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Neue Solidarität
Nr. 50, 15. Dezember 2010

Die Erweiterung von NAWAPA: Die Arktis erschließen

Das Wissenschaftsteam der LaRouche-Jugendbewegung hat auf der Internetseite www.larouchepac.com ein Video über die Bedeutung der Arktis veröffentlicht, dessen „Drehbuch“ wir hier abdrucken.

Ob zum Guten oder zum Schlechten: Der Mensch verändert das Universum. Wir haben das Universum nicht geschaffen, aber trotzdem befinden wir uns in einer ganz besonderen Lage: Das Schicksal des Universums, das uns gegeben wurde, hängt von uns ab.

Wie an anderer Stelle auf dieser Internetseite verdeutlicht, stellt das NAWAPA-Programm genau genommen die Entscheidung des Menschen dar, Verantwortung für alles Leben auf diesem Planeten zu übernehmen. Es ist ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird - die gezielte Ausbreitung des Lebens im Rest unseres Sonnensystems und darüber hinaus, eine Zukunft, die nur der Mensch einleiten kann. Diese Beziehung des Menschen zur Natur kannte Wernadskij als die sogenannte Noosphäre. Hier wollen wir diese Beziehung anhand der Entwicklung der Arktis näher untersuchen.

1. Die Querung der Beringstraße

In den letzten mehreren hundert Millionen Jahren hat die Erde eine Reihe von Eiszeiten erlebt. Man vermutet sogar, daß die Erde zeitweise völlig von Eis bedeckt war. Trotzdem gelang es den Lebewesen mit ihrer Ausdauer und Beharrlichkeit, das Beste aus diesen Umständen zu machen. Während des Höhepunktes der letzten Eiszeit vor ungefähr 20.000 Jahren lag das jetzt unter der Beringstraße befindliche Land trocken, da der Meeresspiegel aufgrund der riesigen im Eis gebundenen Wassermassen abgesunken war. Dadurch entstand ein Landweg zwischen den Kontinenten für viele große Tiere und für den Menschen.

Aufgrund der Erwärmung, die am Ende dieser Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren einsetzte, wurde dieses Land wieder überflutet, und der Landweg brach ab.

Der nächtliche Sternenhimmel inspirierte die Menschen dazu, sich erst auf den Meeren und dann auf den Binnenwasserstraßen zu bewegen, wodurch sie die Überflutung zu ihrem Vorteil nutzen konnten. Aber anstatt diesen Aufbruch zu höheren Plattformen technologischer Entwicklung fortzusetzen, wurde diese Herrschaft über die Meere pervertiert und wurde zur Herrschaft über andere Völker.

Der natürliche evolutionäre Übergang zur nächsthöheren Plattform erfolgte schließlich, als das neue Zeitalter der Eisenbahn diesem imperialen, maritimen System die Grundlage entzog. Die transkontinentale Eisenbahn in den Vereinigten Staaten und die Transsibirische Eisenbahn sowie die vielen übrigen Eisenbahnnetze in aller Welt führten zu einer grundlegenden Änderung in den Beziehungen des Menschen zur Natur und den Beziehungen zwischen den Menschen. Ohne die Machenschaften imperialer Mächte, mit denen die Führer dieses neuen Bahnzeitalters zum Schweigen gebracht wurden, hätte sich die Welt bereits Anfang des 20. Jahrhunderts daran gemacht, eine Bahnverbindung über die Beringstraße fertigzustellen. Statt dessen steuerte sie in den Ersten Weltkrieg.

Wie läßt sich dieser abgebrochene Traum mit neuem Leben erfüllen?

Karte: ib1.keep4u.ru
Abb. 1: Schon während des Zweiten Weltkriegs gab es Pläne, im Norden Rußlands entlang des arktischen Meeres eine Eisenbahnverbindung von der Beringstraße durch Sibirien bis zum russischen Eisenbahnnetz westlich des Urals zu bauen.

