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Von Alexander Hartmann
Während die Genossen der führenden Parteien in Europa immer noch sowohl wirtschafts- wie außenpolitisch im großen und ganzen brav ihren Regierungen und Parteiführungen hinterhertrotten, und die Medien versuchen, die Bevölkerung mit Berichten über Glamourevents, Fußballspiele oder irgendwelche Scheindebatten von den wirklich wichtigen Fragen abzulenken, formiert sich in den USA zunehmend Widerstand gegen Präsident Obama und seine Politik - und zwar auf einer überparteilichen Basis.
Schon im April 2009, nur etwa ein Vierteljahr nach Obamas Amtsantritt, hatte Lyndon LaRouche in einem Internetforum vor Obamas narzißtischen, Nero-ähnlichen Tendenzen gewarnt, die diesen dazu treiben würden, sich diktatorische Vollmachten anzumaßen, aber lange Zeit war niemand im Kongreß bereit, sich dieser Realität zu stellen.
Das hat sich inzwischen gründlich gewandelt, und derzeit bildet sich, gerade im US-Senat, wo bisher eher wenig Rückgrat gegenüber der Regierung zu finden war, ein überparteiliches Bündnis, das sich selbst als „Ausschuß für die Gewaltenteilung“ (checks and balances caucus) bezeichnet. Die erste aufsehenerregende Aktion dieser Gruppe war der 13-stündige Filibuster von Senator Rand Paul am 6. März. Pauls Aktion, die von etlichen Senatoren unterstützt wurde und - mit Erfolg - darauf abzielte, die Regierung zu dem Eingeständnis zu zwingen, daß der Präsident nicht befugt ist, Amerikaner auf amerikanischem Boden, die nicht an Kampfhandlungen beteiligt sind, durch Kampfdrohnen töten zu lassen, hat ein breites Medienecho ausgelöst (in den USA, aber leider nicht in Europa).
Wenn die US-Regierung gedacht hatte, die Debatte durch ihr Zugeständnis zu beenden, so hat sie sich gründlich getäuscht, denn wie Paul selbst anschließend ankündigte: Das war erst der Anfang. Der Geist ist aus der Flasche, denn nun werden erst Recht weitere Fragen gestellt.
Ein Punkt, in dem die Abgeordneten von der Regierung weitere Aufklärung verlangen, ist z.B. die Rechtsgrundlage dieser Drohnenangriffe überhaupt. Schon länger versuchen Abgeordnete und Senatoren, die Regierung zur Vorlage der Rechtsgutachten zu bewegen, mit denen die angebliche Rechtmäßigkeit dieser Einsätze begründet wird. Worum es geht, das hat John Podesta, der frühere Stabschef des Weißen Hauses unter Präsident Clinton, am 13. März in einem Gastkommentar in der Washington Post dargelegt:
„Indem er sich weigert, dem Kongreß die Einsatzregeln und Rechtfertigung eines Programms vorzulegen, das in den letzten vier Jahren mehr als 400 Drohnenangriffe durchgeführt und mindestens drei Amerikaner getötet hat, ignoriert Präsident Obama das System der Gewaltenteilung, das dieses Land seit seinen frühesten Tagen regiert hat. Und indem er dem amerikanischen Volk diese Informationen vorenthält, unterminiert er die Fähigkeit der Nation, die Welt zu führen, und er handelt im Widerspruch zu den demokratischen Prinzipien, die wir für äußerst wichtig halten.“
Podesta fordert den Präsidenten auf, diese Dokumente freizugeben:
„Fangen Sie an, mit den Kongreßausschüssen zusammenarbeiten, die für alle diese Dokumente zuständig sind, die von Ihrer Regierung verwendet werden, um das Programm der gezielten Tötungen rechtlich zu begründen und zu leiten, auch zur Rechtfertigung der Tötung amerikanischer Staatsbürger. Die Gesetze, nach denen sich die Aktivitäten unserer Regierung richten, sollten nicht geheimgehalten werden.
