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Neue Solidarität
Nr. 45, 9. November 2011

Islands Finanzminister begrüßt Debatte über Glass-Steagall

Interview. Islands Finanzminister Steingrimur J. Sigfússon sprach am Rande eines Treffens der Finanzminister des Nordischen Rates in Kopenhagen mit der EIR-Korrespondentin Michelle Rasmussen.

EIR: Unser Gründer, der amerikanische Ökonom Lyndon LaRouche, hat betont, daß man beim Euro-Gipfel keine wirkliche Lösung gefunden hat, weil die Schulden immer noch unbezahlbar sind und die Bevölkerung das Ausmaß an Austerität, von der man spricht, nicht hinnehmen wird. Die Griechen haben gerade ein Referendum angekündigt. Und man hat eigentlich nichts getan, um Gelder für eine wirkliche wirtschaftliche Entwicklung bereitzustellen.

Gab es beim Nordischen Forum eine Diskussion über eine Art Roosevelt-Lösung, bei der die Volkswirtschaften nicht mehr in Spekulation und Deregulierung und eine Dienstleistungsgesellschaft gehen, und wir statt dessen eine Glass-Steagall-artige Aufspaltung der Banken zum Schutz der normalen Banken haben, die spekulativen Schulden abschreiben und dann große Kredite für den Aufbau einer wirklich produktiven Wirtschaft vergeben?

Steingrimur J. Sigfússon: Nun, in diesem Sinne haben wir das bei unserem Treffen nicht diskutiert, aber wir haben beschlossen, eine Arbeitsgruppe zu bilden, die unsere Politik bezüglich des Bankensektors überprüfen soll, und zwar auf einer breiten Basis, weil es in den nordischen Ländern, insbesondere den skandinavischen, ein Ausmaß an grenzüberschreitenden Bankgeschäften gibt, und wir haben unsere klaren Ansichten über die Dinge in Europa und was generell geschehen wird. Die nordischen Länder sind also offensichtlich interessiert, dabei mitreden zu dürfen, wie der Finanzsektor umgestaltet wird.

Bezüglich des Schuldenproblems müssen wir uns offensichtlich vor allem auf Informationen aus Finnland verlassen, denn sie sind Mitglied der Euro-Gruppe, und deshalb haben wir diskutiert, wie die Dinge aussehen; aber auf dieser Grundlage haben wir keine Lösungen für das übrige Europa. Damit muß man sich offensichtlich in mehreren Schritten befassen. Erstens muß man einen völligen Zusammenbruch des Systems vermeiden. Man kann also die ersten Maßnahmen wohl als Rettungsmaßnahmen bezeichnen.

Aber ich persönlich würde zustimmen, daß dann eine Strategie benötigt wird, wie man weitergeht und die Volkswirtschaften und das Wirtschaftswachstum wiederaufbaut, aber das ist in den Paketen, die da entworfen werden, nicht zu erkennen. Die Sorge ist natürlich die gleiche wie zuvor, nämlich, daß es sich auf andere Länder ausbreitet, und Italien ist natürlich ein wirklich großes Land, das davon betroffen ist. Es ist noch zu früh, etwas darüber zu sagen; es bleibt also also nur zu hoffen, daß diese Versuche Erfolg haben, in dem Sinn, daß es möglich ist, einen völligen Kollaps zu vermeiden, einen Kollaps des Euro und der einzelnen Staaten.

Was die Maßnahmen angeht, die einzelne Länder ergreifen müssen, wie z.B. Griechenland, so ist dies offensichtlich eine neue Lage, wenn sie die Austeritäts-Maßnahmen einem Referendum unterwerfen, und man kann fragen, wie wahrscheinlich es ist, daß die Bevölkerung bereit sein wird, eine größere Last auf sich zu nehmen.

EIR: Wie in Island.

Sigfússon: Nun, Islands Erfahrungen sind eindeutig. Wenn die Menschen glauben, sie könnten das einfach ablehnen, dann werden sie das wahrscheinlich tun, aber ich denke, die Wähler werden im Allgemeinen wissen, daß man diese Dinge anpacken muß. Um also Unterstützung für Maßnahmen dieser Art zu erhalten, müssen sie zunächst einmal überhaupt durchführbar sein. Sie müssen vernünftig sein. Sie dürfen nicht zu drastisch sein. Und zweitens muß man zeigen können, daß sie es wert sind - daß man mit einem besseren Leben danach belohnt wird. Ich glaube also, es wird schwierig sein, ein bloßes Austeritätspaket zur Abstimmung zu stellen, wenn dieses nicht mit einer langfristigen Strategie verbunden ist, wie man aus der Krise herauskommt, wie man die Wirtschaft wiederaufbaut und wie man den Lebensstandard wieder verbessert. Das ist ein Phänomen, mit dem umzugehen nicht leicht ist, auch in einem demokratischen Sinn.

