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Neue Solidarität
Nr. 21, 25. Mai 2011

Don Giovanni hinter Gittern in New York:
Für ein Trennbankensystem jetzt!

Von Helga Zepp-LaRouche

Der Name Strauss-Kahn steht nicht nur für moralische Dekadenz, sondern auch für die Dekadenz eines Systems, das mit den berüchtigten IWF-Konditionalitäten ganze Nationen und Kontinente zu Objekten der bedingungslosen Profitgier weniger degradiert hat.

Während Don Giovanni in Mozarts Oper als Strafe für sexuelle Eskapaden zur Hölle fährt, wird Dominique Strauss-Kahn voraussichtlich nur für viele Jahre ins Gefängnis wandern. Trotzdem stellen seine Person und die Situation, in der er eine der Hauptrollen spielt, die Art Stoff dar, aus dem die großen historischen Dramen geschrieben werden. Gerade noch einer der mächtigsten, im Luxus schwelgenden Männer der Welt - IWF-Chef und wahrscheinlich nächster Präsident Frankreichs - und im nächsten Moment in einem der übelsten New Yorker Gefängnisse zusammen mit Dieben und Mördern, diskreditiert für den Rest seines Lebens.

In den Stunden, in denen Strauss-Kahn einer seiner offensichtlichen Lieblingsbeschäftigungen nachging, tobte hinter den Kulissen ein existentieller Machtkampf. Unüberbrückbar gähnt die Kluft zwischen der Fraktion im internationalen Finanzsystem, die wild entschlossen ist, das marode Bankensystem durch immer neue „Rettungspakete“ und wunderbare Liquiditätsvermehrung am Leben zu halten, und denjenigen, die zu Recht befürchten, daß eine weitere Runde von Rettungspaketen die transatlantische Welt in eine nicht mehr zu kontrollierende Hyperinflation katapultieren wird.

Das Flugzeug, aus dem die New Yorker Polizei Strauss-Kahn herausholte, war auf dem Weg nach Berlin, wo der IWF-Chef mit Bundeskanzlerin Merkel über die dramatische Lage bezüglich Griechenlands und der Eurozone insgesamt reden wollte. Schon in den Tagen zuvor war es nicht mehr gelungen, die Gegensätze zu vertuschen: In einer außerordentlichen Anhörung im Finanzausschuß des Bundestages am 5. Mai hatte sich der Chef der Kreditaufsichtsbehörde BaFin, Jochen Sanio, gegen ein weiteres Rettungspakt für insolvente Eurostaaten ausgesprochen. Auf die Frage nach den Gründen antwortete er: „Dann würden die Steuerzahler kommen und uns alle aufhängen!“

Einen Tag später brachte Spiegel online die Story über ein angebliches Geheimtreffen einiger wichtiger EU-Finanzminister in Luxemburg, bei dem es um den Austritt Griechenlands aus der Eurozone gehen sollte, was von Jean-Claude Juncker sofort abgestritten wurde. Als Filmaufnahmen die Existenz dieses Treffens bewiesen, meinte Junker, wenn es ernsthaft würde, müsse man immer lügen. Seitdem heißt er nur noch Herr Flunker-Junker. Bei diesem und dem Treffen der EU- Finanzminister in der folgenden Woche gab es so heftige Auseinandersetzungen über den Kurs gegenüber Griechenland und den anderen Problemstaaten, daß sich die Meinungsunterschiede nicht mehr wie üblich unter den Teppich kehren ließen.

