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Neue Solidarität
Nr. 1, 5. Januar 2011

Obamas Steuerschwindel löst Rebellion der Demokraten aus

Fast die Hälfte der Demokraten im Repräsentantenhaus stimmte gegen das Steuersenkungsgesetz, das Präsident Obama mit führenden Republikanern ausgehandelt hatte.

Die korrupte Absprache über Steuersenkungen, die US-Präsident Barack Obama letzten Monat hinter dem Rücken der eigenen Partei mit führenden Republikanern traf, hat eine Revolte unter den Demokraten ausgelöst. Die wachsende Enttäuschung über die gebrochenen Versprechen des Präsidenten und seinen Wahlkampfspruch „Change you can believe in“ („Glaubt mir, mit mir wird alles anders“) ist nicht mehr zu leugnen. Viele Beobachter sehen eine neue Etappe im voranschreitenden Zerfall der Regierung Obama. Aber noch wichtiger ist, daß sowohl das Steuersenkungsgesetz an sich - wozu auch ein mörderischer Angriff auf die Rentenversicherung gehört - als auch die Art und Weise seines Zustandekommens zeigen, wie Obama nach dem Plan seiner britischen Hintermänner in den nächsten beiden Jahren regieren soll: indem er nämlich voll und ganz auf die diktatorischen Methoden des Führerprinzips („unitary executive“) setzt, das Dick Cheney und George W. Bush im vergangenen Jahrzehnt in der amerikanischen Politik eingeführt hatten.

Rangel schlägt Alarm

Harsche Kritik übte der altgediente afro-amerikanische demokratische Abgeordnete Charles Rangel aus New York, bis vor kurzem Vorsitzender des einflußreichen Bewilligungsausschusses des Repräsentantenhauses, der nach der Verfassung dafür zuständig ist, daß alle Ausgabengesetze vom Repräsentantenhaus initiiert werden. Rangel faßte in einer Rede am 16. Dezember im Plenum des Repräsentantenhauses den Kern der verräterischen Politik Obamas zusammen:

„Heute wird eine ziemlich historische Abstimmung stattfinden. In der Vergangenheit gingen die Steuergesetze vom Repräsentantenhaus aus, dann schickte man sie an den Senat, und dann kamen der Senat und das Repräsentantenhaus zu etwas zusammen, was man die Konferenz (Vermittlungsausschuß) nannte“, erklärte Rangel. „Aber mir ist klar, daß sich diese Regeln schnell ändern... Nun geht es so, daß der Präsident mit einer Handvoll Republikanern zusammenarbeitet und dann uns im Repräsentantenhaus sagt, wenn wir irgendwelche Änderungen vornähmen, werde es nie eine Einigung geben...

Darüber hinaus stellen wir fest, daß offenbar alle Steuervorteile bei denjenigen liegen, die in unserem Land die reichsten Menschen sind, während wir gleichzeitig sehen, wie immer mehr Amerikaner verarmen. Ich sage Ihnen, aus einer solchen Spaltung, wo so großer Reichtum in den Händen weniger ist, während so viele andere Menschen ohne Arbeit und ohne Hoffnung sind, kann keine Demokratie erwachsen.“

Rangel schloß seine Rede mit der Warnung vor der Bedrohung der Verfassungstradition durch diese faule Absprache zwischen Obama und den Republikanern: „Für die Mitglieder, die jetzt in diese Körperschaft eintreten, sind dies also neue Regeln, neue Traditionen - aber ich sage Ihnen: Das ist nicht mehr die amerikanische Tradition, die ich so gut kannte und liebte.“

Was Obama verlor

Rangels klarer und direkter Angriff auf den Präsidenten, wie auch die beispiellose Anzahl von Demokraten, die sich nachdrücklich und leidenschaftlich gegen das Steuergesetz Obamas und der Republikaner aussprachen, zeigen die harte Realität seines in sich zusammenbrechenden Rückhalts unter den Demokraten.