EIR: Deshalb sagen wir, daß wir statt dieses ganzen Prozesses der Deregulierung, in dem die Finanzmärkte und nur die privaten Interessen der Finanzmärkte entscheiden, eine Roosevelt-Wende brauchen, ein zurück zu den Staaten, den Nationen, die auf der Grundlage des Gemeinwohls arbeiten und strenge Regeln haben; daß wir die Deregulierung rückgängig machen, mit der alle diese Finanzderivate und alle diese exotischen Instrumente erlaubt wurden; daß man hingeht und das normale Bankensystem durch ein Glass-Steagall-Verfahren reguliert, aufspaltet und schützt, und dabei die Idee von Staatskredit anwendet, was bisher tabu war, was aber Roosevelt getan hat, nämlich, staatliche Kredite zu schöpfen, um große Infrastrukturprojekte in Gang zu setzen, Kredite für die Industrie und für die Landwirtschaft zu vergeben und wieder eine physisch produktive Wirtschaft aufzubauen.

Sigfússon: Ich begrüße - soviel kann ich sagen - ich begrüße die Diskussion über Glass-Steagall, die jetzt stattfindet, oder eine andere Form, das normale Kundengeschäft der Banken zu schützen und von den riskanteren Investitionen zu trennen. Ich persönlich interessiere mich sehr für diese Diskussion und würde gerne sehen, daß sie konkrete Formen annimmt.

Das Problem der Länder ist natürlich, daß ihre Schulden eine Höhe erreicht haben, bei der es nicht leicht ist, Maßnahmen zur Stimulierung von Investitionen zu ergreifen. Das ist z.B. in Island der Fall, wie sind in einer sehr engen Lage. Wir können es uns nicht erlauben, die Schulden allzusehr zu erhöhen, um die Wirtschaft zu stimulieren, und noch mehr zu borgen, auch wenn es sich um gute Investitionen handelt, profitable Investitionen. Es gibt Grenzen, die man sehen muß.

Schließlich würde ich noch sagen, in Bezug auf die Maßnahmen, die ergriffen wurden - ich denke, es macht viel aus, wie diese Maßnahmen gestaltet werden. Es gibt viele Wege, die gleichen wirtschaftlichen Ziele zu erreichen, um das Defizit zu reduzieren usw., und ich würde vorschlagen, daß Sie sich das isländische Programm genauer anschauen. Es war in vielerlei Hinsicht unorthodox, wie wir die Maßnahmen gestaltet haben - sowohl bei den Einnahmen wie den Ausgaben. Wir haben die Sozialdienste, soweit wir konnten, von den Kürzungen ausgenommen. Auf der Einnahmenseite haben wir die Steuern auf große Einkommen angehoben, für die Reichen, die Kapitalgewinne. Man sollte also klar unterscheiden zwischen den Ansätzen der verschiedenen Länder. Und meiner Meinung nach sollte ein Land, wenn es eine internationale Zusammenarbeit gibt, sei es über den Weltwährungsfonds (IWF) oder das, was die EU jetzt gegenüber einigen Mitgliedstaaten tut, eine große Flexibilität erhalten, den besten Weg zu wählen, vorausgesetzt, sie bringen die  Lage unter Kontrolle. In unserem Fall, denke ich, war es ein sehr wichtiger Teil der Zusammenarbeit mit dem IWF, daß wir einen großen Entscheidungsspielraum hatten und über die Mischung der Maßnahmen selbst entscheiden konnten. Das machte sie für die Gesellschaft akzeptabler und erträglicher. Solange man das erreicht, was man erreichen soll, sollte man die Methoden selbst wählen können.

EIR: Noch eine Frage. Bei der Art von Staatskrediten, die wir vorschlagen - Herr LaRouche und unser Magazin - kann die Nation selbst den Kredit schöpfen; sie braucht also nicht Geld auf den internationalen Märkten zu borgen, sondern, so wie es Alexander Hamilton tat, der erste Finanzminister der USA, indem er eine Nationalbank gründete, die Kredite ausgab, und solange diese für produktive Zwecke verwendet wurden, gab es keine Probleme - wenn man sie für Projekte verwendete, die auf die Zukunft ausgerichtet waren.

Sigfússon: Nun, Maßnahmen wie diese kämen sehr gelegen, wenn man dieses Dilemma hoher Schulden hat, aber gleichzeitig für das Wachstum der Infrastruktur sorgen, in die Bildung investieren muß, in den Umweltschutz und grüne Innovationen usw. Wie kann man das tun, wenn man stark verschuldet ist, in einer Zeit, in der die Finanzmärkte sehr instabil sind und die Kosten der Kredite wahrscheinlich steigen werden? Dann würde ich jedenfalls auch ungewöhnliche Maßnahmen wie diese nicht ausschließen, aber darüber haben wir noch nicht gesprochen.

EIR: Vielen Dank.

Sigfússon: Vielen Dank.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
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Kernthema: Glass-Steagall
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