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Neue Solidarität
Nr. 25, 23. Juni 2010

Glass-Steagall-Debatte in Europa

Martine Aubry, Generalsekretärin der Sozialistischen Partei Frankreichs (PSF), sprach sich am 13. Juni in der bekannten Fernsehsendung C Politique für die klare Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken aus, so wie es mit dem Glass-Steagall-Standard in den USA zur Zeit in der Debatte sei. Das Bankenregulierungsgesetz, das in Frankreichs Nationalversammlung debattiert werde, sei zu lasch und enthalte noch nicht einmal das einfache Verbot bestimmter Spekulationsgeschäfte, so wie es Angela Merkel durchgesetzt habe.

Das scheint bei den Sozialisten keine Einzelmeinung zu sein. So schreibt der Abgeordnete Pierre-Alain Muet, der als Berater sowohl für Frau Aubry als auch für den früheren Wirtschaftsminister Michel Sapin tätig ist, in einer Pressemitteilung der PSF: „Ohne eine starke Finanzmarkt- und Bankenregulierung, was besonders die Trennung von Geschäfts- und Investmentaktivitäten einschließt, und ohne die Ächtung reiner Spekulationsinstrumente wird die Kasinowirtschaft voll weitergehen... Nicolas Sarkozy und Angela Merkel schreiben die EU-Kommission an, um europaweit klare Maßnahmen gegen spekulative Leerverkäufe durchzusetzen, doch man kann sehen, daß die deutsche Kanzlerin in ihrem Handeln ihren Worten folgt, während der Präsident der französischen Republik nur Reden hält, denen keine Taten folgen.“

Auch in Österreich wird inzwischen über die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Reform des Bankensektors diskutiert. Ein Beispiel ist ein Beitrag im „Wallstreetblog“ der Zeitung Der Standard von Sepp Wall-Strasser, Leiter des Bereichs Bildung und Zukunftsfragen im Österreichischen Gewerkschaftsbund Oberösterreich (ÖGB), am 14. Juni unter der Überschrift „Politikwechsel 1: Sanieren beginnt mit einer anderen Politik“.

Er schreibt: „Sanieren ist weniger ein technisches Problem denn ein politisches. Daher liegt die große Krise noch vor uns.“ Schuld an der Krise sei die Politik, denn, so Wall-Strasser: „Die neoliberale Strategie - und das heißt einfach: die Strategie derer, die ihr Geld arbeiten lassen wollen - war genial: alle Entscheidungen, die der Entfesselung des Kapitals dienten, wurden in den USA und Europa durch demokratisch gewählte politische Entscheidungsträger herbeigeführt. Man könnte sagen, es war dies ein demokratisch herbeigeführter Putsch im Sinne der Rentiers und des Finanzkapitals... und es waren immer mehr auch (sozial)demokratische, ehemals linke und grüne PolitikerInnen und Parteien, die die Entscheidungen im Sinne der Marktliberalen nicht nur mitgetragen, sondern auch herbeigeführt haben.“

Als Beispiele hierfür nennt Wall-Strasser die Aufhebung des Glass-Steagall-Gesetzes in den USA unter Präsident Bill Clinton und die Politik der Schröder-Fischer-Regierung in Deutschland, die die ungezügelten Spekulationen der Investmentbanken und Hedgefonds in der Bundesrepublik erst so richtig möglich machten. Auch die Parteien „rechts der Mitte“ hätten sich „in der Regel in reine Propagandaorganisationen für eine radikale Privatisierungs- und Sozialabbaupolitik verwandelt“.

Infolgedessen sei die Politik unglaubwürdig geworden. „Die (noch) herrschende Politik der ehemals etablierten Volksparteien ist hilflos. Sie weiß nicht mehr, daß ihre Aufgabe ist: Schutz der Bevölkerung, Aufbau eines Gemeinwesens und Wohlfahrtsstaates, Sicherung der breiten Verteilung des Erwirtschafteten.“

Die Finanzwelt wisse hingegen sehr genau, was sie wolle. „Was sie dabei im Auge haben, ist, wie weit sie gehen können, ohne daß das Volk aufbegehrt. Sie wissen sehr genau, was ihre Maßnahmen bedeuten. Aber sie kalkulieren es ein. Sie rechnen sogar mit erheblichem Widerstand.“

Wall-Strasser schließt mit der Warnung: „Bisher, sagt man, hat es in der Geschichte kaum eine Gesellschaft geschafft, aus freien Stücken und aus Einsicht eine radikale Politikänderung zur Verhinderung von großen Katastrophen herbeizuführen. Es brauchte dazu immer große Krisen und/oder Kriege, um die Menschen zur Vernunft zu bringen. Aus all dem, was derzeit geboten wird, wird klar, daß auch diesmal die Chance, aus den politischen Fehlentscheidungen des neoliberalen Zeitalters zu lernen, von Monat zu Monat schwindet.“

alh