Alle Zweige der Regierung des Volkes haben das Recht, die Regeln und Standards zu kennen, nach denen die übrigen Zweige handeln. Der Kongreß ist befugt, das Verhalten der Exekutive zu beaufsichtigen, und den Abgeordneten muß erlaubt sein, dieses Recht wahrzunehmen.“
Podesta ist nur einer von etlichen prominenten Demokraten, die in dieser Frage nun auf Distanz zum Präsidenten gehen. Auch die frühere Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Jane Harman, die heute das Woodrow Wilson Center leitet, unterstützte Pauls Vorgehen. In einer CNN-Kolumne schrieb sie: „Viele sind in vielen Fragen anderer Meinung als Rand Paul, aber in Bezug auf die Notwendigkeit glasklarer Regeln für den Einsatz von Drohnen im Inland und weltweit trifft er den Nagel auf den Kopf.“ Holders Brief werfe mehr Fragen auf, als er beantworte. Dann zieht sie einen Vergleich zur Nixon-Ära: „Amerika hat diesem Film der ,schleichenden Macht der Exekutive’ schon einmal gesehen. Der Einsatz tödlicher Mittel ohne öffentliche Debatte oder klare rechtliche Grundlage ist ein Fehler, ein rutschiges Gefälle, etwas, was wir noch bedauern werden.“
Wie sehr sich Präsident Obama in dieser Frage in der Defensive sieht, zeigte sich am 12. März bei einem Treffen mit führenden demokratischen Abgeordneten. Wie die Zeitschrift Politico berichtete, stellte Senator Jay Rockefeller ihn wegen der fraglichen Dokumente zur Rede. Nach Aussage demokratischer Senatoren antwortete der Präsident, sinngemäß: „Aber ich bin doch nicht Dick Cheney!“
Ein weiterer wesentlicher Bereich, zu dem die Abgeordneten von der Regierung energisch Aufklärung fordern, ist ihre Haltung gegenüber den Banken - und zwar nicht nur zu der Frage, welche Banken „zu groß zum Scheitern“ [too big to fail] sind (und deshalb um jeden Preis vor der Insolvenz bewahrt werden sollen), sondern vor allem, welche Banken die Regierung als „zu groß zum Einsperren“ [too big to jail] betrachtet.
Auslöser dieser Fragen war eine Aussage von Justizminister Holder in einer Anhörung des Kongresses, in der er die Sorge geäußert hatte, daß einige Banken so groß seien, daß man sich im Fall anstehender Strafverfahren Gedanken darüber machen müsse, welche Folgen eine Anklage für das Finanzsystem der USA oder sogar der ganzen Welt hätten. Tatsächlich ist auffällig, wie nachsichtig die US-Regierung bei Banken ist, die bei Gesetzesbrüchen ertappt werden, sei es Geldwäsche im Volumen von Milliarden oder die Manipulation der Leitzinsen (Libor, Euribor) durch die Großbanken, wodurch Bankkunden in aller Welt jährlich um dreistellige Milliardenbeträge geprellt wurden.
Holders Äußerungen versetzten viele Abgeordnete und Senatoren in Alarmzustand, und das Justizministerium erhielt etliche Anfragen aus dem Kongreß, in denen es aufgefordert wird, Dokumente vorzulegen, aus denen ersichtlich wird, nach welchen Kriterien die Regierung untersucht, ob eine Bank „zu groß zum Einsperren“ ist - und wer hierüber befindet.
Holders Aussagen lösten aber auch eine neue Welle der Unterstützung für den Antrag zur Wiedereinführung des Glass-Steagall-Trennbankengesetzes der Abgeordneten Marcy Kaptur und Walter Jones (HR 129) aus - innerhalb weniger Tage vermehrte sich die Zahl der Unterzeichner im Repräsentantenhaus auf 39 (Stand 15. März), und auch in den Bundesstaaten wächst die Zahl der Unterstützer. (Einen stets aktuellen Überblick über die wachsende Unterstützung für das Glass-Steagall-Gesetz finden Sie auf der Internetseite des LaRouche-Aktionskomitees unter http://larouchepac.com/hr129support.)
Auch diese Bewegung steht im Widerspruch zur erklärten Politik der Regierung Obama, die immer wieder deutlich gemacht hat, daß sie keine Rückkehr zu Glass-Steagall will.
