Produktive Kreditschöpfung 
  Neues Bretton Woods
  Glass-Steagall
  Physische Wirtschaft
  Kernenergie
  Eurasische Landbrücke
  Transrapid
  Inflation
  Terror - Cui bono?
  Südwestasienkrise
  11. September und danach
  Letzte Woche
  Aktuelle Ausgabe
  Ausgabe Nr. ...
  Heureka!
  Das Beste von Eulenspiegel
  Erziehungs-Reihe
  PC-Spiele & Gewalt 
  Diskussionsforum
  Wirtschaftsgrafiken
  Animierte Grafiken
[an error occurred while processing this directive]
Neue Solidarität
Nr. 36, 4. September 2013

Schlechter Rat ist teuer: Schluß mit der Zerstörung der Kommunen!

Der institutionelle Druck auf die Kommunen, endlich den Weg freizugeben für eine noch rabiatere Einsparpolitik durch die Einführung einer strikten institutionellen Schuldenbremse, erhöht sich immer mehr. In der vergangenen Woche gab es dazu gleich zwei prominente Vorstöße.

Die Bertelsmann-Stiftung legte einen 216 Seiten langen „Kommunalreport 2013“ vor; allerdings nur mit Zahlenmaterial bis 2011, was überhaupt nicht den aktuellen, hochkritischen Stand vieler Städte und Gemeinden wiedergibt. Und die Beratungsfirma Ernst & Young gab Ergebnisse einer aktuelleren Umfrage unter 300 Kommunen bekannt. Laut dieser befürchten 60% der hochverschuldeten Kommunen eine weitere Verschlechterung ihrer Lage.

Was rät Ernst & Young? Die Kommunen sollten bisher ungenutztes Privatisierungspotential nutzen und Einsparungen bei Verwaltungskosten durch Verschmelzen in größere Gemeindeverbände erreichen. Dabei leben viele Kommunen bereits von der Restsubstanz, nachdem in den vergangenen Jahren fast alles privatisiert wurde, und bezahlen häufig bereits die öffentlichen Angestellten mit Kassenkrediten. Davon, daß vergrößerte Verbände von Städten und Gemeinden eine Verringerung ihrer Schuldenlast gegenüber den Banken erwarten könnten, ist natürlich nicht die Rede. Also keineswegs ein guter Rat, dafür aber ein sehr teurer!

Die Studie der Bertelsmann-Stiftung will die Stadtkämmerer auf kurzfristige Gewinnmaximierung wie in der Wirtschaft einschwören und preist dafür die umstrittene „Doppik“-Buchführung an. Dieser alte Hut hat jedoch mit kompetenter Gemeindewirtschaft und -verwaltung nicht das geringste zu tun, die sich mit langfristigen Planungen von für die Kommune wichtigen Projekten und deren Finanzierung beschäftigen muß (Kameralistik), während die Doppik primär von der monetären Erfassung vorhandener Objekte, Anlagen und deren monetärem „Wert“ ausgeht.

Genau diese statische Methodik wird jetzt den Kommunen als besonderer Vorzug angepriesen, um einen „ausgeglichenen Haushalt“ erreichen zu können. Für die „Schuldenbremse“ wird die gesamte Argumentation aufgefahren, mit der man diese schon auf Bundes- und Landesebene durchgeboxt hat: Man brauche „Nachhaltigkeit“, dürfe „nachfolgende Generationen nicht belasten“ und dergleichen mehr. Kommunalpolitiker, denen am Gemeinwohl etwas liegt, wissen natürlich, daß das genaue Gegenteil der Fall ist, denn die heutigen Probleme sind gerade die Folge davon, daß unter dem Zwang der Finanznot schon früher Investitionen nicht stattfanden. Darunter haben wir jetzt, als Nachfolger jener früheren Generation, zu leiden.

