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Neue Solidarität
Nr. 25, 23. Juni 2010

Die Geheimwirtschaft

Von Lyndon LaRouche
- Vierter und letzter Teil -

Die folgende Schrift mit dem Untertitel „Was Ihr Buchhalter nie verstanden hat“ erschien im englischen Original am 17. April 2010; wir veröffentlichen sie in mehreren Teilen.

IV. Das Imperium und unser Geist

Es ist ausreichend, und auch gerechtfertigt, wenn wir den vorliegenden Bericht auf die wichtigsten klinischen Fakten über die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der auf den Mittelmeerraum konzentrierten europäischen Zivilisation begrenzen, wie sie seit dem Fall Babylons und dem Aufstieg und Untergang des Persischen Reiches bekannt ist. Dabei übersehe man jedoch nicht bestimmte wichtige Aspekte der Entwicklung eines Mittelmeerzweiges einer Seefahrerkultur im Atlantik, der sich aus dem Dunkel der Vergangenheit des Mittelmeerreiches erhob, genausowenig wie bestimmte Entwicklungen landeinwärts entlang der großen Ströme, beispielsweise am Nil, in den Gebieten, die hauptsächlich durch die sogenannten „Seevölker“ besiedelt wurden und aus denen die europäische Kultur oder benachbarte asiatische Kulturen entstanden. Dazu gehören die Ableger am Nil, in Mesopotamien, am Indischen Ozean und am Schwarzen Meer, wie die Hethiter in Anatolien, sowie maritime Kulturen wie die Sumerer, die mindestens mehrere Jahrtausende vor Homers Trojanischem Krieg von den „Seevölkern“ gegründet wurden.

Was sich aus den Seefahrerkulturen über Jahrtausende hinweg bis zum Peloponnesischen Krieg entwickelte, ist das Erbe einer vorherrschenden Zivilisation im Mittelmeerraum, die aus einem antiken oligarchischem System expliziter oder faktischer Sklaverei oder „Leibeigenschaft“ entstanden war. In seinen Grundzügen entsprach dieses System dem Mythos des olympischen Zeus, dessen Herrschaft in Aischylos’ Prometheus-Trilogie als hierarchische, oligarchische Tyrannei dargestellt ist. Dieses Dokument steht auch nicht im Widerspruch zu den Bildern, die sich der Fachmann aus den entsprechenden Chroniken des Diodorus Siculus macht.

Meine eigenen Untersuchungen über die Prinzipien des menschlichen Geistes haben einige von uns zu einer Sicht der Geschichte gebracht, die ich im Verlauf des vorigen Kapitels bereits kurz angerissen habe und jetzt noch genauer untersuchen werde.

Die menschlichen Kulturen zeichnen sich gegenüber allen anderen Lebensformen, die unter dem Menschen stehen, einschließlich der Säugetiere allgemein, speziell dadurch aus, daß der menschliche Genotyp potentiell, bewußt und in einzigartiger Weise kreativ ist - kreativ in dem Sinne, wie sich dies in den wissenschaftlich-technologischen Faktoren einer qualitativen, willentlichen Abfolge von Veränderungen im bewußten Verhalten unserer Gattung äußert. Diese Fähigkeit der Veränderung fehlt bei allen anderen bekannten Arten, einschließlich aller Tiere. Zum Beispiel sei die wichtige Tatsache bedacht, daß nur der Mensch willentlich das Feuer nutzt. Oder man betrachte die ureigene Entdeckung des Gravitationsprinzips durch Johannes Kepler - Albert Einstein bezeichnete Keplers Arbeit als „wasserdichtes“ Beispiel für genau dieses Unterscheidungsmerkmal.