Wie wir bereits auf unserer Internetseite gezeigt haben, muß für die Verwirklichung des NAWAPA-Projektes die Kapazität und das Streckennetz der heutigen Bahnverbindungen zwischen den USA und Kanada massiv ausgebaut werden.

Gleichzeitig verfolgt man in Rußland Pläne zum Ausbau der bestehenden Eisenbahnlinien im Fernen Osten. So soll eine neue, rund 1550 km lange Bahnstrecke von Tynda (Verwaltungsbezirk Amur) über Jakutsk nach Magadan (am Ochotskischen Meer) entstehen. Dieses Projekt soll bis 2030 verwirklicht sein und dann bis Uelen an der Beringstraße weitergeführt werden, so daß dadurch insgesamt rund 4000 Gleiskilometer entstehen (siehe Abb. 1).

Nach dem Bau der Eisenbahn von Fairbanks/Alaska nach Wales auf amerikanischer Seite würde nur noch eine Lücke von gut 100 km an der internationalen Datumsgrenze verbleiben. Die bestehenden Pläne sehen an dieser Stelle den Bau einer Brücke oder eines Tunnels an der Kleinen und Großen Diomedes-Insel zur Querung der Beringstraße vor, mit einer zweigleisigen, elektrifizierten Eisenbahn, einer Autostraße, einer Erdgaspipeline und einer Hochspannungsleitung. Durch diesen wichtigen Knotenpunkt im weltweiten Verkehrsnetz könnten täglich bis zu 150 Züge verkehren, die jährlich etwa 300 Mio. Metertonnen Fracht transportieren.

Auch wenn es derzeit noch keine endgültigen Pläne gibt, diskutieren russische Kreise über die Möglichkeit einer weiteren nördlichen Eisenbahnstrecke entlang der Küste des Arktischen Ozeans, parallel zu der bestehenden Bahnstrecke von Wladiwostok nach Moskau. Diese rund 4800 km lange Route würde auf ihrem Weg von Egwekinot bis Chatanga und Workuta im Westen die gesamte arktische Küste erschließen, um von dort Anschluß nach Moskau und an das bestehende Eisenbahnnetz nach Mittel- und Westeuropa zu finden.

2. Rohstoffe

Der Polarkreis umschließt Teile Europas, Rußlands, der Vereinigten Staaten und Kanadas. Das gesamte Eisenbahnnetz, das durch die Verbindung über die Beringstraße komplettiert wird, erschließt ein riesiges Gebiet für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung. Sibirien, das sich mit einer Fläche von 12,8 Mio. km² (75% der Fläche Rußlands) vom Ural bis zum Pazifik erstreckt, ist fast anderthalbmal so groß wie die Vereinigten Staaten. Aber trotz seiner Größe leben hier nur 36 Mio. Menschen, weniger als in Kalifornien.

Unter der Oberfläche dieser Permafrost-Böden liegen schätzungsweise 16% aller Rohstoffe der Welt - allerdings ist unser Wissen über diese Bodenschätze noch sehr unvollständig. Aber um die ganze Bedeutung der Entwicklung dieses Gebiets zu verstehen, müssen wir es mit den Augen Wladimir Wernadskijs betrachten.

Als Schüler des berühmten Chemikers und Verfechters der Erschließung Sibiriens, Dmitrij Mendelejew, war Wernadskij mit dem Periodensystem der Elemente wohlvertraut. Aber er führte das Werk seines Vorgängers zu einem noch höheren Organisationsgrad, indem er die Grundlage dafür legte, es vom Standpunkt des Einflusses lebender Prozesse auf die nichtlebende Materie neu zu bewerten.

Soweit wir wissen, bildeten sich die Elemente der frühen Erde vor etwa 4,5 Mrd. Jahren als Produkt der Kernfusion aus einer Materiescheibe, die von der Sonne abgesondert wurde. Die heutigen Theorien erklären auf diese Weise die Bildung der leichteren Elemente bis hin zum Eisen (Fe). Man vermutet, daß die von Supernovae in nahegelegenen Galaxien abgegebene kosmische Strahlung die Quelle der schwereren Elemente ist, die wir heute auf der Erde finden; möglicherweise entstanden sie auch durch polarisierte Fusion von unserer eigenen Sonne. Jedoch hätten diese Elemente allein auf diese Weise nicht den Konzentrations- und Mineralisierungsgrad erreichen können, den wir heute vorfinden. Wernadskij erkannte die Rolle der biogenetischen Migration dieser Elemente bei der Herausbildung der Umwelt, die wir heute auf der Erde antreffen.

