[an error occurred while processing this directive]
Nr. 37, 11. September 2013
Vatikan und türkische Opposition warnen vor Weltkrieg
Regierungen in aller Welt fürchten die Ausweitung des
Syrien-Konflikts, wenn es zu einem amerikanischen Militärschlag kommen
sollte.
Papst Franziskus hat am 1. September, dem Jahrestag des Beginns des Zweiten
Weltkriegs, in seinem Angelusgebet auf dem Petersplatz einen Militärschlag
gegen Syrien deutlich verurteilt und an die Völkergemeinschaft appelliert, auf
Kriege zu verzichten: „Ich will mir den Schrei zu eigen machen, der mit
wachsender Sorge aus jedem Teil der Erde, aus jedem Volk, aus dem Herzen eines
jeden aufsteigt, aus der ganzen Menschheitsfamilie: Das ist der Schrei nach
Frieden! Wir wollen eine Welt des Friedens, wir wollen Männer und Frauen des
Friedens sein, wir wollen, daß in dieser unserer Gesellschaft, die von
Spaltungen und Konflikten durchzogen wird, der Friede ausbreche! Nie wieder
Krieg! Nie wieder Krieg!“
Papst Franziskus verurteilte den Einsatz von Chemiewaffen, fügte dann aber
- an alle Konfliktparteien gerichtet, hinzu: „Der Einsatz von Gewalt führt
niemals zum Frieden. Krieg bringt Krieg hervor, Gewalt bringt Gewalt hervor!
Mit aller Kraft rufe ich die Konfliktparteien dazu auf, die Stimme des
Gewissens zu hören und sich nicht in den eigenen Interessen zu verschließen.
Sie sollen auf den anderen als auf einen Bruder sehen und mit Mut und
Entschlossenheit die Begegnung und den Verhandlungsweg wählen, um die blinde
Gegnerschaft zu überwinden.“
Am 2. September kommentierte Msgr. Mario Toso, Sekretär der Päpstlichen
Kommission Justitia et Pax in Radio Vatikan die Erklärung des Papstes
und sagte: „Eine bewaffnete Intervention kann nicht der Weg sein, um die
Probleme in Syrien zu lösen.“ Die Gewalt würde nicht verringert; im Gegenteil
bestehe die Gefahr, daß sie sich ausbreite. Toso weiter: „Der Konflikt in
Syrien enthält alle Ingredienzien, in einen Krieg mit einer weltweiten
Dimension zu explodieren.“
Aber nicht nur Papst Franziskus, auch viele Regierungen weltweit lehnen
einen völkerrechtswidrigen amerikanischen Militärschlag gegen Syrien
entschieden ab und warnen vor den Konsequenzen:
- Der Chef der Palästinenserbehörde, Mahmoud Abbas, sagte am 1.
September bei der Eröffnung eines Treffens des Revolutionsrates in Ramallah,
daß die Lösung für Syrien politisch und nicht militärisch sein müsse.
- Am 28. August hatte bereits der ägyptische Außenminister Nabil Fahmy
erklärt, sein Land lehne einen Militärschlag ab; Ägypten unterstütze statt
dessen die Genf-II-Verhandlungen. Damit steht Ägypten auf der Seite Rußlands
und Chinas. Außerdem sagte Fahmy, es müsse genau bewiesen werden, wer für den
Chemieeinsatz in Ghouta verantwortlich sei.
- Am 1. September wies auch der algerische Außenminister Murad Madlisi
beim Treffen der Arabischen Liga in Kairo einen Militäreinsatz zurück und
sagte, für einen solchen Einsatz würde die ganze Region „teuer“ bezahlen. Wie
die chinesische Agentur Xinhua weiter berichtete, rief Madlisi die
arabischen Minister dazu auf, alles zu vermeiden, was nicht nur für Syrien,
sondern für die ganze Region in einer „Tragödie“ enden könnte.
- Andere Mitglieder der arabischen Liga wie Tunesien, Libanon und Irak
verlangen ebenfalls eine diplomatische Lösung. Der irakische Ministerpräsident
Nouri al-Maliki schrieb an US-Vizepräsident Joe Biden und verlangte, die USA
sollten von jeglicher militärischen Intervention Abstand nehmen. Der Irak
erklärte bereits letzte Woche, er werde keinesfalls seinen Luftraum für einen
solchen Angriff zur Verfügung stellen.
- Ein Sprecher der jordanischen Regierung sagte, das Königreich werde
nicht als Angriffsbasis gegen Syrien dienen. König Abdullah wolle eine
diplomatische Lösung.
- Pakistan drängte am 29. August die westlichen Mächte, keine Gewalt
anzuwenden. Der Sprecher des Außenministeriums Aizaz Ahmed Chadry verlangte,
die Souveränität und territoriale Integrität Syriens müsse respektiert werden.
Pakistan rufe alle Seiten zu einem friedlichen politischen Dialog auf.
- Der indische Außenminister Salman Kurshid bezeichnete die Situation
als extrem kompliziert und machte deutlich, daß Indien nichts tun wird, was
nicht durch die UN autorisiert ist.
- Der neue brasilianische Außenminister Luiz Alberto Figueiredo sagte am
28. August bei seiner ersten Pressekonferenz als Außenminister, Gewalt könne
laut der UN-Charta nur zur Selbstverteidigung oder mit besonderer
Autorisierung durch eine Resolution des UN-Sicherheitsrates eingesetzt werden.
Bezüglich der Chemiewaffen betonte der Außenminister, die Details müßten
zuerst genau festgestellt werden.
- Auch Südafrika lehnt eine militärische Intervention gegen Syrien
vehement ab; diese würde die humanitäre Krise in dem kriegsgeplagten Land nur
verschärfen. Clayson Moyela, Sprecher der Abteilung für Internationale
Beziehungen und Zusammenarbeit (DIRCO) sagte am 30. August gegenüber der
türkischen Agentur Anadolu: „Das würde nur zu noch mehr Toten und der
Zerstörung von Syrien führen, so wie es bereits mit anderen arabischen Ländern
geschehen ist.“
- Die größte türkische Oppositionspartei CHP (Republikanische
Volkspartei) hat eine Mobilisierung gegen einen Angriff auf Syrien in Gang
gesetzt - mit Demonstrationen und Kundgebungen in vielen türkischen Städten.
Der stellvertretende Vorsitzende Gürsel Tekin sagte am 1. September gegenüber
Journalisten: „Wenn sich eine Intervention wie im Irak und Libyen in den
nächsten Tagen in Syrien wiederholen sollte, sind wir hier mittendrin im
Krieg... Eine Intervention in Syrien hat das Potential, einen Dritten
Weltkrieg auslösen“, warnte Tekin in Izmir. In einer schriftlichen Erklärung
vom gleichen Tag sagte er: „Für die Frage Syrien muß die ganze Welt ihren
Verstand zusammennehmen. Bei diesem Krieg wird es keinen Gewinner geben.“
eir