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Neue Solidarität
Nr. 40, 2. Oktober 2013

Mit Transmutation ins Zeitalter der Kernfusion

Von Caroline Hartmann

Ein Interview des Schweizer Nuklear-Forums in 2009 mit dem Leiter der Schweizer Delegation am ITER-Fusionsprojekt, Ming Quang Tran, sowie dem Verantwortlichen für die Zusammenarbeit mit der Industrie, Pierre Paris, bringt es auf den Punkt: Beide greifen vehement die bewußte Verzögerungstaktik bei der Planung der Fusions-Forschungsprojekte an, es verstreiche viel zu viel Zeit zwischen einzelnen Projekten, so daß mühsam erlerntes Know-how, Kompetenz und Maschinen- und Geräteausstattung verloren gehen. „Unsere Beteiligung am JET-Projekt liegt jetzt schon lange zurück, und ein Teil des notwendigen Maschinenbaus ist drastisch verkleinert worden bzw. bereits verschwunden. Und die Spezialisten kann man auch nicht einfach ersetzen und das hochentwickelte spezialisierte Know-how ist wahrscheinlich verlorengegangen. Es wird wieder eine ganze Weile dauern, bis man kompetente Versuchsleiter und Experten ausgebildet hat, die die Aufträge von ITER werden planen und durchführen können”, sagt Pierre Paris.

Die Beteiligung an großen Forschungsprojekten bedeutet für ein Land Wissenszuwachs, Mittelstands- und Industrieförderung und nicht zuletzt Arbeitsplätze! Die Beteiligung am JET-Fusionsprojekt in Culham (Großbritannien) war zum Beispiel für die Schweiz in diesem Sinne ertragreich: Mit einer Beteiligung von 3,5% am Projekt bekamen Schweizer Firmen 6% der Aufträge. Deshalb besteht jetzt großes Interesse an der Beteiligung beim Nachfolgeprojekt ITER, doch Paris betont: „Man braucht natürlicherweise für so etwas eine weitverzweigte Maschinenbauindustrie. Aber natürlich auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU): da gibt es Nischenprodukte - beispielsweise in der Verbindungstechnik, bei feinmechanischen Produkten, elektrischem Material und Zubehör, Sensoren, Zubehör zur Vakuumproduktion und Supraleitungstechnologien - worin der Mittelstand ein großes Potential hat, dies alles beisteuern zu können. Firmen, die bereits große Projekte durchgeführt oder dabei geholfen haben, können auch bei der Koordinierung der Bauphase helfen.“

Alles dies geht natürlich verloren, wenn es in einer zu langen Phase zwischen den Projekten nicht mehr gebraucht wird! JET wurde 1984 eingeweiht, der Transmutations-Forschungsreaktor Myrrha in Mol (Belgien) soll 2016 fertig sein, für ITER im französischen Cadarache war der Baubeginn erst 2009, ein erstes Plasma soll erst 2020 erzeugt werden, Versuche mit Deuterium und Tritium erst 2027 beginnen! Das muß jetzt anders werden!

In den Medien herabgewürdigt

Eigentlich hätten diese großen Forschungsprojekte wegen ihrer weitreichenden Bedeutung für alle großen Forschungsbereiche, die schließlich das Leben jedes Einzelnen betreffen, eine ständige und angemessene Berichterstattung verdient. Doch in der deutschen Presse liest man, wenn man sich z.B. über die Bedeutung der Transmutation informieren will, nur ganz versteckt - wenn überhaupt - Überschriften mit degradierenden Bezeichnungen wie „Transmutations-Alchemie“ oder „Hexer von Mol“. Einige Fachzeitschriften berichten, aber sonst gibt es nur kleine Meldungen und größtenteils herrscht die sprichwörtliche „Ruhe eines Kirchhofs“. Der Nutzen für die Zukunft der Kernenergie und eine Zukunft mit Kernfusion wird tunlichst vermieden.

