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Neue Solidarität
Nr. 11, 17. März 2010

Haiti: Erdbebenopfer auf sicheren Boden bringen und das Land wiederaufbauen!

Von Marcia Baker

In der Erdbebenzone Haitis, vor allem in der tiefgelegenen Hauptstadt Port-au-Prince, sind die Obdachlosen von Hochwasser, Erdrutschen und Seuchen bedroht, sobald die Regenzeit einsetzt. Es ist höchste Zeit, diese 1,3 Millionen Menschen in sichere Gebiete zu evakuieren und ein Großprogramm zum Wiederaufbau des Landes zu starten.

In diesen Tagen beginnt die Regenzeit in Haiti, und die dringlichste Aufgabe ist nun, rund 1,3 Millionen der etwa 10 Millionen Haitianer, die derzeit zusammengedrängt in den Trümmern von Port-au-Prince und anderen am 12. Januar vom Erdbeben getroffen Gebieten leben, schleunigst aus den Flußebenen heraus in sichere, höher gelegene Gebiete umzusiedeln. Gleichzeitig damit muß begonnen werden, das Land von Grund auf neu aufzubauen, d.h. die Infrastruktur, Landwirtschaft und Industrie und das Verkehrswesen zu entwickeln. Von den jährlich durchschnittlich 1386 mm Niederschlag in Port-au-Prince fallen typischerweise 78% in den Regenmonaten April-Oktober, davon alleine 17% - 234 mm - im Mai. Es gilt keine Zeit zu verlieren!

Am 1. März führte der frühere US-Präsident Bill Clinton als Sonderbotschafter der Vereinten Nationen ein Konferenzgespräch mit Vertretern der UNO und von Hilfsorganisationen, in dem er dringend um eine Ausweitung der Hilfslieferungen - Plastikzelte, Nahrungsmittel, Wasser, Medizin, sanitäre Anlagen - nachsuchte. Aber selbst wenn all dies schon morgen in ausreichenden Mengen geliefert würde, drohen den Opfern des Erdbebens, die schon seit Jahrzehnten unter der Globalisierung leiden, Regenfälle, Hochwasser, Erdrutsche und Krankheiten, denn es gibt keinerlei Infrastruktur.

Gleichzeitig mit den jetzigen Hilfsmaßnahmen für die Menschen dort, wo sie sind, müssen Umsiedelungen beginnen, um die Menschen in großer Zahl aus der Gefahrenzone herauszuholen und sie in sicheren, gesunden Unterkünften in Übergangslagern unterzubringen. Und es müssen schnellstens Programme nach dem Vorbild von Roosevelts „Civilian Conservation Corps“ (CCC, Arbeitsbeschaffungs- und Ausbildungsprogramm für junge Arbeitlose zur Zeit der Großen Depression) für den Hochwasserschutz, Aufforstungen, Verbesserungen in der Landwirtschaft und andere Infrastrukturmaßnahmen in Gang gesetzt werden. Das Ziel muß es sein, die Landschaft so umzugestalten, daß sie für moderne Siedlungen und Städte und wirtschaftliche Aktivitäten geeignet ist. Auf diese Weise verschmelzen die Rettung der 1,3 Millionen Flüchtlinge in der Erdbebenzone und der rund 600.000, die in andere Bezirke geflohen sind, und der Wiederaufbau der Nation zu einer einzigen Aufgabe.

Karte: UN-OCHA
Karte 1: Von den rund 1,3 Millionen Menschen auf Haiti, die infolge des Erdbebens vom 12. Januar ihr Obdach verloren haben, wurden nur rund 500.000 in sicherere Gebiete evakuiert. Nun leben sie in Zeltstädten ohne jede Infrastruktur.

Karte 1 zeigt die Verteilung der Erdbeben-Flüchtlinge im Land und deren Konzentration in der Erdbebenzone.

Umsiedeln - warum?

Die Opfer des Erdbebens wären zwangsläufig zu Krankheit und Massensterben verurteilt, wenn sie weiterhin in den Trümmern der Hauptstadt leben, wie es die jetzigen Hilfsstrukturen vorsehen, die mit George Soros, Bill Gates und anderen Repräsentanten des globalisierten Finanzsystems in Zusammenhang stehen.

