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Solon (640-561 v.Chr.)
Unserer
  Stadt droht nimmer in ewigen Zeiten Vernichtung
     Nach der Schickung des Zeus und der Unsterblichen Sinn.
  Breitet doch hochgemut des Allgewaltigen Tochter,
     Pallas Athene, als Hort schirmend die Hand über sie. 
Selbst
  jedoch treiben zum Sturze der Macht in verderblichen Wahnsinn
     Ihre Bürger, von Gier nach dem Gewinne verlockt,
  Und der unredliche Sinn der Führer des Volkes; doch denen
     Ist für den frevelnden Mut zahlloses Leiden verhängt.
  Nimmer wissen sie ja ihr Begehren zu zähmen, bescheiden
     Mit der gebotenen Lust eines geruhsamen Mahls. 
Reichtum ist einzig ihr Ziel, sei er mit Untat erkauft!
   Weder
  das heilige Gut noch auch des Volkes Besitz
  Achten sie, rauben und plündern, wo immer die Beute sich bietet,
     Und es kümmert sie nicht Dikes erhabnes Gebot,
  Die zwar schweigt, doch Geschehenes sieht und Vergangenes anmerkt,
     Aber mit reifender Zeit gnadlos Bezahlung verlangt. 
Schon
  schlug unentrinnbar der ganzen Stadt sie die Wunde,
     Daß sie in haltlosem Sturz elender Knechtschaft verfällt. 
Sie
  erweckt den schlummernden Krieg und der Bürger Entzweiung,
     Welche die liebliche Blüt' zahlloser Jugend geknickt. 
Übler
  Gesellen Ränke bedrängt die herrliche Stadt nun,
     Denen sich alle geschart, die der Gerechtigkeit bar. 
Solcherlei
  Übel geht um im Volke, und von den Verarmten
     Trifft gar viele das Los, fern in die Fremde zu ziehn,
  In die Knechtschaft verkauft und in Banden der Schande geschlagen. 
So
  dringt jedem ins Haus des Volkes gemeinsames Übel,
     Und die Tore des Hofs halten es draußen nicht ab.
  Not überklettert die höchsten Zäune, sie fahndet nach jedem,
     Wenn er auch sicher sich dünkt tief in der Kammer Versteck.
  
Dies
  euch lehrend zu künden, Athener, treibt mich mein Herze:
     Daß gesetzloses Tun Jammer auf Jammer nur zeugt. 
Ordnung
  jedoch und Wohlstand bewirkt die Zucht des Gesetzes,
     Die dem Verächter des Rechts fesselnd umschlinget den Fuß,
  Rauhes verglättet, Begehren bezähmt, den Übermut zügelt,
     Und des Verderbens Saat läßt schon verdorren im Keim,
  Einrenkt verbogenen Richtspruch, vermessenes Sinnen besänftigt,
     Dämmende Schranken gesetzt wider des Aufruhrs Gewalt,
  Und erstickt des wütenden Zwistes Hassen: So führt sie
     Zur gesunden Vernunft endlich die Menschheit zurück.
Übersetzung H. Färber