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Schweden. Nach der schwedischen Reichstagswahl droht dem Land eine liberal-grüne Sparpolitik. Das einzig positive am Wahlkampf war die von der EAP losgetretene Debatte über ein Trennbankensystem.
Das Resultat der Reichstagswahl in Schweden am 19. September war ähnlich katastrophal wie das des vorangegangenen Wahlkampfs. Die etablierten Parteien hatten im Tandem mit den Medien das Thema Finanzkrise ganz aus der Diskussion herausgehalten. Gegen die regierende Allianz aus vier Parteien, die bei der letzten Wahl 2006 gebildet worden war, hatten die drei Oppositionsparteien - Sozialdemokraten, Grüne und Linke (ehemalige Kommunisten) - einen Gegenblock gebildet. Die Medien präsentierten nur einen Zweikampf zwischen diesen beiden Blöcken und schlossen alle nicht im Parlament vertretenen Parteien aus den Debatten aus.
Die Regierung behauptete, sie habe die Finanzkrise überwunden, und die Opposition widersprach nicht, sondern behauptete, dank dieser „Krisenüberwindung“ könne man den Bürgern ein paar kleine Wahlversprechen finanzieren. Dabei stritten sie sich nur noch um ganze 2% des Staatshaushalts, weil das gesamte Kreditsystem der Rettung der Banken statt der Menschen vorbehalten bleibt.
Die einzige Partei, die mehr als ein paar Brosamen vom Tisch der Banker zu bieten hatte, war die mit Lyndon LaRouche verbundene Europäische Arbeiterpartei (EAP) mit einer Liste von 19 Kandidaten. Ihr Ziel bestand weniger darin, viele Stimmen zu erringen, sondern die internationale Kampagne für Glass-Steagall, ein weltweites Kreditsystem und Großprojekte wie NAWAPA und die Eurasische Landbrücke in den Wahlkampf zu tragen (bei Redaktionsschluß war das genaue Resultat für die Liste noch nicht bekanntgegeben).
Gegen die Medienblockade organisierte die EAP die größte Informationskampagne in der Geschichte der schwedischen LaRouche-Bewegung: Hunderttausende Menschen sahen die Banner an den Autobahnen rund um Stockholm und die Plakate. Zwei Broschüren wurden in einer Auflage von zusammen 100.000 Exemplaren verteilt, und auf der Webseite erschienen die ersten beiden Filme über die EAP-Aktivitäten in Schweden. Weitere Videos, aktuelle Meldungen, E-Mail-Verteiler usw. trugen zu einem enormen Anstieg der Besuche auf der Seite (www.larouche.se) im letzten Monat bei. Dies erreichte in den letzten Tagen vor der Wahl einen Höhepunkt, was die gestiegene Glaubwürdigkeit in verschiedenen Teilen der Gesellschaft zeigte.
Einer der beiden Filme beschreibt die Geschichte der LaRouche-Bewegung, wie etwa den Kampf für eine neue, gerechte Weltwirtschaftsordnung und gegen den Industrieabbau und die Nullwachstumsideologie in Schweden. Tatsächlich ist es der erste Film, der die jüngste Geschichte Schwedens von einem Pro-Wachstum-Standpunkt darstellt.
Weil alle anderen Darstellungen immer der Sicht des scheinbar siegreichen nachindustriellen Paradigmas folgen, welches jetzt finanziell wie auch realwirtschaftlich in sich zusammenstürzt, hatte dieser Film eine tiefgehende Wirkung. Ein Beispiel von vielen war ein Mann mittleren Alters, der sich an einem Infotisch der EAP meldete; er sagte, er habe die EAP nie gemocht, aber durch den Film habe sich das geändert. Auch sein Bild von Olof Palme (der langjährige sozialdemokratische Regierungschef und Wegbereiter des nachindustriellen Kurses) habe sich verändert. Er habe durch den Film eine völlig neue Weltsicht gewonnen.
In dem zweiten Film wurden die verschiedenen Punkte des Wahlprogramms der EAP vorgestellt, jeder Bereich von einem anderen Kandidaten. Der EAP-Vorsitzende Hussein Askary führt in das Programm ein und präsentiert später einen Abschnitt über Visionen für weltweite Entwicklung und ihr allgemeines Umfeld. Die beiden Filme erschienen auch auf einer DVD, zusammen mit der Aufnahme des Chorteils aus Beethovens Neunter Sinfonie auf Schillers Ode an die Freude, gesungen von der europäischen LaRouche-Jugendbewegung.