Schon vor dem Erdbeben hatte Haiti kein einziges öffentliches Klärwerk, um Abwässer zu reinigen; es gab bloß kleine private Anlagen für ausgewählte Touristen- und Wohnanlagen mit sehr begrenzten Kapazitäten. Überall im Land werden Abwässer und Abfälle einfach weggekippt, und dementsprechend groß ist die Zahl der durch verschmutztes Trinkwasser verursachten Krankheits- und Todesfälle. Schon in den neunziger Jahren kam es durch fahrlässigen Umgang mit Abwässern und Abfällen bei mehreren der 18 Quellen, die Port-au-Prince mit Trinkwasser versorgen, zu bakteriellen Kontaminationen.

Aber nun sind selbst diese unzureichenden Anlagen durch das Erdbeben zerstört worden. So sind beispielsweise auf der Insel Gonave, wo vor dem Erdbeben 100.000 Menschen lebten, weitere 40.000 Flüchtlinge hinzugekommen. Die 60 Zisternen, in denen das Regenwasser gesammelt und als Trinkwasser verteilt wurde, sind durch das Erdbeben beschädigt. Ähnlich ist die Lage im gesamten Erdbebengebiet. Allein im Großraum Port-au-Prince leben inzwischen rund 25% der 10 Millionen Einwohner Haitis, denen die Stadt zur letzten Zuflucht wurde, als das Land aufgrund der Globalisierung immer mehr im Elend versank.

In dieser Lage ist der Aufruf von Sir John Holmes, dem Sekretär für Humanitäre Angelegenheiten und Nothilfe-Koordinator der UNO, in Port-au-Prince und Umgebung umgehend 20.000 Latrinen zu errichten, der gegenwärtigen Notlage angemessen - aber keine Lösung. Wenn die Regenzeit beginnt, werden Tausende dieser Jauchegruben überlaufen und die Verschmutzung, die schon jetzt Menschen krank macht und tötet, noch vergrößern. Noch einmal: Auch wenn alle lokalen Hilfsmaßnahmen schnell realisiert werden, sind sämtliche Einwohner der Stadt in Gefahr, Opfer des Mangels an Infrastruktur zur Wasseraufbereitung und zum Schutz vor Hochwasser und Erdrutschen zu werden.

Dieser Punkt wird noch durch die Tatsache unterstrichen, daß an eben jenem Tag, als Clinton zusätzliche Hilfe für Haiti forderte, bereits die Hafenstadt Les Cayes - die zweitgrößte Stadt des Landes an der Südküste Haitis - aufgrund einsetzender Regenfälle überflutet wurde, so daß das Wasser dort einen Meter hoch stand.

Umsiedeln - wohin?

In Haiti gibt es zahlreiche „Hochrisikozonen“, die durch Erdbeben, Hurrikane, Tropenstürme, Erdrutsche und Hochwasser bedroht sind. Nicht nur Port-au-Prince, das nahegelegene Carrefours und Les Cayes fallen hier auf, sondern auch das Delta des Artibonite-Flusses weiter im Norden. Auch Cap Haïtien und andere Städte an der Nordküste der Insel sind gefährdet. Andere Gebiete sind weit weniger gefährdet, beispielsweise im Nord-Departement, wohin nach dem Erdbeben mindestens 20.000 Menschen geflohen sind. Auch wenn der Küstenstreifen gefährdet ist, gibt es weiter südlich relativ sichere Zonen. Die Verwaltung des dortigen Departement erwartete nach dem Erdbeben sogar, daß sie von der UNO, den Hilfsorganisationen oder der Zentralregierung aufgefordert würde, 100.000-250.000 Flüchtlinge aufzunehmen, aber eine solche Aufforderung kam nicht.

Eine weitere Möglichkeit ist das Zentral-Departement. Premierminister Jean-Max Bellerive meinte in einem Interview mit dem Magazin Time vom 22.10.2010 („Haitis Premier: Wir können uns aus dem Elend nach dem Erdbeben erheben“), dieses Gebiet könnte sogar einen „Landwirtschafts-Boom“ hervorbringen. Das Zentral-Departement umfaßt einen großen Teil des sogenannten Zentral-Plateaus von Haiti, das aus vielen Gründen weit weniger gefährdet ist als die Flußniederungen. Das Zentral-Plateau ist eine 30 km breite Hochebene, die sich entlang des Guayamouc-Flusses 85 km lang von Nordwesten nach Südosten erstreckt. Dieser Fluß wiederum mündet in den Artibonite-Fluß (siehe Karte 2).