Fast alle namhaften Wissenschaftler halten den Mund, nach Fukushima fühlt sich ganz plötzlich keiner mehr kompetent, zur Kernenergie und ihrer Zukunft etwas aussagen zu können. Kann man das ehrliche Betroffenheit nennen? Nein, genau das Gegenteil ist der Fall: Kein einziger von ihnen gedenkt der über 20.000 Flutopfer, als furchtbare Wassermassen innerhalb kürzester Zeit Häuser, Schiffe, Straßen und öffentliche Gebäude wegspülten. Aber diese feigen „wissenschaftlichen Köpfe“ Deutschlands diskutieren über „mögliche Tote“ durch Kernschmelzen, obwohl die Strahlung in der Umgebung der japanischen Kernkraftwerke trotz aller Pressehysterie zu keinem Zeitpunkt die übliche Strahlungsnorm überstiegen hat und es keinen einzigen Toten gab! Tatsächlich ist ein Langstreckenflug in 11 km (6-7 μSv/h) Höhe viel gefährlicher, als neben den Reaktorruinen in Japan sein Campingzelt aufzubauen (ca. 1 µSv/h).

Trotzdem werden hierzulande sogar junge Leute mit Interesse am Studium der Nuklearphysik und -technik mißtrauisch beäugt und man sieht Zeitungskommentare wie: „Eine Entscheidung, die viele vermutlich nicht nachvollziehen können“ (gelesen am 29. Juni 2013 in der Süddeutschen Zeitung unter dem Stichwort „Karriere“).

Wegen der sehr langen Halbwertszeiten enthält die Erdkruste seit ihrer Entstehung die Radionuklide Uran-238, Uran-235, Thorium 232 und Kalium-40. Und da sich diese Nuklide in „Zerfallsreihen“ umwandeln, bis sie endgültig zum stabilen Blei werden, produzieren sie dadurch eine ganze Reihe von wiederum instabilen Nukliden, die ständig strahlen.

In unserem eigenen menschlichen Körper beträgt die normale Radioaktivität zum Beispiel im Schnitt 0,3 mSv pro Jahr, das ist ganz normal und kommt daher, daß das Kalium in unseren Knochen aus Isotopen besteht, die z.T. radioaktiv sind. Der Anteil z.B. von sehr langlebigem radioaktivem Kalium-40 beträgt immerhin 0,012 %. Seine Zerfallszeit beträgt 1,28 Mrd. Jahre. Das bedeutet für jeden Menschen, daß er mit ca. 110 Becquerel pro kg Körpergewicht strahlt, in seinem eigenen Körper zerfallen ca. 8.000 Atome pro Sekunde. Und das ganz natürlich, es ist praktisch die persönliche Ökostrahlung - seit es die ersten Menschen gibt! Tiere strahlen natürlich genauso.

In großer Höhe, zum Beispiel im Gebirge oder eben bei Langstreckenflügen, ist man sogar einer größeren Strahlung ausgesetzt, denn dann kommt auch noch die Weltraumstrahlung dazu. Doch Forscher am FRM (Fusionsreaktor München) in Garching haben schon vor Jahren herausgefunden, daß eine gewisse mäßige radioaktive Strahlung das Immunsystem sogar vor zellschädigenden Einwirkungen schützt. Tatsache ist, daß niedrig dosierte ionisierende Strahlung - im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung - eine schützende Wirkung auch vor Krebs gezeigt hat. Deshalb liegt auch hier ein weites Forschungsgebiet vor uns.

Transmutation als Mehrzweck-Projekt

Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als man eben erst begann, das Innere der Materie zu erforschen, als gerade erst die Existenz verschiedener Kernteilchen entdeckt wurde, wie die Protonen und das Elektron, bemerkte der Wiener Chemiker Fritz Paneth, daß unter bestimmten Bedingungen eine Umwandlung einzelner Isotope passiert, und widmete sich von da an der Frage, ob man sie gezielt herbeiführen kann. Er nannte diese Möglichkeit Transmutation, was er in seiner Arbeit „Chemical Detection of Artificial Transmutation of Elements“, 1935 in Nature erschien, darstellte. Dies war der erste Beweis der Möglichkeit der gezielten Transmutation. In den fünfziger Jahren wurde an dieser Möglichkeit auch von Luis W. Alvarez und Edward Teller weitergeforscht.

