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Neue Solidarität
Nr. 40, 30. September 2009

Helga Zepp-LaRouche spricht vor Ingenieursverband

Die BüSo-Kanzlerkandidatin war am 18. September zu Gast bei einer Arbeitstagung der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik (BVPI) mit 250 Teilnehmern in Westerland/Sylt und sprach dort auf einer Podiumsdiskussion zum Thema „Lehren aus der Finanzkrise“.

Helga Zepp-LaRouche war am 18. September Gast der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik (BVPI), die zur Arbeitstagung 2009 mit 250 Teilnehmern in Westerland/Sylt geladen hatte. Sie war eine von vier Teilnehmern der Podiumsdiskussion mit dem brisanten Titel „Lehren aus der Finanzkrise“. Mitdiskutanten auf dem Podium waren Dr. Karstedt, Präsident der Bundesingenieurkammer Berlin, Dr. Metzler, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Freie Berufe, und Dr. Marnette, bis Mai Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein.

Leiter der Diskussion war Herr Halbach vom ZDF, der Frau Zepp-LaRouche als Gründerin und Präsidentin des Schiller-Instituts und Kanzlerkandidatin der Bürgerrechtsbewegung Solidarität vorstellte und sie als erste mit der Frage zu einem Eingangsstatement aufforderte: „Welche Lehren müssen wir aus der Finanzkrise ziehen?“

Helga Zepp-LaRouche antwortete: „Ich würde zunächst mal sagen, daß dies nicht einfach nur eine Finanzkrise ist, sondern wir sind in der Zusammenbruchskrise des gesamten Systems. Das heißt, wir erwarten eigentlich, daß die nächsten Tage der Zusammenbruch unmittelbar bevorsteht.“

Das eigentliche Problem sei, daß es im Grunde bisher keine richtige Ursachenanalyse gegeben habe. Sie beschrieb dann die Analyse der BüSo: „Wir haben einen sehr starken Bezug zur Realwirtschaft. Und die Realwirtschaft ist seit langem auf einer Abwärtskurve, wenn wir es im Weltmaßstab sehen.“ Gleichzeitig sei die Kurve für die Geldmenge hyperbolisch nach oben gerichtet. „Dann haben wir eine dritte Kurve, das Finanzsystem... Die ging auch lange Zeit nach oben. 2007, als die Immobilienkrise ausbrach, machte sie einen Knick nach unten.

Die Leute sagen: Jetzt haben wir die Deflation, da brauchen wir uns wieder keine Sorgen zu machen, es wird alles immer billiger. Aber gleichzeitig ist diese hyperbolisch nach oben gehende Kurve - die eigentlich die Rettungspakete für die Banken, die Derivatgeschäfte, das heißt den reinen monetären Bereich des Finanzsystems betrifft - da staut sich eine Hyperinflation zusammen, die natürlich irgendwann sich entlädt. Und die wird sich dann entladen, wenn es zu massiven Einschnitten kommt, weil die Realwirtschaft so geschrumpft ist, daß es zu Verknappungen kommen wird.“

Als konkretes Beispiel führte sie die Milchbauern an, die aufgrund der derzeitigen Milchpreise nicht überleben können. „Und jeder kann sich vorstellen, wenn keine Kühe mehr da sind, dann wird eine Verknappung der Milch stattfinden und dann wird die Preisexplosion losgehen.“

Aufgrund dieser Deflationslage stünden Firmenpleiten, Massenentlassungen und der Bankrott von Kommunen bevor, „aber die wirkliche dicke Krise ist die Lage in Amerika. Amerika steht kurz vor dem Staatsbankrott: 48 von 50 Bundesstaaten sind praktisch insolvent, sie haben 30% Arbeitslosigkeit... Das ist die offizielle Zahl, wir haben eine ausführliche Studie gemacht. Wir haben ja auch in Deutschland nicht 3,5 Millionen Arbeitslose, sondern wir haben über 8 Millionen. Wenn Sie alle Kategorien mitzählen, kommen wir auf eine viel höhere Arbeitslosigkeit.“

Jetzt sei in Amerika der Punkt erreicht, wo die Bevölkerung nicht mehr mitmache: „Letzten Samstag fand in Washington eine große Demonstration statt, wo 300.00 Leute protestierten, während im Rest des Landes noch mal 500.000 Leute zusammenkamen. Die Bevölkerung akzeptiert nicht mehr, daß die Bankenrettungspakete im Wert von insgesamt 23 Billionen Dollar gezahlt werden.“