Wenn ich hier den Begriff „kreativ“ („schöpferisch“) benutze, wie er schon ausführlich im vorherigen Kapitel beschrieben wurde, verstehe ich darunter die Fähigkeit der menschlichen Gattung, willentlich geordnete, qualitative Steigerungen der relativen potentiellen Bevölkerungsdichte hervorzubringen. Kein anderes bekanntes Lebewesen hat sich als fähig erwiesen, solche bewußten Veränderungen zu bewirken, zu denen unsere Gattung fähig ist, wenn zum Beispiel nur ein einziges Individuum ein wahres universelles Prinzip entdeckt. Das natürliche Potential für die gesunde Entwicklung einer individuellen menschlichen Persönlichkeit liegt in dem, was man als die dem Menschen innewohnende Qualität eines „Halbgottes“ bezeichnen kann - in dem speziellen Sinn der besonderen Eigenschaft, die Mann und Frau im ersten Kapitel der Schöpfungsgeschichte übertragen wurde.

Gleichzeitig ist jedoch zu beachten, daß es in bekannten menschlichen Gesellschaften eine gängige Praxis war und ist, durch ein allgemeines Verbot durchzusetzen, daß kein Angehöriger der sogenannten „unteren sozialen Klassen“ seine schöpferischen Fähigkeiten nutzen darf. Nur ein kleiner Personenkreis, dem sozusagen „die akademischen Priesterhände aufgelegt“ wurden, erhält ausdrücklich Zugang zu dem eigentlichen Wissen und der freien Nutzung des kreativen Potentials. So erließ der olympische Zeus der Prometheus-Trilogie in der Legende das symbolische Verbot der „Nutzung des Feuers“. Dieses Verbot veranschaulicht beispielhaft die verbreitete Gewohnheit, den Großteil der Mitglieder einer Gesellschaft faktisch in Sklaverei oder Leibeigenschaft zu halten. Ähnliche Methoden verlangt heute die „babylonische Priesterkaste“ der derzeitigen „Umweltschutz“-Kulte nach dem Vorbild von Prinz Philips World Wildlife Fund für einen weltweiten Völkermord.

Vor dem Hintergrund der eben angestellten Betrachtungen wollen wir jetzt den eigentlichen Hauptgegenstand dieses Berichtes darstellen: „die besonderen schöpferischen Fähigkeiten der Menschheit“; wir begeben uns auf die Suche nach der wahren Identität des zukünftigen durchschnittlichen „prometheischen Menschen“. Ich meine nicht kindische Phantasien von einem „Superman“, sondern gesunde schöpferisch-geistige Fähigkeiten, die man in den kommenden Generationen beim Menschen zunehmend als ganz normal betrachten wird - Männer und Frauen, die sich durch Selbstentwicklung darauf vorbereiten, daß der Mensch noch vor Ablauf dieses jungen Jahrhunderts die ersten Schritte zur Eroberung des nahen Weltraums tun wird.

Ich sehe deutlich die Fakten, die schon jetzt darauf schließen lassen. Ein solcher Fortschritt ist bis zu den letzten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts erreichbar und sollte diese Zeit prägen. Man behalte diesen Gedanken im Kopf, wenn wir jetzt den entscheidenden Punkt, den ich im vorhergehenden Kapitel kurz vorgestellt habe, näher ausführen.

Kehren wir nach dem Gesagten nun zu dem Thema zurück, bei dem wir im vorherigen Kapitel stehen geblieben waren: „Was ist eigentlich der menschliche Geist?“

Wir kehren somit wieder zum Thema der Kreativität zurück, das wir im letzten Kapitel verlassen hatten.

Der wahre menschliche Geist

Das Problem, welches ich dort aufwarf, war die Tatsache, daß die Geistesobjekte, die wir als Sinneswahrnehmungen betrachten, keine Bildergalerie des wahren Universums sind, sondern eher Schatten, die das Universum wirft. Keplers einzigartige Entdeckung des Prinzips universeller Gravitation verdeutlicht das zu betrachtende Problem: Das tatsächliche Wissen des Menschen über das Universum beschränkt sich auf entscheidende experimentelle Beweise, bei denen aus widersprüchlichen Erfahrungen aus zwei oder mehr Arten der Sinneswahrnehmung Anhaltspunkte für den tatsächlich wirkenden Gegenstand abgeleitet werden, welcher die entsprechenden Schatten für die Sinneswahrnehmung geworfen hat.