Karte: Rémi Kaupp, CC-BY-SA/Wikimedia Commons
Karte 2: Haitis vom Erdbeben zerstörte Hauptstadt Port-au-Prince liegt in einer Flußniederung, wo in der Regenzeit Überschwemmungen drohen. Weit weniger gefährdet ist das weiter nördlich gelegene Zentral-Plateau.

Das Konzept der Umsiedelung muß es sein, in verschiedenen relativ sicheren Zonen Gebiete für Massenunterkünfte auszuwählen und dann die Bewohner aus den gefährdeten Bereichen in diese neuen Lager zu bringen, wo sie nicht nur Unterkünfte, sondern auch Bildungs- und Kulturmöglichkeiten und vor allem sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten in vorrangigen Bauprojekten finden - Straßenbau, Hochwasserschutz, Abwasseranlagen, Wasserversorgung, Wiederaufforstung, Landwirtschaft, Leichtindustrie und Wiederaufbau der Städte. Es stellt sich sogar die Frage - die aber vom haitianischen Volk und seiner Regierung beantwortet werden muß -, ob nicht auch die Hauptstadt selbst aus der gefährdeten Flußniederung heraus verlegt werden sollte, wo sie sich seit der anfänglichen Besiedelung der Insel Hispaniola befindet.

In den dreißiger Jahren wurde im Rahmen der Rooseveltschen „Politik der guten Nachbarschaft“ das Artibonite-Tal-Projekt verwirklicht, das den Bau einer Talsperre mit Wasserkraftwerk, Bewässerungsanlagen, Hochwasserschutz und die Entwicklung der Land- und Wasserressourcen umfaßte. Es war eine kleine Version des New Deals in den Vereinigten Staaten, in dessen Rahmen die Täler des Tennessee, des Colorado und des Columbia erschlossen wurden. Das gleiche Prinzip muß heute in Haiti in den 29 kleineren Flußläufen angewendet werden. Im Zentral-Plateau begünstigen mehrere Vorbedingungen eine solche Entwicklung, etwa Grundwasservorkommen, die über Brunnen erschlossen werden können, Böden, die mit Düngung und anderen Maßnahmen ein exzellentes Erntepotential haben, usw.

Daraus lassen sich auch geeignete Auswahlkriterien für mögliche Standorte von Übergangslagern ableiten: Sicherheit, Nähe zu Entwicklungsmöglichkeiten für die Landwirtschaft und den Wiederaufbau, die Wasserver- und -entsorgung und relativ günstige Bedingungen für den Transport von Menschen und Material.

Rein rechnerisch könnten 1 Million Flüchtlinge in 50 Lagern für jeweils 20.000 Menschen untergebracht werden, die in verschiedenen der 10 Departements Haitis angelegt werden müßten.

Das eigentlich schwierige an der Aufgabe ist nicht die Auswahl der Standorte, sondern die Notwendigkeit, diese gewaltige Zahl von Flüchtlingen innerhalb kurzer Zeit - wenige Wochen, nicht Monate - zu evakuieren und daher auch die notwendigen riesigen Materialmengen zu bewältigen, die für den Bau und die Versorgung dieser Lager notwendig sind. Nicht nur die Flüchtlinge selbst müssen transportiert werden, wozu ein Pendelverkehr mit geeigneten Fahrzeugen eingerichtet werden muß, wofür wiederum die Straßen ausgebaut werden müssen. Ein Teil der Flüchtlinge kann per Schiff nach Cap Haïtien und Labadee an der Nordküste gebracht werden, wozu auch Kreuzfahrtschiffe herangezogen werden sollten. Die Royal Caribbean Cruise Lines, die derzeit die Hafenanlagen von Labadee - ein rein privates Touristenparadies an der Nordküste - betreibt, hat bereits geholfen, Personal und Nachschub für die Erdbebenhilfe zu transportieren. Dies ließe sich ausweiten, so daß während der Evakuation bis zu 5000 Flüchtlinge pro Fahrt transportiert werden können.

