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Neue Solidarität
Nr. 10, 5. März 2014

Westliche Geheimdienste und ukrainische Nazis

Wie Richard Breitman und Norman Goda 2012 in ihrem Buch Hitler’s Shadow: Nazi War Criminals, U.S. Intelligence and the Cold War1 dokumentierten, richtete der stellvertretende CIA-Direktor Allen Dulles am 5. Mai 1952 ein Schreiben an den US-Kommissar für Immigration und Naturalisierung. Darin ging es um Mykola Lebed, den Chef des geheimen Polizeiapparats innerhalb der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN-B) unter Stepan Bandera, die während des Zweiten Weltkriegs in der Ukraine Kollaborateure der Nazis gewesen waren. Bekanntlich hatte Dulles schon direkt nach Kriegsende die Flucht von Nazi-Kriegsverbrechern über die „Rattenlinie“ nach Südamerika organisiert. Sein Schreiben von 1952 lag ganz auf dieser Linie.

Es heißt dort, Lebed sei „für diese Behörde [die CIA] bei ihren Operationen von unschätzbarem Wert. Im Zusammenhang zukünftiger Operationen der Behörde von größter Bedeutung ist es dringend notwendig, daß der Betreffende in der Lage ist, in Westeuropa zu reisen. Aber bevor der Betreffende solche Reisen unternehmen kann, muß die Behörde in der Lage sein, seine Wiedereinreise in die Vereinigten Staaten zu garantieren, ohne daß es eine Untersuchung oder Zwischenfälle gäbe, die eine unangemessene Aufmerksamkeit auf seine Person lenken würden. Ihre Dienststelle hat angedeutet, daß sie dies nicht zusichern kann, da der Betreffende 1936 wegen seiner Beteiligung an der Ermordung des polnischen Innenministers 1934 vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt wurde, was später in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt wurde... Ihre Dienststelle hat angedeutet, daß eine Untersuchung erfolgen müsse, wenn der Betreffende mit einer Genehmigung zur Wiedereinreise in die Vereinigten Staaten zurückkehrt... Um die Hindernisse für die Erfüllung der zu erwartenden Aufgaben dieser Behörde zu beseitigen und aufgrund der mit Abschnitt 8 des CIA-Gesetzes von 1949 gegebenen Befugnisse, genehmige ich und empfehle Ihnen zu genehmigen, dem Betreffenden auf der Grundlage dieses Gesetzes die Einreise in die Vereinigten Staaten zwecks dauerhafter Niederlassung zu gestatten, da eine solche Einreise wesentlich ist zur Förderung der Mission der nationalen Geheimdienste und im Interesse der nationalen Sicherheit liegt.“

Sowohl Bandera, der ebenfalls wegen der Ermordung des polnischen Innenministers verurteilt worden war, als auch Lebed entkamen dem Gefängnis, als die Nazis 1939 in Polen einmarschierten. Beim Einmarsch der Nazis in die Sowjetunion am 22. Juni 1941 riefen Bandera and Lebed dann einen souveränen und vereinigten ukrainischen Staat in Ostgalizien aus. Lebed, der in Zakopane in einem Zentrum der deutschen Gestapo ausgebildet worden war, sollte der neue Innenminister werden.

In einer Erklärung der Banderisten vom April 1941 heißt es, daß „die Juden in der UdSSR eine der treuesten Stützen des herrschenden bolschewistischen Regimes und des moskowitischen Imperialismus in der Ukraine darstellen“. Bei Pogromen in Ostgalizien wurden in den ersten Kriegstagen schätzungsweise 12.000 Juden ermordet. Im April 1943 schlug Lebed vor, „das gesamte revolutionäre Territorium von der polnischen Bevölkerung zu säubern“. An einem einzigen Tag, dem 11. Juli 1943, griff die Ukrainische Aufstandsarmee (UPA) etwa 80 Ortschaften an und tötete ungefähr 10.000 Polen.

In Dulles’ Brief werden weder Lebeds Ausbildung durch die Gestapo noch die von Bandera und Lebed betriebenen ethnischen Säuberungen gegen Juden und Polen in der Ukraine erwähnt.

Wie Breitman und Goda dokumentiert haben, ging es bei der Mission, von der Dulles sprach, genau wie heute darum, auf dem Territorium der Ukraine einen Krieg gegen Rußland (damals die Sowjetunion) zu führen und dafür bekannte Nazis einzusetzen. Ihr Bericht wirft die schwerwiegende Frage auf, ob dieses Programm tatsächlich, wie behauptet, jemals eingestellt worden ist.