Der Punkt wird noch klarer durch die Verwendung vom Menschen geschaffener Instrumente, wie Mikroskope und Teleskope, als Ersatz für die eigene Sinneswahrnehmung - wissenschaftliche Instrumente als Hilfsmittel, um dem Menschen Zugang zu Eindrücken zu verschaffen, die er mit seinen Sinnen allein nicht ausreichend erfassen kann. Kurz gesagt: Was wir „sehen“, ist nicht das Objekt, das dieser Sinneswahrnehmung entspricht; wir „sehen“ bzw. erleben nur den Schatten, den die Quelle der Erfahrung wirft. Ich wiederhole: was wir eigentlich „sehen“, ist nicht das wahrgenommene Objekt, sondern ein Schatten, den der eigentliche Gegenstand durch sein Vorhandensein auf unserem Geist wirft. Wir müssen lernen, nicht das zu „sehen“, was wir gewöhnlich für einen Gegenstand in der physikalischen Raumzeit halten, sondern die Ursache der Schatten, die unser Geist als Realität wahrnimmt - also kein „reales Objekt“, sondern eine Singularität.

Wir müssen unsere Denkgewohnheiten so ändern, daß wir das „reale Objekt“ in Gedanken fassen können und darin die Wirkursache erkennen, die für die Wahrnehmung des bloßen Schattens, den der naive Beobachter fälschlicherweise für ein „real“ erkanntes Objekt der Sinneswahrnehmung hält, verantwortlich ist.

In einer informierteren Sprache der Physik wären wir dann in der Lage, in einem „kosmischen Strahlungsfeld“ die Realität einer Singularität wahrzunehmen. Haben wir unser Denken soweit geübt, daß wir dies tatsächlich tun, so gelangen wir geistig in einen wirksam ontologischen Erkenntniszustand, der ganz anders ist als das Reich der Schatten, die der naive Geist fälschlich als eine durch bloße Sinneswahrnehmung definierte Realität auffaßt.

Man denke zum Beispiel an die Veränderung der experimentellen Perspektive in Hinsicht auf Mendelejews Periodensystem der Elemente, die sich jetzt anbahnt. Mit dem, was wir in diese Richtung unternehmen, wird die Vorstellung von Mendelejews Sicht des Feldes, die sich mit der Zeit herausgebildet hat, in keiner Weise verletzt. Es bleibt ein Grad der Übereinstimmung zwischen einem Periodensystem, bei dem Vorstellungen vermeintlicher materieller Teilchen im Vordergrund stehen, und der „berichtigten“ Sichtweise von Singularitäten, die vorrangig im universellen Bereich der kosmischen Strahlung liegen. Verlieren werden wir bei dieser Veränderung unserer geistigen Sicht kaum mehr als den gewohnten Glauben an die vermeintlich offenkundige Existenz eines „leeren Raums“, welcher sich nunmehr als recht kindisch erweist.

Auf diese Weise gelangt unser Denken tatsächlich in den Bereich der physikalischen Relativität. Dieser Schritt mag zwar so scheinen, als steckte man nur einen Zeh ins Wasser, aber das Grundprinzip der veränderten Betrachtungsweise ist bereits deutlich genug, auch wenn uns noch die Erfahrung fehlt, wie es wirklich ist, durch die ganze kosmische Strahlung zu „schwimmen“. Diese Strahlung füllt alles aus, was fälschlicherweise als „leerer“ interplanetarer Raum gilt, wo Menschen in Zukunft manchmal mit relativistischer Geschwindigkeit reisen werden.

