauchten?
Die Verhaftung des Online-Stars Nawalnij am 5. Dezember in Moskau und seine Rede bei der Kundgebung auf dem Sacharow-Prospekt am 24. Dezember waren die Höhepunkte der Unruhen in der russischen Hauptstadt im vergangenen Monat. Der heute 35 Jahre alte Nawalnij wuchs in einer sowjetischen bzw. russischen Soldatenfamilie auf und ist als Rechtsanwalt ausgebildet. 2006 begann wie erwähnt das NED, sein „DA!“-Projekt zu finanzieren. Irgendwie - vielleicht durch Online-Geschäfte, wie manche Biographen vermuten, oder dank unbekannter Wohltäter - war Nawalnij dann in der Lage, nach eigenen Angaben für 40.000 Dollar Aktien verschiedener russischer Großunternehmen mit großem Staatsanteil zu kaufen. Dadurch wurde er zum Minderheitsaktionär, was er als Plattform für seine Antikorruptionskampagnen nutzte.
Dazu muß man wissen, daß das Netz der „Korruption“ in Rußland jenes System der Bargeldflüsse mit Schmiergeldern, Vorteilsnahmen und Erpressungen ist, das sich aus den kriminellen Netzwerken entwickelte, die schon in den achtziger Jahren existierten und durch Gorbatschows Perestroika-Politik Auftrieb bekamen.
Nawalnij ist in der Öffentlichkeit wie eine gespaltene Persönlichkeit. Einerseits ist er „Mr. Offenheit“ und veröffentlicht die gesamte juristische Dokumentation der Korruptionsfälle, die er anprangert. Als sein E-Mail-Konto gehackt wurde und seine Korrespondenz mit der US-Botschaft und Vertretern des NED über deren finanzielle Unterstützung für ihn veröffentlicht wurde, gab Nawalnij sogar zu, daß die veröffentlichten Mails echt waren. In Interviews versucht er seine Gesprächspartner mit Bemerkungen zu entwaffnen wie: „Halten Sie mich für ein amerikanisches Projekt oder für ein Kreml-Projekt?“
Während der russischen Weihnachtsfeiertage Anfang Januar führte Nawalnij in Live Journal mit dem bekannten Autor von Kriminalromanen und liberalen Aktivisten Boris Akunin (mit bürgerlichem Namen Grigori Schalwowitsch Tschchartischwili), der ebenfalls zu den Anführern der Dezember-Demonstrationen gehörte, einen bemüht freundlichen Dialog über die Frage, ob Nawalnijs Slogan „Rußland den Russen“ ihn als Heuchler entlarvt, der nicht geeignet sei, die Bewegung anzuführen.
Aber wenn er auf der Straße zur Bevölkerung spricht, hört sich Nawalnij an wie Mussolini. Der prominente russische Kolumnist Maxim Sokolow schrieb in Iswestija, er erinnere an Hitler oder an Catalina, der sich gegen die Römische Republik verschwor.
An den Recherchen für diesen Bericht waren Allen Douglas, Gabrielle Peut, David Christie und Dorothea Bunnell beteiligt.
Gekürzt aus Neue Solidarität Nr. 5/2012