[an error occurred while processing this directive] |
|
|
| Kernthemen | Suchen | Abonnieren | Leserforum |
|
Aus der Neuen Solidarität Nr. 7/2009 |
|
|
|
Von Helga Zepp-LaRouche
Während im US-Senat die Untersuchung der Ursachen und Verursacher der Finanzkrise gefordert wird, reagiert die Finanzoligarchie mit Medienkampagnen gegen den Papst und Roosevelt.
Während die Regierungen in Europa weiter mit wirkungslosen „Rettungspaketen“ Zeit und Steuergelder verschwenden, nur um dann wieder, wie jetzt in Deutschland, panikartig „auf die Schuldenbremse“ zu treten, und die Analyse des Problems noch gar nicht eingesetzt hat, haben im amerikanischen Kongreß und Senat ernsthafte Untersuchungen über die tieferen Ursachen der Finanzkrise begonnen. Der republikanische Senator Shelby aus Alabama forderte jetzt vor dem Bankenausschuß die Durchführung von Pecora-Anhörungen, die eine umfassende Untersuchung über die Gründe in Gang setzen müßten, die zu dieser Krise geführt hätten. Aber auch die Finanzoligarchie ruht andrerseits nicht: mit internationalen Medienkampagnen versucht sie, Stimmung gegen alle Ideen und politische Persönlichkeiten zu machen, die sich für ein neues Finanzsystem einsetzen, das am Gemeinwohl orientiert ist.
Dennoch gibt es erste Hoffnungszeichen für einen positiven Klimawandel in den USA. Die Anerkennung, daß „Lyndon LaRouche absolut recht gehabt hat“, was die Prognose der Systemkrise angeht, hat auch in wichtigen Kreisen die Bereitschaft erhöht, sich mit den von ihm vorgeschlagenen Lösungen zu beschäftigen. So hatte LaRouche seit einiger Zeit die Einsetzung einer Kommission gefordert, die in der Tradition Ferdinand Pecoras, der die Ursachen für den Crash von 1929 erforscht hatte, heute die Vermischung von inkompetenter Politik mit kriminellen Geschäften untersuchen soll, die zu der jetzigen Systemkrise beigetragen haben.
Genau dies forderte Senator Shelby jetzt bei der genannten Anhörung am 4. Februar, nämlich daß erst die Gründe für die Krise verstanden werden müßten, ehe sie gelöst werden könne. Wenn es keine vollständige Kenntnis gebe, was schief gelaufen sei, könne man auch nicht sicher sein, was geändert werden müsse. Die Krise dauere nun schon eineinhalb Jahre an, und er habe die Rettungspakete abgelehnt, weil sie Steuergelder verschwenden und offensichtlich nicht den geringsten Erfolg gehabt hätten.
Deshalb sei eine gründliche Untersuchung über die Marktgepflogenheiten, Marktregulierung und wirtschaftlichen Bedingungen nötig, und alle beteiligten Parteien müßten durch eine neue Pecora-Kommission befragt werden. Die historischen Pecora-Anhörungen hätten damals die Aussagen von Hunderten von Zeugen gehört und 12.000 Seiten Abschriften von über einhundert Anhörungen produziert. Der Untersuchungsstab habe aus mehreren Dutzend Anwälten, Buchhaltern und Statistikern bestanden, die Hunderte von Befragungen und Verhöre unter Eid durchgeführt hätten. Ein Budget für diese Anhörung sei schon beantragt.
Aber auch im Unterausschuß für Finanzdienstleistungen des Kongresses, der sich mit dem Madoff-Skandal beschäftige, bei dem der ehemalige Chef der NASDAQ-Börse seine Kunden immerhin um beachtliche 50 Milliarden Dollar betrogen hatte, wurde reichlich Material für eine neue Pecora-Kommission zutage gefördert. Der anerkannte Finanzprüfer mit Geheimdiensterfahrungen, Harry Markopolos, ließ jetzt eine Bombe einschlagen, indem er das Ergebnis seiner Nachforschungen im Fall Madoff präsentierte - nämlich daß ein nicht unerheblicher Teil der Madoff-Gelder aus dem Drogenhandel und anderen Quellen des organisierten Verbrechens stammte. Madoff habe einen unvorstellbar großen Schwindel organisiert, mit Geldern der russischen Mafia und des lateinamerikanischen Drogenkartells, von denen ein großer Teil über Offshore-Märkte geflossen sei. Überhaupt sei der einzige Grund, warum Anleger und Spekulanten ihre Geschäfte über Offshore-Märkte abwickelten, der, daß es sich (gewöhnlich zwischen fünf und fünfzig Prozent) um schmutzige Gelder handele. Im Falle von Madoffs Hedgefond, der extrem verschwiegen operiert habe und dessen Profitraten extrem hoch gewesen seien, sei der Prozentsatz illegaler Gelder mit Sicherheit mehr als fünf Prozent gewesen.