Sollten einige Leser bei all dem, was ich gerade dargestellt habe, argwöhnisch vermuten, „der macht uns doch was vor“, dann sollte man an die antiken Seefahrer zurückdenken, die in dem ständig wechselnden Nachthimmel einen gesetzmäßigen Zusammenhang entdeckten, der für das Navigieren auf See sehr nützlich war. Sie erkannten regelmäßige Veränderungen, wie etwa die des langen platonischen Zyklus [Platonisches Jahr, knapp 26.000 Jahre], auf den z.B. Bal Gangadhar Tilak in seinem Orion bei Betrachtungen über den vedischen Kalender aufmerksam wurde.

Es gibt in der Wirklichkeit keinen tatsächlich „leeren Raum“, den naive Beobachter für jenen gedachten Raum halten mögen, durch den sich die am Nachthimmel sichtbaren Körper voneinander abheben. Zum Beispiel muß man die Rolle von Magnetfeldern berücksichtigen, die an bestimmten Singularitäten bei der Verwendung kompaßähnlicher Instrumente deutlich wird. Darauf stieß man beim Navigieren auf See sogar schon in der sog. Vorgeschichte, was sich darin ausdrückt, daß man schon damals langwellige Wanderungszyklen des magnetischen Nordpols kannte.27 Was ich im weiteren Verlauf meiner Bemerkungen besonders unterstreichen will, ist die Auswirkung dieser Veränderung der geistigen Sichtweise, die ich gerade beschrieben habe. Anstatt so zu handeln, als seien die mit Sinneswahrnehmungen verbundenen Bilder „die reale Welt“, müssen wir bei der Erfahrung des realen Universums davon ausgehen, daß uns Sinneswahrnehmungen lediglich die Schatten der Realität zeigen. Der Zugang zur Erkenntnis der Realität liegt gerade in dem Bewußtsein des einzelnen, daß der Bereich der Sinneswahrnehmung lediglich ein Schatten des wahren Universum ist, in dem wir tatsächlich leben. Eigentlich „sehen“ wir uns gar nicht, sondern wir sehen den wahrgenommen, projizierten Schatten jenes Universums, in dem wir tatsächlich leben.

Den Standpunkt, den ich gerade dargelegt habe, sollte man nicht als etwas Neues, erst kürzlich Entworfenes betrachten. Übersetzt man das eben Gesagte in eine informierte, klassische Geschichtsauffassung, dann ist das, was ich hier geschrieben habe, im Grunde nichts anderes als der antike Begriff dynamis oder dessen neuzeitlicher Ausdruck Dynamik, wie Gottfried Wilhelm Leibniz ihn nannte. Und wie ich schon wiederholt hervorgehoben habe, entspricht dieser Begriff der Dynamik auch dem Phänomen, das der Dichter Percy Bysshe Shelley in den abschließenden Absätzen seiner Verteidigung der Poesie zur Beschreibung von gesellschaftlichen Veränderungen benutzt.

Anders formuliert lautet Shelleys Aussage: „Die Realität jagt unser Gewissen!“ Diese vorbewußte Ahnung der Realität von dynamis bzw. Dynamik als dem Bereich, in dem wir tatsächlich leben, zeigt sich besonders deutlich an der manchmal mysteriös erscheinenden Macht plötzlich auftretender sozialer Massenphänomene - ein solches Phänomen ist gegenwärtig der Aufstand des sozialen Gewissens in einem großen Teil unserer Bevölkerung gegen die tyrannischen Ungeheuerlichkeiten, mit denen die derzeit herrschenden Mächte die sich ohnehin immer weiter verschlechternden Lebensbedingungen in fast allen Nationen noch weiter verschärfen. Ein anderer Ausdruck sind die Geistesakte der größten, genialen Dichter und Wissenschaftler, deren typische Besonderheit ontologisch das Phänomen der wahren Metapher ist. William Empson versucht in seiner Schrift Seven Types of Ambiguity (Ausgabe von 1947) seinen Lesern einen Begriff zu vermitteln, warum gerade hierin die Schönheit liegt. Beispielsweise beruht ein wahrhaftiges - aber heute in der Fachwelt unbeliebtes - Verständnis von Shakespeare oder Friedrich Schiller sowie die Erfahrung von Ludwig van Beethovens Opus 132 oder Wolfgang Mozarts Ave Verum Corpus ganz wesentlich auf diesem ästhetischen Konzept.