Es sei auch nicht zu erwarten, daß bei dem G20-Gipfel bei Pittsburgh irgend etwas Vernünftiges herauskommt. „Gordon Brown zum Beispiel schlägt Sparmaßnahmen vor. Wenn man auf diese Situation mit Sparmaßnahmen zu reagiert, dann schrumpft praktisch alles! Dann schrumpft die Produktion, die Kaufkraft, es schrumpft das Steueraufkommen, dann gehen wir in eine Spirale nach unten, wo es keinen Boden gibt. Und ich sehe nicht, daß von Europa irgendeine Initiative kommen wird. Verstehen Sie mich nicht falsch: Wir sind nicht am Punkt eines Weltuntergangs, sondern wir müssen wirklich einen Schritt nach vorn machen.“

Diese Ausführungen provozierten andere Teilnehmer erwartungsgemäß zu abmildernden Aussagen - „Ich sehe das alles nicht so negativ. Ich meine, die Märkte sind da, der Bedarf ist da...“ Sie führte jedoch aus, daß es bisher keinerlei Ursachenforschung gegeben habe, daß die gesamte Zunft der Ökonomen diesbezüglich versagt habe und insbesondere die dramatischen Einbrüche in der Realwirtschaft übersehen werden, die auch nicht erst vor zwei Jahren begonnen haben. Insbesondere ging sie auf den wichtigen Punkt ein, daß es eine Lösung unmöglich geben kann, bevor nicht der finanzielle Giftmüll entfernt werde. Sie betonte:

„Die ganze Globalisierung ist gescheitert. Die ganze Idee, daß man hochqualifizierte Produktion in sogenannte Billigproduktionsländer auslagert, ist gescheitert... Wir müssen es ersetzen durch eine Allianz von souveränen Staaten, die jeweils ihr eigenes Kreditsystem haben und dann kooperieren für gemeinsame Ziele. Also zum Beispiel die Rückkehr zu festen Wechselkursen, zu langfristigen, multinationalen Verträgen für gemeinsame Infrastrukturprogramme.

Wir können den Aufbau eigentlich sofort wieder beginnen, aber wir müssen uns von dem Giftmüll trennen! Wir können nicht das Weltfinanzsystem retten und den Giftmüll refinanzieren. Keiner weiß, wieviel das überhaupt ist. Jacques Attali, der ehemalige Berater von Mitterrand, hat mal in Marianne vor einem Jahr die Zahl von 1,4 Billiarden Dollar veröffentlicht. Das heißt, es ist ein Riesenbetrag. Wenn wir das finanzieren, ist eine Hyperinflation garantiert.

Wir schlagen vor, daß man diesen Giftmüll einfach streicht. Einige Leute werden dann Geld verlieren, das ist halt das Risiko. Man sollte dann sofort anfangen, neue Kredite auszugeben, um die Produktion wieder in Gang zu kriegen.“

Das werde aber nicht so schnell gehen, denn vieles sei schon zerstört worden: „Wenn man sich die Kollapszahlen des letzten Jahres anschaut: Stahl minus 50%, Maschinenbau, und zwar überall - China, Taiwan, Japan, Korea: Wir haben es mit enormen Zerstörungen von produktiven Kapazitäten zu tun. Deshalb wird der Aufschwung zwar möglich sein, am Anfang wird er aber schwierig werden. Aber wenn wir die richtige Politik machen und wieder die physische Ökonomie in den Vordergrund stellen und die ganze monetäre Seite wirklich abstellen, dann gibt es keinen Grund, warum wir es nicht schaffen sollten.“

Halbach fragte Zepp-Larouche ausdrücklich nach der von ihr geforderten Untersuchungskommission für den Bankensektor, worauf sie recht ausführlich auf die bahnbrechende Arbeit der Pecora-Kommission unter F.D. Roosevelt eingehen konnte.

Gegen Ende der Diskussion forderte sie die 250 Ingenieure heraus, sich mit dem Gedanken zu befassen, wie man die wertvollen industriellen Kapazitäten der Autoindustrie retten könne, indem man sie für die Produktion anderer Güter umrüstet, d.h. für die Herausforderungen eines industriellen Wiederaufbaus umstrukturiert.

Die letzte Frage an alle vier Diskutanten lautete, was sie als Bundeskanzler als erstes tun würden, wenn sie gewählt würden, eine Frage, auf die Frau Zepp-LaRouche am besten vorbereitet war.

aan/alh

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