Obama erhielt etwa 80% der republikanischen Stimmen für das Steuergesetz, aber bloß 55% der Stimmen der Demokraten - mit anderen Worten, 45%, fast die Hälfte aller Demokraten, stimmten gegen Obama. Ein großer Teil der Massenmedien sprach von einem „Aufstand der Liberalen“ (d.h. des linken Flügels), doch das trifft nicht den Kern der Sache. Die Opposition unter den Demokraten reichte von mindestens zehn Konservativen - den sog. „Blue Dogs“ - bis hin zu etwa 25 Mitgliedern des Ausschusses der Farbigen („Black Caucus“). Wie EIR aus dem Kongreß erfuhr, war diese Revolte völlig unorganisiert; wäre es eine koordinierte Aktion gewesen, hätte sie sehr leicht die Mehrheit der Demokraten erfassen können.

Zu der Rebellion kam es trotz einer massiven Kampagne des Weißen Hauses für die Zustimmung zu dem korrupten Kuhhandel. Weil, wie es in Politico hieß, „die Republikaner bereits im Gleichschritt mit ihm marschierten“, mußte Obama die Demokraten unter Druck setzen. Er führte persönliche Gespräche und Telefonate mit Dutzenden demokratischer Senatoren und Abgeordneten des Repräsentantenhauses, er schickte wiederholt Vizepräsident Joe Biden auf den Capitol Hill, und setzte auch sein Wirtschaftsteam um Gene Sperling, Tim Geithner und Jack Lew ein, um Demokraten für das Paket zu gewinnen.

Hochrangige Demokraten bestätigten gegenüber EIR, was nur der Abgeordnete Peter DeFazio öffentlich zu sagen wagte: Obama sagte Mitgliedern der demokratischen Fraktion im Repräsentantenhaus, ein Scheitern des Steuersenkungsgesetzes bedeute das Ende seiner Präsidentschaft, dann wären die Vereinigten Staaten in den nächsten beiden Jahren politisch gelähmt. „Das Weiße Haus macht enormen Druck, macht Anrufe, der Präsident selbst macht Anrufe, in denen er sagt, dies sei das Ende seiner Präsidentschaft, wenn er diese faule Absprache nicht durchbringt“, sagte DeFazio am 15. Dezember gegenüber Eliot Spitzer in CNN.

Daß sich auch sehr viele Mitglieder des Black Caucus gegen Obama wandten, demonstriert die starke Abkehr der afro-amerikanischen Bevölkerung von ihm. Die Aktivisten des LaRouche-Aktionskomitees LPAC hatten diesen Umschwung schon in den Wochen davor festgestellt. Schwarze Politiker, die früher wütend darüber waren, daß Obama auf LPAC-Plakaten mit einem Hitlerbärtchen abgebildet war, geben nun zu, daß sie sich geirrt haben und daß sie den wahren Obama nicht erkannt hatten. Daß Obama bereit, ja sogar eifrig bemüht war, gerade mit den reaktionärsten Republikanern ein faules Geschäft zugunsten der Superreichen und auf Kosten der arbeitenden und armen Bevölkerungsschichten zu machen, zeigt jedem die Realität seiner gescheiterten Präsidentschaft.

Die Revolte im Kongreß

Zwei Ereignisse Mitte Dezember halfen, die Revolte im Repräsentantenhaus in Gang zu setzen. Das erste war ein klassisches Filibuster alten Stils - ein Redemarathon zur Blockade einer Abstimmung -, das der unabhängige Senator Bernie Sanders aus Vermont am 10. Dezember machte. Im Verlauf seiner achteinhalbstündigen Aktion verurteilte Sanders scharf die vorgeschlagenen Steuersenkungen für Millionäre und Milliardäre, die Anhebung des Freibetrages bei der Erbschaftssteuer sowie Obamas Vorschlag, die Sozialversicherungsbeiträge auszusetzen. Sanders zitierte einen Propagandisten der Rentenprivatisierung, Peter Ferraras, der die staatliche Rentenversicherung zerstören will, indem man sie auf eine reine Armenhilfe reduziert - genau das Gegenteil der Absicht, mit der Franklin Roosevelt diese Versicherung damals einführte.

Das zweite war eine Pressekonferenz des Nationalen Komitees für die Erhaltung von Sozialversicherung und Medicare, die ebenfalls am 10. Dezember stattfand und an der zahlreiche demokratische Abgeordnete teilnahmen, darunter auch DeFazio. Die Sprecher warnten, Obamas Vorschlag einer „Aussetzung der Sozialversicherungsbeiträge“ sei ein wesentliches Element des seit langem vom rechten Republikanern verfolgten Planes, die öffentliche Sozialversicherung ganz abzuschaffen. Die Sprecherin des Komitees, die frühere Abg. Barbara Kennelly, beklagte, daß Obamas Pläne der Privatisierung der Sozialversicherung Vorschub leisten.