„Die ganze Welt ist eine Bühne!“

Eine leicht zugängliche und rigorose Demonstration dieses Prinzip ist der vermeintliche „Zauber“ der so begrenzten klassischen Theaterbühne. Es gibt Belege in den Stücken Shakespeares, aber die Werke Friedrich Schillers bieten aus offensichtlichen Gründen einen noch besseren Zugang zu der vollen Bedeutung dieses Arguments.

Wenn die Idee der Tragödie richtig verstanden ist, müssen auf der Bühne keine Helden auftreten. Schiller betonte, man sollte bei der Aufführung eines Dramas nicht versuchen, sich aus den Hauptfiguren, die als Charaktere auf der Bühne dargestellt werden, bestimmte als Helden auszuwählen. Shakespeares Julius Cäsar, Lear, Macbeth und Hamlet sowie Schillers Wallenstein sind typisch für Dramen, die in einer moralisch verkommenen Gesellschaft spielen und in denen keine eigentlichen Helden als Hauptfigur auftreten. Schiller sagt uns, daß der Zuschauer - wie Max und Thekla im Wallenstein - den Helden in sich selbst suchen muß, gerade weil ihn die Enthüllung der brutalen, tragischen Entwicklungen auf der Bühne dazu inspiriert, ein wirklicher Bürger zu werden.

Das Erhebende an einem großen klassischen Drama oder Entsprechendem liegt darin, daß das Publikum dem begrenzten, kerkerartigen Bereich der bloßen Sinneswahrnehmung entflieht und sich in das Drama versetzt fühlt, welches sich zwischen den Personen auf der Bühne abspielt. Der unsichtbare Geist der verschiedenen Personen nimmt innerhalb der Vorstellungskraft des Zuschauers Gestalt an, z.T. unterstützt davon, daß die Figuren auf der Bühne Masken tragen. Tatsächlich ist dieser Bereich der Vorstellungskraft unsere eigentliche Welt als Mensch - ein Bereich der Unsterblichkeit, in dem das Äußerlich-Fleischliche als ein Schatten der Realität, als einfache Maske getragen wird. Auf der klassischen Bühne sind hinter den Masken alle Seelen unsterblich - dort, wo sterbliche Leidenschaften die Schatten und die nackten Seelen hinter den Masken die Wirklichkeit sind.

Die Sache wird noch interessanter, wenn wir diese Betrachtungen auf den Bereich einer klassischen Naturwissenschaft im Sinne von Platon, Cusa, Kepler, Leibniz, Riemann u.a. ausdehnen. Tatsächlich brauchen wir als Ausgangspunkt eine naturwissenschaftliche Nationalökonomie mit anti-positivistischen oder anderen anti-reduktionistischen Wurzeln, wie der physikalischen Chemie, die sich aus Bernhard Riemanns Revolution in der Physik ableitet. Pasteur, Mendelejew, Max Planck, W.I. Wernadskij, William Draper Harkins und Albert Einstein stehen für diese anti-reduktionistische (d.h. anti-positivistische) Schule einer Wissenschaft der physikalischen Chemie in physikalischer Raumzeit.

Was ich an dieser Stelle vor allem unterstreichen möchte, ist die entscheidende Bedeutung der wissenschaftlichen Vorstellungskraft. Ich führe dazu folgendes aus.

Der Mensch im Spiegelbild der physikalischen Raumzeit

Für den verbleibenden Teil dieses Berichtes wollen wir den Bereich der vermeintlichen Sinnesgewißheit als einen besonderen Spiegel an der Wand der Geschichte behandeln. Was uns dieser Spiegel zeigt, ist kein Bild des realen Universums, sondern wie Keplers Entdeckung der universellen Gravitation bewies, zeigt er uns nur den Schatten der Realität, welche auf eine besondere Art Bild in einem Spiegel projiziert wird, den wir gerne als unser Universum der verschiedenen Sinneswahrnehmungen betrachten.

