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Neue Solidarität
Nr. 31, 3. August 2011

Die Energiewende der Bundesregierung führt zur Deindustrialisierung Deutschlands

Prof. Dieter Ameling, früherer Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl und ehemaliger Vorsitzender des Stahlinstituts VDEh, berichtete am 3. Juli 2011 im Rahmen einer Konferenz des Schiller-Instituts in Rüsselsheim darüber, welche fatalen Konsequenzen die Klima- und Energiepolitik der Bundesregierung für unsere Wirtschaft hat.

Professor Ameling begann seinen Vortrag mit einer Darstellung der Folgen des Unfalls im Kernkraftwerk Fukushima für Europa, der „vielleicht gerade einmal zu einer Belastung von Waren aus Japan führen könnte, das läßt sich aber durch intensive Kontrollen jederzeit herauszufiltern. Es ist zu Störungen in der Lieferkette gekommen, keine Frage, das ist auch hier aufgeführt, aber das hatte nur geringe Auswirkungen für den Produktionsstandort Deutschland. In der Energiepolitik allerdings haben wir eine radikale Wende vollzogen, und die Gefahr für die industrielle Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland möchte ich Ihnen anhand meines Beitrages jetzt erläutern.“

Ameling betonte dann: „Das Klima hängt nicht vom CO2 ab, und das Klima kann man nicht schützen.“ Hinter der Klimadebatte stünden vielmehr politische Absichten. Er zitierte dazu ein Interview des Chefökonomen am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, aus der Neuen Zürcher Zeitung: „Die Klimapolitik hat nichts mehr mit Umweltschutz zu tun. Da geht es um harte Wirtschaftspolitik... Klar gesagt: Wir verteilen durch die Klimapolitik de facto das Weltvermögen um.“

Klimawandel, betonte Ameling, habe es gegeben, „solange die Erde sich dreht. Nicht CO2 aus fossilen Brennstoffen, sondern die Sonnenaktivität steuert die globale Temperatur.“

Abb. 1


Abb. 2


Abb. 3


Abb. 4


Abb. 5


Abb. 6


Abb. 7


Abb. 8


Abb. 9


Abb. 10


Abb. 11


Abb. 12


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Abb. 16

Das Energiekonzept der Bundesregierung

Der Beschluß vom 16. März, die älteren deutschen Kernreaktoren vom Netz zu nehmen, habe den Anteil der Kernkraft von zuvor 22,5% auf 15,7% verringert. „Weil die Moratoriums-Kernkraftwerke außer Betrieb genommen wurden, fehlt inzwischen eine ganz erhebliche Deckung.“

Ameling beschrieb dann die Vorstellungen der Bundesregierung für die Zukunft der Energieversorgung: „In Abb.1 sehen Sie das Energiekonzept der Bundesregierung, wie es eigentlich schon im September des vergangenen Jahres entwickelt wurde: Die schwarze Kurve bedeutet die Reduktion der CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 um 80% auf dann 20%, und die übrigen Kurven zeigen den Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch, der bis auf 80% bis zum Jahr 2050 ansteigen soll; im Vergleich zum Jahr 2005 soll in dem grünen Kurvenbereich der Stromverbrauch um 25% reduziert werden. Der Primärenergieverbrauch soll sogar um 50% reduziert werden.“

Ameling betonte: „Das sind ganz dramatische Ziele, die sich die Bundesregierung hier gesetzt hat“, und fuhr fort: „Es gibt eine Reihe von Energieszenarien, wie man den Energiebedarf bis zum Jahre 2050 verändern kann (Abb. 2). Da ist die Rede davon, daß die Stromnachfrage reduziert werden soll, daß wir Strom importieren in einer Größenordnung, die aus heutiger Sicht überhaupt nicht vorstellbar ist, und daß die deutsche Erzeugung, d.h. die nicht erneuerbare Energieerzeugung, drastisch reduziert wird, woraus sich der letzte Abschnitt ergibt: Erneuerbare Energien bis zum Jahre 2050 etwa in der Größenordnung, wie es hier dargestellt ist. Im Jahre 2008 hatten wir etwa 92 TWh erneuerbare Energien, was sich auf etwa 285 TWh erhöhen, also mehr als verdreifachen, fast vervierfachen soll.