Die frühesten Lebewesen, die auf der Erde auftraten, waren mikroskopisch klein. Wernadskij wies jedoch darauf hin, daß diese winzigen Organismen die höchste biogeochemische Energie von allen Lebewesen aufweisen. Wir wissen, daß sie aufgrund ihrer schnellen Fortpflanzungsrate unter günstigen Bedingungen innerhalb weniger Tage den gesamten Globus bedecken können. Aber unser Verständnis davon, was diese „günstigen Lebensbedingungen“ sind, ändert sich dramatisch, wenn wir in Bereiche vorstoßen, die man früher für extrem hielt. Wir finden Leben in heißen Tiefseeschloten, wo das Wasser Temperaturen jenseits des Siedepunktes erreichen kann, in extrem sauren, basischen oder salzigen Umgebungen, unter hohem Druck tief in den Ozeanen oder in der Erdkruste, in Gebieten mit starker Strahlung oder sogar im ewigen Eis. Soweit man sagen kann, müssen auf der frühen Erde ähnlich extreme Bedingungen geherrscht haben: Die Atmosphäre bestand aus Schwefel, Methan, Kohlendioxid und nur winzigen Spuren freien Sauerstoffs, außerdem war sie aufgrund der großen Konzentration radioaktiver Isotope an der Erdoberfläche und der Strahlung aus dem Weltraum ein Ort starker Strahlung.

Die frühen Mikroben konnten nur überleben und sich fortpflanzen, wenn sie Möglichkeiten entwickelten, auf ihr äußeres Umfeld zu reagieren und ganz bestimmte innere thermodynamische Bedingungen beizubehalten. Aus diesem Grund entwickelte sich ein ganz besonderer Selektionsprozeß als Infrastruktur für lebende Systeme. Lithotrophe („sich aus Steinen ernährende“) Lebewesen nutzen ausschließlich Material aus ihrer unmittelbaren Umgebung (Produkte früherer kosmischer Strahlung), um ihren Energiebedarf zu decken, während phototrophe („sich aus Licht ernährende“) Lebewesen einen fortgeschritteneren Mechanismus nutzen und ihre Energie direkt von der kosmischen Strahlung selbst beziehen.

Die Mikroben entfalteten ihre Wirkung in einem breiten Bereich der Erdhülle, der sich von den obersten Schichten der Atmosphäre bis mehrere Kilometer tief in die Erdkruste hinein erstreckt. Schon früh bildeten sich die ersten Kristallisationskerne unserer Granit-Kontinente und fingen an zu wachsen, wahrscheinlich infolge der Transformation kosmischer Strahlung durch phototrophe Organismen. Gleichzeitig wuchs der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre und verursachte mehrere Phasenwechsel, die wir in Gesteinsschichten beobachten können, die vor der Entstehung mehrzelliger Organismen abgelagert wurden.

Als Teil des Prozesses der Energieerzeugung durch Stoffwechsel und Atmung selektierten Mikroben bestimmte Stoffe, um daraus ihren Körper aufzubauen. So bilden beispielsweise magnetotaktische Bakterien Kristalle aus Magnetit (Eisen und Sauerstoff) oder Greigit (Eisen und Schwefel), um daraus sogenannte Magnetosome herzustellen, fast vollkommene Dauermagnete, die stark auf das Magnetfeld der Erde reagieren. Interessanterweise bildet sich Magnetit unter sogenannten normalen Bedingungen nicht abiotisch, sondern nur in solchen Organismen, die diese Magneten beispielsweise zur Orientierung benutzen. Eisen gehört zu den häufigsten Elementen auf der Erde, und indem die Mikroben es auf diese Weise zu ihrem Nutzen verwendeten, konzentrierten sie es zu Erzvorkommen, die wir heute für unsere Zwecke nutzen können. Auch viele andere Metallerzvorkommen sind durch anfängliche Aktivitäten von Mikroben entstanden, aber es gibt vieles, was wir über Biomineralisierung noch herausfinden müssen.