Bandera selbst wurde nicht von der CIA angeheuert, sondern vom britischen Geheimdienst MI-6, der mindestens bis 1954 mit ihm zusammenarbeitete. 1959 wurde er dann vom westdeutschen Bundesnachrichtendienst (BND) übernommen, der damals von General Reinhard Gehlen geleitet wurde, dem Leiter des deutschen Militärgeheimdienstes an der Ostfront („Fremde Heere Ost“) während des Zweiten Weltkriegs. Banderas persönlicher Kontaktmann im westdeutschen Geheimdienst war Gehlens einstiger Stellvertreter Heinz Danko Herre. Herre selbst hat zugegeben, daß Banderas Arbeit für den westdeutschen Geheimdienst sogar innerhalb des BND ein wohlgehütetes Geheimnis war und daß diese Beziehung „aufgrund der politischen Obertöne nicht mit Bonn abgesprochen war“.

Bandera hatte seit 1955 versucht, ein Einreisevisum für die Vereinigten Staaten zu erhalten. Obwohl diese sich weigerten, mit ihm zusammenzuarbeiten, empfahl die CIA im Oktober 1959, ihm die Einreise zu gestatten. Zehn Tage später wurde Bandera in München ermordet - angeblich vom KGB.

Während MI6 und BND mit Bandera zusammenarbeiteten, arbeitete die CIA mit Lebed - von 1950 bis zum angeblichen „Ende des Kalten Krieges“ 1990, und dies trotz der Tatsache, daß ein Bericht des Counter Intelligence Corps (CIC) der US-Armee vom Juli 1947 Lebed als „wohlbekannten Sadisten und Kollaborateur der Deutschen“ bezeichnet hatte. Lebed wurde am Ende des Krieges zunächst von der US-Armee von Rom nach München verbracht. Später ging er nach New York und erhielt dort - dank Allen Dulles - zunächst eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung und dann die amerikanische Staatsbürgerschaft.

Als er in den Vereinigten Staaten angekommen war, wurde Lebed zum wichtigsten Kontaktmann der CIA zur „Operation Aerodynamic“, die Forsetzung der früheren „Operation Cartel“. Diese Operationen dienten zur „Unterstützung, Entwicklung und Ausnutzung der ukrainischen Untergrundbewegung zum Zweck des Widerstands und der Nachrichtenbeschaffung“.

Ab 1953 operierte Aerodynamic unter der Führung einer von Lebed geleiteten „Ukrainischen Studiengruppe“ in New York, die der Aufsicht der CIA unterstand. 1956 wurde dieser Gruppe die Form der gemeinnützigen „Prolog Research and Publishing Association“ („Prolog Forschungs- und Publikationsverein“) gegeben. Allein im Jahr 1956 strahlte Prolog mit Unterstützung der CIA 1200 Radiosendungen mit insgesamt 70 Sendestunden pro Monat aus und verbreitete 200.000 Zeitungen und 5000 Pamphlete. Ab 1960 beschäftigte Prolog auch einen von der CIA ausgebildeten Ukrainer namens Anatol Kaminsky. Ab 1966 leitete Kaminsky unter der Gesamtleitung von Lebed die Geschäfte von Prolog.

Lebed ging 1975 in den Ruhestand, diente Prolog aber weiter als Berater. In den 80er Jahren wurde Aerodynamic zunächst in Qrdynamic, Pddynamic und später in Qrplumb umbenannt. Gleichzeitig weitete Prolog seine Aktivitäten auf andere Nationalitäten der früheren Sowjetunion aus. Offiziell wurde Qrplumb 1990 eingestellt, aber Prolog durfte seine Arbeit fortsetzen, auch wenn es dabei angeblich finanziell auf sich selbst gestellt war. Es stellt sich die Frage, ob diese ganze Operation bis heute weiter betrieben wird.

Im Juni 1985 leitete das Büro für Sonderermittlungen (OSI) im Justizministerium Ermittlungen gegen Lebed ein. Er wurde jedoch erneut von der CIA geschützt, die Sorge hatte, daß eine Untersuchung Lebeds die Arbeit von Qrplumb beeinträchtigen könnte. Jeder Zusammenhang zwischen Lebed und den Nazis wurde bestritten. Noch 1991 versuchte die CIA, das OSI davon abzuhalten, sich von den Regierungen Deutschlands, Polens und der Sowjetunion Akten aus der Kriegszeit über die OUN-B zu beschaffen. Lebed starb 1998, er wurde in New Jersey begraben.

Was wir heute in der Ukraine sehen, ist die Fortsetzung der von Allen Dulles verfolgten Politik der Zusammenarbeit mit Nazis, diesmal unter Präsident Barack Obama.

William Wertz


Anmerkung

1. deutsch: „Hitlers Schatten: Nazi-Kriegsverbrecher, US-Geheimdienste und der Kalte Krieg“