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Im Ausland ist man besorgt über den deutschen anti-atomaren Sonderweg in der Energiefrage und die destabilisierenden Konsequenzen, die sich daraus ergeben.
Rußlands Prawda sieht in einem am 1. Juni veröffentlichten Kommentar die Deutschen im „Kampf gegen atomare Windmühlen“. Nach Moskauer Erfahrungen seien die Grünen traditionell rußlandfeindlich. Es sei also damit zu rechnen, daß sie nach dem Atomausstieg auch aus der deutsch-russischen Partnerschaft im Erdgassektor herauswollen, so die Zeitung. Im Falle des Umstiegs auf Gasimporte aus dem Nahen Osten oder Nordafrika würde Deutschland sich von politisch unstabilen Lieferländern abhängig machen, während die Lieferungen aus Rußland kalkulierbar und sicher seien.
Der aggressive deutsche Ökologismus bereite Rußland auch aus anderen Gründen Sorge, weil er nämlich zu einer politischen Destabilisierung in Europa führen könne. Die Prawda warnt: „So oder so wird eine vereinte Front der deutschsprachigen Länder gegen Atomkraftwerke stärker. Es ist unwahrscheinlich, daß Deutschland, Österreich und die Schweiz sich damit zufriedengeben, daß nur die Atomkraftwerke in ihren Ländern geschlossen werden. Die Österreicher mischen sich schon jetzt in die Politik ihrer ehemals sozialistischen Nachbarn ein. Das wird jetzt noch um so leichter fallen. Mit diesem Rückhalt können sie Druck auf jeden ausüben, auch auf Frankreich, Spanien, oder alle anderen. Es gibt überall jede Menge Umweltaktivisten.“
„Deutschland wird noch abhängiger werden von fossilen Brennstoffen und Importen, und sein Strom wird noch teurer und schmutziger werden“, sagte Frankreichs Energieminister Eric Besson in einer Erklärung vom 30. Mai. Anne Lauvergeon, die Vorstandschefin von Areva S.A., des größten Produzenten von Kernkraftwerken, sagte im Radiosender BFM: „Es ist schwer nachzuvollziehen, wie sie diese Energie ersetzen wollen. Ich bin mir nicht sicher, ob es dafür genug polnische Kohle gibt, und die schafft ein Kohlenstoff-Problem. Alternative Energiequellen sind unregelmäßige Energiequellen. Ich denke, sie werden das tun, was auch Österreich seinerzeit tat: sie werden Atomstrom aus den Nachbarländern kaufen. Das wird die Stromkosten in Deutschland in die Höhe treiben, mit Konsequenzen für die Industrie.“ Schon jetzt ist Strom in Deutschland doppelt so teuer wie in Frankreich.
Im letzten Jahr exportierte Deutschland häufig Strom nach Frankreich, aber im letzten Monat, seit Deutschland seine Kernkraftwerke abschaltet, kehrte sich dies um. Italien, das seine Kernkraftwerke 1990 stillgelegt hatte, importiert inzwischen 10% seines Strombedarfs aus Frankreich - wo wiederum 80% des Stroms in Kernkraftwerken erzeugt werden. Deutschland wird den gleichen Weg gehen und außerdem die Stromerzeugung aus den relativ schmutzigeren fossilen Brennstoffen steigern müssen. Frankreich baut derzeit zwei neue Kernkraftwerke, um die Lücken in der Stromversorgung zu schließen.
Auch andere Nationen weisen auf den gleichen Punkt hin: „Im Fall einer Abschaltung [in Deutschland] wird es notwendig sein, Energie zu importieren - wahrscheinlich aus Frankreich - in anderen Worten, die in Kernkraftwerken erzeugt wird“, zitierte die französische Nachrichtenagentur AFP Belgiens Energieminister Paul Magnette. Belgien hat selbst sieben Kernkraftwerke.
Der britische Kernkraftbefürworter Malcolm Grimston, der die Regierung in Nuklearfragen berät, sagte gegenüber BBC, die deutsche Entscheidung werde „neue Exportmöglichkeiten für die französische Atomindustrie in Deutschland schaffen. Die Tschechische Republik wird eine weitere Quelle von Ersatzimporten sein. Das meiste davon wird aus der Kohle stammen, aber Tschechien betreibt selbst ein robustes Atomprogramm [mit derzeit sechs laufenden Kernkraftwerken]. Das schafft also einen neuen Markt für Atomstrom, und sofern dies geschieht, wird auch die Umwelt nicht geschädigt.“ Grimston wies auch darauf hin, daß Deutschlands Wirtschaft „schon jetzt durch die enormen Subventionen für die ,Erneuerbaren’ behindert wird, und bei heißen Wetter funktionieren die Windfarmen tendenziell gar nicht. In Deutschland lag ihre Erzeugung 2003 wegen der Hitze drei Wochen lang nur bei etwa 1,5% [der Kapazität].“
Auch Schwedens Umweltminister Andreas Carlgren, der noch vor zwei Wochen an dem malthusianischen Symposium der Nobelpreisträger der Königlichen Akademie der Wissenschaften und CBE Schellnhuber teilnahm, kritisierte die deutsche Entscheidung, sich aus der Kernenergie zu verabschieden. Gleichzeitig bekräftigte er den schwedischen Kurs für den Bau neuer Kernkraftwerke und die Verlängerung der Laufzeit der bestehenden Anlagen. Gegenüber der Tageszeitung Dagens Nyheter sagte er am 31. Mai zu der deutschen Entscheidung:
„Sie schafft mehr Fragen als Antworten. Das wird eine doppelte Herausforderung für Deutschland werden - wie es einerseits die Klimaziele erreichen will, wenn es auf der anderen Seite gleichzeitig mehr in Gas und Kohle investieren muß. Des weiteren wird das negative Auswirkungen auf die deutsche Industrie haben.“ Frage: „Welche Folgen wird das auf die Kernkraft-Debatte in Europa haben?“ Carlgren: „Die schwedische Kernenergie-Politik wird unverändert bleiben. Und nichts weist darauf hin, daß ein anderes Land beabsichtigt, der deutschen Entscheidung zu folgen. Aber wenn das bedeutet, daß Deutschland seine Klimaziele verändern wird, dann wird sich das auf das restliche Europa auswirken und das wäre äußerst bedauerlich.“
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