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Der folgende, leicht gekürzte Beitrag stammt aus der EIRNA-Studie „Frieden durch Entwicklung“ vom Oktober 1993. Bis heute warten diese Projekte - abgesehen von den türkischen Staudammprojekten im Rahmen des Südostanatolien-Projektes, die z.T. bereits realisiert sind - noch auf ihre Verwirklichung.
Die deutsche Firma Interatom hat ein Modell entwickelt, bei dem die Stromerzeugung eines Hochtemperaturreaktors (HTR) mit der Entsalzung von Meerwasser verbunden wird. Die vorgeschlagene kombinierte Anlage würde aus zwei oder vier HTR-Einheiten bestehen, die jeweils 200 Megawatt Wärmeenergie produzieren, dazu Dampfgeneratoren und Turbinen zur Stromerzeugung und eine Umkehrosmose-Entsalzungsanlage, die 100.000 Kubikmeter Frischwasser pro Tag erzeugt (genug Trinkwasser für eine Stadt mit 700.000 Einwohnern oder für Bewässerungszwecke, um Nahrung für mehr als 250.000 Menschen anzubauen). Die Abwärme der Reaktoren wird dazu benutzt, das Meerwasser auf die optimale Temperatur zu erwärmen, wie sie für das Entsalzen nötig ist. Mit einem Teil der erzeugten Elektrizität (30 MW) werden die Hochdruckpumpen der Entsalzungsanlage betrieben, und der Rest in das öffentliche Stromnetz gespeist. Der gesamte Komplex könnte auf dem Wasserweg überall in die Welt transportiert werden. Eine solche schwimmende Betriebsanlage könnte an der Küste oder an Flußufern zu einem Bruchteil der für derartige Anlagen sonst erforderlichen Kosten und Zeit installiert werden.
Die Wirtschaftlichkeit eines solchen HTR/Entsalzungs-Komplexes ist im Vergleich mit anderen Entsalzungstechniken schon heute sehr günstig. Frischwasser könnte für ungefähr 2 DM1 pro Kubikmeter erzeugt werden. Diese Berechnung basiert auf vorsichtigen Schätzungen technischer Parameter, vor allem eines relativ hohen spezifischen Energieverbrauchs für die Entsalzung (7 kWh pro Kubikmeter). Bei weiterer Verfeinerung der Entsalzungsverfahren und optimaler Nutzung der HTR-Energie werden die Kosten in der Zukunft wahrscheinlich noch weiter sinken.
Die HTR-Module haben den Vorteil hoher Effizienz und Flexibilität - sie können als Prozeßwärmequelle sowie zur Stromerzeugung genutzt werden. Sie sind inhärent sicher, so daß eine „Kernschmelze“ physikalisch ausgeschlossen ist, und sie können in Massenproduktion hergestellt werden.
W.C. Lowdermilk, ein bekannter Ingenieur und Fachmann der amerikanischen Tennessee Valley Authority, schlug 1944 einen umfassenden Plan zur Nutzung des Jordans und seiner Quellen vor. Das Wasser des Flusses sollte zur Bewässerung weiter Gebiete in der Küstenebene und im nördlichen Teil der Negev-Wüste verwendet werden. Damit der so verminderte Zufluß in das Tote Meer ausgeglichen würde, wollte Lowdermilk einen Kanal vom Mittelmeer zum Toten Meer bauen. Der bestehende Höhenunterschied von ca. 400 m sollte zur Stromerzeugung genutzt werden.
Große Teile von Lowdermilks Plan wurden ausgeführt, wenn auch in modifizierter Form. Israel baute ein großes Kanal- und Leitungssystem, die Kinneret-Negev-Leitung, mit der Wasser vom See Genezareth an der ganzen Küste entlang bis weit in die Wüste Negev geleitet wird. Über dieses System läuft ein Viertel der gesamten Wasserversorgung Israels. Auf jordanischer Seite entstand das Ghor-Bewässerungsprojekt. Mit einem Kanal, der vom Jarmuk an der Ostseite des Jordans verläuft und viele Seitenkanäle abgibt, wird die gesamte Ostseite der Senke bewässert. Heute ist dieses Gebiet die fruchtbarste und landwirtschaftlich ertragreichste Region in Jordanien.
