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Neue Solidarität
Nr. 7, 15. Februar 2012

„Wir brauchen einen großen Plan für die Zukunft“

Christine Schier von EIR in Wiesbaden führte am 3. Februar das folgende Interview mit dem französischen Präsidentschaftskandidaten Jacques Cheminade.

EIR: Zuerst möchte ich sagen, daß alle Deine Freunde im Ausland, in den USA, in Deutschland, Italien, Skandinavien hocherfreut waren, als du angekündigt hast, daß du 500 Zusagen von Bürgermeistern für die Unterstützung Deiner Präsidentschaftskandidatur hast. Das sollte eine wichtige Flanke in der strategischen Lage sein, wenn dein Programm und deine Warnungen in den Medien verbreitet werden.

Cheminade: Nun, es ist erst der Anfang, wir sollten nicht zu euphorisch darüber sein. Aber das Interessante ist, daß die Reaktionen diesmal eine andere Qualität hatten als 1995 [als Cheminade das erste Mal Präsidentschaftskandidat war]. Es gibt einige, die verleumderische Anschuldigungen verbreiten, aber viele reagieren spontan mit Unterstützung für uns. Sie wissen, daß ich 1995 das Opfer eines schrecklichen Unrechts wurde und daß jetzt die Zeit gekommen ist, mir das Wort zu erteilen, weil ich der einzige bekannte Politiker in Frankreich war, der voraussagte, daß in den nächsten 10-12 Jahren eine Krise ausbrechen würde, was dann 12 Jahre später auch tatsächlich geschah.

Das wissen die Bürgermeister sehr zu schätzen. Sie geben mir ihre Zusage in Form einer schriftlichen Absichtserklärung, weil sie sehen, daß ich recht hatte und die anderen unrecht.

Außerdem sahen sie, daß die jungen Aktivisten, die sie besuchten, sehr entschlossen waren, eine gute Portion Humor hatten und wirklich von der Sache überzeugt waren, statt nur ein paar Sätze zu wiederholen, die man ihnen eingetrichtert hatte. Sie waren kreativ, und sie respektierten die Bürgermeister. Sie behandelten sie nicht als bloße „Unterschriftmaschinen“, sondern als menschliche Wesen, mit denen sie einen wirklichen republikanischen Dialog führen wollten.

Es gab ziemlich viel Medienberichterstattung über uns, was man allerdings nicht überbewerten sollte. Auf Canal Plus z.B. sagte ein bekannter Journalist, Jean-Michel Aphatie, meine Kandidatur sei sinnlos, er wiederholte das mehrmals, aber damit hat er sich völlig diskreditiert. Er wurde hinterher dafür scharf angegriffen. Viele Leute waren von seiner Grobheit abgestoßen und fanden, daß ich sehr gut darauf reagiert hätte. Es gefiel ihnen, daß ich die „inkompetente Oligarchie“ herausfordere, die Frankreich mit Hilfe der Strukturen des „Staatsnepotismus“ unter Kuratel gestellt hat. Dazu war einiges los im Internet. Tatsächlich verändert das Internet teilweise den Wahlkampf.

Es gab auch z.B. Angriffe von einem sozialistischen Senator, Patrick Mennucci, der in Radio Monte Carlo (RMC) sagte, ich wäre antisemitisch, von der extremen Rechten, und ich würde den Tod von Bin Laden bedauern. Es war so dumm, daß man nur darüber lachen kann. Aber ich forderte [den sozialistischen Präsidentschaftskandidaten] François Hollande auf, Herr Mennucci soll seine Anschuldigungen zurücknehmen, weil sie falsch sind. Und heute morgen gab mir derselbe Sender RMC die Gelegenheit, zu antworten, und in fünf Minuten nahm ich die Verleumdungen dieses Spinners auseinander. Einer der Radiojournalisten sagte, er sei selbst von dem Gerücht eingenommen gewesen, habe dann unsere Webseite durchforscht und absolut nichts gesehen, was mit Antisemitismus oder Rechtsextremismus zu tun hatte.