Präsident Obama hat Grund, die Iden dieses März zu fürchten, denn er steckt in einer Sackgasse: Versucht er, die Zügel wieder anzuziehen, droht sich der Widerstand gegen ihn zu vervielfachen; tut er es nicht, droht der Damm ganz zu brechen. Denn der wesentliche Aspekt bei allen diesen Entwicklungen ist das, was Lyndon LaRouche schon vor der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr gefordert hatte: Es bildet sich zunehmend ein Bündnis patriotischer Kräfte aus, die sich nicht mehr durch die Parteidisziplin daran hindern lassen wollen, für jene Dinge einzutreten, die sie für notwendig für das Überleben des Landes halten - ob es der eigenen Parteiführung oder Regierung gefällt oder nicht. Der Protest gegen Obamas Drohnenprogramm, die Empörung über die Toleranz der Regierung für Rechtsbrüche der Banken, die Unterstützung für Glass-Steagall - all dies steht nicht mehr unter der Kontrolle der Regierung oder auch nur der Parteiführungen. Die Mauer zeigt Risse, bald wird sie fallen.
All das ist für Europa von größter Bedeutung. Denn unser Schicksal hängt davon ab, daß die richtigen Entscheidungen getroffen werden - nicht nur in Amerika, sondern auch bei uns. Und dazu muß man sich zunächst einmal überhaupt den wichtigen Themen zuwenden, und auch darauf beharren und sich nicht mit ein paar Brosamen abspeisen lassen, wie das derzeit z.B. in der Frage des „Trennbankengesetzes“ oder vielleicht auch in der Frage des Euro-Ausstiegs geschieht.
So schrieb der „ESM-Rebell“ Frank Schäffler gerade in einem Blog: „Selbst das von Roosevelt eingeführte Trennbankensystem kommt wieder aus der Mottenkiste. Ein später Erfolg der Kleinstpartei BüSo, die mich bei Veranstaltungen damit immer wieder konfrontiert. Jetzt können sie sich endlich auflösen. Wir haben geliefert!“
Die Arbeit ist noch lange nicht getan, Herr Schäffler! Tatsächlich hat das, was gerade im Bundestag unter der Rubrik „Trennbankensystem“ diskutiert wurde, mit Roosevelts Glass-Steagall-Gesetz nur sehr wenig gemein - und Herr Schäffler bräuchte nur seine eigenen, noch gar nicht so alten Schriften zu lesen, um dies zu erkennen.
Es reicht auch nicht, über eine echte Bankentrennung nur zu reden - sie muß tatsächlich durchgesetzt werden, und wir brauchen nicht bloß ein Trennbankensystem oder eine souveräne Währung, sondern eine umfassende Lösung - die vollständige Trennung der Geschäftsbanken von den spekulativen Geschäften, ein souveränes Kreditsystem in der Tradition der Bank der Vereinigten Staaten, und ein großes Aufbauprogramm für die ganze Welt. Mit weniger darf man sich nicht zufrieden geben, wenn man die Krise überleben will!
Wahrscheinlich hätten Herr Schäffler und andere, die sich jetzt mit dem abfinden, was in Berlin getan oder eben nicht getan wird, mehr Mut, sich für eine tatsächliche Lösung einzusetzen, wenn sie und die Öffentlichkeit besser informiert wären über den Dammbruch, der sich in Amerika abzeichnet. Denn sie wissen, daß hier in Europa nicht viel geschehen wird, wenn in Amerika nichts geschieht.
Podesta zitiert in seinem Kommentar US-Präsident James Madison: „Eine Regierung des Volkes ohne Information des Volkes oder die Mittel, sich diese zu verschaffen, ist nur der Prolog zu einer Farce oder einer Tragödie - oder vielleicht beidem.“ Das gilt genauso in Europa. Erst wenn die Bürger gut informiert sind, und die Weltlage tatsächlich einschätzen können, kann die Demokratie funktionieren.
Die BüSo wird also offensichtlich noch gebraucht, um unseren Bundestagsabgeordneten weiter Nachhilfeunterricht zu geben - auch wenn denen das auf die Nerven geht -, damit sie nicht gleich auf jeden Etikettenschwindel hereinfallen. Die gleiche Aufgabe hat die BüSo auch gegenüber der breiten Bevölkerung, gerade weil die etablierten Medien und anderen Parteien versagen. Wir werden sie erfüllen.