Nancy Altman, Direktorin der Organisation Social Security Works, wies darauf hin, daß Franklin Roosevelt die Rentenversicherung ganz bewußt außerhalb des laufenden Staatshaushalts, wie durch eine Brandmauer von den übrigen Regierungsgeldern getrennt, als Versicherung einrichtete. Sie zitierte Roosevelt: „Wir haben diese Beiträge aus den Löhnen und Gehältern geschaffen, um den Beitragszahlern ein gesetzliches, moralisches und politisches Anrecht auf ihre Renten und Arbeitslosengelder zu geben. Solange es diese Beiträge gibt, wird kein verdammter Politiker es jemals wagen, meine Sozialversicherung abzuschaffen.“

Altman sagte, die Konservativen hätten seit Jahren die Sozialversicherung im Visier und versuchten, ihre Leistungen zu kürzen und sie letztendlich zu privatisieren. Jetzt tue das Weiße Haus so, als sei die Aussetzung der Sozialversicherungsbeiträge ein „Zugeständnis“ seitens der Republikaner - so als sagten die Republikaner, „Bitte, schickt uns nicht auf diesen dornigen Weg.“

Altman sagte voraus, daß die Aussetzung der Beiträge nicht bloß ein Jahr lang dauern werde, denn der Kongreß werde schon bald vor der unangenehmen Wahl stehen, entweder noch stärkere Einschnitte bei den Renten vorzunehmen oder andere Ausgaben zu kürzen. Für die Republikaner werde es ein triumphaler Augenblick sein, wenn Obama die Beitragsaussetzung auslaufen läßt und so die Abgaben „steigen“. „Es gibt keinen Grund, so vorzugehen“, erklärte Altman, „es sei denn als gezielter Angriff auf die Sozialversicherung“.

Pelosi hält die Zeit an

Vor diesem Hintergrund stieß am 16. Dezember der Plan des Weißen Hauses, das Steuersenkungsgesetz schnell durchzupauken, auf starken Widerstand. Die späte Rebellion der Demokraten zwang die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, die Debatte zu unterbrechen und das Gesetz und die begleitende Durchführungsresolution für fünf Stunden zurückzuziehen. Zahlreiche Berichte deuten darauf hin, daß Pelosi fürchtete, ihr und Obama würden die notwendigen Stimmen für das Gesetz fehlen. Schließlich kam es doch noch durch, aber erst kurz vor Mitternacht.

Auch wenn die meisten Medien es bestreiten oder herunterspielen, war der Angriff auf die Rentenkasse in Obamas Steuersenkungsgesetz eines der zentralen Themen der Debatte im Plenum des Parlaments. Jeder zweite der Demokraten, die sich zu Wort meldeten, sprachen das Thema an.

Schon vor der Debatte verurteilte DeFazio in einer einminütigen Wortmeldung die Tatsache, daß der Kongreß mit diesem Gesetz erstmals die Brandmauer zwischen der allgemeinen Staatskasse und dem sakrosankten Sondervermögen der Sozialversicherung durchbreche. Die Vorsitzende des Verfahrensausschusses, Louise Slaughter (die später gegen das Gesetz stimmte), bezeichnete die vorgesehene Aussetzung der Rentenbeiträge als eine der größten bisherigen Bedrohungen für die Sozialversicherung und sagte voraus, sobald die Beiträge einmal gesenkt seien, werde es niemand gelingen, sie wieder anzuheben.

Steve Lynch aus Massachusetts verurteilte sowohl die Steuersenkungen für die Reichen als auch die „Plünderung des Sondervermögens der Sozialversicherung“ und nannte das Gesetz „eine völlige Aufgabe der demokratischen Prinzipien“.

Michael Capuano, ebenfalls aus Massachusetts, beklagte, daß das Gesetz die Sozialversicherung, Medicare (die Krankenversicherung für Rentner) etc. „durch die Hintertür“ beschneide, und sagte: „Eine Stimme für dieses Gesetz ermächtigt bloß jene, die diese Programme sowieso kürzen wollen.“ John Garamendi aus Kalifornien zitierte F.D. Roosevelt und sagte, zu den zahlreichen Problemen dieses Gesetzes gehöre, daß es die Sozialversicherung erstmals in ihrer Geschichte aufs Spiel setze. Eine ganze Reihe opponierender Demokraten sprach in der Debatte von „Obamas Steuergesetz“.

