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Neue Solidarität
Nr. 28, 13. Juli 2011

„Gundremmingen ist eine tragende Säule des Wohlstands unserer bayerischen Heimat“

Offener Brief. Der Betriebsratsvorsitzende des Kernkraftwerkes Gundremmingen, Anton Failer, veröffentlichte am 21. Juni den folgenden Offenen Brief an den bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer.

Gundremmingen, 21.6. 2011

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Seehofer,

zusammen mit den Beschäftigten des Kernkraftwerks Gundremmingen wende ich mich heute mit diesem offenen Brief an Sie.

„Die Welt versteht die deutsche Energiewende nicht“, titelte der Bonner Generalanzeiger am 27. Mai seinen Bericht über das G8-Treffen in Deauville. Sie können sich bestimmt vorstellen, daß wir Beschäftigte in Gundremmingen dies noch viel weniger verstehen. Wir haben uns stets mit unserer ganzen Kraft für einen sicheren Betrieb unserer Kraftwerke eingesetzt und nebenbei noch über 500 Millionen Tonnen CO2 eingespart. Nun werden wir von Politik und Medien in den Schmutz gezogen. Das haben wir nicht verdient! Die Experten sind sich einig, daß die Kraftwerke in Fukushima wegen diverser Auslegungsmängel in Deutschland nie genehmigungsfähig gewesen wären und die deutschen Anlagen einen weit höheren Sicherheitsstandard aufweisen.

Mit unseren beiden Blöcken trägt die Kernenergie am Standort Gundremmingen seit über 25 Jahren mit einem Anteil von ca. 30% zur sicheren, bezahlbaren und umweltschonenden bayerischen Energieversorgung bei. Wir behaupten mit Fug und Recht, daß wir eine tragende Säule des Wohlstands unserer bayerischen Heimat sind.

Wir können es nicht mehr nachvollziehen, daß praktisch die gesamte politische Elite der grünen Ideologie auf den Leim gegangen ist. Politische Illusionen, Manipulationen, Wunschdenken und lrreführungen kennzeichnen seit Jahren die deutsche Energiedebatte und haben nach Fukushima den Höhepunkt erreicht. Als Fachleute verstehen wir es einfach nicht, daß Fakten bei politischen Entscheidungen nichts mehr zählen und nur nach jeweiligen Stimmungslagen Politik gemacht wird. Der überstürzte Ausstieg aus der Kerntechnik in Bayern und ganz Deutschland kann nur als Kurzschlußreaktion bezeichnet werden. Nicht einmal die Möglichkeit der Revision solcher tiefgreifenden Entscheidungen soll vorgesehen werden. Kein vernünftiger Mensch würde sich freiwillig den Rückweg verbauen, ohne zu wissen, ob er sich in einer Sackgasse befindet. Der Brückenabriß kommt zu früh!

Daß dadurch die Wahrscheinlichkeit großflächiger Stromausfälle steigt, wird ebenso billigend in Kauf genommen wie die Abwanderung ganzer Industriezweige und die milliardenschweren Mehrbelastungen, die zwangsläufig auf die Bürger zukommen. Den Bürgern wird das Märchen von maximal 1 ct/kWh Strompreiserhöhung ins Ohr gesäuselt. Die neue Brücke ist noch nicht gebaut. Keiner weiß heute, was sie kostet, und ob sie überhaupt jemals funktioniert. Dennoch will die Politik die gute alte Brücke Kernkraft schon abreißen, obwohl sie noch Jahrzehnte sicher tragen kann.

Der geplante deutsche Alleingang benachteiligt den Wirtschaftsstandort enorm und bringt uns in Abhängigkeit von unseren Nachbarn. Die Energieerzeugung inklusive der damit verbundenen Arbeitsplätze wird sehenden Auges ins Ausland verlagert. Die zusätzlichen Stromimporte seit dem Moratorium kosten uns jetzt schon täglich einen Millionenbetrag! Es geht nicht nur um die Vernichtung von zigtausenden hochqualifizierten Arbeitsplätzen in der Kerntechnik und den Zulieferbetrieben. Nun geht es schlicht und einfach um die De-Industrialisierung Bayerns und ganz Deutschlands. Gerade Bayern hat bisher in besonderer Weise von der Kernenergie profitiert und wird deshalb auch die Auswirkungen der geplanten Abschaltung am stärksten zu spüren bekommen. Gaskraftwerke sind ohne massiven Strompreisanstieg unwirtschaftlich und machen uns zu Sklaven des Preisdiktats der wenigen Lieferstaaten.