Benennen wir nun das wichtigste Konzept, das wir zu diesem Zweck verwenden müssen: die Idee, daß der Mensch das Abbild von Gott dem Schöpfer ist - ein schöpferisches Wesen, das sich von allen anderen Gattungen abhebt. Dies bedeutet ganz einfach, daß wir untersuchen müssen, wie sich das von uns bewohnte Universum verhält, aber aus der grundsätzlichen Sicht des Menschen als Abbild des Schöpfers; eine Gottähnlichkeit, die sich daraus definiert, daß wir die Fähigkeit besitzen, die Bedeutung bewußter Kreativität zu erkennen. Mit anderen Worten, der Mensch ist von Natur aus Teil der willentlichen, zielgerichteten Schöpfung, wie man sie sonst nur mit der Vorstellung des Schöpfers des Universums verbindet.

Der Mensch ist keine armselige Kreatur aus jenen niederen Rängen, die unsere Sinne als Lithosphäre und Biosphäre wahrnehmen. Der Mensch ist von Natur aus dazu ausgestattet und damit bestimmt, willentlich an der Schöpfung teilzunehmen, weswegen Philo von Alexandria in dieser Frage Aristoteles zurechtgewiesen hat; der Mensch lebt, um an dem weiteren universellen Schöpfungsprozeß teilzunehmen. Das Verhalten des Menschen im Universum muß deshalb von einer moralischen Verantwortung gegenüber der Zukunft getragen sein. Wir Menschen sind dazu bestimmt, durch unsere Teilhabe einen Beitrag zum immerwährenden Fortschritt des von uns bewohnten Universums zu leisten, um dadurch das Universum und uns selbst besser zu machen.

V. Über Kreativität

Insbesondere die Vereinigten Staaten erleben derzeit eine Entwicklung, die manchmal als „Massenstreik“ bezeichnet wird. Unter den Gedichten, die ich vor vielen Jahrzehnten als junger Erwachsener komponierte - und seither lange vernachlässigte -, ist ein Zyklus zu einem Grundthema, das besonders in einem Gedicht mit dem Titel „Die Lyra“ zum Ausdruck kam: Es bezog sich auf eine bestimmte Art metaphorischer Ideen, die wie ein stummer Hauch das Universum durchziehen und dabei „Sterne wie Schilf umbiegen“. Ein wirklicher „Massenstreik“ ist im Grunde wie ein solcher Hauch.

In meinen späteren historischen Forschungen beschäftigte ich mich mit dem verwandten Phänomen, das die geniale und merkwürdig unmarxistische Rosa Luxemburg als den „Massenstreik“ bezeichnete, ein Konzept, das kein deutscher Sozialdemokrat oder ähnlich eingefleischter „Materialist“ je in einem kompetenten ontologischen Bezugsrahmen richtig verstehen konnte. In der englischen Literatur findet man gute Vergleiche für dieses gleiche Phänomen bei Dichtern wie Keats und Shelley zu ihrer Zeit und zuvor bei Shakespeare, im Deutschen im Genie Friedrich Schillers und in einigen Werken von Heine. Namentlich teilte keiner dieser Dichter die Weltanschauung von Paolo Sarpis reduktionistischem Kult des philosophischen Irrationalismus, der so typisch ist für Adam-Smith-Verehrer wie Marx und Engels oder die typischen Wallstreet-Liberalen von heute.

Bei Rosa Luxemburg drückte sich ihr ziemlich einmaliges Genie darin aus, daß sie als einzige bedeutsame politische Ökonomin ihrer Zeitnische die eigentliche Substanz und Bedeutung des Begriffs „Imperialismus“ verstanden hatte - der Historiker Herbert Feis vom US-Außenministerium bestätigte später ihre Definitionen politischer Ökonomie. Noch heute sind nur sehr wenige Ökonomen in der Lage, sich kompetent zu diesem Thema zu äußern.

