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Hedgefonds und Privatbanken fordern von Ländern und Kommunen zunehmend vehementer die Rückzahlung von „Altschulden“ oder deren Verrechnung beim „Kauf“ von kommunalen, Landes- oder Bundeseinrichtungen wie Wohnungsgesellschaften, Stromversorgern, Wasserbetrieben ein. Wie kommen sie eigentlich dazu? Was berechtigt sie dazu?
Neben der Einforderung uralter Schuldverschreibungen aus der Zeit zwischen 1933 und 1945, die sich damals bei der Arisierung von Banken, Immobilien und Wertpapieren an vorderster Front wirkende Privatbanken heute wieder hervorzuholen und zu aktivieren trauen, werden heute auch „Altschulden“ der DDR aktiviert. Die Bundesregierung kontrolliert aber weder die Legitimierung dazu noch die Ursachen solcher „Altschulden“. Deshalb ist sie selbst Schuld daran, daß der Schuldenberg nicht nur in der BRD, sondern in ganz Europa sich immer weiter vergrößern kann. Sie verdrängt und verschleiert heute mehr oder weniger bewußt immer weiter die wesentlichen Ursachen dafür.
Beweise sind unverständlicherweise immer noch unter geheimem Verschluß. Ein wichtiges Dokument, das vieles aufdecken würde ist der brisante Bericht des Bundesrechnungshofes über den „Verkauf“ der Banken der DDR. Dieser Bericht ist aber nicht einmal den dort tätigen Beamten bekannt, geschweige denn der Öffentlichkeit zugänglich. Seitdem Der Spiegel 1995 Auszüge aus dem Bericht des Bundesrechnungshofes veröffentlichte, ist Schweigen im Walde.
Darin stehen solche Ungeheuerlichkeiten wie folgende: Zum Beispiel habe sich die private Berliner Bank AG bei den Verhandlungen mit der Berliner Stadtbank, die neben anderen auch aus der Staatsbank der DDR hervorging, eine Schadenersatzsumme von 115 Millionen DM festschreiben lassen, falls die Fusion nicht klappen sollte. Es wurde mit dem Abbau von mehreren tausend Arbeitsplätzen gedroht. Die Berliner Bank AG „kaufte“ die Berliner Stadtbank für 49 Millionen DM und erwarb damit Ansprüche auf „Altschuldenforderungen“ von 11,5 Milliarden D-Mark. Bei Schulden, die nicht mehr einzutreiben seien, verpflichtete sich die Bundesregierung zusätzlich noch, einzuspringen. Dafür kommt dann letztlich die arbeitende, steuerzahlende Bevölkerung auf. Für die Berliner Bank AG bedeutete dies einen Profit von 10.000 Prozent (siehe a.a.O. sowie: Neue Solidarität Nr. 30/2002). Der Spiegel schreibt:
„Das Papier ist ,vertraulich’ und wird im Tresor des Bundestages verwahrt.
Zugang hat nur eine Handvoll Parlamentarier. Die Geheimniskrämerei hat gute
Gründe: Denn das Dokument attestiert auf 48 Seiten den Bonnern ein hohes Maß
an Schluderei und Unfähigkeit beim Abwickeln der alten DDR. In jahrelanger
Puzzlearbeit hat der Bundesrechnungshof teure Flops und Pannen beim Verkauf
der volkseigenen ostdeutschen Geldinstitute an westdeutsche Banken
zusammengetragen. Die Vorwürfe der Prüfer reichen von Verschleuderung
öffentlicher Mittel in Milliardenhöhe bis zu erpresserischen Methoden.
Bundesfinanzministerium und Treuhandanstalt haben sich nach Überzeugung des
Bundesrechnungshofes bei den Verträgen mit den sechs Käuferbanken
übervorteilen lassen. So belegt etwa ein Vermerk des Bundesfinanzministeriums,
daß die Verhandlungsführer der Deutschen Kreditbank, damals in
Treuhand-Besitz, von den Vertretern der Dresdner Bank bei den
Übernahmegesprächen mehrfach ,unter Druck gesetzt’ worden seien. Laut
Rechnungshof wurde mit dem Verlust von mehreren tausend Arbeitsplätzen
gedroht.”
(Siehe „Zweite Enteignung. Der Bundesrechnungshof wirft Bonn
Verschleuderung von Steuergeldern in Milliardenhöhe beim Abwickeln des
DDR-Bankensystems vor“, Der Spiegel 43/1995 vom 23. Oktober 1995.)
Die Rechnungsprüfer stellten in ihrem Dossier auch fest, daß die Zwischenschaltung privater Banken zur Abwicklung von „Altschulden” volkseigener Betriebe die Zahlungen von Zinsen enorm aufblähte. Damit verteuerten sich für den Staat und die Endkreditnehmer Sicherheiten und Kredite ganz „erheblich“. Es wird auch deutlich gesagt, daß der „wirtschaftliche Aufbauprozeß“ dadurch „wesentlich beeinträchtigt“ worden sei.
