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Von Helga Zepp-LaRouche
Die Massendemonstrationen in Nordafrika, Südwestasien und den USA sind eine Reaktion auf den Zusammenbruch des Finanzsystems und die Erkenntnis der Menschen, daß sie ohne republikanische Freiheit weder Essen noch eine Zukunftserwartung haben werden.
Die Politiker kapieren es offensichtlich nicht: Es ist eine weltweite Revolte ausgebrochen, gegen Hunger, gegen Nahrungsmittelpreise, gegen schreiende Ungerechtigkeit, gegen Korruption, gegen Unterdrückung, gegen reaktionäre Machteliten, die der Jugend die Zukunft stehlen. Die Menschen sehen es nicht mehr ein, weshalb sie Bedingungen akzeptieren sollen, die ihnen keine Option lassen. Die Hungerrevolten von 2008 richteten sich gegen die hohen Nahrungsmittelpreise; die Aufstände in Nordafrika und Südwestasien, aber auch die gegen die Zerschlagung der Gewerkschaften gerichteten Massendemonstrationen in Wisconsin und Ohio von 2011 sind eine Reaktion auf den Zusammenbruch des globalen Finanzsystems und die Erkenntnis der Menschen, daß sie ohne republikanische Freiheit weder Essen noch eine Zukunftserwartung haben werden.
Von Algerien über Tunesien, Libyen, Ägypten, Jemen, Syrien, Libanon, Jordanien, Saudi-Arabien, Iran, Bahrein bis Wisconsin und Ohio ist ein revolutionärer Prozeß ausgebrochen, der sich gegen die Auswirkungen der globalen Systemkrise richtet. Diktaturen und totalitäre Bedingungen, die lange ertragen wurden, sind dann nicht mehr akzeptabel, und die Menschen setzen ihr Leben ein, um sie abzuwerfen, wenn sie die existentiellen Grundbedürfnisse der Bevölkerung nicht mehr decken können. Und dieser Prozeß wird sich weltweit ausdehnen. Die Welt wird entweder im Chaos und einem neuen finsteren Zeitalter versinken - oder das bankrotte Finanzsystem wird kurzfristig durch ein globales Trennbankensystem ersetzt.
Ob die einzelnen Regierungen der G20-Staaten zu inkompetent oder zu korrupt sind, um das internationale Finanzsystem durch eine strikte Reregulierung unter Kontrolle zu bekommen, droht eine akademische Frage zu werden. Tatsache ist, daß der Versuch, das durch und durch bankrotte Bankensystem mit immer neuen Rettungspaketen und dem Aufkauf toxischer Papiere über Wasser zu halten, zu immer mehr Liquidität im System führt, die von den „geretteten“ Spekulanten dann hocherfreut in die Spekulation mit Rohstoffen und Nahrungsmitteln „investiert“ wird. Die Folge davon sind Hungeraufstände und soziale Explosionen in Nordafrika, dem Nahen und Mittleren Osten und in den Peripherie-Staaten in Europa - bis jetzt nur dort...
Wenn verhindert werden soll, daß die derzeit rasch zunehmende Inflation zu unkontrollierbaren politischen und sozialen Konsequenzen führt, dann müssen augenblicklich Preiskontrollen für Nahrungsmittel und Energie sowie ein Trennbankensystem eingeführt werden, bei dem Geschäftsbanken geschützt, die wertlosen Papiere der Investmentbanken abgeschrieben und das von der Angelides-Kommission identifizierte „Schattenbanksystem“ effektiv unter Quarantäne gestellt werden.
Dieses Schattenbanksystem, d.h. Finanzoperationen, die von völlig deregulierten Finanzeinrichtungen vorwiegend von London aus operieren, hat inzwischen einen Marktanteil von 70% aller Transaktionen in den USA und 40% in Europa und bedient sich der Supercomputer, die Tausende von Aufträgen pro Sekunde abwickeln können. Hinter den Zusammenschlüssen der Deutschen Börse mit NYSE Euronext, der Börsen von Singapur und Sydney sowie London und Toronto steht ein von Panik getriebener Konkurrenzkampf um die Richtung der Finanzströme der Spekulanten. Bereits am 6. Mai 2010 brachte eine Panne in einem dieser Computersysteme das Finanzsystem an den Rand der Kernschmelze.