EIR: Sind die Journalisten allgemein an den Lösungen interessiert, die du in der gegenwärtigen Krise vorschlägst? Oder versuchen sie, die Debatte zu unterdrücken?

Cheminade: Ich wurde gefragt, was der Unterschied zwischen den Vorschlägen von François Hollande und meinem Vorschlag ist, denn auch er fordert eine Trennung der Bankgeschäfte. Aber er schlägt vor, diese Geschäfte unter demselben Dach beizubehalten, während ich sage, daß es getrennte Banken sein müssen, mit einem Gesetz in der Art von Glass-Steagall oder dem, was wir in Frankreich nach der Befreiung hatten.

Man fragte mich, wer sonst noch in Frankreich so denkt. Ich antwortete z.B. gestern morgen, [der Wirtschafts-Nobelpreisträger] Maurice Allais. Das war einer seiner ständig wiederkehrenden Vorschläge, und er fand die Herangehensweise von mir und von LaRouche gut. Einige halten dem entgegen, Lyndon LaRouche sei eine Art Häretiker. Ich sage, ich bin froh, daß er einer ist. Jeder, der die Finanzoligarchie und die Londoner City angreift, wird von allen, die deren politischer Linie folgen, als Häretiker bezeichnet. Damit muß man rechnen, denn wir sind mitten im Kampf, und es gibt uns gegenüber keine Zurückhaltung.

Ich fügte hinzu, in Hinsicht auf die politischen Bewegungen in Frankreich stehe ich am Schnittpunkt der Christlich-Sozialen, d.h. der „demokratischen Äbte“ der Bretagne und von Marc Sangnier - dem Gaullismus des Juni 1940 und de Gaulles als Vertreter des Freien Frankreich der Rèsistance - dem Sozialismus von Jean Jaurès und in gewissem Maße von Léon Blum, der de Gaulle im Widerstand unterstützte - und auch der Radikalen Partei, speziell der Richtung um den Solidarismus von Léon Bourgois, was etwas ganz anderes ist als in anderen Ländern. Bourgois sagte: Wir haben eine Schuld gegenüber den vergangenen Generationen, die wir um der zukünftigen Generationen willen zahlen müssen. Ich würde hinzufügen: eine Schuld an die Zukunft, aber nicht an die Investmentbanken, die Finanzinstitute der Wallstreet und der City, die uns in diese Krise gebracht haben.

So hatte ich eine Chance, diese Themen anzusprechen. Aber die Journalisten wollten vor allem wissen, warum ich kandidiere und wie ich die Bürgermeister zur Unterstützung bewegen konnte. Das ist die große Frage, die alle stellen: Wieso bekam ich die Unterschriften, während Marine Le Pen sie nicht hat? Es gibt eine Karikatur, die am 2. Februar in den Zeitungen Nice Matin und Var Matin erschien, die zeigt Marine Le Pen, wie sie in einen Spiegel blickt und fragt: „Spieglein, Spieglein an der Wand, sag’ mir, ich sei die begehrenswerteste Kandidatin im ganzen Land!“ worauf der Spiegel antwortet: „Selbst Jacques Cheminade hat mehr Erfolg als du.“

Es erregt viel Aufsehen, daß ich die Unterschriften bekomme, aber die anderen nicht. Ich erkläre, daß es an unseren jungen Aktivisten und ihren Qualitäten liegt, daran, daß ich diese Krise vorhergesagt habe, und auch am internationalen Charakter meiner Kampagne, diese Öffnung, wo Innen- und Außenpolitik, internationale Politik eine Einheit sind, das ist mehr als bloßes Krisenmanagement.

Ein anderer wichtiger Punkt, den ich aufbringe, ist, daß heutzutage eine Präsidentschaftswahl immer danach beurteilt wird, was die vorgeschlagenen Programme kosten. Alle fragen „Wieviel kostet das?“, aber niemand fragt nach dem Nutzen. Die Menschen reden wie Buchhalter, sie haben keine Weitsicht und keine Zukunftsprojekte. Aber wir müssen heute über die Zukunft reden, weil die Lage es erfordert, daß wir die Spielregeln ändern.