Alle Massenschriften und wichtigen Aktivitäten der EAP enthielten die Forderung nach einem Trennbankensystem wie dem amerikanischen Glass-Steagall-Gesetz, was lange ein Tabuthema in der schwedischen Öffentlichkeit war. Man kann sagen, daß in diesem Fall „die Liquidation der Agitation zu Hilfe kam“, denn am 30. August wurde die HQ Bank, die von allen Banken des Landes am wildesten spekuliert hatte, dichtgemacht. Die schwedische Finanzaufsicht verurteilte die Bilanzfälschungen und das Fehlmanagement der Bank und leitete das Konkursverfahren ein.
Auf diese Weise kam ans Licht, wie verantwortungslos nicht nur diese Bank mit den Einlagen der Kunden Geschäfte gemacht hatte. Das Thema beherrschte die Schlagzeilen, und in der Bevölkerung gab es allgemeine Empörung über die Spekulanten.
In zwei Artikeln in der großen Zeitung Svenska Dagbladet am 5. September wurden die Machenschaften der Banken scharf angeprangert. Der Journalist Andreas Cervenka verglich in seinem Beitrag mit dem Titel „Verschrottet die Massenvernichtungswaffen der Banken“ die Banker mit Al Kaida. Er schreibt: „Während die Terroristen des bärtigen Typs sich oft dafür entscheiden, mit ihren Opfern zusammen in den Untergang zu gehen, schnallen ihre Anzug tragenden Kollegen in der Finanzbranche ihre Bomben aus Derivaten und anderen explosiven Finanzinstrumenten oft Kollegen, Kunden, Aktionären und Steuerzahlern um, während sie selbst sich in sicherer Entfernung von der Detonation aufhalten.“ Wenn ein Croupier beim Roulette mit Geldern der Kunden Jetons kaufen würde, um an seinem eigenen Tisch riskante Wetten einzugehen, so verlöre er bald seinen Job. Aber in der Bankenwelt sei es allgemein akzeptierter Brauch, Einlagen aus den Zweigstellen in die interne Spielhölle der Bank zu stecken. Cervenka verweist auf die Verluste bei HQ von ca. 110 Mio. Euro und bei Société Générale von 4,5 Mrd. Euro. und fährt fort: „Hinter der unternehmerischen Fassade der Bank tickte eine Atombombe.“ Er endet mit der leider schwachen Forderung, Schweden solle die Beschränkungen für Spekulationen aus der Finanzreform in den USA übernehmen. Deutlich stärkere Forderungen zum Schutz der Kunden stellt der Broker Johan Tidestad von der Nordnet Bank in dem zweiten Artikel. „Ein erster Schritt könnte sein, die Banken zu zwingen, den Eigenhandel in gesonderte Unternehmen abzutrennen, die nicht den Einlagenschutz der Bürger genießen... Ein anderer Weg wäre, bestimmte Arten des Handels zu verbieten.“ Mit diesen beiden Artikeln war das Tabu des Trennbankensystems durchbrochen.
Am nächsten Morgen gingen die Leiter der beiden großen Bankaufsichtsbehörden sogar noch weiter. Der Leiter der Finanzaufsicht, Martin Andersson, leitete eine allgemeine Untersuchung der Finanzgeschäfte aller Banken ein. Bei der letzten Untersuchung dieser Art 2008 war man auf Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen der HQ Bank gestoßen. Andersson forderte zwar keine Änderung der Bankgesetze, bezog sich aber auf die internationale Glass-Steagall-Debatte über die „Abtrennung der Banken vom Kasino“.
Der Leiter des schwedischen Schuldenamts, Bo Lundgren, der während der schwedischen Bankenkrise 1990-94 Finanzminister gewesen war und für Bankensanierung und Einlagenschutz zuständig ist, sprach ausdrücklich von Änderungen im Bankgesetz: Man brauche sofort Reformen und könne nicht langwierige neue Untersuchungen durch die Regierung abwarten. In Schieflage geratene Banken sollten nicht einfach geschlossen werden, denn die Verluste hätten sich sofort vermehrt, sobald die Bank nicht mehr mit den Einlagen arbeitete. Statt dessen solle man, wie in einem neuen Gesetzentwurf vorgeschlagen wird, solche Banken einem staatlichen Aufseher unterstellen, ohne sie zu verstaatlichen und damit dem Steuerzahler die Verluste aufzubürden. So könne man die besseren Teile der Bank sanieren, während die alten Besitzer und Gläubiger auf dem faulen Teil sitzenbleiben. Das war inhaltlich eine völlige Kehrtwende Lundgrens, denn gerade er war bisher international eine Galionsfigur des Vorschlags der „Bad Banks“, wo der Staat die Verluste übernimmt, während die Banker den guten Teil behalten.