Nicht minder explosiv waren seine Vorwürfe, er habe der US-Finanzaufsicht SEC bereits seit dem Jahr 2000 wiederholt Warnungen vor den kriminellen Methoden Madoffs zukommen lassen, doch dies sei ignoriert worden. Die Untersuchungen seines Teams hätten zudem zutage gefördert, daß der Kundenstamm in den USA sich erheblich von dem in Europa unterschied. In den USA waren vorwiegend Rentenfonds, Krankenversicherungen und Studienstiftungen die Opfer, während es in Europa primär Königshäuser, alte Aristokratie, Geldadel und Neureiche waren.
Man muß die gesamte Geschichte der letzten 76 Jahre in Betracht ziehen, um zu würdigen, welche Panik diese Anhörungen im Senat und Kongreß bei der internationalen Finanzoligarchie auslösen, vor allem angesichts der Möglichkeit, daß Präsident Obama sein Versprechen wahr machen könnte, seine Präsidentschaft an der von Lincoln und Roosevelt zu orientieren. Denn die Tatsache, daß Roosevelt die Macht der Wall Street erheblich einschränkte und sich für die „forgotten men“, also die unteren Einkommensschichten und das Gemeinwohl einsetzte, traumatisierte diese Kreise nachhaltig. Nachdem Roosevelt zum falschen Zeitpunkt im April 1945 gestorben war, wurden unter Churchill und Truman enorme Anstrengungen in Gang gesetzt, um die axiomatische Basis des Denkens in der Bevölkerung, die die Wahl Roosevelts möglich gemacht hatte, zu ändern. Dazu gehörte u.a. die Förderung der Frankfurter Schule und des Kongresses für kulturelle Freiheit.1
So ist es nicht verwunderlich, daß derzeit eine internationale Medienkampagne eingesetzt hat, die keinen anderen Zweck hat, als die Politik Roosevelts zu verteufeln, so geschehen in den letzten Tagen in der Washington Post, Le Figaro, in Schweden und in Spiegel-Online. Dort schrieb der bekannte Neoliberale Gabor Steingart einen sophistischen Artikel mit der Überschrift „Was Obama von Deutschland lernen kann“, in dem er die historischen Tatsachen schamlos verdrehend die Errungenschaften Ludwig Ehrhards gegen den angeblichen Leichtsinn Roosevelts ausspielt.
Steingart setzt offensichtlich darauf, daß seine Leser die Geschichte nicht kennen. Tatsache ist, daß es Roosevelt gelungen ist, Amerika mit dem New Deal aus der Depression zu führen, während in Deutschland die Austeritätspolitik der Regierung Müller bis Brüning und Schacht zu Hitler geführt hat. Steingarts Lob für Ludwig Ehrhard verwischt auch die Tatsache, daß die Politik der Kreditanstalt für Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg primär an der amerikanischen Reconstruction Finance Corporation orientiert war, die Roosevelt nach seinem Amtsantritt zu einem Hauptinstrument für den Wiederaufbau gemacht hatte. Tatsache ist auch: Hitler hätte verhindert werden können, wären 1931 die Vorschläge des Ökonomen des Reichswirtschaftsministeriums Dr. Wilhelm Lautenbach oder des sogenannten WTB-Plans des Gewerkschaftsbunds ADGB umgesetzt worden. Beide Pläne sahen staatliche Kreditschöpfung zwecks Schaffung von Arbeitsplätzen vor, womit die sozialen Verhältnisse, die Hitlers Machtergreifung ermöglichten, behoben worden wären.2
Das bisher gesagte ist der internationale historische Kontext, in dem die unerhörten Entgleisungen zu sehen sind, die sich in Deutschland in den letzten Tagen in einer beispiellosen Kampagne gegen Papst Benedikt XVI. ereignet haben. Ob diese Kampagne, die gewisse Politiker und Journalisten, nicht aber den Papst nachhaltig geschädigt hat, nun das Ergebnis einer lang eingefädelten Operation ist oder eine Ad-hoc-Kampagne, die sich ein Versäumnis von Kardinal Castrillon Hoyos zunutze gemacht hat, oder eine Kombination von beidem, muß noch näher untersucht werden.
Welt-Online berichtete am 4. Februar von einem internen Vatikan-Bericht, in dem das Interview mit dem britischen Bischof Williamson als „bewußt gestellte Falle für seine Heiligkeit“ bezeichnet wird; die Ausstrahlung sei bewußt erfolgt, um dem Papst zu schaden. Auch die schwedische Zeitung Svenska Dagbladet zitiert Kirchenkreise in Rom, der schwedische Fernsehsender SVT habe das Interview mit Williamson bewußt drei Tage vor der schon lange vorher feststehenden Rücknahme der Exkommunizierung Williamsons und drei weiterer Bischöfe ausgestrahlt, um dem Papst so stark wie möglich zu schaden.
Dafür spricht allerdings der Zeitpunkt der Veröffentlichung. Denn die Entscheidung, nach dem Tod von Erzbischof Lefebvre den Versuch zu unternehmen, das Schisma zu überwinden, war unter den Kardinälen wohl schon Ende 2007 gefallen. Es war auch klar, daß dessen Anhänger noch nicht rehabilitiert sind, sondern erst noch ein Prozeß des Dialoges mit den Bischöfen folgen sollte, der klären sollte, ob sie bereit sein würden, die Beschlüsse des 2. Vatikanischen Konzils anzuerkennen.