Nun gab es aber das Problem des leeren Stuhls, auf dem eigentlich Strauss-Kahn hätte sitzen sollen. Die sexuellen Vergehen des IWF-Chefs könnten sich sehr wohl als der Hufnagel erweisen, wegen dessen Verlust das Königreich verloren geht. Denn in dieser extrem angespannten Lage kamen plötzlich alle Folgewirkungen dieses faux pas ins Rollen. Die Finanzmedien begannen die außergewöhnlich wichtige Rolle Strauss-Kahns für die Griechenland-Verhandlungen zu lamentieren, der immerhin dafür gesorgt hatte, daß der IWF, in den ja auch die USA, Rußland und die Schwellenländer einzahlen, erhebliche Summen für die Rettung europäischer Banken zur Verfügung stellte. Van Rompuy, der „EU-Präsident“, klagte, daß man den Mangel an Führung, beim Versuch die Griechenlandkrise zu lösen, schmerzlich empfinde und dringend ein Nachfolger gefunden werden müsse.

Inzwischen gab das Team der Troika aus IWF, EZB und EU-Kommission, das sich in Griechenland aufhält, um den Fortschritt der Regierung bei der Implementierung der verordneten, brutalen Sparpolitik zu begutachten, bekannt, daß weitere Zahlungen an Griechenland eingefroren seien, bis die Regierung weitere Sparprogramme verabschiedet und vor allem weiteres Staatseigentum verkauft habe, wie die Telekommunikation, die Bahn, Autobahnen, Flughäfen, Immobilien, Inseln etc., was die griechische Bevölkerung zu recht als weitere Vergewaltigung empfindet, an der Strauss-Kahn zuvor kräftig mitgewirkt hatte. Die griechische Rettungsoperation liegt also auf Eis, ebenso übrigens wie die irische, die nach Ansicht der European Financial Stability Facility durch die Weigerung der Iren blockiert ist, die geforderten exorbitanten Kreditbedingungen zu akzeptieren. Mit anderen Worten, der gesamte Rettungsmechanismus ist ins Stocken geraten, und damit steht der gesamte spekulative Kreditderivatemarkt vor einem Kettenreaktionskollaps.

Bis vor kurzem schworen Trichet, Flunker-Junker und Co, sie würden nie und nimmer einen sogenannten „Haircut“, d.h. eine Beteiligung der Gläubiger an den Verlusten, akzeptieren; inzwischen meinte Flunker-Junker jedoch kleinlaut, eventuell käme doch eine „weiche“ Restrukturierung in Frage, d.h. eine einfache Verlängerung der Kreditlaufzeiten ohne Abschreibung, was von den Rating-Agenturen sofort in Bausch und Bogen zurückgewiesen wurde: für sie käme eine Laufzeitverlängerung einer Insolvenz gleich. Der Grund hierfür liegt in der Derivatblase, die bei der kleinsten Lücke in der Liquiditätsversorgung platzen würde.

Die Europäische Zentralbank als Vertreterin der harten Linie drohte daraufhin, falls Griechenland seine Zahlungsbedingungen änderte, werde die EZB ab sofort keine (ohnehin so gut wie wertlosen) griechischen Staatsanleihen als Sicherheit für frische Kredite mehr akzeptieren, was von jedermann als das Brüllen eines Papiertigers verstanden wurde, denn die Insolvenz des griechischen Bankensektors hätte sehr wahrscheinlich die Folgen, vor denen EZB-Chefökonom Jürgen Stark wiederholt gewarnt hatte: den GAU für das gesamte Finanzsystem. Die EZB droht also mit einer Maßnahme, die den Euro auseinanderfliegen lassen würde. Anders ausgedrückt: die Eurozone steht vor der Desintegration.

Inzwischen haben China, Mexiko und Brasilien Ansprüche auf die Nachfolge von Strauss-Kahn als Chef des IWF angemeldet, und natürlich wird man von den Vertretern der Schwellenländer nicht erwarten können, daß sie um den Zusammenhalt des Euro ähnlich besorgt sind wie Strauss-Kahn. Auch eine Zwischenlösung, wonach ein Europäer für 18 Monate IWF-Chef wäre, gefolgt von einem Vertreter des Entwicklungssektors, kann nichts an dem desolaten Zustand der Eurozone und des Dollars ändern, für die vor allem die Zusammenarbeit zwischen US-Zentralbankchef Bernanke, US-Finanzminister Geithner und Strauss-Kahn der letzte Rettungsanker war.