Aus dem Ausstiegsszenario der Ethikkommission geht hervor, daß von den 20,5 GW oder 20.500 MW, die wir in Deutschland aus Kernkraftwerken bezogen haben, mit dem Ausfall der Moratoriums-Kraftwerke und Krümmel (zusammen etwa 8,5 GWh) jetzt nur noch 12,1 GW übrig bleiben. Das wird dazu führen, daß wir in ganz erheblichem Umfang Strom einführen müssen, schon in diesem Jahr. Mit dem Ausstieg am 15. oder 16. März sind wir bereits zum Stromimporteur geworden.“

Ein zweiter Aspekt sei die Frage der Energiesicherheit: „Deutschland hat bisher das sicherste Verteilernetz, keine Frage (Abb. 3). Wir haben in Deutschland einen Ausfall an Energie von nur 18,3 Minuten im Durchschnitt. Sehr viel unsicherer ist die Situation heute schon in Österreich, auch in Ungarn und Frankreich, noch unsicherer in Großbritannien, Portugal und Spanien. Wir werden hier mit Sicherheit deutlich schlechter werden, wir werden deutliche Einbußen in der Sicherheit der Energieversorgung, in der Sicherheit der Versorgung mit elektrischem Strom erleben.“

Nach dem Konzept der Bundesregierung sollen auch die Treibhausgas-Emissionen in Deutschland bis zum Jahr 2050 um 80% reduziert werden, „es gibt sogar Stimmen, die besagen: -95%. Das bedeutet, bezogen auf 1990, 1,2 Mrd. t reduzieren sich auf 246 Mio. t (-80%) oder auf 62 Mio. t (-95%). Das ist ein gewaltiger Einschnitt. Daß das ganze auch für den Immobilien-Bereich Konsequenzen haben wird, möchte ich nur am Rande erwähnen, denn der Immobilienbereich wird ja diesen Einsparverpflichtungen ganz erheblich unterworfen, und das Energiekonzept der Bundesregierung ist von den Grundbesitzer-Vereinen, von den Hauseigentümern und Haus- und Grund-Organisationen inzwischen schon heftig bekämpft worden... Die Mieter werden erst recht überfordert, denn das alles wird sicherlich nur zu finanzieren sein, wenn die Mieten entsprechend angehoben werden.“

Erneuerbare Energien verteuern den Strom

Eine wesentliche Folge des Ausbaus der erneuerbaren Energien werde die Verteuerung des Stroms sein, „und zwar in ganz erheblichem Umfang. Es wird sogar so sein, daß sich mit der Energiewende der Strompreis bis zum Jahre 2020 verdoppeln wird. In Abb. 4 sehen Sie, was ich angekündigt habe: Entwicklungshilfe aus Frankreich. Mit dem 16.3. sind wir in Deutschland schlagartig zum Netto-Stromimporteur geworden (braune Kurve). Vor dem 16.3. waren wir Netto-Exporteur in der Größenordnung von -150 GWh als Höchstwert, doch mit dem Ausstieg aus dem ersten Kernkraftwerk, das vom Netz gegangen ist, kommt sofort der Sprung in die Netto-Import-Situation - Netto-Importe aus Frankreich und aus der Tschechischen Republik.

In welchem Umfang unsere französischen Kollegen im Sommer dieses Jahres uns zuverlässig mit Strom versorgen können, ist eine ganz große Frage, denn in Frankreich gibt es das Problem, daß die Kernkraftwerke im Sommer zuwenig Kühlwasser haben und dann aus Gründen des Kühlwassermangels vom Netz genommen werden müssen. Das kann uns bereits an den Rand eines Blackouts führen - wenn der Sommer noch wärmer werden sollte, als er im Mai bereits war. Ich sage immer, der Sommer des Jahres 2011 hat im Mai stattgefunden, und vielleicht wird es ja im August noch einmal schön.“

Ameling wies darauf hin, daß Kernkraftwerke auch weiterhin - trotz Fukushima - auf der ganzen Welt weiterbetrieben werden, „daran gibt es keinen Zweifel. Abb. 5 zeigt eine Aufstellung aller Kernenergieanlagen, die wir auf der Welt haben; es waren zum Zeitpunkt des Ausstiegs und zum Zeitpunkt des Problems in Fukushima 442 Kernkraftwerke, 62 neue im Bau, und 287 in der Planung. Das würde insgesamt dazu führen, daß demnächst 791 Anlagen betrieben würden, wobei sich sicherlich Änderungen ergeben werden; unter anderem müssen wir natürlich die in Deutschland betriebenen von dieser Bilanz entsprechend abziehen. Man sieht auch die Verteilung der Kernkraftwerke über die Staaten der Welt: Die größte Zahl von Anlagen sind mit 104 in den Vereinigten Staaten im Betrieb, Frankreich ist mit 58 an Nummer 2, und Japan hat - mit Fukushima - 54 Kernenergieanlagen, die Strom erzeugen.“