Neue Versuchsergebnisse in diesen und ähnlichen Forschungsbereichen deuten auf die tiefere Wahrheit von Wernadskijs Hypothese hin, daß die Erdkruste ganz grundlegend durch das Wirken lebender Organismen geformt wurde. Auf diese Weise entstanden die meisten Mineralvorkommen - entweder durch direkte Einwirkung von Organismen selbst oder durch neue Bedingungen, die diese Organismen geschaffen haben. In allen solchen Lagerstätten auf der Erde lassen sich die Ergebnisse von Milliarden Jahren biogenetischer Aktivität finden.

Blicken wir nun wieder auf die Arktis der heutigen Zeit, wo mehr als 9000 Mineralvorkommen festgestellt wurden. Sibirien beispielsweise verfügt über 90% der weltweiten Palladium-Vorkommen, 80% des Tantals, 40% des Platins, 36% des Nickels, 27% der Zinn- und Eisen-Vorkommen und 16% des Zinks, um nur einige zu nennen. Es steht bei Kali und Diamanten an erster Stelle, an zweiter bei Phosphaten und an dritter bei Gold.

In der noch relativ kurzen Geschichte seiner Zivilisation hat der Mensch mit Hilfe seines Denkvermögens technologische Fortschritte gemacht, die es ihm erlauben, immer mehr Elemente des Periodensystems für sich zu nutzen und sogar ganz neue herzustellen. Im Fall der Biosphäre ist die Beziehung zwischen Leben und dessen Umwelt eine wechselseitige: Leben entwickelt sich als Reaktion auf seine Umwelt und verändert diese weiter. In der Noosphäre entscheidet der Mensch, wie seine Umwelt aussehen soll, und erschafft sie sich dann durch Entdeckungen und Erfindungen: Der Mensch wählt sich die - natürlich entstandenen oder selbst geschaffenen - Elemente als Materialien aus, mit denen wir die Infrastruktur für unsere Gesellschaft schaffen. Diesen Prozeß könnte man analog zur biogenetischen Migration der Elemente als noogenetische Migration bezeichnen.

Aber wenn das der Zweck der Menschheit ist, warum tolerieren wir dann eine solche Armut, wie wir sie heute noch in China und Indien finden? Kann sich eine fortgeschrittene Gattung wie die Menschheit weiter entwickeln, ohne die Lebensbedingungen für zwei Drittel ihrer Bevölkerung zu verbessern? Welchen Lebensstandard müssen wir weltweit schaffen und erhalten, damit die Menschen ihre Fähigkeiten umsetzen können? Die Erschließung der Ressourcen Sibiriens, der Bau der genannten Eisenbahnverbindungen und neuer Städte ist die Voraussetzung für die Schaffung eines solchen Lebensstandards. Diese Potentiale dürfen nicht zur Plünderungsmasse von Imperien werden, sondern wir müssen sie als Gelegenheit betrachten, die Menschheit aus ihrem Elend zu erheben.

Wenn die Vereinigten Staaten dabei vorangehen und mit Rußland, China und Indien zusammenarbeiten, dann läßt sich ein Anfang machen.