Die Idee, die für die Transmutation benötigte verschiedenartige Neutronenstrahlung mit Hilfe eines Teilchenbeschleunigers zu erzeugen, entwickelte zuerst 1992 C. D. Bowman vom Los Alamos National Laboratory in Los Alamos (New Mexico), sie wurde aber später von Carlo Rubbia vom Europäischen Zentrum für Teilchenphysik (CERN) in Genf aufgegriffen und zur heutigen Form der Nutzung eines Teilchenbeschleunigers weiterentwickelt.

Die Transmutation verwandelt nicht nur radioaktiven Müll in wertvolle stabile Isotope oder wertvolle kurzlebige Radionuklide für die Medizin, sie kann auch noch viel mehr! Mit den technologischen Möglichkeiten der Transmutations-Forschungsanlage, für deren Bau in Mol sich die belgische Regierung 2010 entschieden hat, betreten wir ein ganz neues Terrain der gezielten Anwendung und Nutzung der Kernspaltung - der Kernreaktoren der IV. Generation - und vor allem der Kernfusion. Die dreijährige Bauphase für das internationale Forschungsprojekt soll 2016 beginnen, und nach einer gewissen Testphase wird man 2023 mit den Experimenten beginnen können.

Der Name Myrrha der Forschungsanlage (Multipurpose Hybrid Research Reactor for High-tech Applications) deutet dies bereits an, daß er für viele Zwecke konzipiert wird. Das Besondere an Myrrha ist, daß hier ein Teilchenbeschleuniger für die schnelle Neutronenstrahlung durch den Beschuß eines Targets mit beschleunigten Protonen erzeugt, die dann erst eine Spaltreaktion aufrechterhält. Solch eine Spaltungsmethode nennt man „unterkritisch“, sie ist sehr leicht zu kontrollieren, weil man bei der geringsten Störung den Beschleuniger einfach abschalten kann.

Bild: myrrha.sckcen.be
Abb. 1: Schema des „beschleunigergetriebenen Reaktors“ (ADS)

Bis 2050 wird dieses Forschungsprojekt dann zur Verfügung stehen, um großen Nutzen für die europäische Nukleartechnik und Kernenergienutzung sowie für Medizin, Plasmaforschung und Teilchenphysik zu bringen. Auch international hat die Entscheidung der belgischen Regierung für dieses Projekt ein Zeichen gesetzt, denn vor allem China und Rußland haben erkannt, daß man ohne die Nutzung der Kernspaltung und -fusion wegen ihrer hohen energetischen Wirkungsgrade die Entwicklung der Länder und das Leben der Menschen nicht sichern kann.

Europäische Forscher, nicht zuletzt auch deutsche Projekte der Forschungsanlagen Jülich und das KIT Karlsruhe, haben in den letzen zehn Jahren große Anstrengungen in Sachen dieser Art von beschleunigerbetriebenen Reaktoren (ADS ) unternommen, so daß die wichtigsten Fragen zur Konzeption und zum Bau eines solchen Teilchenbeschleunigers und seines dazugehörigen Mutationsreaktors beantwortet sind.

Die Transmutation, die eigentliche Aufgabe des neuen Reaktorprojektes, ist die Verwandlung langlebiger, radioaktiver Isotope durch Beschuß mit schnellen Neutronen in ungefährlichere, kurzlebige oder stabile Isotope. Industrielle ADS-Anlagen könnten später den abgebrannten Brennstoff von je 20 durchschnittlichen Kernkraftwerken transmutieren.

Fusionszeitalter als Motor des Eigeninteresses

Betrachtet man die ganze Diskussion und künstliche Hysterie von der Zukunft aus, so sieht man, daß wir dringend wieder den Kurs des Experimentierens und Erforschens des innersten Aufbaus der Materie einschlagen müssen. Denn nur durch diese begeisternde Nuklearforschung werden die nächsten Generationen begreifen, daß man sein Hirn dazu hat, die Natur für das Überleben und Wohlergehen der Menschen zu erforschen. Und nicht nur für unser Überleben, sondern auch zur Sicherung des Friedens!