Ameling beschrieb dann, wie sich die Anteile der Energieträger an der Stromerzeugung nach dem Energiekonzept der Bundesregierung verändern sollen: „Wie stellen wir uns den Strom-Mix in Zukunft ohne Kernenergie vor? Das soll im rechten Teilbild (in Abb. 6) dargestellt werden. Wir werden bis zum Jahr 2020, das ist die Prognose, noch einen Anstieg in der Stromerzeugung und im Stromverbrauch haben, das RWI rechnet hier etwa mit 0,7% pro Jahr, so daß wir im Jahr 2020 etwa 666 Mrd. kWh - das sind 666 TWh - Strom verbrauchen werden, und die werden sich verteilen auf Braunkohle und Steinkohle zu jeweils knapp 25%, zu 27% erneuerbare Energien, 20% sind Erdgas und 5% sonstige. Sie sehen in dem Bild auch die Stromerzeugungskosten, die Sie mit der Situation im Jahr 2010 vergleichen können: im Jahr 2010 haben wir etwa 621 Mrd. kWh Strom in Deutschland verbraucht.“

Ameling ging dann näher auf die Entwicklung der Windkraftnutzung und der Photovoltaik und die dabei auftretenden Probleme ein: „Es ist das große Ziel, Strom aus Wind, insbesondere aus Offshore-Anlagen in der Nordsee, einzuspeisen. Wir haben dieses Ziel formuliert, aber man kann heute schon sehen, daß wir dem Ziel gegenüber sehr rückständig sind. Sie sehen zwar im unteren Teil (von Abb. 7) den Anteil Deutschlands an Windenergieanlagen, mit 27.200 MW, aber die Anlagen aus dem Offshore-Bereich liefern nur 108 MW; die anderen europäischen Staaten wie Großbritannien, Niederlande und inzwischen auch Dänemark haben inzwischen schon sehr viel mehr Offshore-Windkraftanlagen in Betrieb genommen, als die Deutschen das getan haben, und ich wage die Prognose, daß auch der Ausbau bis 2020 langsamer verlaufen wird, als es für die Energiewende notwendig wäre.

Damit kommt das Thema Photovoltaik immer mehr ins Spiel. Das rechte Teilbild (von Abb. 8) zeigt, daß sich die installierte Leistung, d.h. die Anzahl der Photovoltaik-Anlagen, drastisch erhöht hat. Sie hat sich in einem Jahr von 9785 MW um 7000 MW auf 17.000 praktisch verdoppelt, und eine ähnliche Entwicklung erwarten wir auch für das Jahr 2011.

Die Photovoltaik wird also ihre Leistung und ihren Beitrag steigern, obwohl sie mit einer installierten Leistung von 17.000 MW insgesamt nur 1,9% am Stromverbrauch in Deutschland darstellt. Das ist ein sehr, sehr niedriger Wert, und das führt auch dazu, daß die sehr teure Photovoltaik hier einen Beitrag leisten soll, der in unseren Breitengraden aus unserer Sicht nicht wirklich sinnvoll ist; dafür haben wir viel zu wenig Sonnenstunden.

Unten im Bild sieht man auch: Die Photovoltaik hat in 2010 insgesamt 12.000 TWh geliefert; bei 17.000 MW installierter Leistung sind das 694 Stunden im Jahr, d.h. an 694 Stunden im Jahr haben die Photovoltaik-Anlagen die volle Leistung gebracht, das sind bloß 7,9%. Der Beitrag insgesamt kann sich somit nur auf knapp 10% belaufen. Bei der Windkraft sind die Zahlen etwas besser, sie steigen auf 15,8%, sind also etwa doppelt so groß.

Das hängt natürlich damit zusammen, daß die Sonne in unseren Breiten nicht so oft scheint wie in der Wüste oder wie in Spanien, da wären solche Anlagen sehr viel sinnvoller. Bei uns verteuern sie den Strom in ganz erheblichem Umfang, und wenn weiter so wild in Photovoltaik investiert wird, werden wir alle das bezahlen müssen - gar keine Frage.