3. Die Arktis: Das Leben im Sonnensystem

Sobald dieser Prozeß in Gang gesetzt ist, können wir uns anderen Fragen zuwenden, deren Beantwortung weitreichende Implikationen für die weitere Existenz der Menschheit hat. Die wirtschaftliche Entwicklung Alaskas, der Bau einer Verbindung über die Beringstraße, die vielen Wasserkraftwerke und die vielen neuen, mit Nuklearstrom versorgten großen Industriestädte, die geschaffen werden müssen, um diese Änderungen herbeizuführen, versetzen uns in eine sehr interessante Lage. In Verbindung mit der wirtschaftlichen Entwicklung Sibiriens durch Rußland und der Aussicht, endlich auch Nordkanada erschließen zu können, verleihen wir der Gattung Mensch in dieser Region neue Fähigkeiten, wie es sie bisher nicht gegeben hat. So war es auch mit der Tennessee Valley Authority: Die Entwicklung dieser bisher rückständigen Regionen wird dazu führen, daß sie die übrige Welt hinter sich lassen und rasch zu den technologisch entwickeltsten Regionen der Erde aufsteigen. Derzeit gibt es in der Arktis nur vereinzelte Forschungsstationen der Russen und Amerikaner - einige von ihnen befinden sich auf großen Eisschollen, andere tief im Inland, von weiten Schneeflächen umschlossen. Mit den erweiterten Möglichkeiten infolge des NAWAPA-Projektes wird man einige der wichtigsten offenen Fragen über die Natur des Lebens, der Biosphäre und der Organisation unseres Sonnensystems beantworten können.

Beschränkt sich die Ausdehnung der Biosphäre auf das irdische Leben? Die Entwicklung des Menschen, des einzigen Lebewesens auf der Erde, das nach Wissen außerhalb seiner Grenzen strebt, dürfte diese Frage mit einem klaren „Nein!“ beantworten. Aber wie läßt sich Leben auf andere Planeten bringen - etwa auf den Mars?

Die dortige Atmosphäre besteht vor allem aus Kohlendioxid, das für tierische Atmung ungeeignet ist. Das Magnetfeld ist schwach und auf dem gesamten Planeten uneinheitlich, was wiederum unbeantwortete Fragen über die Beziehung zwischen Lebensprozessen und dem Magnetfeld unserer Erde aufwirft. Die Temperaturen schwanken stark, zwischen etwa 20° C am Äquator und -130° C im Winter an den Polen. Diese Extreme zwingen uns erneut dazu, die Definition des Wortes „Leben“ zu überdenken. An einigen Stellen der Marsoberfläche zeigen sich typische Permafrostbedingungen, die unsere Ingenieure vor ähnliche Herausforderungen stellen werden, wie sie bei Bauvorhaben in der Arktis auftauchen. Um in all diesen Fragen weiterzukommen, müssen wir uns die besonderen Bedingungen zunutze machen, die sich uns an den Polarregionen der Erde bieten. Die hier diskutierte Infrastruktur, die für die Entwicklung des NAWAPA-Programms notwendig ist, hilft uns bei diesem Vorhaben.

Der geographische Nordpol bestimmt sich durch die Rotation der Erde um ihre Achse, die um etwa 23 Grad von der Senkrechten zur Ekliptik geneigt ist. Auf dem Mars liegt diese Neigung bei etwa 25 Grad. In den Polregionen sind die Unterschiede zwischen den Jahreszeiten am größten. Die Winterpolarnacht auf der Erde dauert Monate. In der Arktis schwanken die Temperaturen zwischen 4° C und -70° C. Wir wissen, daß die Polregionen der Erde im Kreislauf der Meeresströmungen eine wichtige Rolle spielen, die ihrerseits großen Einfluß auf die Steuerung des globalen Klimas haben.

Könnte es für uns bei der Steuerung der schon erwähnten periodischen Vereisungen von Vorteil sein, wenn man den Salzgehalt und die Temperatur in diesen Gebieten kontrolliert? Ein Vorschlag aus den sechziger Jahren sah vor, die Beringstraße durch einen Damm abzuriegeln, um so den Wasserzufluß aus der Arktis in den Pazifik und damit die lokalen Temperaturen des Arktischen Ozeans zu kontrollieren, wodurch sich potentiell neue Schiffahrtsrouten und Möglichkeiten für den Meeresbergbau eröffneten. In Verbindung mit dem Schnellbahnring um den Arktischen Ozean könnte die arktische Region für die heutige Welt das werden, was das Mittelmeer einst für die Alte Welt war.

