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Neue Solidarität
Nr. 35, 1. September 2010

Mit Schiller in die Renaissance

Nilufar Bahadorifar von der LaRouche-Jugendbewegung berichtet über das Essener Schillerfest am 21. August.

Inmitten turbulenter Krisenzeiten mit einem globalen Wirtschaftskollaps, Flutkatastrophen, Nahrungskrisen, Massenarbeitslosigkeit etc. beschlossen wir, eine Portion Optimismus und Schönheit in die Bevölkerung zu bringen. Als das geeignetste Rezept dafür kam uns Friedrich Schiller in den Sinn. So veranstalteten wir am Samstag, dem 21 August, in Essen in einer Kirche ein Schillerfest. Dort haben Mitglieder der LaRouche-Jugendbewegung Gedichte von Schiller rezitiert, Lieder und Duetts vorgetragen, Vorträge über die Kultur und über Furtwängler gehalten, eine Violinsonate von Beethoven sowie ein Violinkonzert von Bach vorgeführt und die ersten sechs Stücke von  Bachs „Jesu meine Freude“ durch einen Chor präsentiert.

Wir sahen es als unsere dringende und notwendige Mission an, nach der Tragödie in Duisburg den schockierten und emotional verletzten Menschen mit wahrer humanistischer Kultur anstatt einer sinnfreien Vergnügungs- und trivialer Unterhaltungskultur zu begegnen.

30 Gäste waren bei der nahezu vierstündigen Veranstaltung anwesend. Es waren sowohl alte Freunde der BüSo gekommen, als auch neue Interessierte, die wir zum Beispiel zuvor bei unserer Demo in Duisburg getroffen hatten. Vor allem die älteren Unterstützer brachten Freunde und Familienangehörige mit.

Die Tatsache, daß vor allem junge Menschen sich nicht nur für klassische Musik und Kultur interessieren, sondern diese auch praktizieren und für eine klassische Renaissance kämpfen, sorgte für Begeisterung. Wie ist es möglich, junge Menschen für diese „unmoderne“ Kultur zu gewinnen? Diese Frage, für viele ein Paradox, wurde gelöst, als die Zuhörer verstanden, daß es bei den Gedichten nicht nur um Reime und Wörter, bei den Liedern nicht nur um Töne und Klänge geht, sondern daß eine gewisse Idee hinter all dem steckt.

So war es verständlich, daß wir aus diesem Grunde die Ballade „Die Bürgschaft“ von Friedrich Schiller vorgetragen haben, um uns an seine Botschaft  zu erinnern. In diesem Fall nämlich, daß das Prinzip der Freundschaft nicht auf gegenseitigen Nutzen, sondern auf Liebe und Treue basiert. Ebenfalls notwendig zu erwähnen ist, was heute vielmals in Vergessenheit gerät, daß zwischenmenschliche Beziehungen auf Gnade und Mitleid beruhen, was den Kern von Agape ausmacht.

Kasia Kruczkowski wies auf die Prinzipien und Denkaxiome hin, nach der unsere heutige Gesellschaft und Kultur funktioniert. Durch ihren Vortrag kristallisierte sich heraus, daß das heutige Verständnis von Gut und Böse, Richtig und Falsch, nur eine Frage der Ansicht bzw. der Betrachtung und der Meinung ist. Es herrscht das Gesetz des „Relativen“, denn man muß ja schließlich liberal sein und soll bloß keine Ideale haben, um Fanatismus zu verhindern.

Doch die Erklärung für die wirtschaftliche Krise und die Unterdrückung der geistigen Fähigkeiten der Menschen hätte nicht einleuchtender beschrieben und verstanden werden können, als vom kulturellen Standpunkt aus gesehen.

Die Akzeptanz der Menschen gegenüber einer brutalen und menschenfeindlichen Sparpolitik, das Verständnis für die Unterstützung von korrupten Spekulanten in Form von Rettungspaketen auf Kosten der Bevölkerung und vor allem die Resignation der Menschen, die den Glauben an sich selber verloren haben und in ihrer lamentierenden und passiven Untertanenmentalität gefangen sind, resultieren alle aus einer demoralisierten und degenerierten Kultur. Eine Kultur, die den Menschen als „Kostenfaktor“ und „Umweltverschmutzer“ betrachtet, sieht den Menschen als ein Störfaktor im System an. Doch diese Kultur ist nicht die deutsche Tradition nach Friedrich Schiller, Moses Mendelssohn, Nikolaus von Kues etc.

Unsere Aufgabe besteht darin, die Wurzeln dieser Ideen basierend auf Menschenliebe, Menschenwürde und Respekt wieder  zu erwecken.

Denn so wie der Poet Percy Bysshe Shelley schon damals herausfand, „ist es unmöglich die Werke der berühmtesten Autoren zu lesen, ohne von jenem elektrischen Funken ergriffen zu werden, der in ihren Worten glüht. Sie loten die Tiefe der menschlichen Natur mit einem alles umfassenden alles durchdringenden Geist aus und sind selbst vielleicht am aufrichtigsten erstaunt über seine Offenbarungen, denn es handelt sich weniger um ihre eigenen als viel mehr um den Geist der Zeit.“

Womöglich ist dies die Erklärung für die großzügigen Spenden in Höhe von 200 Euro und eine Mitgliedschaft. Die Besucher verstanden, daß das Schillerinstitut ein anderes Menschenbild repräsentiert und nach einem menschlichen Miteinander statt Gegeneinander strebt.

Offensichtlich wurde der Prozeß der Massenstreikbewegung, der auch hier schon längst da ist. Der Hunger und Durst nach höheren und schönen Ideen, die Freude und Optimismus auslösen, ist unvorstellbar groß. Zwei der Gäste hatten eine zweistündige Zugfahrt auf sich genommen um an der Veranstaltung teilzunehmen. Später sagten sie, daß es die lange Fahrt wert war und daß sie es jederzeit wieder machen würden.

Was allen klar wurde, ist die Notwendigkeit einer humanistischen Kultur und die Umerziehung der Gesellschaft. Das Ziel ist also die Transformation zu einer harmonischen Gesellschaft, mit kreativen und problemlösenden statt problemfixierten Menschen. Denn genau wie Schiller einst sagte:

 

„Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn,
Erzeugt im Gehirne der Toren.
Im Herzen kündigt es laut sich an,
Zu was Besserm sind wir geboren,
Und was die innere Stimme spricht,
Das täuscht die hoffende Seele nicht.“