Diese Abbildung (Abb.9) soll das belegen. Im oberen Bereich, der hier blau angelegt ist, ist die Einstrahlung an Sonnenenergie pro Jahr mit etwa 70 Watt pro Quadratmeter so niedrig, daß das für eine wirtschaftliche Anlage einfach nicht ausreicht. Um die Wirtschaftlichkeit einer Photovoltaik-Anlage zu erreichen, muß man in Regionen gehen, die hier gelb unterlegt sind; dort kommt man auf etwa 200 oder in der Wüste Sahara auf rund 300 Watt je Quadratmeter. Aber wir haben natürlich nach wie vor das Problem, daß nachts die Sonne nicht scheint, und nachts damit die Photovoltaik auch keinen Beitrag leisten kann.

Das entsprechende Wunschbild zu diesem Thema heißt Desertec, d.h. die Sonne Nordafrikas soll den Strombedarf der Welt decken; sie könnte es zwar, aber es gibt dabei das Problem, den Strom wirtschaftlich aus dieser Region nach Deutschland zu transportieren. Die dafür notwendigen Leitungen über mehr als 3000 km produzieren so hohe Verluste, daß sich das mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht rechnen wird.

Ich habe Ihnen ein Beispiel mitgebracht, um das noch einmal ganz besonders zu belegen (Abb. 10). Sie sehen im oberen Teilbild die Wind- und Photovoltaik-Einspeiseleistung vom 1.-31. Januar 2010, woran deutlich wird, daß die Photovoltaik im Januar nur einen ganz kleinen Klecks pro Tag liefern kann, wenn überhaupt. Das ist eine unzuverlässige Stromerzeugung, auf die wir in den Wintermonaten eines Jahres überhaupt nicht setzen dürfen. Insofern sind Aussagen, wir wollen 80% erneuerbare Energie - diese Zahlen beziehen sich ja auf den Mittelwert eines gesamten Jahres, über die Jahreszeiten verteilt -, nicht realistisch und auch nicht haltbar sind.

Etwas besser wird es im unteren Teilbild, wo Sie die Wind- und Photovoltaik-Einspeiseleistung vom 1.-31. Juli 2010 sehen. Da sind die gelben Spitzen deutlich größer ausgeprägt, und die so entstehende Fläche mit diesen gelben Spitzen ist deutlich größer - aber eben auch noch für unsere Breiten viel zu klein. Diese Bilder sähen in Spanien deutlich besser aus.

Man sieht auch, daß die Windenergie (grüne Felder) täglich nur einen kleinen Beitrag leisten kann. Auf eine solche Energieerzeugung kann man sich nicht verlassen, und auf eine solche Energieversorgung kann sich die Industrie und die energieintensive Industrie ganz sicher in der Zukunft nicht verlassen. Deswegen wird sie auch die Konsequenzen ziehen und das Land verlassen.“

Falsche Eindrücke durch die Medienberichterstattung

Die Bevölkerung habe völlig falsche Vorstellungen von der Zukunft der Energieversorgung. „Wenn man die Bevölkerung fragt: ,Welche Energiequelle der Welt wird denn nach Ihrer Meinung im wesentlichen die Energieversorgung darstellen?’, dann kommt fast einmütig die Antwort, daß uns der Solarstrom in den nächsten Jahren mit 71% bei der Energieversorgung hilft. Die Wahrheit ist: Er wird uns nur zu 0,7% dienen (Abb.11).

Eine solche Meinung ist aus den Medien entstanden. Die Medien vermitteln solche Eindrücke sehr schnell und überschwenglich, weil viele Journalisten auch grün denken. Der Wind soll sogar 66% bringen können, die Wahrheit sind 6,6%, die Wasserkraft 37%, die Nuklearenergie steht hier noch mit 28%, die Realität waren 23%. Das Bild in der Bevölkerung ist also ein völlig verkehrtes gegenüber der tatsächlichen Technik, die wir heute betreiben, und die wir auch für eine moderne Industriegesellschaft in Zukunft brauchen werden.“

Dann kam Ameling auf die Stromkosten zu sprechen: „Ich sage auch immer: Photovoltaik ist Betrug am Nachbarn... Man könnte sagen, der Nachbar könnte sich ja eine eigene Solaranlage aufs Dach bauen, doch das bliebe letztlich am Mieter hängen, denn der Mieter hat keine Möglichkeit, sein Haus mit Solaranlagen zu befrachten, was ganz klar zum Ausdruck bringt, daß die Mittellosen eher die Energiewende bezahlen als die Reichen. Das ist, glaube ich, ganz sicher so.