Im Sturm der historischen Ereignisse wurde der von Lowdermilk vorgeschlagene Kanal zum Toten Meer nicht mehr realisiert. Heute soll dieses Projekt jedoch wieder ganz oben auf der Prioritätenliste in Israel stehen.
Durch dieses Projekt würde das Austrocknen des Toten Meeres verhindert, dessen Meeresspiegel seit dem Zweiten Weltkrieg um 5 m abgesunken ist. Außerdem könnte etwas Elektrizität gewonnen werden. Die Bedeutung dieses Kanals geht aber viel weiter. Dadurch, daß der Kanal vom Mittelmeer durch die Wüste Negev führt, kann er Industrie und Kraftwerke mit Kühlwasser versorgen und einer ganzen Reihe künstlicher Seen, die der Erholung und anderen Zwecken dienen, Wasser zuführen. Er kann auch Entsalzungsanlagen für Städte und Siedlungen speisen und, wenn er breit genug gebaut wird, für die Schiffahrt genutzt werden. Zusammen mit Projekten am Toten Meer selbst wird der Kanal für Israel wie auch für Jordanien von Nutzen sein.
Trotz eindrucksvoller wasserwirtschaftlicher Anstrengungen - von etwa 500 benötigten Staudämmen wurden bereits 100 gebaut - nutzt die Türkei nur 10% ihres eigentlichen Wasserpotentials. Zu diesem ungenutzten Potential außerhalb des Quellgebietes des Euphrats gehören die auf türkisches Gebiet beschränkten Flußläufe des Seyhan und Ceyhan. Beide münden in das Mittelmeer und führen zusammen ungefähr 34 Mio. Kubikmeter Wasser pro Tag. Davon werden ungefähr zwei Drittel für Bewässerung und Stromerzeugung verwendet, 10 Mio. Kubikmeter fließen ungenutzt ins Meer. Die türkische Regierung schlägt vor, 3,5 Mio. Kubikmeter von diesem täglichen Überschuß mit Rohrleitungen in den Süden zu „exportieren“: Zunächst nach Syrien, nach Aleppo, Hama, Homs und Damaskus, und weiter zur Westbank sowie nach Amman in Jordanien. Eine zweite Leitung könnte parallel nach Saudi-Arabien, nach Yanbu, Medina, Mekka und Dschidda fuhren. Im Auftrag der türkischen Regierung wurde dieses Projekt von der amerikanischen Ingenieurfirma Brown und Root untersucht und als technisch und wirtschaftlich durchführbar eingestuft.
Im ersten Baustadium müßten 3400 km Leitungsrohre mit einem Durchmesser von 3-3,6 m verlegt und entlang des Streckenverlaufes Pumpstationen gebaut werden, um die teilweise enormen Höhenunterschiede zu überwinden. Auf den Gefällestrecken kann das Wasser dann zur Stromerzeugung genutzt werden. Dieser erste, westliche Bauabschnitt würde ungefähr 8,5 Mrd. Dollar kosten. Für den zweiten, östlichen Abschnitt wären Leitungsrohre mit 4 m Durchmesser für eine Strecke von 3900 km erforderlich. Durch diese Rohre würden täglich 2,5 der insgesamt 3,5 Mio. Kubikmeter Wasser weitergeleitet. Dieser Streckenabschnitt würde 11 Mrd. Dollar kosten. In Saudi-Arabien, am Ende der Leitung, beliefe sich der Preis für das transportierbare Frischwasser auf schätzungsweise 1,50 Dollar pro Kubikmeter. Das wäre sehr viel weniger, als das Wasser aus den saudi-arabischen Entsalzungsanlagen kostet.