Wie Lyndon LaRouche dies in seiner letzten Internetkonferenz sagte, brauchen wir aber nicht nur eine Politik, die zum Ziel hat, Kriege zu vermeiden, sondern etwas viel Größeres,

Das heißt, ein Motor für die beständige Schaffung von etwas Positivem für die Menschen, für unser aller Gemeinwohl. Und das sind immer neue technologische und wissenschaftliche Durchbrüche, für die die Beschäftigung mit der nuklearen Welt die Basis ist.

Dazu eignet sich die nun beschleunigt in Angriff genommene Fusionsforschung, die ebenfalls mit Unterstützung Belgiens und Frankreichs im Projekt ITER verwirklicht wird, das als Nachfolgeprojekt des derzeit weltweit größten Fusionsexperiments JET auch ein Tokamak sein wird. Dies ist die bisher am besten untersuchte Entwicklungslinie von Fusionsreaktoren, und bei dem globalen Projekt ITER wird eine deutlich größere Fusionsleistung erzeugt werden. Bei ITER sind Pulslängen von einigen Minuten bis zu einer Stunde vorgesehen (bisher zwei Sekunden), und dies wird vor allem dazu beitragen, eine sich selbst erhaltende Fusionsreaktion zu realisieren. Der Bau dieses Fusionstestreaktors in Caradache in Südfrankreich ist der bisher bedeutendste und wohl auch am ernstesten gemeinte Schritt in Richtung Kernfusion, der letzte vor dem Bau des ersten Industriemodells eines Fusionsreaktors, genannt DEMO, der ca. 2040 geplant ist.

In Zusammenarbeit mit Jülich, Karlsruhe und dem Paul-Scherrer-Institut der ETH Zürich in Villigen, Schweiz, sowie internationalen Forschergruppen, werden beim Myrrha-Projekt in Mol Materialien und Komponenten für ITER getestet sowie eine ganz neue Generation von Nuklearwissenschaftlern ausgebildet. Den zukünftigen Experten bieten sich unbegrenzt viele Bereiche der Forschung mit Radionukliden und langlebigen Isotopen und unendlich viele unbeantwortete Fragen, egal ob in der Materialforschung, der Geologie, Weltraumphysik und Mikrobiologie und vielen anderen Bereichen.

Schon heute ist der Bedarf an Radionukliden in der Medizin, der medizinischen Forschung, der Materialforschung oder der Biologie enorm, während die Produktionskapazitäten durch die wenigen verfügbaren Neutronenquellen begrenzt ist. Aber auch die allgemeine biologische und medizinische Forschung muß in die Strukturen der Zellen schauen, um in Zukunft Durchbrüche im Kampf gegen hartnäckige Krankheiten verzeichnen zu können.

Anfang September dieses Jahres wurde in diesem Zusammenhang am Deutschen Elektronen-Synchroton (DESY) in Hamburg mit dem Bau eines weltweit einzigartiges Zentrums für die Erforschung von Krankheitserregern begonnen: das Zentrum für strukturelle Systembiologie CSSB. Von 2016 an sollen dort insbesondere Viren, Bakterien und Parasiten auf molekularer Ebene durchleuchtet werden, um ihre Angriffsmechanismen zu enträtseln und maßgeschneiderte Medikamente dagegen entwerfen zu können. Es geht doch nicht, daß wir im 21. Jahrhundert den Schnupfen noch nicht besiegt haben!

Aber wie schon anfangs gezeigt, ist all das letztendlich von politischen Entscheidungen abhängig, und wird nur realisiert werden, wenn sich die Staatschefs entscheiden, daß sie gemeinsam auf hohem technologischem und wissenschaftlichem Niveau die Verbesserung der Lebensumstände der Menschen in Gang setzen wollen!