Daß es in den USA einflußreiche Kreise gibt, die entschlossen sind, die inzwischen hyperinflationäre Kasinowirtschaft zu beenden, ist nicht nur an der Intervention des New Yorker Justizapparates gegen Strauss-Kahn sichtbar geworden. Inzwischen hat auch der New Yorker Generalstaatsanwalt Eric Schneiderman eine Untersuchung gegen fünf große Wallstreet-Banken wegen betrügerischer Aktivitäten im Zusammenhang mit dem sekundären Immobilienmarkt (MBS) begonnen. Goldman Sachs, Morgan Stanley, Bank of Amerika und andere Banken werden nach dem „New York State Martin Act“ von 1921 auf mögliche kriminelle Aktivitäten untersucht, für die sowohl der Angelides- wie der Levin-Bericht umfangreiches Material geliefert haben. Damit bekommen diese beiden Kommissionen des US-Kongresses den Biß, den zu Roosevelts Zeiten die Pecora-Kommission hatte, und angesichts der von Angelides und Levin hinlänglich dokumentierten vielfachen und überlappenden kriminellen Aktivitäten großer Teile der Wall Street kann sich Strauss-Kahn darauf freuen, bald nicht mehr allein im Gefängnis zu sitzen.

Die Misere des Dominique Strauss-Kahn demonstriert aber noch etwas anderes, nämlich daß das Prinzip der Nemesis, wie es seit der griechischen Antike in der klassischen Kunst begründet ist, auch heute noch eine naturrechtlich wirkende Kraft ist, die auf den Übeltäter zurückschlägt, wenn er die Gesetze über lange Zeit verletzt. Der Name Strauss-Kahn steht nicht nur für die Dekadenz eines Mannes, der offensichtlich überzeugt war, daß seinen frauenfeindlichen Umtrieben keine Grenzen gesetzt würden, und der nicht nur einzelne Frauen zu Opfern machte, sondern sein Name steht auch für die Dekadenz eines Systems, das mit den berüchtigten IWF-Konditionalitäten ganze Nationen und Kontinente zu Objekten der bedingungslosen Profitgier weniger degradiert hat. Seine Haltung gegenüber dem Zimmermädchen ist zum Synonym geworden für seine Haltung gegenüber der Menschheit.

Mit Strauss-Kahn sind auch Bernanke, Geithner, Präsident Obama, Trichet und all jene diskreditiert, die an der hyperinflationären Politik der Rettungspakete festhalten wollen. In allerkürzester Zeit wird das Scheitern des Euro und des Dollar so offensichtlich, daß die Wiedereinführung des Glass-Steagall-Standards, also eines Trennbankensystems, die einzig akzeptable Alternative sein wird. Die Wiedereinführung nationaler souveräner Währungen in Europa in Verbindung mit einem Trennbankensystem, bei dem die Geschäftsbanken wieder Kredite an Industrie, Landwirtschaft und Handel sowie für wohldefinierte Entwicklungs- und Aufbauprojekte zur Verfügung stellen werden, kann die gegenwärtige Krise schon bald überwinden.

Das Trennbankensystem, bei dem die Investmentbanken ohne Steuergelder ihre Bücher selber in Ordnung bringen müssen, was in der Praxis heißt, daß viele Billionen Giftmüll abgeschrieben werden müssen, muß jetzt auf die Tagesordnung. Die Bürger sind aufgerufen, sich gemeinsam mit der BüSo dafür einzusetzen.

Und Herr Strauss-Kahn? Vielleicht sollte ihm eine gütige Seele eine DVD mit einer guten Aufnahme von Mozarts Don Giovanni schicken, damit er nun in Ruhe studieren kann, daß auf die Katalog- Arie des Leporello sehr bald der Auftritt der Statue des Komtur folgt. Dagegen ist das Vorgehen der New Yorker Staatsanwaltschaft doch geradezu gnädig.