Dazu gibt es überall eine Menge Kommentare. Auf politischen Blogs gab es viele Angriffe auf die Leute, die mich [unfair] interviewt haben. Ich muß sagen, ein Interview - mit Jean-Jacques Bourdin auf RMC Matin und noch einmal am 2. Februar in LCI-TV - war sehr fair und ehrlich. Bei France Culture gab es ein Programm, wo die Frage von Sekten aufkam, und ich stoppte diese Leute gleich in den Startlöchern mit wörtlichen Zitaten von Miviludes [die offizielle Stelle gegen Sekten], die besagen, daß diese Vorwürfe ohne jede Substanz sind.

EIR: Zur Wirtschaftspolitik: Ist deine Haltung zum Euro unter den Kandidaten einzigartig?

Cheminade: Ja und nein. Sie ist es nicht, insofern Marine Le Pen eine ähnliche Linie hat wie Dupont-Aignan: Beide sind gegen den Euro. Aber ich sage, daß der Euro sich jetzt ohnehin schon selbst kaputtmacht. Wir brauchen also einen großen Plan für die Zukunft. Und da kommt der wirklich große Unterschied ins Spiel: Nämlich die Frage von produktivem Kredit und Großprojekten für die Zukunft. Für den Anfang brauchen wir ein Glass-Steagall [Trennbankensystem], um den ,Augiasstall’ auszumisten, und produktiven Staatskredit. So bekommt Europa einen Sinn und kann sich in eine Welt großer Infrastrukturprojekte einfügen.

Aber dazu muß man Artikel 123 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU aufheben, und ebenso das französische Gesetz vom 4. August 1993, womit das Gesetz vom 3. Januar 1973 abgeschafft wurde. Demnach ist es der Banque de France verboten, dem Staat Kredit zur Finanzierung wirtschaftlicher Entwicklung zu geben oder die Schulden des Staates zu kaufen. Das gilt auch für das Gesetz vom 12. Mai 1998, das der Banque de France und ihren Vorständen verbietet, von der Regierung oder irgendeiner anderen Autorität Anordnungen entgegenzunehmen, womit die Banque de France eine Zentralbank und keine Nationalbank mehr ist.1

Es gibt jetzt in Frankreich eine große Debatte über die Frage der Nationalbank. Es gibt verschiedene Zeitungsartikel über einen Ausstieg aus dem Euro, aber ich bestehe darauf, daß das ein positiver Ausstieg aus dem Euro sein muß, und nicht nur, weil es uns Spaß macht.

Es gibt da noch einen anderen wichtigen Punkt: die Angriffe auf Deutschland. Die Leute sagen „Merkel ist Deutschland“. Ich antworte, das hat nichts mit meiner Vorstellung von Deutschland zu tun, das ist nämlich die von Schiller, von Heine und von Helga Zepp-LaRouche.

Interessant ist, worauf Lyndon LaRouche hingewiesen hat, daß meine Kampagne in Europa einen Riß in dem Konsens für Sparpolitik und Härte hervorruft. So gesehen ist es nützlich, daß François Hollande, wenn auch nur in begrenztem Umfang, die Finanzwelt angegriffen hat und Sparpolitik und Härte anprangert. Aber er stützt das nicht mit zu ergreifenden Maßnahmen, so wie ich das tue. Somit befinde ich mich bei all dem in der Position der Vorhut.

Die Leute fragen: Wie konnte dieser Kerl, der 1995 nur 0,28% der Stimmen bekam, 500 Unterschriften sammeln, während Marine Le Pen, Hervé Morin, Dominique de Villepin und Christine Boutin ihre nicht zusammenbekommen - was ist sein Geheimnis?

Der erste Fernsehkanal TF1 sendete einen Clip von 40 Sekunden, worin das, was ich gesagt hatte, völlig verdreht wird, trotzdem wirkt es überzeugend, weil gezeigt wird, wie Marine Le Pen sich vor dem Senat beklagt, „O weh, ich habe nur 340 Unterschriften, es ist schrecklich.“ Und dann zeigen sie mich bei der Frage, wie wir die Unterschriften zusammenbekamen, und ich antworte: „Weil wir intelligent sind“, und ich muß laut lachen.