Der am 27. Januar in den USA veröffentlichte Bericht der Angelides-Kommission hat absolut wahrheitsgetreu die dreißigjährige Geschichte der systematischen Deregulierung des Bankensektors durch die Abschaffung des Glass-Steagall-Standards und die Entwicklung des gigantischen Derivatemarktes aufgedeckt, die für die eskalierende Krise verantwortlich sind. Dieser Bericht bestätigt nicht nur hundertprozentig alle Prognosen und Analysen von Lyndon LaRouche, er ist auch eine absolute Voraussetzung für die Wiedereinführung des Rooseveltschen Trennbankensystems.
In Europa fehlt nicht nur eine ähnliche Untersuchung, die Regierungen und Parlamente setzen vielmehr die Politik der Rettungspakete fort, als hätte es den Angelides-Bericht nicht gegeben. Was auch immer für kosmetische Resultate beim Treffen der Finanzminister der G20-Staaten herauskommen mögen, wenn sie den Derivatemarkt und das Schattenbanksystem nicht ausschalten und das monetäre System durch ein Kreditsystem ersetzen, wird die Desintegration weiter gehen.
Die Zeitbombe tickt auch in der Eurozone. Davor warnt die konservative Neue Zürcher Zeitung und reflektiert damit die Furcht der Schweizer, daß dieses kleine neutrale Nichtmitglied der Eurozone einen Kollaps derselben trotzdem nicht überleben wird. So schreibt die NZZ, das größte Risiko läge nicht einmal im vieldiskutierten Erwerb von Staatsanleihen im Werte von bisher immerhin 76,5 Milliarden Euro durch die EZB, deren völlige Abschreibung zur Not noch verkraftet werden könnte, auch noch nicht in der Ausweitung der Bilanz der EZB von 900 Milliarden Euro 2007 auf derzeit 1,9 Billionen, sondern in einem außerbilanziellen Bereich. Die EZB ist nämlich dazu übergegangen, als Sicherheiten für an die Banken vergebene Kredite eine ganze Palette von Sicherheiten mit gesunkener Qualität zu akzeptieren, darunter Bankschuldverschreibungen, Unternehmensanleihen, Pfandbriefe, Staatsanleihen und andere nicht marktfähige Papiere. Da eine ganze Reihe von irischen, portugiesischen, spanischen, aber auch anderen Banken auf wackligen Beinen stünden und ihre Kredite beim Euro-System aber eben durch solche Papiere besichern, könnte das Sicherheitsnetz bei einem großen Ausfall wie der Insolvenz eines Staates wohl nicht ganz halten.
Und das Wissen der EZB um dieses Risikopotential habe sie in eine heikle Lage gebracht. Durch die Schulterung vieler Risiken sei sie inzwischen selbst eine betroffene Partei, die z.B. im Fall einer Umschuldung Griechenlands selbst von der Entwertung betroffen sei. Und könnte sie noch in ihrem Rat an die Regierungen neutral sein, wenn es um die Möglichkeit geht, daß der Euro-Rettungsfond statt ihrer die toxischen Staatsanleihen der überschuldeten Mitgliedsländer kaufen soll?
„Es besteht die Gefahr, daß, wer so stark ins Risiko gegangen ist wie das Euro-System, nicht mehr losgelöst vom Eigeninteresse entscheiden kann“, schreibt die NZZ. Und da die EZB die Bonitätsforderungen an griechische Staatspapiere völlig aufgehoben habe, habe man geradezu dazu eingeladen, die (toxischen, d. Verf.) Papiere bei der Notenbank „abzuladen“. Sollte ein Euro-Staat und dadurch ein ganzer Rattenschwanz von Gegenparteien ausfallen, könnte ein Ernstfall eintreten, der selbst den Kollaps von Lehmann Brothers wie einen Zwerg erscheinen liesse!!!! Man müsse befürchten, daß die EZB angesichts des Wissens um diese Gefahrenquelle nicht mehr unbefangen sei.