Steuern und Abgaben und Umlagen machen den Strom immer teurer, das ist gar keine Frage. Für den Ausgleich der Kosten für erneuerbare Energien hat jeder Haushalt schon im Jahr 2011 zehn Euro pro Monat aufgewendet, und dieser Betrag wird sich bis zum Jahr 2020 mehr als verdoppeln, so daß das sicher 20 Euro werden - multipliziert mit 12 Monaten sind das schon 240 Euro, die allein ein Drei-Personen-Haushalt mit 3500 kWh durch diese Energiepolitik jedes Jahr mehr zu entrichten hat.“

Für die Industrie seien die zu erwartenden Strompreissteigerungen sogar noch viel gravierender: „Das ganze wird aber ganz schwierig, wenn man das auf den Industriestrom bezieht, der ja deutlich preisgünstiger ist als der Haushaltsstrom. Das liegt daran, daß die Abnahmemengen und die Rabatte größer sind, aber das liegt auch daran, daß höhere Spannungsniveaus übergeben werden. Die großen Industrieunternehmen sind an 110.000 Volt oder auch an 220.000 Volt angeschlossen, da sind die Netzverteilungskosten deutlich geringer.

Im Jahr 2011 hat die Industrie als Mittelpreis etwa 11 Ct/kWh als Mittelpreis bezahlt, allein 3,53 Ct beträgt die Vergütung in 2011 für erneuerbare Energien, und das macht am Industriestrom schon heute 32% aus (Abb. 12). Das wird bis zum Jahr 2020 auf über 50% anwachsen, und mit einer solchen Zusatzbelastung kann die Industrie in Deutschland nicht mehr wirtschaftlich produzieren.

Für das Jahr 2012 werden 4,25 Ct/kWh als Belastung angegeben, aber da gibt es heute schon neuere Vorausberechnungen, wonach dieser Wert etwa in die Größenordnung von 6 Ct kommen wird, und damit wäre schon die Hälfte oder fast die Hälfte des Gesamtpreises erreicht.

In einer anderen Berechnung sind es sogar 38,8%, die bei Industriestrom als Energieumlage für erneuerbare Energien zu entrichten sind, und das ist eine Zahl, die die Wettbewerbsfähigkeit ganz erheblich beeinflussen wird.“

Besonders problematisch sei der Ausstieg für Bayern: „Der Kernenergieausstieg z.B. in Bayern ist da besonders kritisch zu sehen, denn Bayern hat heute einen Kernenergieanteil von 58%, das ist ungeheuer viel. Bayern hat 15% Wasserkraft, 10% Erdgas, und erneuerbare Energien etwa in der Größenordnung von 10%.

Nach dem CSU-Konzept soll in Bayern bis zum Jahr 2020 die Erzeugung aus erneuerbaren Energien auf 54% gesteigert werden - 54% als Mittelwert über ein Jahr. Und die restlichen 46% sollen dann über Erdgaskraftwerke beigestellt werden.

Wenn man berücksichtigt, daß für die Windenergie und auch für die Solarenergie konventionelle Energie vorgehalten werden muß, damit in den wind- und sonnenschwachen Zeiten des Jahres auch Strom erzeugt werden kann, dann sind das doppelte Investitionen: Es müssen neue Kraftwerke gebaut werden, und es müssen neue Windenergieanlagen gebaut werden. Außerdem müssen große Transportleitungen vom Norden Deutschlands, von der Nordsee, gelegt werden, um den Windstrom aus der Nordsee nach Bayern zu transportieren. Das alles sind gewaltige Investitionen, die natürlich nur über den Strompreis zu finanzieren sind.

