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Neue Solidarität
Nr. 33, 18. August 2010

Die verhinderten Schildbürger zu Marburg

Zwischenruf

Seit gut zwei Jahren bemühen sich die Stadtväter der Stadt Marburg, eine Verordnung in Kraft zu setzen, die sämtliche Hausbesitzer der Stadt verpflichten würde, bei einer größeren Reparatur oder einem Umbau des Hausdachs oder der Heizungsanlage eine solarthermische Anlage zu installieren. Bisher scheitert dies am Widerstand des hessischen Wirtschaftsministeriums, und nachdem dieses sich weigerte, einem vom Verwaltungsgericht angeregten Vergleich zuzustimmen, kündigte der Magistrat der Stadt noch im März 2010 in einer Presseerklärung an, an seiner Klage festzuhalten und das Verfahren fortzusetzen.

In den Erläuterungen zu der Solarsatzung auf der Internetseite der Stadt Marburg heißt es ausdrücklich: „Die solare Baupflicht gilt auch für Kulturdenkmäler.“ Wer die Marburger Innenstadt kennt, der weiß, daß ein großer Teil der Innenstadt denkmalgeschützt ist, weil es sich um jahrhundertealte Fachwerkhäuser handelt. Für diese Kulturdenkmäler wird in der Satzung lediglich festgestellt, daß in diesen Fällen die Installation der Solaranlagen von der zuständigen Denkmalschutzbehörde - also dem Magistrat der Stadt - genehmigt werden muß. In diesen Fällen sollen, um das äußere Erscheinungsbild nicht zu stören, „Solaranlagen unauffällig in die Dachhaut oder Fassade integriert werden. Anzustreben ist eine Angleichung an authentisches Dacheindeckungsmaterial oder eine Montage als Indach-Anlage“.

Tatsächlich gefährden die Solaranlagen jedoch nicht nur das denkmalgeschützte Erscheinungsbild der Stadt. Wenn sich auf dem Hausdach eine Solaranlage befindet, dann hat die Feuerwehr im Falle eines Brandes erhebliche Probleme. Denn das „Dach über dem Dach“ erschwert die Löscharbeiten deutlich - das Löschwasser kommt oft einfach nicht dort an, wo es gebraucht würde. Besonders schlimm ist es, wenn es sich bei den Kollektoren um eine Photovoltaik-Anlage handelt, denn dann liegen dort bis zu 1000 V Spannung an - und schon 120 V können tödlich sein. Und anders als andere elektrische Anlagen kann man die Voltaikanlagen nicht abschalten, indem man die Sicherung herausdreht: Sobald Licht auf diese Anlagen fällt, stehen sie unter Spannung - sogar nachts, wenn die Feuerwehr Scheinwerfer einsetzt.

In letzter Zeit mehren sich daher die Fälle, in denen sich die Feuerwehrleute gezwungen sahen, betroffene Gebäude „kontrolliert abbrennen zu lassen“, um sich selbst nicht in Gefahr zu bringen. Das ist, wenn es sich um den Brand eines alleinstehenden Gebäudes handelt, für den Besitzer schon schlimm genug. Aber man kann sich leicht ausmalen, welche Konsequenzen es hätte, wenn die Feuerwehr sich bei einem Brand in der Marburger Altstadt zu einem solchen Vorgehen gezwungen sähe: Hier könnte ein Feuer leicht auf andere Gebäude übergreifen.

Es gibt viele Städte, in denen im Mittelalter auf diese Weise ganze Stadtviertel in Schutt und Asche gelegt wurden. Friedrich Schiller hat dies in seinem berühmten Lied von der Glocke beschrieben: „Hoffnungslos / Weicht der Mensch der Götterstärke: / Müßig sieht er seine Werke / Und bewundernd untergehn.“ Von den geschützten Denkmälern würde in diesem Fall nicht viel übrigbleiben.

Die Bürger von Marburg können also froh sein, daß ihre Stadtväter bisher an diesem Schildbürgerstreich gehindert wurden - ganz abgesehen davon, daß es aus ökonomischen und ökologischen Gründen völlig unsinnig ist, sein Geld für solche Anlagen auszugeben.

Alexander Hartmann

BüSo Hessen