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Der Direktor der Europäischen Weltraumorganisation, Dr. Thomas Reiter, berichtete am 18. Januar in Darmstadt über die Pläne der ESA für die kommenden Jahre.
In Zeiten von Kulturpessimismus und Sparhysterie sind die Zukunftspläne der ESA für die nächsten Jahre optimistisch und begeisternd: Wir wollen wieder zum Mond und zwar mit bemannten Raumschiffen! Wir wollen wissen, ob es Leben auf dem Mars gibt! Wir wollen den Mars erkunden, weil die Landung eines Menschen auf dem Mars der nächste Schritt sein wird! Und wir lernen chinesisch und orientieren uns an Ländern, die genauso zukunftsbegeistert sind wie wir! Wir Menschen haben ständig neue Ideen und Pläne, wir wollen alles wissen und begreifen und verbessern. Mit primitiven Schiffen haben wir den Ozean gemeistert und andere Kontinente entdeckt. Der Weltraum ist unser neuer Ozean, und den wollen wir erschließen.
Am 18. Januar gab der Direktor der ESA in Darmstadt, Dr.-Ing. Thomas Reiter, einen faszinierenden Überblick auf die nächsten Ziele der Europäischen Weltraumorganisation.1 Die Vorhaben sind detailliert geplant und teilweise ihrer Realisierung nahe. Sie zeigen, daß Weltraumerforschung das entscheidende Thema unserer Gesellschaft ist. Und trotz der angespannten Wirtschaftslage und einer strikten Haushaltspolitik haben die nunmehr 19 Mitgliedstaaten der ESA (seit Dezember 2011 ist auch Rumänien dabei) beschlossen, „weiterhin großes Vertrauen in die Raumfahrt, d.h. die Zukunftsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit Europas zu legen“. Im Gegensatz zur NASA ist die ESA zudem eine faktisch völlig eigenständige und unabhängige Organisation und sie finanziert sich durch das geniale Prinzip des geographischen Mittelrückflusses („Geografic Return“), d.h. sie investiert über Industrieaufträge für Raumfahrtsprogramme in jedem Mitgliedsstaat Beiträge, die ungefähr den Beitragsgeldern des jeweiligen Landes entsprechen!
Die herausragenden Themen sind erstens die Erkundung des Mars, bei der die ESA seit 2003 eine der erfolgreichsten Missionen betreibt, nämlich den Mars Express. Diese Marssonde der ESA startete am 2. Juni 2003 mit Sojus-FG/Fregat von Baikonur (Kasachstan) und erreichte am 25. Dezember 2003 den Mars. Ihre Hauptaufgabe ist die vollständige Kartographierung des Mars, die Erforschung seiner Atmosphäre, seiner Oberfläche sowie des Materials, das sich in bis zu zwei Metern Tiefe befindet. Mit dem Juni 2004 beginnend, war die Primärmission auf ein Marsjahr (etwa 23 Erdmonate) ausgelegt und wurde bisher mehrfach verlängert, zuletzt bis 2012 mit einer Option auf 2014.
Eine neue Mission, ExoMars, ist jetzt als Gemeinschaftsprojekt mit Rußland geplant. Dabei soll die ESA/ESOC den Missionsbetrieb übernehmen. Ein Höhepunkt schon in diesem Jahr wird die Unterstützung der Landung der „Curiosity“-Mission der NASA mit Hilfe des Mars Express als Kommunikationsrelais sein, was bereits erfolgreich im Jahre 2008 für die Phoenix-Mission der NASA praktiziert wurde. Thomas Reiter betont, daß wir „noch in diesem Jahrzehnt“ die Frage beantworten werden, ob es Leben auf dem Mars gibt!
Ein zweites faszinierendes Programm ist das SSA - Space Situational Awareness, ein Vorbereitungsprogramm zur eigenständigen Weltraumlageerfassung. Dies beinhaltet neben der Erkundung von erdnahen Objekten, wie Kometen, Asteroiden oder auch Weltraumschrott ganz besonders die Erkundung des „Weltraumwetters“ und dabei vor allem der Sonnenaktivität. Wie sind die Auswirkungen von Strahlung, Plasma und Magnetismus auf die Erde bzw. die Weltraumumgebung oder auch das Wetter auf der Erde, welche Interferenzen ergeben sich, und welche Störungen hat man für Missionen im All, Raketenstarts oder Bodensysteme wie Antennen und Radarsysteme zu erwarten?
In dem Zusammenhang wird am 16. Juli 2012 die Magnetfeldmission SWARM der ESA vom Weltraumbahnhof Baikonur starten. Diese Mission besteht aus drei Satelliten in drei verschiedenen polaren Umlaufbahnen zwischen 400 km und 500 km Höhe und wird die bislang beste Messung des Erdmagnetfelds und seiner zeitlichen Entwicklung und damit auch größere Kenntnisse über das Erdinnere liefern.