Es geht insbesondere um die Sicherheit. Deutschland hat weltweit die sichersten Anlagen, und nach unserer festen Überzeugung sind unsere Kolleginnen und Kollegen zusammen mit den Gutachtern und Behörden weltweite Spitze beim sicheren Betreiben von Kernkraftwerken. Wenn Deutschland aussteigt, wird die Meßlatte niedriger gelegt. Mit dem Ausstiegsbeschluß des Besten wird automatisch der Zweitbeste zum Maßstab für die Sicherheit der weltweit 418 Kernkraftwerke. Zusätzlich sind viele noch in Bau bzw. Planung.

Sie haben sich als bayerischer Ministerpräsident dem Wohle der Bevölkerung des Freistaates Bayern verpflichtet. Wenn Sie bei der Kernenergie nicht verantwortlich handeln, werden Sie als Totengräber der bayerischen lndustrie und als Wegbegleiter einer rot-grünen bayerischen Regierung in die Geschichtsbücher eingehen. Setzen Sie sich ein für eine vernunftbetonte, besonnene und faktenbasierte Politik! Parteipolitisches Kalkül kann die Gesetze des Marktes und der Physik nicht außer Kraft setzen!

Zwischen Trugbildern und Realität ist es nicht einfach, den Kurs der Vernunft zu halten. Kehren Sie dahin zurück! Nicht Fukushima hat die Umfragewerte der CSU in den Keller gebracht! Die Menschen wollen wissen, wofür die Partei steht, die sie gewählt haben. Die Energiewende von der Energiewende macht die CSU unglaubwürdig und sie verliert ihr Profil. Verläßlichkeit ist ein hohes Gut, das sich langfristig auch in Wählerstimmen niederschlagen wird. Lassen Sie sich nicht von Stimmungen leiten! Revidieren Sie Ihre Entscheidungen, bevor die angerichteten Schäden durch Stromausfälle, Arbeitslosigkeit, Einbruch der Steuereinnahmen, Abwandern ganzer Industriezweige und Verarmung der sozial Schwachen unser geliebtes Bayernland ruinieren.

Denken Sie bei Ihren Entscheidungen an die Zukunft der Menschen und ihrer Familien, die in den Kernkraftwerken arbeiten. Lassen Sie uns bitte nicht im Stich!

Sprechen Sie wieder die Stimme der Vernunft! Führen Sie die Tradition eines Franz-Josef Strauß fort, der mit seinem Einsatz für die Kernenergie einen großen Anteil am Wohlstand in Bayern erworben hat. Die Kernenergie war der Schlüssel zum Umbau Bayerns vom Agrarstaat zum führenden Wirtschaftsstandort Deutschlands. Als Anlage haben wir eine Aufzeichnung der Rede von Franz-Josef Strauß vor über 25 Jahren zur Inbetriebnahme der Kraftwerksblöcke B und C in Gundremmingen beigelegt.

Setzen Sie sich bitte dafür ein, daß beide Blöcke in Gundremmingen noch lange in Betrieb bleiben können. Die Blöcke sind baugleich und beide 1984 in Betrieb gegangen. Die vorzeitige Abschaltung eines Blockes muß als Akt der Willkür gesehen werden.

Mit diesem Brief möchten wir Sie herzlich an den Standort Gundremmingen einladen. Geben Sie uns die Möglichkeit, in einem persönlichen Gespräch unsere Argumente auszutauschen, bevor die politischen Würfel endgültig gefallen sind.

Mit freundlichen Grüßen

Anton Failer
Betriebsratsvorsitzender
Kernkraftwerk Gundremmingen