Umsiedeln - wie?

In ihrer gesamten Geschichte und Ausrichtung sind das Pionierkorps der US-Armee (Army Corps of Engineers, ACE) und sein kleineres Gegenstück in der Marine, die SeaBees (Navy Construction Batallions) genau auf solche Aufgaben wie den Bau mobiler Lagerunterkünfte, Hochwasserschutz, Straßenbau, Bau von Flugplätzen, Häfen, Fracht-Umschlag etc. zugeschnitten. Die Schwierigkeiten liegen vor allem darin, daß die Mannschaftsstärke des ACE in den letzten Jahren reduziert wurde, was im Rahmen der Mobilisierung für die Haiti-Mission rückgängig gemacht werden muß.

Bei der Errichtung der Unterkünfte und sonstiger damit verbundener Gebäude - Hygieneeinrichtungen, Küchen, Kliniken, Lagerhäuser und Räume für Bildung, Wissenschaft und Kultur - lassen sich die Techniken und Methoden nutzen, die seit Jahrzehnten beim Bau von Militärunterkünften und in der Katastrophenhilfe zu Einsatz kommen.

Ein Beispiel hierfür sind Spanngewebe-Bauten aus vorgefertigten Teilen. Die nebenstehenden Abbildung zeigt sog. Spanngewebe-Strukturen, wie sie jetzt in vielen Ländern in der Landwirtschaft, für Lagerhäuser, militärische Anlagen, in der Katastrophenhilfe und vielen anderen Bereichen eingesetzt werden. Sie sind die Nachfolger der alten Wellblechhütten des Zweiten Weltkriegs. Äußerlich ähnlich gestaltet, bestehen die heutigen Spannbögen-Bauten aus ultraleichten Aluminium-Rippen mit einem dünnen Blechbelag, oder aus extrem stabilen Stahlträgern mit tiefen Fundamenten und einer extrem starken Stoffbespannung.

Diese Strukturen lassen Spannweiten von bis zu 60 m zu und können je nach Bedarf für die Luftzufuhr, Türen, Licht etc. zurechtgeschnitten werden. Innen können sie variabel gestaltet werden - als kasernenartige Unterkünfte, als Schlafsäle oder einzelne Familienparzellen -, so daß eine hohe Wohndichte bei gleichzeitigem relativem Komfort möglich ist. Es gibt Hunderte von Beispielen für den Einsatz von Spanngewebe-Gebäuden unter schwierigen Bedingungen; so errichteten z.B. französische Militärpioniere in Kabul einen ganzen Krankenhaus-Komplex aus solchen Bauteilen.

Das gesamte Material ist relativ leicht zu transportieren, was angesichts des fast völligen Fehlens von Holz und anderem Baumaterial auf Haiti ein entscheidender Faktor ist. Außerdem können bei der Herstellung in den Vereinigten Staaten selbst CCC-artige Programme für junge Amerikaner organisiert werden, während in Haiti selbst ganze Heerscharen junger Leute beim Bau der Gebäude und Lagereinrichtungen helfen können.

Das CCC-Prinzip

Das gleiche Prinzip der CCC-Brigaden läßt sich auch für den Bau und die Instandhaltung aller übrigen Einrichtungen für die haitianischen Flüchtlingslager anwenden - Wasserversorgung, Leitungen, sanitäre Anlagen, Stromversorgung, Küchen, medizinische Zentren etc.

In den Lagern wohnen aber auch Arbeitskräfte verschiedener Altersgruppen und unterschiedlicher Qualifikationen, die im Rahmen der CCC-Teams beim Wiederaufbau des Landes eingesetzt werden können. Für das Verkehrswesen sind Hunderte von Kilometern an Straßen neu- oder auszubauen, Flugplätze müssen neugebaut oder erweitert werden. Gebraucht werden Lagerhäuser und Warenumschlagszentren sowie Einrichtungen zur Verarbeitung von Lebensmitteln und für die Leichtindustrie. Die Hafenanlagen müssen ausgebaut werden, während bis dahin provisorische Anlegestellen und Umschlageinrichtungen nach Militärart genutzt werden müssen.