Zu Ihrer zusätzlichen Information: Natürlich sind die Windenergieanlagen im Norden stärker vertreten, Niedersachsen hat den größten Anteil (Abb. 13). Bayern hat bisher neben Baden-Württemberg und dem Saarland den geringsten Anteil, und hier wird man sicherlich in Zukunft in weitere Windkraftanlagen zur Verschandelung der Landschaft investieren müssen, um wenigstens einen eigenen Beitrag zu den 54% erneuerbare Energien für Bayern sicherstellen zu können.“

Schon jetzt seien die Industriestrompreise in Deutschland mit die höchsten: „Das hat klare Konsequenzen für den Strompreis der energieintensiven Industrien in Deutschland (Abb. 14). Wir hatten in Deutschland schon im Jahre 2008 mit 9 Ct fast den höchsten Strompreis für Industrieanlagen - bei einer hohen Abnahmeleistung, die da unterstellt ist -, und nur Italien hat, auf dem Papier, einen etwas höheren Wert, aber wir wissen aus Gesprächen mit den italienischen Kollegen, daß in Italien eine Rückvergütung von zuviel bezahltem Strom erfolgt, und über diese Rückvergütung fiele der Strompreis in Italien unter den von der deutschen Industrie zu bezahlenden Strompreis.“

Die Dekarbonisierung und der leise Abschied der Industrie

Ebenso problematisch seien die Pläne zur Reduzierung der CO2-Emissionen. „Bei diesem Thema muß ich Sie ein bißchen mit der Technik der Stahlherstellung vertraut machen. Wir haben in Deutschland zwei Wege der Stahlherstellung. Wir erzeugen etwa 70% des Stahls in Deutschland auf dem Wege über das gewonnene Eisenerz aus Brasilien oder Australien, und zwar im Hochofen- und im Konverter-Verfahren, das sehr kohlenstoffintensiv und damit natürlich auch sehr CO2-intensiv ist. Auf diesem Erzeugungsweg entstehen pro Tonne Rohstahl vom Eisenerz bis zum fertigen Stahl etwa 1800 kg CO2. Das ist ein sehr hoher Betrag, liegt allerdings deutlich unter dem Weltdurchschnitt. Der Weltdurchschnitt liegt hier bei 2200 kg, d.h. wir haben unsere Schularbeiten der Energieeffizienz bereits gemacht.

Die zweite Verfahrensroute erfolgt auf der Basis von zurückfließendem, gebrauchtem Stahl, dem Stahlschrott, in Elektroöfen, d.h. in mit Strom beheizten Öfen. Das sind etwa 32%, 15 Mio. t, und hier ist natürlich der CO2-Ausstoß mit 360 kg pro Tonne Rohstahl sehr niedrig, inklusive des CO2 bei der Stromherstellung.

Sie fragen nun, warum machen wir dann nicht alles über diesen Weg? Leider können wir über diesen Weg die Menge nicht darstellen, denn wir haben nicht genügend Schrott, der aus dem Konsum wieder zurückfließt, um den kompletten Bedarf für die Automobilindustrie oder den Maschinenbau in Deutschland darstellen zu können. Wir brauchen also den Weg vom Eisenerz, der kohlenstoffintensiv ist.

Dieses Bild (Abb. 15) zeigt einen Hochofen, der in dieser Ausführung für eine Tonne Roheisen etwa 414 kg Kohlenstoff braucht. Das ist physikalisch-chemisch nicht mehr zu unterbieten - genauso wie der Energieverbrauch für das Schmelzen einer Tonne Eis physikalisch definiert ist - tiefer kann man nicht kommen. Wenn man das in Koks umrechnet, sind das 465 kg Koks; wir liegen derzeit bei 490 kg insgesamt, d.h. nur sehr wenig von diesem Idealwert entfernt; wir haben also keine Chancen mehr, auf technischem Wege die CO2-Emissionen deutlich zu verringern.

Auch die energieintensiven Industrien sollen -80% CO2-Emissionen darstellen - von 1,2 Mrd. t auf die 246 Mio. t. Die Industrie insgesamt hatte 1990 271 Mio. t CO2-Emissionen, die Stahlindustrie davon 70 Mio. t, was sich bei der geforderten Verminderung um 80% bis zum Jahr 2050 reduzieren würde auf einen Wert für die Industrie von 54 Mio. t, und für die Stahlindustrie blieben gerade 14 Mio. t übrig, d.h. man könnte in Deutschland dann nur noch 10 Mio. t Stahl erzeugen, gegenüber knapp 50 Mio. t heute. Damit ist eindeutig festgelegt, daß die Industrie in Deutschland nicht mehr gewünscht ist.