Zusätzlich kann man noch den Ausbau des Satelliten-Navigationssystems Galileo, den Bau der dritten 35 m hohen „Deep Space“ Antenne in Argentinien sowie den Bau neuer Radarsysteme nennen, bei dem in Deutschland das Fraunhofer Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik in Wachtberg bei Bonn zentraler Anlaufpunkt ist.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Zusammenarbeit mit der Internationalen Raumstation ISS, denn nach ihrer Fertigstellung ist Europa jetzt in die Betriebs- und Nutzungsphase eingetreten: erstens durch den Betrieb des Columbus-Labors (vom DLR-Zentrum Oberpfaffenhofen aus), zweitens durch den Betrieb der wissenschaftlichen Nutzlasten. Zur Aufrechterhaltung und Versorgung der ISS wird die ESA dieses Jahr wieder einen Raumtransporter mit notwendigen Vorräten zur ISS schicken. Am 9. März 2012 wird der Raumtransporter ATV3 „Edoardo Amaldi“ vom Weltraumbahnhof Kourou (Franz. Guyana) mit der Trägerrakete Ariane 5ES starten. Genau wie sein Vorgänger ATV-2 „Johannes Kepler“ wird er Vorräte wie Treibstoff und Sauerstoff zur ISS bringen. Derzeit wird ATV3 in Kourou mit Treibstoffen betankt. Nach 10-tägigem Flug wird der Transporter dann am 19. März an der Internationalen Raumstation andocken.
Aktueller Schwerpunkt ist vor allem aber die bemannte Raumfahrt, die Ausbildung von neuen Astronautengenerationen, das Training und die Unterstützung von Missionen. Zum Beispiel startete am 21. Dezember 2011 von Baikonur der ESA-Astronaut Andrè Kuipers (NL) zusammen mit dem NASA-Astronauten Don Pettit und dem russischen Kosmonauten Oleg Kononenko mit der Sojus TMA-3M zur Expedition 30 zur ISS-Raumstation und wird dort bis Mai 2012 bleiben. Weitere Missionen zur ISS, die von der ESA unterstützt werden, sind für Mai-Nov. 2013 mit dem ESA-Astronauten Luca Parmitano (I) und für Mai-Nov. 2014 mit Alexander Gerst (D) geplant. Zur Zeit werden sechs Astronauten bei der ESA ausgebildet. Weil man in der Zukunft auch mit China zusammenarbeiten wird, gehört das Lernen der chinesischen Sprache schon jetzt zum Ausbildungsprogramm!
Die Erforschung des Mondes ist auch weiterhin ein ganz besonderer Schwerpunkt der ESA, und Reiter betont, daß der Mond im Fokus bleiben und eine nächste Landung auch wieder in Aussicht sein wird, obwohl es noch keine konkreten Pläne gibt. Die nächste unbemannte Mondlandung wird 2018 mit Sojus von Kourou aus starten, in der Südpolregion des Mondes landen und dort ihre Erkundungen machen. Die technologischen und Forschungsziele sind vor allem die Verbesserung der Präzisionslandung für alle weiteren planetaren Missionen, dann die Erkundung von eventuellen Vor-Ort Ressourcen, genauere Untersuchungen der Bedingungen vor Ort, sowie einige medizinische Aspekte eines längeren Weltraumaufenthaltes von Menschen. Vielleicht ist ja der Plan des Baus einer ständigen Mondbasis, der ursprünglich von dem Weltraumpionier Krafft Ericke entwickelt wurde, doch noch in einigen Köpfen lebendig!
Der hatte nämlich schon 1957 die drei „Fundamentalsätze der Astronautik“ aufgestellt:
1. Niemand und nichts in den Naturgesetzen des Universums legt dem Menschen irgendwelche Beschränkungen auf - außer dem Menschen selbst.
2. Nicht nur die Erde, sondern das gesamte Sonnensystem und so viel vom Universum, wie er innerhalb der Naturgesetze erreichen kann, ist das angemessene Feld für die Aktivitäten des Menschen.
3. Indem er sich im Weltall verbreitet, erfüllt der Mensch sein Geschick als Element des Lebens, ausgestattet mit der Macht der Vernunft und der Weisheit des moralischen Gesetzes in sich selbst.
Die begeisternden Pläne der ESA zeigen auf jeden Fall deutlich, daß dieser Geist in den 19 Mitgliedsstaaten noch vorhanden ist und daß es ganz bestimmt viele Kinder gibt, die Astronaut werden wollen!
Caroline Hartmann
Anmerkung
1. Den Mitschnitt der Pressekonferenz finden Sie auf der Internetseite der ESA unter http://www.esa.int/esaCP/SEM06SMXDXG_Germany_1.html