Das Erdmagnetfeld und seine Rolle im interplanetaren Magnetfeld, das einen großen Teil der Struktur unseres Sonnensystems bildet, sind nur wenig verstanden. Die Theorien, die für die Entstehung der Magnetfelder von Erde und Sonne vorgeschlagen wurden, reichen bei weitem nicht aus, um die beobachteten Fakten zu erklären. Es gibt auch viele Anhaltspunkte, die auf eine Beziehung zwischen dem Erdmagnetfeld und der Entwicklung von Leben auf der Erde hinweisen, die aber ebenfalls noch kaum verstanden sind. Viele Tierarten nutzen das Erdmagnetfeld zur Navigation oder stehen auf andere Weise in enger Verbindung damit. Experimente haben gezeigt, daß auch das Zeitgefühl des Menschen stark vom Magnetfeld der Erde abhängig ist, und es ist sogar möglich, daß der Knochenschwund und andere bei Astronauten auftretende physiologische Veränderungen - unter anderem - mit Änderungen des elektromagnetischen Umfeldes zusammenhängen, denen sie ausgesetzt sind, wenn sie den irdischen Mutterschoß verlassen.

Das Nordlicht über der Arktis erinnert uns in seiner Eleganz an die große Bedeutung elektromagnetischer Phänomene auf der Erde. Das Erdmagnetfeld hat den Effekt, daß ein großer Teil dessen, was von der Sonne zu uns gelangt, zu den Polen gelenkt wird. Dieser von der Sonne ausgehende Materiestrom verursacht durch seine Wechselwirkung mit der Ionosphäre der Erde die Nord- und Südlichter. Die Materie, die beschleunigt in die Erdatmosphäre eintritt, stammt teilweise von der Sonne, besteht teilweise aber auch aus von der Sonne eingefangener extragalaktischer Materie, die über ein komplexes System von Feldlinien in Richtung Erde gelenkt wird. Andere extragalaktische Teilchen werden von Bahnen abgelenkt, die auf die Erde treffen würden. Durch diese Interaktionen werden Veränderungen in der Erdatmosphäre ermöglicht, und es besteht eine starke Korrelation zur Entwicklung der Artenvielfalt, was darauf hinweist, daß die kosmische Strahlung für den Evolutionsprozeß eine wichtige Rolle spielt.

Das zeigt, daß wir es hier nicht mit einem wahllosen und chaotischen interplanetaren Magnetfeld zu tun haben, sondern mit etwas, das die Evolution lebender Prozesse impliziert. Die Atmosphäre wiederum - der zweite Faktor für die Erzeugung von Polarlichtern - ist insgesamt ein Produkt lebender Prozesse und bildet den Bereich komplexer Wechselwirkungen mit den verschiedenen Formen solarer und kosmischer Strahlung. Es ist möglich - und sogar wahrscheinlich -, daß auch das Magnetfeld der Erde ganz oder teilweise durch lebende Prozesse erzeugt wurde. Was können wir sonst noch über seine Besonderheiten erfahren? Es gibt Anzeichen dafür, daß der magnetische Pol nahe des geographischen Pols umherwandert, und daß die magnetischen Nord- und Südpole im Lauf der Erdgeschichte oft gewechselt haben.

Bild: LPAC-TV
Abb. 2: Polarlichter auf dem Mars, sichtbar gemacht durch eine UV-Kamera.