Ich habe immer von energieintensiven Industrien gesprochen - was sind diese denn eigentlich in Wirklichkeit (Abb. 16)? Das sind alles Industrien, deren Anteil an der Bruttowertschöpfung über 20% beträgt, was hier dargestellt ist für Aluminium, für Eisen und Stahl, für Glas, für die Grundstoffchemie, für Nichteisen-Metalle, für Papier (liegt sogar bei 30%) und Zement. Neben Aluminium sind das die energieintensivsten Industrien, die wir überhaupt haben. Sie alle sind in erhöhtem Maß von dem, was ich Ihnen bisher vorgetragen habe, betroffen.

Auch durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz kommen erhebliche Kosten auf uns zu, und nicht nur dadurch, sondern auch durch den Emissionshandel, den wir 2013 in der Europäischen Union flächendeckend einführen werden.

Beispiel Stahlindustrie: Im Vergleich zu 2010 kann zu den 415 Mio. Euro, die wir heute schon an Belastungen aus dem Emissionsrechte-Handel und den erneuerbaren Energien haben, ein Betrag von etwa 1,8 Mrd. Euro an zusätzlicher Belastung erwachsen. 1,8 Mrd. ist auch in etwa der Betrag, den die Stahlindustrie in Deutschland jährlich investiert, d.h. mit diesen 1,8 Mrd. zusätzlichen Belastungen würde unseren Werken praktisch das Investitionsvolumen entzogen, sie hätten keine Chance mehr, diese Investitionen durchzuführen, um immer auf dem neuesten Stand zu bleiben. Das führt zwangsläufig dazu, daß man Wettbewerbsfähigkeit weltweit verliert, und damit steigt der Zwang, das Land zu verlassen.

Allein kann Deutschland das Klima wirklich nicht retten, das muß ich an dieser Stelle noch einmal einfügen. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung hat das sehr umfangreich nachgewiesen. Die Politiker sollten sich diese Botschaften einmal durchlesen, und ich halte auch nichts davon, wenn man einem ,Ethikrat’ die Entwicklung eines Energiekonzeptes für die nächsten 40 oder 50 Jahre überläßt, und die Fachleute, die das könnten, dabei unberücksichtigt läßt.“

Ameling betonte: „Wir werden uns dem ungeheuren Wettbewerb in Zukunft stellen müssen, insbesondere auch durch China. Die Freunde in China werden ihren Energieverbrauch nicht bremsen, sondern weiter ausbauen; das gleiche gilt für die Stahlerzeugung und die übrigen Industrieprodukte in China. Die Chinesen werden in Zukunft auf den internationalen Märkten sehr leistungsfähig sein, und wir tun das Gegenteil, wir schwächen unsere Industrie.

Die Politik ist auf dem falschen Weg. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hält einen - sozial abgefederten und rechtzeitig eingeleiteten - Strukturwandel weg von den energieintensiven Altindustrien, wie er hier bezeichnet wird, für langfristig ohnehin sinnvoll. Das ist eine Aussage, die dieses Gremium bereits im Dezember 2001 getan hat, und ich sage nur: Was vor zehn Jahren begonnen wurde, wird mit dem Energiekonzept nun fast zuende geführt.

Die Erfolge der deutschen Industrien wären ohne modernste Werkstoffe nicht denkbar. Wenn wir also den Maschinenbau und die Automobilindustrie ihrer Rohstoff- oder Werkstoff-Zulieferanten entfremden, indem sie nicht mehr im Lande sind, wird das auch eine Schwächung der gesamten Wertschöpfungskette bedeuten, d.h. die industrielle Leistungsfähigkeit der Automobilindustrie und des Maschinenbaus werden ohne Werkstoffindustrie im Vorfeld deutlich schwächer werden, und sie werden international an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.“

Um die Bedeutung der Rolle der Industrie für die deutsche Wirtschaft deutlich zu machen, verwies Ameling auf eine Studie, die Wirtschaftsminister Brüderle im vergangen November herausgegeben hat, Im Fokus: Industrieland Deutschland - Stärken ausbauen - Schwächen beseitigen - Zukunft sichern: „In diesem Papier wird festgestellt, daß Deutschland noch mit am stärksten industrialisiert ist. Neben China mit 35% Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung (BWS) und Korea mit etwa 28% liegt Deutschland auf dem 3. Platz mit 23% industrieller Leistung an der gesamten Bruttowertschöpfung. Wenn ich das vergleiche mit Frankreich mit nur 12% oder mit den Engländern mit 12,3%, sind das auch die Erklärungen dafür, daß diese Länder sich sehr schwer tun, aus der Krise herauszukommen. Wir mit unserer leistungsfähigen Industrie sind sehr viel schneller aus der Krise herausgekommen als die übrigen europäischen Staaten.