Eine dringende Aufgabe ist die Entsorgung von 60 Mio. Kubikmetern Schutt.

Höchste nationale Priorität hat indes die Stromversorgung. Entscheidend hierfür ist die Wiederherstellung des Wasserkraftwerks am Peligre-See und der Bewässerungs- und Hochwasserschutzanlagen am Artibonite-Fluß und in den übrigen hochwassergefährdeten Gebieten. Der Peligre-See ist ein Stausee, der 1956-57 durch den Bau des Peligre-Staudamms am Artibonite-Fluß entstanden ist. Das Wasserkraftwerk am Staudamm liefert rund die Hälfte des Stroms, der in Haiti verbraucht wird, während die andere Hälfte vier mit Öl befeuerte Kraftwerke liefern. Das Wasserkraftwerk muß dringend wieder instand gesetzt werden. Seine hydroelektrische Leistung beläuft sich derzeit auf etwa 173 MW. Eine infolge der übermäßigen Abholzung stark erhöhte Bodenerosion hat dazu geführt, daß inzwischen ein Drittel des Stausees verschlammt ist, was sich jedoch beheben ließe.

Das Wasserkraftwerk wurde seinerzeit als Teil des von FDR gestarteten Infrastrukturprogramms für den Arbonite-Fluß vom Pionierkorps der US-Armee errichtet. Teil der heutigen Mission zum Wiederaufbau Haitis muß es auch sein, das Land ins nukleare Zeitalter zu führen. Dazu könnten Kernkraftwerke dienen, die auf schweren Barkassen fertig montiert an die Küste des Landes gebracht und dort eingesetzt werden können.

Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei

Haiti verfügt über ein großes landwirtschaftliches Potential, weil dort Nutzpflanzen und Bäume nicht nur der tropischen Regionen, sondern auch gemäßigter Klimate gedeihen. Es gibt genug Regen, und viele Feldfrüchte können zweimal pro Jahr angebaut werden. Seine langen Küsten bieten günstige Bedingungen für die Entwicklung von Fischerei und Aquakulturen. Von Nachteil sind jedoch die vielen Hanglagen und das erhebliche Hurrikan- und Erdbebenrisiko.

Das Ziel muß es sein, so schnell wie möglich eine Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln zu erreichen; dazu müssen die Anbauflächen und die Nutzung der Wasserressourcen ausgeweitet und die Fruchtbarkeit der Böden gesteigert werden.

Tatsache ist, daß Haitis Landwirtschaft in den letzten Jahren so heruntergekommen ist, daß 60% der Nahrungsmittel und sogar 80% des wichtigsten Grundnahrungsmittels Reis importiert werden müssen. Aber das ist kein Ausdruck einer naturgegebenen Armut; die Verarmung der Menschen und der Verfall der physischen Wirtschaft ist vielmehr Ausdruck der Globalisierung. Mit guten Düngemitteln, Saatgut, richtiger Wassernutzung und Anbaumethoden können die Erträge aller Feldfrüchte - Reis, Hirse, Zuckerrohr und eine große Zahl von Frucht- und Gemüsearten (etwa Mangos) sowie Spezialitäten wie Kaffee, Sisal und aromatische Ölsaaten - massiv gesteigert werden.

Die erste der beiden Saatperioden, von März bis Anfang April, beginnt gerade; sie brachte in der Vergangenheit rund 60% der Gesamternte. Die zweite Saatperiode dauert von August bis Anfang September. Die meisten ländlichen Regionen Haitis, außer der Südwesten im Umkreis von etwa 100 km um Port-au-Prince, sind vom Erdbeben des 12. Januar nicht direkt getroffen worden. Eine Mobilisierung der Landwirtschaft könnte also sofort beginnen.