Es ist also viel los. Bisher konnte ich die wirklich wichtigen Themen noch nicht richtig ausführen, außer Trennbankensystem und Staatskredit. Und wenn ich die Kriegsgefahr anspreche, sind alle in der Medienwelt ganz erstaunt.

Wir sind also noch nicht in der heißen Phase, aber wir sind aus den Startlöchern heraus. Wir haben den Fuß in der Tür, und jetzt müssen wir den wichtigsten Teil herausbringen, und das sind die Ideen.

EIR: Deine Kandidatur wird von Lyndon und Helga LaRouche von ganzem Herzen unterstützt. Wie würdest du dein Verhältnis zu ihnen beschreiben?

Cheminade: Es ist eine seit langem bestehende Beziehung, die mein geistiges und politisches Leben inspiriert. Was Lyndon LaRouche über Wirtschaft und über Kultur sagte, eröffnete mir eine neue Sicht auf das Geschehen in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Er war damals der einzige, der vorhersah, daß der Ultraliberalismus in der Wirtschaft unter der Herrschaft der Finanzoligarchie, wo um des kurzfristigen Profits willen Ausbeutung der Arbeitskraft und der greifbaren Produktion gefördert wird, von einer zerstörerischen Gegenkultur auf der Grundlage kurzfristiger Emotion getragen und vorangetrieben ist. Sein Verständnis vom Kampf des Britischen Empire gegen die amerikanische Republik, und was Benjamin Franklin und Alexander Hamilton wirklich verkörperten, war für mich - zusammen mit den Schriften von Alan Salisbury und Graham Lowry - ein Schlüssel zum Verständnis, wo ich stehe.

Gleichzeitig definierte unsere Arbeit an Wissenschaft und Künsten, von Riemann und Leibniz bis zu den deutschen Klassikern in der Musik und den Renaissancen in Italien und im Norden, geistig einen neuen Weg, der zwar nicht im Gegensatz zu dem stand, was ich vorher war, aber ein Zutritt zu neuen Bereichen war. Die Arbeit des „Basement“-Wissenschaftsteams heute, die uns durch die Erforschung der Vergangenheit in die Zukunft führt, schafft für mich eine Gelegenheit, in der Vergangenheit und in der Gegenwart neue Freunde zu finden. So wie Sky Shields, den ich sehr gerne in Europa persönlich getroffen habe, und unser junges Kandidatenteam [in den USA], mit dem ich zwar nie gesprochen habe, die mir aber in meinem Kampf näherstehen als viele andere, die für meine Sinne näher erreichbar sind.

Was Helga Zepp-LaRouche angeht, verdanke ich ihr die intensive Beschäftigung mit Schiller und mit Nikolaus von Kues, ohne den ich nicht wäre, was ich meiner Ansicht nach bin.

Journalisten fragen mich oft, ob ich der Repräsentant von Lyndon H. LaRouche in Frankreich bin, im Sinne einer Art funktionellen oder bürokratischen Verbindungsmanns. Ich antworte ihnen, sie seien leider naiv und könnten nicht verstehen, was eine Beziehung eines wirklichen menschlichen Geistes zu anderen sein kann - daß wir, selbst wenn wir einander nicht sehen oder sprechen, im Hintergrund eine Prinzipiengemeinschaft haben. Und diese Prinzipiengemeinschaft bedeutet ewige Freude.


Anmerkung

1. Das Gesetz von 1973 zwang den Staat, sich Geld von privaten Finanzinstituten zu Zinsen zu leihen, während die staatliche Banque de France keine Zinsen genommen hatte. Das Gesetz von 1998 machte aus der Banque de France eine vom Staat unabhängige Einrichtung mit der Aufgabe, für Währungsstabilität, aber nicht für wirtschaftliche Entwicklung zu sorgen. Und der EU-Vertrag untersagt es Zentralbanken, den Mitgliedstaaten zinslos Geld zu leihen.

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