Das also ist der Hintergrund von Axel Webers Rücktritt, der äußerte, er hätte bei der Übernahme des Vorsitzes der EZB nicht mit dem nötigen Rückhalt rechnen können! Weber ist bekannt für seine stabilitätsorientierte Politik und damit für etwas, was die EZB offensichtlich aufgegeben hat. Die EZB macht also im Prinzip das gleiche, was die Fed in den USA macht, nämlich eine hyperinflationäre Schöpfung von Liquidität! Und diese Liquidität speist dann wiederum die Spekulation mit Rohstoffen und Lebensmitteln! Und dies wiederum führt zu den sozialen Explosionen, die wir heute sehen!
Die Realität ist, daß das gegenwärtige Weltfinanzsystem einschließlich des Eurosystems mit der menschlichen Zivilisation nicht koexistieren kann. Die Gründe für die globale Finanzkrise hat Lyndon LaRouche seit Jahrzehnten als einziger Ökonom weltweit prognostiziert und an jeder Weggabelung Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Die Angelides-Kommisssion zur Untersuchung der Finanzkrise hat jede seiner Aussagen bestätigt.
In welcher Regierung in Europa, in welchem Parlament ist bisher eine Anstrengung zu sehen, diese für das Überleben der menschlichen Zivilisation so existentiellen Zusammenhänge aufzugreifen, zu untersuchen und Abhilfe zu schaffen? Was wir statt dessen erleben, ist eine systematische Kampagne der Politiker und Medien, die Bevölkerung mit absolut belanglosen Themen zu beschäftigen.
Wir brauchen in Deutschland die sofortige Einsetzung eines Ausschusses, der innerhalb kürzester Zeit die Ergebnisse des Angelides-Berichtes aufgreift und die vielfältigen Anhaltspunkte, die auf die Praktiken der Banken in Europa hinweisen, untersucht. Ein weiterer unerläßlicher Punkt ist die Untersuchung, unter welchen geopolitischen Umständen Deutschland der Euro als Preis für die Wiedervereinigung aufgezwungen wurde, und ob das gegenwärtige Verhalten der EZB nicht längst gegen ihre eigene Charta und ihre Aufgabe der Wahrung der Preisstabilität verstößt. Es gibt für alle diese Fragen qualifizierte Experten, die bisher von den etablierten Parteien und Medien weitgehend ausgegrenzt worden sind und die in dieser Notlage gerne bereit wären, ihr Wissen zur Verfügung zu stellen.
Auf den Schildern der Demonstranten in Wisconsin waren Parolen zu lesen wie: „Geh aufrecht, wie ein Ägypter!“ oder „Ägypten = 18 Tage, Wisconsin = ???“. Sogar der republikanische Kongressabgeordnete Paul Ryan kommentierte: „Es ist, als ob Kairo sich dieser Tage nach Madison verlagert hätte“.
Wenn die Regierungen nicht bald erkennen, daß sie umgehend eine Politik für das Gemeinwohl und nicht für die Interessen der Spekulanten auf die Tagesordnung setzen müssen, werden wir sehr schnell ägyptische Verhältnissse auf der ganzen Welt haben. Die Politiker in den etablierten Parteien haben nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie unterziehen sich einem Crash-Kurs für das Verständnis, was es heißt, eine Politik für die Menschen zu machen, oder sie sollen einen anderen Beruf ergreifen.
Der einzige Weg, die jetzt losgetretene Lawine zu stoppen, ist die sofortige Einführung eines globalen Trennbankensystems!
Helfen Sie uns bei der Mobilisierung, das durchzusetzen!