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Aus der Neuen Solidarität Nr. 6/2009 |
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Konferenz. Vor rund 200 Gästen in Paris diskutierten Jacques Cheminade, Helga Zepp-LaRouche und mehrere französische Bürgermeister über den Weg aus der Krise.
200 Personen versammelten sich am 24. Januar in Paris zur Konferenz der Solidarité et Progrès, der Partei der LaRouche-Bewegung in Frankreich, unter dem Motto „2009 - Wege zur Veränderung des Systems“. Hauptredner waren der Präsident der Solidarité et Progrès Jacques Cheminade, die Bundesvorsitzende der Bürgerrechtsbewegung Solidarität Helga Zepp-LaRouche und mehrere Bürgermeister ländlicher Gemeinden. Gewöhnlich werden internationale, nationale und kommunale Politik als drei getrennte Welten gesehen, aber hier wurde erkannt, daß inmitten der Auflösung des jetzigen Weltwirtschafts- und Finanzsystems nur ihre sinnvolle Verschmelzung es dem einzelnen ermöglicht, zum Besseren einzugreifen.
In der Eröffnungsrede forderte Helga Zepp-LaRouche die europäischen Länder auf, in dieser weltweiten Krise des endgültigen Zusammenbruchs des Finanz- und Wirtschaftssystems der letzten 40 Jahre an der Lösung mitzuarbeiten. Ihr Ehemann Lyndon LaRouche habe im Zuge der neuen Dynamik in den amerikanischen Institutionen an Einfluß gewonnen, um die Regierung Obama dahin zu bringen, den Geist Franklin Roosevelts gegen die Bankenoligarchie zu erneuern. Die USA müßten möglichst noch in den nächsten Wochen, solange Obama auf der Höhe seiner Popularität sei, ihr gesamtes Bankensystem einem Konkursverfahren unterziehen, die berechtigten finanziellen Forderungen vom „Geldmüll“ trennen und die Kreditvergabe im Sinne der Verfassung reorganisieren, d.h. von Regierung und Kongreß aus massive Kredite in den Aufbau von Großprojekten und Realwirtschaft fließen lassen.
Davon ausgehend beschrieb Zepp-LaRouche die Perspektive einer internationalen Vereinbarung zwischen den wichtigsten Mächten, angefangen mit den USA, Rußland, China und Indien, um den Finanzinteressen entgegenzuwirken und dieses Modell des Insolvenzverfahrens und des Kreditsystems für Großprojekte auch im Weltmaßstab umzusetzen. Gingen die USA hierbei voran, so würde Rußland rasch nachziehen. Man habe sich in Rußland wegen der Einnahmen aus Rohstoffexporten lange Zeit sicher vor der Krise gefühlt, aber diese Illusion sei nun vorbei, und die wirtschaftliche Erschließung des russischen Fernen Ostens sei ohne eine Dynamik internationaler Entwicklung nicht möglich. Wenn die Regierung Obama die Pläne für eine US-Raketenabwehr in Polen und die Osterweiterung der NATO aufgebe, sei die russische Führung zu einer Partnerschaft bereit.
China werde bald folgen, denn die Regierung dort wisse, daß das Schicksal ihres Landes eng mit dem der Vereinigten Staaten verknüpft ist, einerseits wegen der USA als Markt für Chinas Exporte und andererseits wegen der gewaltigen Summen an US-Schatzanleihen in Chinas Devisenreserven. Ähnlich wie in Rußland sei auch in China die Entwicklung des Landesinnern im gegenwärtigen weltwirtschaftlichen Rahmen unmöglich. Indien schließlich sei zwar weniger exportabhängig, aber da zwei Drittel der Bevölkerung in bitterer Armut leben, werde das Land sich sicherlich auch anschließen, wenn die USA vorangehen.