Die Schuldenbremse als freiwillige Unterwerfung unter die angeblichen Sachzwänge knapper Kassen, sprich weitere Kürzungen, wird die Lage nur noch verschlimmern, das ist völlig klar. Zum Beispiel im Saarland, wo die Pro-Kopfbelastung des Bürgers mit mehr als 1700 Euro an Kassenkrediten der saarländischen Kommunen bereits heute weit über dem bundesdeutschen Durchschnitt liegt. Die Kommunen stehen mit dem Rücken zu Wand und haben im gegenwärtigen System nicht den geringsten Spielraum oder Hoffnung auf Besserung - denn die Bedienung von „Altschulden“ und die gleichzeitige Streichung vitaler Aufgaben stehen im Vordergrund.

Die Forderung der Bertelsmann-Stiftung, die Kommunen sollten angesichts wachsender Haushaltsprobleme der Staatsebene wegen der Schuldenbremse „die notwendige Konsolidierung in den anstehenden Nachkrisenjahren maßgeblich aus eigener Kraft erbringen...“ ist völlig absurd. Es geht dabei nur darum, den Propagandadruck auf die gebeutelten Kommunen zu erhöhen, damit diese brav weiter als Melkkuh für Finanzinteressen herhalten - und davon abzulenken, wer sich wirklich „aus eigener Kraft konsolidieren“ muß: nämlich die Zockerbanken, die keinen Zugriff mehr auf staatliche Rettung, billiges Zentralbankgeld und schon gar nicht durch den „Bail-in“ oder eine europäische Bankenunion auf die Kundeneinlagen („Zypern-Modell“) erhalten dürfen!

Stattdessen sollte man einmal beleuchten, wie denn diese sog. „Altschulden“ zustande gekommen sind. Was ist mit den Swap- und Derivatgeschäften, die vielen Kämmerern angedreht wurden, den LIBOR-Betrügereien, die die Zinssätze zusätzlich verfälscht und für Verluste bei städtischen Finanzanlagen gesorgt haben, ganz zu schweigen von der jahrzehntelangen Deindustrialisierung, während bankrotte Banken mit Staatsgeldern und billigem Zentralbankgeld gerettet werden? All das hatte massive Einbrüche bei den Steuereinnahmen zur Folge und eine massive Belastung von Bund, Ländern und Kommunen!

Und überhaupt: „Nachkrisenjahre“ - wann sollen die sein, wenn es Woche für Woche schlimmer wird, wenn sich seit 2011, wo das Zahlenmaterial der Stiftung aufhört, die Lage der meisten Kommunen noch drastisch verschärft hat, ohne daß ein Lichtstreif am Krisenhorizont sichtbar wird?

Im jetzt geltenden System gibt es keine Zukunft für das städtische Leben, für wirkliche kommunale Selbstverwaltung und keine Zukunft für die nachfolgenden Generationen. Mit diesem System hat die Zukunft nur einen Namen - und der heißt: Detroit!

Eine wirkliche produktive Zukunft gibt es nur mit Nationalkredit und in einem neubegründeten Bankwesen, das seine Hauptaufgabe darin sieht, gemeinwohlorientiert Kredite zu vergeben und auf langfristige, vorausschauende Investitionen in Infrastruktur, Industrie, Landwirtschaft, Forschung und Entwicklung, Bildung und Gesundheit zu setzen. Die Kommunen brauchen keine Schuldenbremse, keine Kreditswaphändler und ähnliches. Sie brauchen ebenso wie die Realwirtschaft dringend ein wirkliches Trennbankensystem, wie es unter dem bis 1999 geltenden amerikanischen Glass-Steagall-Gesetz der Roosevelt-Ära, für dessen Wiedereinsetzung sich eine breite und wachsende Bewegung in den USA bildet, existiert hat.

Daß dies der beste Rat ist, den es gibt, haben die Bürgermeister erkannt, die sich am 10. August in Arzviller zusammenfanden, um eine europaweite Bewegung kommunaler Mandatsträger für das Gemeinwohl aufzubauen. Organisieren Sie Ihre Stadträte und Bürgermeister dafür, sich jetzt dieser Initiative anzuschließen!

Rainer Apel