Wohin steuert Obama?

Wie Rangel warnte, verstoßen die Methoden, mit denen Obama das Steuersenkungsgesetz durchpeitschte, gegen die amerikanische Tradition und sogar gegen die Verfassung. Schon in den ersten beiden Amtsjahren sah man Obamas Vorliebe dafür, Dutzende von Sonderbeauftragten - die sog. „Zaren“ - einzusetzen, die der Aufsicht durch den Kongreß entzogen sind, sowie seine eigenmächtige Einsetzung der Haushaltskürzungs-Kommission („Katzenfutter-Kommission“), nachdem der Kongreß sich vor einem Jahr geweigert hatte, eine solche Kommission zu berufen.

Aber das ist noch gar nichts gegen das, was Obamas Hintermänner in den kommenden beiden Jahren mit ihm vorhaben. In einem Artikel mit der Überschrift „Obama 2.0: Die Präsidentschaft neu erfinden“, der am 20. Dezember in Politico erschien, legen mehrere Kommentatoren Obama einen Plan vor, wie er die von Cheney und Bush begonnenen Methoden der „Einheitsexekutive“ - sprich: des „Führerprinzips“ - vorantreiben kann, um eine Diktatur der Exekutive zu errichten. Obama solle einen Weg finden, die „kongreßzentrierte Strategie“ der letzten beiden Jahre aufzugeben, und stattdessen „neue und kreative Wege“ suchen, „die Macht auszuüben und die nationale Agenda zu bestimmen“.

Der wichtigste dieser „Experten“ ist John Podesta vom Center for American Progress (CAP), das vom Großspekulanten George Soros finanziert wird. Podesta sagt, Obama „muß der Vorstandschef von Amerika werden“. Der Präsident solle diejenigen Befugnisse mehr nutzen, die keine Gesetzgebung erforderten.

Podesta und das CAP hatten am 16. November einen Bericht veröffentlicht, in dem sie Obama genau sagten, wie er die Macht der Exekutive besser nutzen kann, um seine Vorhaben ohne bzw. gegen den Kongreß durchzusetzen - etwa durch das Erlassen von Exekutivanordnungen, den stärkeren Einsatz der Regulierungsbehörden, die Schaffung korporatistischer „öffentlich-privater Partnerschaften“ etc. Podesta und andere fordern auch, man müsse Ideen entwickeln, welche die üblichen Gräben zwischen rechts und links überschritten.

Ins selbe Horn stößt die „zentristische“ demokratische Denkfabrik „Third Way“, eine Nachfolgeorganisation des inzwischen aufgelösten Demokratischen Führungsrates (DLC): Findet Wege, die Parteigrenzen zu überwinden. Obama solle die Opposition vereinnahmen. „Binden Sie Ihrer eigenen Partei in beiden Kammern die Hände und kooperieren Sie mit der anderen Partei“, riet der Politikwissenschaftler Prof. David Mayhew von der Yale-Universität - und genau dies hat Obama beim Steuersenkungsgesetz getan.

Schon vor der Novemberwahl hatte Lyndon LaRouche den Kongreß und insbesondere die Demokratische Partei dringend gewarnt, wenn sie nicht umgehend Roosevelts Glass-Steagall-Gesetz wieder in Kraft setzten, werde das Finanzsystem weiter zerfallen und Obama Amerika durch seine faschistische Politik zerstören. Da nach der vernichtenden Niederlage der Demokraten bei der Wahl die Übernahme des Kongresses durch von der Mont-Pelerin-Gesellschaft gesteuerte ultrarechte, „marktwirtschaftliche“ Republikaner wie Rand Paul bevorsteht, hat Lyndon LaRouche seine Warnungen mit noch größerem Nachdruck wiederholt.

Nun steht das Land, wenn sich nicht die vernünftigen Kräfte in der Demokratischen Partei sehr bald um LaRouches Vorschläge neu sammeln, vor einem aberwitzigen Wettlauf zwischen dem voranschreitenden Finanzkrach und den von Obama unterstützten Vorstößen der „Tea-Party“-Republikaner, alle Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung, die seit dem New Deal eingeführt wurden, wieder zu beseitigen.

Edward Spannaus

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