Europa müsse sich zu dieser Ebene erheben, und die Bürger und die LaRouche-Bewegung müßten dafür sorgen, daß die politischen Entscheidungen in diesem Sinne gefällt werden. Um sich vom Einfluß des monetären Systems zu befreien, brauche man ein Europa der Vaterländer, wie es de Gaulle und Adenauer anstrebten, wo die Souveränität eines jeden Landes respektiert wird, auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Deshalb müsse Europa an der Zeit vor dem Maastrichter Vertrag von 1992 anknüpfen, alle seither geschlossenen europäischen Verträge annullieren und den Lissaboner Vertrag endgültig aufgeben. Europa müsse sich seiner besten humanistischen Tradition erinnern und mit seinen wissenschaftlich-technischen Fähigkeiten am Aufbau der Welt teilhaben. Helga Zepp-LaRouche unterstrich Europas besondere Verantwortung für die Entwicklung Afrikas: Statt mit China einen Konkurrenzkampf um die afrikanischen Rohstoffe zu führen, sollten beide gemeinsam Afrika in gleichberechtigter Partnerschaft die Mittel liefern, die es für seine Entwicklung braucht.
Roosevelts Ziel sei gewesen, nach dem Zweiten Weltkrieg Monetarismus, Imperialismus und Kolonialismus mit Hilfe gegenseitiger Entwicklung und eines Währungssystems fester Wechselkurse zu beenden. Die neue amerikanische Regierung müsse nun in seine Fußstapfen treten, und die Europäer müßten sich genauso in dieser Richtung engagieren.
Jacques Cheminade bekräftigte Zepp-LaRouches Aufruf, den Kampf LaRouches und aller anderen in Amerika, die ihr Land aus dem Griff der Wall Street und der Londoner Finanzinteressen befreien wollen, zu unterstützen, und er zeigte Wege auf, das System zu verändern.
Zunächst einmal dürfe man sich keine Illusionen über die Natur dieser Krise machen: Mit den Derivaten sei das ganze gegenwärtige Finanzsystem ein „Super-Madoff im Weltmaßstab“, und die Regierungen hätten nun finanziellen Giftmüll, der von jeder realen Wertschöpfung abgetrennt ist, mit Steuergeldern aufgekauft und garantiert.
Das eigentliche Problem bestehe in der falschen Vorstellung, Wirtschaft sei gleichbedeutend mit Geld. Nach dem Bankrott des neoliberalen Modells sei Adam Smith diskreditiert, doch es blieben noch Keynes und Marx, die beide Agenten des britischen Monetarismus gewesen seien. Der eine beurteile alles nur nach dem Geldumlauf, der andere behaupte, Wertschöpfung käme nur durch Ausbeutung des vom Arbeiter geschaffenen Mehrwerts zustande.
Tatsächlich aber komme es auf die technologische Dichte einer Volkswirtschaft an, also auf ,die Qualität der menschlichen Arbeitskraft, die mobilisiert wird, und die Dynamik der Veränderung der Natur zum Besseren durch den Menschen“. Der Staat müsse diese Dynamik schützen. Heute sei die Rede davon, daß Keynes’ Bretton Woods wiederkomme, doch in Wirklichkeit habe Roosevelt dessen Plan verworfen. Das Neue Bretton Woods müsse das Herzstück eines neuen Wirtschaftssystems bilden, das sich auf die Ideen der Schule der physischen Wirtschaft von Leibniz, Hamilton, List, Carey und Cauwès stützt, die auch Monnet und de Gaulle bei ihren Wirtschaftsplänen beeinflußten.