Dieses Projekt, das die türkische Regierung die „Friedens-Pipeline“ nennt, könnte durch Erschließung bisher ungenutzter Wasserressourcen noch erheblich ausgeweitet werden und einen entscheidenden Beitrag zur Behebung des Wassermangels im Nahen Osten leisten.
Etwa 50-80% des Quellwassers vom Weißen Nil geht beim Durchfluß durch den Sudd, ein ausgedehntes Sumpfgebiet im Süden des Sudan, verloren. Bereits zu Beginn dieses Jahrhunderts gab es Pläne, diesen Wasserverlust mittels eines Kanals durch oder um den Sudd herum zu beheben. 1978 begann endlich der Bau des Jonglei-Kanals, der mit einer Länge von 360 km geplant war und dazu dienen sollte, den größten Teil der Wasserverluste „kurzzuschließen“. Mit einer durchschnittlichen Wassermenge von 20 Mio. Kubikmetern pro Tag würde der Jonglei-Kanal dem Weißen Nil auf der Hohe von Malakal etwa 14 Mio. Kubikmeter pro Tag zuführen. Auf der Hohe des Assuan-Staudamms blieben davon nach Abrechnung des verbrauchten und verlorenen Wassers noch etwa 10 Mio. Kubikmeter pro Tag übrig.
Das ist die dreifache Wassermenge der „Friedens-Pipeline“ und genug für die Bewässerung landwirtschaftlicher Nutzflache, um 2 Mio. Menschen zu ernähren. Die geschätzten Kosten des Projektes beliefen sich auf ungefähr 170 Mio. Dollar. Der Kanal wäre zusätzlich für die Frischwasserversorgung und als Wasserweg für die angrenzenden Gebiete von großem Nutzen.
Bei den Bauarbeiten unter Leitung des französischen Konsortiums CCI (Compagnie de Constructions Internationales) wurde der damals weltgrößte Schaufelradbagger eingesetzt. Nachdem 1983 etwa 240 km, d.h. zwei Drittel der Gesamtlange, ausgehoben waren, mußte die Weiterarbeit jedoch aufgrund der Aktivitäten der „Sudanesischen Volksbefreiungsarmee“ (SPLA) aufgegeben werden. Seitdem wurden keine weiteren Fortschritte mehr gemacht - ein typisches Beispiel für die Strategien Alexander Kings vom Club von Rom, um mit „lokalen Konflikten“ die reale wirtschaftliche Entwicklung zu sabotieren und so direkt oder indirekt das Problem der „Bevölkerungsexplosion lösen zu helfen“.
Der Jonglei-Kanal ist nur eines von mehreren Projekten, die für den gesamten Quellbereich des Nils ins Auge gefaßt wurden. Mit ihm könnte die Wasserversorgung des Sudan als potentiellem Brotkorb der Region wie auch für Ägypten gewaltig verbessert werden.
Inmitten der Wüsten im Nordwesten Ägyptens findet sich eine riesige Senke, die an ihrer tiefsten Stelle 145 m unter dem Meeresspiegel liegt. Würde sie mit Wasser aufgefüllt, so entstünde ein See mit einer Fläche von fast 20.000 km2. Seit vielen Jahren wird darüber diskutiert, Wasser vom Mittelmeer in die Kattara-Senke zu leiten und dabei den Höhenunterschied zur Elektrizitätsgewinnung zu nutzen. Würde die Senke auf -60 Meter angefüllt, so entstünde ein See von 11.600 km2 mit einer Wasserverdunstung von durchschnittlich 600 Kubikmetern pro Sekunde. Durch den dauernden Zulauf einer entsprechenden Wassermenge aus dem Mittelmeer könnte so ein „stabiles Gleichgewicht“ erreicht werden.
In einer Durchführbarkeitsstudie hat ein Konsortium „Joint Ventures Qattara“ unter der Leitung der deutschen Ingenieurfirma Lahmeyer International drei Varianten dieses Projektes untersucht. Die drei Vorschläge unterscheiden sich in den Methoden, wie man das Mittelmeerwasser über den Landstreifen zwischen Küste und Kattara-Senke leiten kann, wobei eine Steigerung von 220 m über dem Meeresspiegel am Rand der Senke überwunden werden muß.