Es fehlt nicht nur an der Entschlossenheit der USA, eine solche Mobilisierung zu beginnen, sondern es fehlt vor allem an Saatgut, Düngemitteln und Geräten. Der „Landwirtschafts-Cluster“ des UNO-Amtes für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten in Haiti, das sind 82 NGOs und UNO-Einrichtungen, angeführt von der FAO, berichtete am 25. Februar, daß nur 8% der Mittel, die für diese Saison angefordert wurden, zur Verfügung stehen. Am 12. Februar stellten der Generaldirektor der FAO, Jacques Diouf, Haitis Landwirtschaftsminister Joanas Gue und viele Nahrungsmittelhilfe-Organisationen einen 700-Mio.$-Plan für Spenden aus aller Welt für den Wiederaufbau von Haiti vor. Welche Verdienste oder Mängel dieser Plan auch haben mag - das Geld dafür wurde nicht gegeben, und deshalb ist der Plan Makulatur.

Sobald die Obstruktionspolitik der Regierung Obama überwunden ist, ergibt sich eine grobe Orientierung für das, was getan werden muß, aus einem Blick auf die landwirtschaftlichen Aktivitäten in früheren Jahrzehnten, als Haiti sich noch weitgehend selbst mit Nahrungsmitteln versorgen konnte. Damals wurden rund 900.000 ha der insgesamt 27.700 km2 Landfläche Haitis (2,775 Mio. ha) mit Feldfrüchten bebaut, weitere 500.000 ha waren Weideland, und nur 70.000 ha wurden bewässert. All das kann erheblich ausgeweitet werden.

Auch eine Wiederaufforstung der (vor allem für Heizzwecke) gerodeten Gebiete ist möglich, je nach Höhenlage mit Nadelwäldern, Laubwäldern oder Obstbäumen.

Auch das Potential für die Fischerei ist beachtlich. Untersuchungen der Küstengewässer Mitte des 20. Jahrhunderts zeigten einen großen Artenreichtum, z.B. rund 270 verschiedene Fischarten allein im Golf von Gonave. In den Flüssen und Seen lassen sich die Lebensbedingungen für Süßwasserfische verbessern, sobald die Wasserregulierungsprojekte in Gang kommen. Das ist besonders wichtig, um die Versorgung der unterernährten Bevölkerung mit tierischem Eiweiß zu verbessern.

Mobilisierung des Gesundheitswesens

Oberste Priorität muß eine umfassende Mobilisierung des öffentlichen Gesundheitswesens haben - von der Versorgung mit sauberem Trinkwasser über die Abwasserentsorgung, Verbesserung der Ernährungslage, Bekämpfung von Krankheitsüberträgern und Impfungen bis hin zur Krankenversorgung. Nach Angaben des Roten Kreuzes wurden bis zum 4. März 100.000 Personen in der Erdbebenzone geimpft, insgesamt sollen 700.000 Menschen geimpft werden. Der Impfstoff enthält Komponenten gegen Masern, Röteln, Diphtherie, Keuchhusten und Tetanus, außerdem werden das Wurmbekämpfungsmittel Albendazol sowie Vitamin A verabreicht. Die Teams vor Ort versuchen, täglich 10.000 Menschen zu impfen. Aber es muß sofort mehr Personal bereitgestellt werden, um die Impfkampagne zu beschleunigen.

Von besonderer Dringlichkeit ist es auch, gründliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Stechmücken zu ergreifen, denn sie sind die Überträger von Malaria und Dengue-Fieber.

Das US-Zentrum für Seuchenbekämpfung (CDC) schrieb am 4. März in einer Meldung: „Die Insel Hispaniola [mit den beiden Staaten Haiti und Dominikanische Republik] ist das einzige Land in der Karibik, wo die Malaria nicht ausgerottet wurde... [die verbreitetste Form] P. falciparum ist in den Niederungen Haitis endemisch.“ Diese Form der Malaria ist besonders aggressiv, und wenn nicht sofort Gegenmaßnahmen ergriffen werden, wird es mit Sicherheit zu einer massiven Ausweitung von Fällen kommen, sobald in der bevorstehenden Regenzeit faules Wasser in den Pfützen steht.

Schon vor dem Erdbeben wurden in Haiti jedes Jahr 30.000 neue Fälle von Malaria gemeldet. Fachleute schätzen jedoch, daß die tatsächliche Zahl bei 200.000 Erkrankten liegt, von denen jedes Jahr Dutzende sterben.