Die privaten Bankhäuser konnten ihre Kreditforderungen im Prinzip ohne jedes Risiko erwerben. Sogar bei „nicht mehr eintreibbaren Schulden springt der Bund ein“. Die privaten Banken erhalten über einen Ausgleichsmechanismus aus dem Bundesetat rund 98 Milliarden Mark erstattet. Das heißt, auch hier kommen wiederum die Steuerzahler für die „Altschulden“ auf, die in der Regel gar keine sind. Den Privatbanken bzw. privaten Kreditinstituten hätten außerdem zeitweise „Mittel von mehreren Milliarden DM aus ,doppelten Zinszahlungen’ zur Verfügung gestanden“: Teilweise kassierten die Banken für einen Kredit Zinsen von der Treuhand, vom Altschuldner und vom Bund.
Im Bericht des Bundesrechnungshofes heißt es weiter, die „Käufer“ „hätten zu Vorzugspreisen Zugang zu Filialen, zum Kundenstamm und zu Immobilien der DDR-Banken erhalten. So ,erwarb’ etwa die Deutsche Bank Anteile der ehemaligen Deutschen Kreditbank (DKB) samt 112 Niederlassungen für nur 310 Millionen Mark.“ Die Rechnungsprüfer kritisieren dies scharf als einen „unangemessen niedrigen Kaufpreis“. Für 41 Grundstücke mit Gebäuden aus dem früheren Besitz der Deutschen Kreditbank AG (das war die ehemalige Staatsbank der DDR) zahlte eine Tochter der Dresdner Bank lediglich 87,3 Millionen D-Mark. Eine Tochter der Deutschen Bank bezahlte für 74 Grundstücke der Bank nur 164,4 Millionen D-Mark. Dabei handelte es sich in der Regel um „beste Filetgrundstücke in den Innenstädten“. Der Bundesrechnungshof bemängelt weiter, die „Geldhäuser hätten für die Umorganisation des DDR-Banksystems zu hohe Entgelte“ erhalten. So kassierte die Westdeutsche Landesbank Girozentrale zum Beispiel für die „Abwicklung der Altgeschäfte der DDR-Außenhandelsbank über die reine Kostenerstattung hinaus eine Erfolgsprämie von 89 Millionen D-Mark.“ Der Bundesrechnungshof kommt zu dem Fazit: „Die direkte Übernahme der Altschulden in den Bundeshaushalt wäre um etliche Milliarden günstiger gewesen als der Umweg über ein teures Schuldenkarussell mit privaten Geschäftsbanken.“ (Siehe Der Spiegel, a.a.O.).
Die richtige Reaktion auf diese Fakten allein würde reichen, nahezu alle Staatsschulden sofort abzubauen. Hinzu kommt nämlich noch, daß den Verfassern dieses brisanten Dossiers nicht klar gewesen zu sein scheint, daß die „Altschulden“ gar keine Schulden waren und daß der Staat sich damit so betrogen hat, daß man das kaum in Worte fassen kann. Denn diese „Kreditverschreibungen“ in der DDR waren keine Kredite in dem Sinne, wie diese in der BRD vergeben werden. Sie waren der vom Volk in den VEBs erwirtschaftete Mehrwert bzw. der Gewinn, der für die Sozialpolitik, für Bildung, Wissenschaft, Technik und die Erweiterung wirtschaftlicher Betriebe verwandt wurde. Dieser Gewinn war auf keinen Fall wieder an die „Schuldner“ zurückzuzahlen. Hinzu kommt, daß die Gläubiger selbst, zumindest zum größten Teil, unter der Fuchtel der unter Birgit Breuel, die eng mit der heute reichsten Bankenverflechtung der Welt verschwägert ist, willkürlich wütenden Treuhandanstalt ja bereits in den Jahren zwischen 1991 und 1994, die meisten VEBs, liquidiert waren.
Das Schlimmste ist, daß diese Fehler heute nicht korrigiert werden, sondern der Staat alles zahlt und zugleich weiteres Geld für Bankenrettungspakete zu Verfügung stellt. Das ist Geld genau für diese Banken, die bisher solche Schnäppchen machen konnten und nun andere Banken, die nicht solche Vorteile genossen, niederkonkurrieren und schlucken. Unfaßbar, wie dumm Politiker und wie korrupt ihre Berater sein können.
Das Dossier der Rechnungsprüfer könnte erhebliche Auswirkungen auf den künftigen Umgang mit den Altschulden im Osten haben. Wohnungsbaugesellschaften, Nachfolger der LPGs, ehemalige Treuhandbetriebe und Kommunen stehen bei den Banken mit Milliarden-Schulden aus alten Zeiten im Soll. Tilgung und Zinsen für diese Altkredite blockieren vielerorts den Aufschwung Ost. Abgeordnete wollen das Thema möglichst rasch vom Bundestag nochmals erörtern lassen. Die Rechnungsprüfer geben ihnen Rückendeckung. Noch sei nicht ausgemacht, schreiben sie in ihrem Bericht, „ob nicht der Bund auch für diese Schulden aufkommen müsse, um die Betriebe vor einer Pleitewelle zu bewahren“.
Anna Marie Liebecke