Cheminade erklärte weiter, Präsident Sarkozy wisse wahrscheinlich gar nicht, was er politisch ausgelöst habe, als er von einem Neuen Bretton Woods mit festen Wechselkursen sprach, aber man müsse dafür sorgen, daß er beim Wort genommen wird. Frankreich könne nicht allein handeln, sondern müsse gemeinsam mit Deutschland und Italien ein Katalysator für Veränderung werden. Das fange damit an, das Europa von Maastricht zu verwerfen und statt dessen ein Europa der Großprojekte zu schaffen. Deshalb müßten die Regierungen den Monetarismus der Europäischen Zentralbank (EZB) aufgeben und die Kreditausgabe ihrer eigenen Aufsicht unterstellen. Der Maastrichter Vertrag sei der Beginn der Abkopplung des Geldes von der Aufsicht der Staaten. „Die EZB, eine Bank der Bankiers, die den Finanzmüll übernommen hat..., hat nie versucht, das Interesse der Menschen zu verteidigen. Macht nichts - nun muß die Bevölkerung ihr ihren Willen aufzwingen.“
Dies sei ein ähnlicher Kampf wie in Amerika, wo die Federal Reserve der Aufsicht des Staates unterstellt werden müsse. Den Leuten, die behaupten, das sei unmöglich, antwortete Cheminade: „In Zeiten der Krise kennen wir Franzosen das Wort unmöglich nicht! Ebensowenig wie die Amerikaner! Dafür zu sorgen, daß die Menschen in Zukunft in einer besseren Gesellschaft leben, ist nie unmöglich.“
Er erläuterte, wie man durch entsprechende Vereinbarungen zwischen dem Staat und den Privatbanken diese Veränderung vorantreiben kann. Dazu müsse man in der Bevölkerung das richtige geistige Umfeld und die politische Basis aufbauen, die dies durchsetzt: um sich dafür einzusetzen, müsse sie es erst verstehen. Heute halte Sarkozy den Banken Strafpredigten im geheimen, ohne daß etwas durchsickere. Statt dessen solle man sich ein Beispiel an der amerikanischen Pecora-Kommission vom Anfang der dreißiger Jahre nehmen; ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß müsse die Praktiken der schuldigen Bankiers bloßstellen, und die Sitzungen sollten öffentlich übertragen werden.
Als Vorgeschmack darauf könne der Fall des sehr einflußreichen Chefs der Bank BNP Paribas, Michel Pébereau, dienen. Dieser habe seine Verbindungen zu Wirtschaftsministerin Christine Lagarde und Sarkozys Wirtschaftsberater Vincent Pèrol ausgenutzt und im Zuge der Sanierung der Bank Dexia dort einen seiner Leute an die Spitze gesetzt. Pèbereau habe seit der Präsidentschaftswahl 2007 mit einem Bericht über „zu leichtfertige Staatsausgaben“ die Regierung quasi mit den Staatsschulden erpreßt - doch nun sagt er nichts, wenn die BNP mehrere Milliarden von den 21 Mrd. Euro Geldspritzen der Regierung für die französischen Banken erhält, obwohl die 2008 in den Bilanzen 7 Mrd. Euro an Dividenden realisierten. Mit diesem Fall Pèbereau verurteilte Cheminade „den Transmissionsriemen zwischen der von den Gebräuchen der City beherrschten internationalen Oligarchie, den französischen Banken und unseren verantwortlichen Politikern“.
Cheminade forderte auch ein geordnetes Konkursverfahren, d.h. das Löschen der spekulativen Papiere, deren finanzielle Unterstützung nur zum Nachteil zukünftiger Investitionen geschehen könnte. Wenn man sich nicht dazu entschließen könne, diese toxischen Papiere auszulöschen, dann müßte man „die Menschen auslöschen“. Genau das ist der Finanzfaschismus, vor dem er in seinem Programm zur Präsidentschaftswahlkampagne 2007 gewarnt hatte. Um die Kontrolle über die Banken und den Kredit durchzusetzen, hat Cheminade die Maßnahme der zeitweiligen Verstaatlichung der Banken in die Diskussion gebracht, im Geist des Programms des Nationalen Widerstandsrats von 1944 und der Präambel der französischen Verfassung.
Bertrand Buisson
Lesen Sie hierzu bitte auch: Frankreich als Katalysator des „wirklichen“ Neuen Bretton Woods - Neue Solidarität Nr. 45/2008 Cheminade diskutiert mit Berater des franz. Premierministers - Neue Solidarität Nr. 43/2008 Inspiration in Krisenzeiten - Neue Solidarität Nr. 12-13/2008 Damit Ihr Einkaufswagen wieder voll wird! - Neue Solidarität Nr. 10/2008 Schändliche Ratifizierung und kurze Lebenserwartung - Neue Solidarität Nr. 9/2008 Internetseite von Jacques Cheminade - in französischer Sprache Internetseite der Solidarité et Progrès - in französischer Sprache |
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