Auch das Dengue-Fieber ist in Haiti weit verbreitet. Unter den für die Moskitos günstigen Bedingungen der Regenzeit, insbesondere nach dem jetzigen Erdbeben, schreibt das CDC, „ist die Anfälligkeit der Bevölkerung für [Dengue-]Infektionen besonders stark... In den Flüchtlingslagern [in der Erdbebenzone] wird wahrscheinlich eine ganz besondere Dynamik von Überträger- [und Dengue-Virus-]Populationen herrschen.“ Das ist die höfliche Umschreibung des CDC für einen Holocaust, aber für Epidemiologen ist die Sprache eindeutig.

Die Bevölkerung muß daher umgehend aus den lebensfeindlichen Bedingungen der Erdbebenzone herausgeholt werden. Nach einer Evakuierung in sichere Gebiete kann eine umfassende Aufräumaktion im ganzen Land gestartet werden: Die Trümmer müssen geräumt die Überschwemmungsgebiete trockengelegt und Malaria und Dengue-Fieber durch den Einsatz von DDT ausgerottet werden - so schnell wie möglich.

FDR und das Pionierkorps

Ein solcher Umsiedelungs- und Infrastrukturplan für Haiti entspricht voll und ganz der Tradition des Amerikanischen Systems, Nationen gezielt zu helfen. Speziell für Haiti läßt sich auf FDRs „Politik der guten Nachbarschaft“ aufbauen, in deren Rahmen das ACE eingesetzt wurde, um die Infrastrukturanlagen im Flußtal des Arbonite zu schaffen, einschließlich des Staudamms, der 1956 zu den größten Wasserkraftanlagen des Kontinents gehörte.

Hätte man diese Entwicklungsrichtung weiterverfolgt, anstatt sich von Roosevelts Politik abzuwenden und auf die sogenannte Globalisierung zu setzen, gäbe es heute wohl bereits Kernkraftwerke auf Haiti, und die Lage der Bevölkerung wäre weit besser als jetzt. Aber durch die oben genannten Notmaßnahmen kann dies nachgeholt werden.

Das ACE hat schon Vorarbeiten für eine Evakuierung der Menschen aus der Erdbebenzone und für den Beginn des Aufbaus des Landes geleistet. Bereits im August 1999 veröffentlichten das Bezirkskommando des ACE in Mobile/Alabama und das Zentrum für Topographisches Ingenieurwesen in Alexandria/Virginia den Bericht „Einschätzung der Wasserressourcen in Haiti“. Darin schreiben die Hydrologen: „Diese Einschätzung kann der gastgebenden Nation helfen, indem sie die Bereiche aufzeigt, in denen der Bedarf besonders dringend ist, was wiederum dazu dient, die Finanzierung für die Entwicklung, Erhaltung und Verbesserung potentieller Wasserressourcen zu unterstützen. Zu den hervorzuhebenden Problemen gehören der fehlende Zugang eines großen Teils der Bevölkerung zu Trinkwasser, die Dichte und die hohe Sterblichkeit der Bevölkerung, der Mangel an Wasseraufbereitungsanlagen, die verheerenden Folgen der Abholzungen für die Wasserressourcen und das Fehlen hydrologischer Daten. Es sollten Pläne zur Regulierung der Wassereinzugsgebiete in Kraft gesetzt werden, um die Abholzungen einzudämmen und die Wasserressourcen zu steuern...“

In der Notlage, mit der wir es jetzt zu tun haben, muß das logistische Fachwissen entscheiden, wieviel Personal gebraucht wird, um das Ingenieurkorps von seiner jetzigen Mannschaftsstärke von 34.000 zu verdoppeln oder zu verdreifachen, damit die notwendige Infrastruktur in Haiti und in den Vereinigten Staaten geschaffen werden kann. Als Helfer können auch Reservisten und Pensionäre herangezogen werden.

Vor allem aber müssen dazu Hunderttausende von Haitianern und junge Menschen aus den USA eingesetzt werden, die jetzt arbeitslos sind, aber unter geeigneter Führung lernen können, wie man die notwendigen Arbeiten verrichtet und die Mission zum Erfolg führt.

 

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Das Elend in Haiti ist keine Naturkatastrophe!
- Neue Solidarität 9/2010
Wie man Nationen und Menschen wieder aufbaut
- Neue Solidarität 6/2010