Der einzig angemessene Ansatz, um das Geheimnis ihrer besonderen Kompetenz in dieser Frage des „Massenstreiks“ zu lüften, muß von dem Standpunkt des unmittelbar vorangegangenen Kapitels ausgehen. Nur von diesem Standpunkt aus läßt sich der revolutionäre Charakter der gegenwärtigen weltweiten Wirtschaftskrise kompetent verstehen. Ich muß hier erneut das Menschenbild, die Auffassung der Natur des menschlichen Geistes unterstreichen, die ich im gleichen Kapitel dargestellt habe. Der einzige geeignete Fachausdruck für die Beschäftigung mit Fällen wie diesem ist das von Gottfried Wilhelm Leibniz als Dynamik wiederbelebte antike klassische Konzept dynamis. Davon muß man immer ausgehen, wenn man ernsthaft versuchen will, die spezifische Art der Massenkrise in den USA und Europa heute zu verstehen.

Den Schlüssel zum Verständnis dieses Punktes liefert uns eine Untersuchung der ontologischen Bedeutung des Konzepts der Kettenlinie-Schlepplinie-Funktion (endlich, aber unbegrenzt), das ich in diesem Aufsatz genannt und auf seine Ursprünge in den sich gegenseitig befruchtenden Entdeckungen naturwissenschaftlicher Prinzipien im Werk von Brunelleschi und Nikolaus von Kues oder später in Johannes Keplers Entdeckung des universellen Gravitationsprinzips zurückverfolgt habe. Das hier anzubringende Argument lautet folgendermaßen.

Das falsche Verständnis menschlicher Wechselbeziehungen bei einem Sarpischen Reduktionisten läßt sich gewöhnlich darauf zurückführen, daß solche sozialen Beziehungen zu unrecht auf der Grundlage des ontologischen Irrglaubens an die naive Sinnesgewißheit ausgedrückt werden. Bereits das alte klassische Konzept dynamis beinhaltete eine viel bessere Sichtweise. Archytas’ einzigartige Lösung des Problems der Verdoppelung des Würfels war eine Errungenschaft, die von Eratosthenes später besonders gerühmt wurde, und sie entspricht dem Organisationszustand menschlicher Geistesprozesse, der mit dem Konzept von dynamis oder auch Leibniz’ Dynamikbegriff übereinstimmt. Unsere innere, eigentliche Existenz läßt sich nicht in ein System pressen, das mit Sinneswahrnehmung vereinbar wäre; es liegt ontologisch im Bereich der physikalischen Raumzeit, für den die Sinnesvorstellungen einer vermeintlich getrennten Wahrnehmung von Raum, Zeit und Materie bloß reine Schatten sind.

Lassen Sie sich davon nicht unnötig überraschen! Das reale Universum läßt sich nicht in Raum, Zeit und Materie „lokalisieren“, sondern nur als Ausdruck der relativistischen physikalischen Raumzeit. Versuchen wir, in Übereinstimmung mit diesen Tatsachen die Paradoxien zu klären, die sich scheinbar stellen, wenn man zwei jeweils unterschiedliche Bereiche A und B definiert: „A“ als das wirkliche Universum, wo die realen Wirkungen erzeugt werden, und „B“ als Bereich jener Schatten, die durch Vorgänge in dem wirklichen Bereich „A“ auf die nur scheinbar reale Welt „B“ geworfen werden.

