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Neue Solidarität
Nr. 49, 8. Dezember 2010

Le Monde berichtet über Politjustiz gegen Cheminade

Frankreich. Der Skandal um die Entscheidungen des französischen Verfassungsgerichtes bezüglich der Wahlkampfkostenabrechnungen im Präsidentschaftswahlkampf 1995 kommt in die Schlagzeilen.

15 Jahre nach der Zurückweisung der Wahlkampfkostenabrechnung Jacques Cheminades für seine Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen 1995 durch das Verfassungsgericht ziehen die Kraniche des Ibykus über die politische Szenerie, um dieses empörende Unrecht der gerechten Strafe zuzuführen. Die bis dahin beispiellose Entscheidung bedeutete damals, daß Cheminades Wahlkampfausgaben vom Staat nicht zurückerstattet wurden, was den Kandidaten, der weit weniger als alle übrigen Kandidaten für den Wahlkampf aufgewendet hatte - nur 4,7 Mio. Franc (das wären heute etwa 700 000 Euro) - finanziell ruinierte. Man vergleiche dies mit der erlaubten Obergrenze für die Wahlkampfausgaben in der ersten Runde von 95 Mio. Frank für die Hauptkandidaten, die von zweien dieser Kandidaten sogar noch bei weitem überschritten wurde.

Das empörende Unrecht dabei bestand jedoch weniger im finanziellen Ruin Cheminades, sondern darin, daß dieser Ruin noch immer als Vorwand dient, Cheminade zum Schweigen zu bringen und ihn, wie man es aus Afrika kennt, von einer neuerlichen Kandidatur abzuschrecken. Wäre er damals in der Lage gewesen, nachdrücklich in die politische Debatte einzugreifen, wären Frankreich und Europa heute nicht in der schrecklichen Notlage, in der sie sich befinden. Tatsächlich lautete seine wesentliche Botschaft 1995: „Jeder Kandidat, der jetzt nicht über die Finanzkrise spricht, ist wie jemand, der großartige Reden auf dem Deck der Titanic hält!“

Nun, wo das Euro-System vor dem Untergang steht, kommt es zu Unmutsäußerungen über das, was Cheminade damals angetan wurde. Und Kräfte aus allen Teilen des politischen Spektrums wenden sich gegen die an der Macht befindliche Clique um Nicolas Sakozy, indem sie auf deren verschiedene Achillesfersen zielen. Im Mittelpunkt der politischen und juristischen Offensive steht das System der Korruption, das 1995 die Präsidentschaftskandidatur des früheren Premierministers Edouard Balladur finanzierte - dessen Wahlkampfmanager und Haushaltsminister damals niemand anderes als Sarkozy war. 10 Mio. Franc an unrechtmäßigen Wahlkampfspenden wurden in bar auf sein Bankkonto einbezahlt, was eindeutig illegal ist! Man vermutet, daß dieses Geld aus Schmiergeldzahlungen für die Zustimmung zum Verkauf von U-Booten an Pakistan stammt (wir berichteten).

Neu ist jedoch, daß die Tageszeitung Le Monde am 26.11. auf der Titelseite einen Bericht mit der Überschrift „Falsch - aber akzeptiert: die Wahlkampfabrechnungen von 1995“ veröffentlichte, neben einem Bild des damaligen Vorsitzenden des Verfassungsgerichts, Roland Dumas, einem engen Mitstreiter und früheren Außenminister Präsident Francois Mitterrands nebst der Hervorhebung: „Was geschah am Verfassungsgericht nach der Präsidentschaftswahl von 1995? Die Wahlkampfabrechnungen des großen Verlierers, Edouard Balladur, hätten für ungültig erklärt werden müssen. Auch die des Gewinners, Jacques Chirac. Aber das geschah nicht - dank der Gerissenheit und der Stimme seines Präsidenten, Roland Dumas.“ Mit diesem Artikel diskreditiert Le Monde das gesamte politische System Frankreichs, einschließlich Jacques Chirac und Mitterrands Freund Dumas.

Der Artikel berichtet über den harten Kampf der Buchprüfer, die am 3.11.1995 den Mitgliedern des Gerichtes empfahlen, Balladurs Wahlkampfabrechnung abzulehnen. Bei der Abstimmung des Gerichts waren vier Stimmen dafür und vier Stimmen dagegen. Dumas selbst gab den Ausschlag für die Absegnung der Wahlkampfkostenabrechnungen von Chirac und Balladur, mit der Begründung, das Gericht könne es nicht riskieren, „die Präsidentschaftswahl zu annullieren“.

Aber im letzten Satz des langen Artikels wagt es Le Monde sogar, die Person zu erwähnen, die diese korrupten Kreise am meisten fürchten: Cheminade, der damit mitten auf die politische Bühne gerückt wird. Der Bericht von Raphaelle Bacquier und Pascale Robert-Diard schließt mit der Feststellung, daß an dem Tag, als die „weisen Männer“ Balladurs Abrechnung absegneten, „die Strenge der Verfassungswächter ein Opfer fand. Jacques Cheminade, der in der ersten Runde des Wahlkampfs 0,28% der Stimmen erhalten hatte, erlebte, daß seine Abrechnung zurückgewiesen wurde: Er hatte einen zinslosen Kredit aufgenommen.“

Auf den Bericht von Le Monde folgte eine Meldung von AFP, die im Internet weithin verbreitet wurde und aus einer Presseerklärung von Cheminades Wahlkampfkomitee zitiert. Darin werden der Regierung „schwerwiegende Handlungen“ vorgeworfen und es wird erwähnt, daß der Staat noch immer versucht, 173.000 Euro, die er 1995 für Cheminades Wahlkampf vorgeschossen hatte, vom Kandidaten einzutreiben. Die Meldung erwähnt auch, daß Cheminade seine Kandidatur für 2012 angekündigt hat.

sas