Ein Vorschlag sieht einen 72 km langen, auf Meereshöhe geführten Kanal mit einer Fließkapazität von 1200 Kubikmetern pro Sekunde vor. Er soll vom Mittelmeer bis zum Rand der Kattara-Senke führen. Nutzt man die 60 m Höhenunterschied bis zum Wasserspiegel des geplanten Sees, so können pro Jahr etwa 2500 GWh elektrische Energie gewonnen werden (während der neun Jahre, die zum Auffüllen des Sees nötig sind, sogar etwa 5000 GWh). Es wird vorgeschlagen, für die Schachtarbeiten des Kanals Nuklearsprengstoff zu verwenden, der sich im Vergleich zu anderen Methoden als extrem billig und zeitsparend erwiesen hat. In den USA (,,Project Plowshare“) und der UdSSR wurden nukleare Schachttechniken untersucht und Methoden zur Eindämmung des radioaktiven Niederschlags gefunden, so daß diese Techniken inzwischen routinemäßig zur Bewegung großer Erdmassen angewendet werden können. In diesem Fall entstünde der Kanal durch aneinander anschließende Krater, die mit etwa 173 Nuklearzündern von insgesamt 109 Megatonnen herausgesprengt würden. Die Baukosten des Kanals durch das Küstengebiet beliefen sich mit dieser Methode auf etwa 575 Mio. Dollar, d.h. ungefähr 8 Mio. Dollar pro km.
Der zweite Vorschlag sieht vor, Wasser in einem unterirdischen Kanal in die Kattara-Senke zu leiten. Dies würde nahezu 4 Mrd. Dollar kosten, sechsmal soviel wie ein nuklear ausgehobener Kanal.
Dem dritten Vorschlag zufolge soll Wasser vom Meer über die Anhöhe des Küstenstreifens gepumpt und in einem 83 km langen Kanal über Land weiter geleitet werden. Am Ende des Kanals sollen in einem Reservoir 28 Mio. Kubikmeter Wasser etwa 200 m über dem geplanten Wasserniveau des Kattara-Sees gespeichert werden, so daß von dort täglich Wasser durch Turbinen in den See abgelassen und eine Spitzenleistung von 4,8 Gigawatt Strom erzeugt werden kann.
Bis jetzt ist weder die Entscheidung zur Verwirklichung des Kattara-Projektes noch die Auswahl eines der Vorschläge erfolgt. Dieses Projekt, insbesondere der Bau eines Kanals auf Meereshöhe (Vorschlag 1) würde über die Elektrizitätsversorgung hinaus enormen Nutzen bringen. Der neue See könnte die wirtschaftliche Entwicklung der ganzen Region stimulieren, wenn dort Industriezentren, Kernkraftwerke und Entsalzungsanlagen angesiedelt werden. Mit Hilfe von Schleusen entstünde außerdem ein Schiffahrtsweg vom Mittelmeer bis zu dem neuen See. Mit entsalztem Wasser kann intensiver Pflanzenbau betrieben und die Wüste um den See herum ,,begrünt“ werden. Die Kattara-Region würde möglicherweise zum Konkurrenten für den Nil, dem eigentlichen Entwicklungszentrum Ägyptens.2
Anmerkung
1. Alle Geldbeträge in diesem Aufsatz entsprechen den Schätzungen von 1993 und müßten anhand der heutigen Technologien und Kosten neu berechnet werden.
2. Yves Paumier hat vorgeschlagen, die z.T. ebenfalls in Senken gelegenen Schotts in Tunesien nicht, wie im 19. Jahrhundert vorgeschlagen wurde, mit Meerwasser, sondern mit entsalztem Wasser aufzufüllen (vgl. Neue Solidarität 5/2011), ein Vorschlag, der sinngemäß auch bei der Kattara-Senke angewendet werden kann.