Die LaRouche-Bewegung nutzte diese Debatte natürlich voll und ganz aus, um auf eine Trennbankenreform zu drängen. Die Neugier in den etablierten Parteien wuchs, aber niemand wagte sich vor, auch nicht bei der Opposition, obwohl für sie starke Einbußen vorhergesagt wurden. Ein Aktivist der LaRouche-Jugend sprach die Vorsitzende der Sozialdemokraten, Mona Sahlin, persönlich darauf an, aber sie wußte nicht, was Glass-Steagall war. Sie nahm das Flugblatt und meinte, vielleicht könne sie es benutzen, um „die Wahl zu gewinnen“.
Bei der großen Medienaufmerksamkeit hätte der linke Block tatsächlich das Blatt in der letzten Woche noch wenden können, wenn er die Bankenrettungspolitik verworfen und für große Infrastrukturmaßnahmen geworben hätte. Aber selbst er wagte es nicht, die Banken anzurühren. Die Sozialdemokraten hatten Angst, weil die ihnen nahestehende Swedbank Probleme hatte, und diese Bank arbeitet seit langem mit der Familie Wallenberg zusammen, der die größte schwedische Bank SEB gehört. Nicht einmal den staatlichen Anteil an der einflußreichen Bank Nordea, die zur Inter-Alpha-Gruppe gehört, wollten sie als Druckmittel einsetzen. Nicht anders sah es bei den Grünen und Exkommunisten aus. Das konservative Svenska Dagbladet, Broker und Aufsichtsbeamte waren, wie gerade beschrieben, in ihren Angriffen auf die Spekulation der Banken viel fortgeschrittener.
Die langweilige, inszenierte Debatte zwischen den beiden Blöcken, die keine Aussicht auf produktive Arbeitsplätze für die Arbeitslosen bot, versetzte die schwedische Bevölkerung, die sich seit Jahrzehnen immer wieder begeistert auf neu auftauchende Oppositionsparteien stürzt, in Wut. So konnten die fremdenfeindlichen Sverigedemokraterna (Schwedendemokraten, SD) mit 5,7% ins Parlament einziehen. Die Grünen wurden mit 7,3% drittstärkste Partei. Die Regierung verlor die Mehrheit, die Opposition konnte sie nicht gewinnen und die rechte SD steht dazwischen. Die Sozialdemokraten erlebten einen historischen Tiefstand (3,7%), sie haben in den letzten beiden Wahlen insgesamt 9% verloren. Die früher gewerkschafts- und industrieorientierte Partei, die sich mit dem Kurswechsel unter Olof Palme in die grün-braune Richtung bewegt hat, verlor endgültig ihre seit 1932 bestehende vorherrschende Stellung in der schwedischen Politik. Von den Wählern, die sich von den Sozialdemokraten abwandten, gaben 26% als Grund dafür die Anti-Kernkraft-Haltung der Parteiführung an.
Die LaRouche-Bewegung hatte im Wahlkampf gewarnt, die Finanzoligarchie im Hintergrund der schwedischen Politik wolle die ausländerfeindliche Partei als „Vogelscheuche“ benutzen, um die Bevölkerung in die Arme einer liberal-grünen faschistischen Wirtschaftspolitik zu treiben. Das Muster ist hier das gleiche wie in den meisten europäischen Ländern. Die chaotische Lage im Parlament wird die Regierung schwächen und die oligarchische Macht der Banken stärken (wozu im Grunde alle parlamentarischen Systeme dienen). Schweden fehlt ein Präsident mit der Macht, sich in der finanziellen Zusammenbruchskrise den Banken entgegenzustellen, statt dessen haben wir nur einen Monarchen „ohne Macht“ als Witzfigur.
Nun fordert der konservative Block die Grünen auf, in die Regierungskoalition einzutreten, damit es eine „solide Mehrheit“ gibt, die eine „harte Politik“ durchsetzen kann, sprich faschistische Sparmaßnahmen, mehr Bankenrettungspakete und eine grüne, allgemein verbreitete Ideologie - nach dem Motto: „Laßt Oma und Opa kostengünstig und umweltfreundlich früher sterben.“
Die Hauptbedingung der Grünen für ihre Beteiligung an der Regierung ist, daß alle Pläne für den Bau neuer Kernreaktoren aufgegeben werden, und das war das einzig positive Wahlversprechen der Regierungsallianz gewesen.
Ohne die Intervention der LaRouche-Bewegung in die Wahl und die Eröffnung der Glass-Steagall-Debatte bestünde keine Hoffnung, Schweden mit seinen beträchtlichen industriellen Kapazitäten in eine Zusammenarbeit mit dem von LaRouche vorgeschlagenen Viermächtebündnis zum Wiederaufbau der Welt hineinzubringen.