Für die These einer eingefädelten Operation - das Vatikanpapier spricht von einem „minutiös vorbereiteten Fahrplan“ - spricht auch die Tatsache, daß die bekannte französische Enthüllungsjournalistin Fiametta Venner dem schwedischen TV-Sender undokumentierte Informationen über Williamsons Leugnung des Holocausts zugespielt hat. So kann es durchaus sein, daß der für das Interview verantwortliche schwedische Journalist Ali Fegan nichts von der bevorstehenden Wiederaufnahme in die Kirche gewußt hat. Das ändert aber nichts an der Rolle, die Enthüllungsjournalisten innerhalb einer ansonsten weitgehend kontrollierten Medienlandschaft spielen, die oftmals nur Auftragsjobs für nachrichtendienstliche Kampagnen ausführen.
Dem Papst die Tolerierung von Antisemitismus zu unterstellen, ist dagegen ungeheuerlich und wirft eher ein Licht auf die Denkmethode seiner selbsternannten Kritiker, als daß es die unbedingte Integrität des Papstes in Frage stellt. Daß ausgerechnet eine CDU-Kanzlerin meint, der Papst müsse seine Haltung zum Holocaust klarstellen, ist bezeichnend für die Lage in Deutschland, wo eine romfeindliche Haltung eine lange und geistesgeschichtlich problematische Tradition hat.
Der interne Vatikan-Bericht identifiziert nicht, wer ein Interesse daran hatte, diesen „minutiös ausgearbeiteten Fahrplan“ der Fallenstellung für den Papst auszuarbeiten, doch die Frage nach dem „cui bono“ ist nicht schwer zu beantworten. Papst Benedikt XVI. hat in der letzten Zeit wiederholt die negativen Aspekte der globalisierten Finanzwelt angeprangert, aber in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar 2009 tat er dies in der bisher umfassendsten Weise.
Dort attackierte er das System von „Finanztransaktionen, die auf einem extrem kurzfristigen Denken beruhen, das den Wertzuwachs aus Finanztransaktionen verfolgt“ und die „jeder Rücksicht auf das Allgemeinwohl entbehren... Die Einengung der Zielsetzung der weltweiten Finanzmakler auf die extreme Kurzfristigkeit“ zerstöre Produktion und Arbeit. „Ein auf kurze und kürzeste Fristen eingeengtes Finanzwesen wird gefährlich für alle, auch für diejenigen, denen es gelingt, während der Phasen der Finanzeuphorie davon zu profitieren.“
An anderer Stelle forderte Benedikt eine Reform des Finanzsystems, die an der Wurzel ansetzt; kurzfristige Rettungsversuche seien nicht ausreichend, man brauche ein ethisches Finanzsystem, das auf die Situation der Armen und auf die weltweite Nahrungsmittelkrise eingehen müsse. Und er sprach auch davon, daß die zunehmende Kluft zwischen arm und reich den Weltfrieden bedrohe.
Es ist auch bekannt, daß der Papst an einer neuen Enzyklika arbeitet, bei der man durchaus vermuten kann, daß sie auf das Scheitern der „ungezügelten freien Marktwirtschaft“ Bezug nimmt und ethische Maßstäbe verlangt, an denen sich ein neues System messen lassen muß.
Das Weltfinanzsystem ist hoffnungslos bankrott, und die führenden Regierungen haben sich seit 18 Monaten als unfähig erwiesen, diese Krise zu überwinden. Die Finanzoligarchie meint jedenfalls ungeachtet der Tatsache, daß dieses System ihnen selbst bereits gefährlich geworden ist, ein Interesse daran zu haben, den Geist Franklin D. Roosevelts ebenso zu bekämpfen wie die moralische Stimme des Papstes in diesem Moment des Zusammenbruchs.
Helga Zepp-LaRouche
Anmerkungen
1 Vgl. „Wie Deutschland seine Seele wiederfinden kann“, Helga Zepp-LaRouche, Neue Solidarität 32/2004.
2 Vgl. „Die Bedeutung des Lautenbach-Plans heute - Wie die Machtübernahme der Nazis hätte verhindert werden können!“, Helga Zepp-LaRouche, Neue Solidarität 1-3/2003.
Lesen Sie hierzu bitte auch: Die "Gewinner" sind oft die größten Verlierer - Neue Solidarität Nr. 6/2009 Pleitebanken fordern den „goldenen Schuß“ - Neue Solidarität Nr. 5/2009 Nicht alle Banken können gerettet werden! Momentum für Pecora-Kommission wächst - Neue Solidarität Nr. 3/2009 Ist das ganze Weltfinanzsystem ein riesiger Madoff-Schwindel? - Neue Solidarität Nr. 1-2/2009 Stellungnahmen und Reden der BüSo-Vorsitzenden - Internetseite der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) |
|
| Kernthemen | Suchen | Abonnieren | Leserforum |