Ich muß dazusagen, daß man die 23% noch einmal um 10% erhöhen muß, denn diese etwa 10% beziehen wir heute schon in den Industrien als ,Dienstleistungen’. Kein Unternehmen hat noch eine eigene Datenverarbeitungsabteilung, und die meisten Unternehmen lassen Instandhaltungsleistungen fremd erbringen.

Das sind alles Dienstleistungen, die im Dienstleistungsbereich verrechnet werden und nicht mehr als industrielle Wertschöpfung erscheinen. Wenn aber die industrielle Wertschöpfung wegfällt, fällt das auch weg, d.h. die 33%, die wir im industriellen Bereich inklusive der Dienstleistungen haben, würden sich dadurch noch einmal deutlich reduzieren, und dann erst wird die eigentliche Bedeutung der industriellen Wertschöpfung für unseren Wohlstand und für unser sicheres soziales Netz sichtbar. Wie Ottmar Edenhofer sagte: ,Wir verteilen durch die Klimapolitik de facto das Weltvermögen um’ - genau das haben wir mit den Beschlüssen der Bundesregierung in dieser Woche in massivem Umfang bereits vollzogen.“

Tatsächlich habe der leise Abschied der Industrie bereits begonnen. „Thyssen-Krupp, Aurubis, Norsk Hydro, SGL Carbon: Viele energieintensive Firmen kehren Deutschland den Rücken. Das gilt für Norsk Hydro, den großen Aluminium-Hersteller, ganz besonders; die Aluminium-Hütte in Neuss bei Düsseldorf ist so gut wie stillgelegt, und Thyssen-Krupp hat damit begonnen, seine Anlagen nach Brasilien zu verlagern. Im vergangenen Jahr ist dort ein neues Werk mit einer Kapazität von 5 Mio. t Stahl in Betrieb gegangen, die werden zum großen Teil auch nach Deutschland, zu anderen Teilen in ein neues Werk in den USA transportiert werden. Damit ist der Auszug der Stahlindustrie eingeleitet, und unter den politischen Bedingungen, wie wir sie hier diskutiert haben, wird sich dies in Zukunft noch beschleunigen.“

Tatsächlich habe die Politik falsche Vorstellungen über die Stimmung der Bevölkerung zu diesem Energiekonzept. „Ich möchte dazu aus einer Forsa-Umfrage zitieren: ,Doch trotz eines generellen Wunsches der Bürger nach einem Konsens in der Energiepolitik scheint es den meisten Menschen inzwischen weitgehend egal zu sein, was die Parteien zur Energiepolitik sagen; die ,Energie-Wende’ wird eher als ,kollektiver Irrsinn’, denn als wohlüberlegtes Handeln gewertet!’ (Applaus.)

Auch die Problemprioritäten werden von der Bevölkerung anders gesehen: Die Schul- und Bildungspolitik stehen weiter oben in der Rangfolge des Interesses, der Atomausstieg folgt hier erst vor dem Abbau der Bürokratie. Das wird von der Bevölkerung in ihren Konsequenzen nicht richtig wahrgenommen - unter anderem auch, weil es von den Journalisten nicht richtig übermittelt wird, behaupte ich.

Was wird nun als der ,kollektive Irrsinn’ betrachtet? Laut Forsa:

Ameling faßte dann seine Positionen nochmals prägnant in drei Punkten zusammen:

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Die Abbildungen stammen, soweit nicht in den Grafiken selbst anderweitig angegeben, von Prof. Ameling (Dieter Ameling Consulting).

Den ersten Teil der schriftlichen Dokumentation der Konferenz des Schiller-Instituts finden Sie in der Neuen Solidarität 28/2011, den zweiten Teil mit den Beiträgen über die Notwendigkeit einer Rückkehr zum Glass-Steagall-Trennbankensystem in der Neuen Solidarität 29/2011. In der Neuen Solidarität 30/2011 erschienen Beiträge zur Frage der wissenschaftlichen Methode. Die Video-Mitschnitte der Konferenzbeiträge finden Sie auf der Internet-Seite des Schiller-Instituts.