Erneut sei hier gesagt, daß die Hauptfunktionen des menschlichen Geistes in dem liegen, was Gottfried Wilhelm Leibniz, der Begründer der neuzeitlichen Dynamik, ontologisch als „das Infinitesimal“ des von ihm und Jean Bernouilli entwickelten Kalkulus definierte  - im Gegensatz zu dem Schwindel der albernen reduktionistischen, nahezu positivistisch-mathematischen Argumentation, die der zum Liberalismus übergelaufene Leonhard Euler von Abt Antonio S. Contis Sarpischer Betrügerschule übernahm. Hier liegt der klarste Trennstrich zwischen kompetenten Physikern wie den Riemann-Nachfolgern Max Planck, Harkins, Wernadskij und Einstein und den letztlich inkompetenten bloßen Mathematikern der heutigen positivistischen Schulen. Die positivistischen Kultschulen der heidnischen Anhänger Paolo Sarpis und seiner intellektuellen Nachkommen heute kennen keine wirklichen physikalischen Prinzipien.28 Das bloße Vorhandensein der Phänomene des „Massenstreiks“ ist der entscheidende „experimentelle“ Nachweis für die Natur und Wirkung des „Massenstreikphänomens“, das Percy Bysshe Shelley in den Schlußabsätzen seiner Verteidigung der Poesie darstellt.

Das dort beschriebene Prinzip gehört auch in jene Kategorie der klassischen Ironie, die wir aus allen großen Kunstwerken und Kompositionen kennen.

Das gleiche Prinzip der Ironie zeichnet auch jede kompetente Darstellung und Aufführung sämtlicher Musikwerke klassischer Komponisten aus, die dem Vorbild Johann Sebastian Bachs folgten, bis zu Beethoven, Schumann und Brahms. Diese Werke und ähnliche Prinzipien in Poesie und Drama - oder etwa die angedeuteten Augen von Rembrandts gemalter Homer-Büste, die auf den verblendeten Aristoteles blicken - sind typisch für den Ausdruck wirklicher klassischer Ironie, die jede schöpferische Äußerung des menschlichen Geistes kennzeichnet.

Die hervorstechendesten Beispiele findet man darin, wie klassische Äußerungen wahrer Ironie die Seele einer großen Masse der Bevölkerung „bewegen“ oder „rühren“ können, so wie jetzt die Masse der normalen Bürger in den USA zu verstehen gibt, daß sie die gewählten Kongreßpolitiker verachten und sich von ihnen verraten fühlen, und die Entscheidungen der Politik in der überwältigenden Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung und anderswo eine wachsende Woge der Wut auslösen. Diese wachsende Mehrheit, die sich jetzt bewogen fühlt, mit höherer Geisteskraft zu sprechen, erscheint den meisten Beobachtern wie „ein übernatürliches Organ“, dessen Odem „Sterne wie Schilf umbiegt“.

In den Eingangsbemerkungen dieses Berichts schrieb ich: „Selbst noch in dieser Endphase des gefährlichen Niedergangs ließe sich die US-Wirtschaft retten.“ Am Ende des Berichts sollte deutlich sein, daß sich sogar die Wirtschaft des gesamten Planeten retten läßt, wenn die Vereinigten Staaten entsprechend handeln und vorangehen. Entscheidend ist weniger, was man denkt, sondern wie man denkt. 


Anmerkungen

27. Um die Vorstellungskraft und das Denken des Lesers in der Hinsicht anzuregen, verweise ich auf das mindestens 4000 Jahre alte Relikt einer wahrscheinlich phönizischen oder vergleichbaren Seefahrerkultur in North Salem im US-Bundesstaat New Hampshire, eine Fundstätte, die ich 1982 mit meiner Frau besichtigt habe.

28. Am besten läßt sich dies wahrscheinlich klären, wenn man sich mit dem Positivismus David Hilberts in Göttingen beschäftigt, nicht mit den allerschlimmsten Fällen, wie den Bertrand-Russell-Verehrern Norbert Wiener und John von Neumann, die Hilbert wegen grundlegender wissenschaftlicher Inkompetenz aus Göttingen hinauswarf.

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Die Geheimwirtschaft - Dritter Teil
- Neue Solidarität 24/2010
Die Geheimwirtschaft - Zweiter Teil
- Neue Solidarität 23/2010
Die Geheimwirtschaft - erster Teil
- Neue Solidarität 22/2010
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