Welche Bedeutung hat all das für die Schaffung einer Biosphäre auf dem Mars? Dort sind die Polarlichter schwächer als auf der Erde und für das bloße Auge gar nicht sichtbar - deshalb ist dieses Bild (Abb. 2) im ultravioletten Bereich aufgenommen -, und sie sind ungleichmäßig verteilt. Der Grund hierfür ist, daß der Mars kein eigenes Magnetfeld, sondern nur einen unregelmäßig verteilten, aber durchaus erheblichen Restmagnetismus in der Gesteinskruste hat. Der Prozeß, durch den Materie so beschleunigt wird, daß sie das Marspolarlicht erzeugt, ist noch nicht bekannt. Hat der Unterschied zwischen dem elektromagnetischen Umfeld auf Erde und Mars etwas mit dem wahrscheinlich verbreiteten Fehlen lebender Prozesse auf diesem Planeten zu tun? Welche lebenden oder nicht-lebenden Prozesse werden wir unter der Oberfläche des Mars finden? Welche unterschiedliche Rolle spielen Mars, Erde bzw. Sonne innerhalb des großen, verschlungenen Netzes, das wir das interplanetare Magnetfeld nennen, welches so fein strukturiert ist, daß es Materie direkt zwischen den verschiedenen Himmelskörpern fließen lassen kann?

Je mehr wir solche Bereiche untersuchen, desto stärker stoßen wir an die Grenzen unserer derzeitigen Definition von Leben. Wir stellen fest, daß Leben in Polarregionen unter Bedingungen gedeiht, wo wir es noch vor wenigen Jahrzehnten für undenkbar gehalten hätten. In Alaska wurden lebende Mikroben gefunden, die 32.000 Jahre lang eingefroren waren. Eine ganze Klasse von Viren - die Marine Group A -, die in den meisten Weltmeeren selten sind und typischerweise nur in der Tiefsee gefunden wird, gedeiht unter dem arktischen Eis und spielt möglicherweise eine wichtige Rolle im Leben der Ozeane und der Zusammensetzung der Erdatmosphäre. Man hat andere Psychrophile - kälteliebende Organismen - gefunden, die Gammastrahlung in Dosierungen aushalten, die für fast alle anderen Lebewesen tödlich wären. In dem NASA-Bericht, in dem dies dargestellt wird, heißt es: „Dicke Eisschichten könnten vor dem dichten Vakuum und dem Strahlungsumfeld des Weltraums Schutz bieten und so örtliche Bedingungen schaffen, die für die Bedürfnisse bestimmter Mikroorganismen geeignet sind.“

Diese Erkenntnisse einzelner Expeditionen werfen die Frage auf, welche anderen Lebensformen es noch gibt - nicht nur auf unserem eigenen Planeten, sondern auch in anderen Regionen unseres Sonnensystems, etwa unter den Poleiskappen des Mars? Man kann die Frage umkehren: Wie könnten diese Mikroorganismen dabei helfen, auf dem Mars eine für Menschen geeignete Umwelt zu schaffen? Es gibt noch viele weitere Fragen in diesem Bereich, die aber den Umfang dieser einführenden Darstellung sprengen würden. Zum Beispiel: Würde die Ansiedlung von Mikroben auch die Erzeugung und Erhaltung einer neuen Magnetosphäre auf dem Mars beeinflussen?

Schlußbemerkung

Um diese sich abzeichnenden Fragen beantworten zu können, ist sehr wichtig festzustellen, daß NAWAPA viel mehr ist als bloß eine interessante Option für die Zukunft. NAWAPA und die Entwicklung der Arktis, die sich dadurch eröffnet, sind neben mit den unzähligen weiteren Folgewirkungen nichts Geringeres als der nächste Schritt in der Evolution der Noosphäre.

Das wird sozusagen „von weit oben“ betrachtet noch deutlicher: Von den Seefahrerkulturen über die Entwicklung der Binnenschiffahrt und der Eisenbahn, der Nutzbarmachung der Kernkraft und der Beherrschung der Atome, der bewußten Steuerung der Wettersysteme auf der Erde bis hin zu der Fähigkeit, die Erde zu verlassen, von der Entwicklung der Kernfusion und der notwendigen Gestaltung des sogenannten „Weltraum-Wetters“ - der kosmischen Strahlung: NAWAPA ist der notwendige nächste Schritt in einer Serie immer höherer Plattformen, über die die Menschheit immer weiter in die Rolle als Mitschöpfer des Universums hineinwächst.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Dossier: Großprokjekte
- Neue Solidarität Online