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Neue Solidarität
Nr. 32, 5. August 2009

„Fundamentale Änderung des Weltwährungs- und Finanzsystems“

Der Antrag 1-00171 der Senatoren Peterlini, Pinzger, Thaler, Ausserhofer, D’Alia, Fosson, Cintola, Cuffaro, Giai vom 21. Juli 2009.

Der Senat stellt fest:

- vom 8.-10. Juli fand das Gipfeltreffen der G8 in L’Aquila statt, das ein wichtiges Forum für die Diskussion zwischen den Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Länder der Welt bot;

- dieses Gipfeltreffen war ein beachtlicher Erfolg für Italien und damit für alle, die an seiner Vorbereitung beteiligt waren, insbesondere für die Institutionen der italienischen Regierung, obwohl gewisse internationale Medien versuchten, Italiens Rolle genau zu diesem Zeitpunkt in Zweifel zu ziehen; wir müssen auch das große Verantwortungsgefühl fast aller politischen Kräfte Italiens anerkennen;

- unter Italiens turnusmäßigem Vorsitz der G8 förderte die italienische Regierung und insbesondere das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen einen Prozeß der Diskussion und Debatte unter den Regierungen der Mitgliedstaaten über die Notwendigkeit einer einschneidenden Reform des internationalen Finanz- und Wirtschaftssystems nach der ernsten Krise, die immer noch die globale Wirtschaft erschüttert und die einen Anstieg der Arbeitslosigkeit, den Verlust produktiver Kapazitäten und Schwierigkeiten in allen Bereichen der Wirtschaft, besonders aber unter den verletzbarsten Bevölkerungsteilen auch in unserem Land verursacht;

- unser Land kann besonders stolz auf den Diskussionsprozeß sein, den die Regierung in Gang setzte, um eine Reihe von Prinzipien zu identifizieren, die die Grundlage des „Lecce-Rahmens“ bilden, der beim Treffen der G8-Finanzminister in Lecce am 13. Juni beschlossen wurde. Das offiziellen Kommuniqué der G8 zitiert den Lecce-Rahmen als Grundlage für die weitere Ausarbeitung der Maßnahmen, die notwendig sind, um gemeinsam neue Regeln für die Weltwirtschaft aufzustellen, damit sich solche finanziellen Praktiken, wie sie die Spekulationsblase der letzten Jahre charakterisierten, und die dramatischen Konsequenzen dieses Phänomens für die Realwirtschaft nicht wiederholen;

- tatsächlich läuft der Prozeß der Monetarisierung der globalen Wirtschaft, der in den Vereinigten Staaten und Europa anfing, schon seit fast vier Jahrzehnten; es begann im wesentlichen mit der Abkopplung des Dollars vom Gold, gefolgt von einem Prozeß der Deregulierung, der bewirkte, daß Investitionen sich auf kurzfristige Finanzgeschäfte verlagerten und den produktiven Aktivitäten Kapital entzogen wurde; eine Reihe von Finanzblasen, von denen Staatsanleihen, die sogenannte New Economy und zuletzt Hypotheken-Papiere betroffen waren, hat in den letzten Monaten das gesamte Weltfinanzsystem an den Rand des Zusammenbruchs gebracht;

- die Reaktion der führenden Regierungen auf diese Krise konzentrierte sich fast ausschließlich auf den Versuch der Stabilisierung des Banken- und Finanzsektors durch Geldspritzen über Gesetzesinitiativen und Zentralbankausgaben, die allein in den industrialisierten Nationen die erschreckende Summe von mehr als 10 Billionen Dollar erreichten; dennoch konnte durch diese Maßnahmen der Aderlaß bei der Beschäftigung und beim Lebensstandard der Bevölkerung nicht beendet werden;

- die im Lecce-Rahmen vorgelegten Prinzipien, die als vorläufig und als Basis für weitere Diskussionen bezeichnet wurden, konzentrieren sich auf Regeln, welche die Transparenz der Finanzinstitute, eine stärkere Aufsicht, Maßnahmen gegen Steuerparadiese und die Stabilität des Systems garantieren sollen;

- diese Prinzipien sind zwar wichtig für die Sicherung der Stabilität, bilden aber nur einen Teil der Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, um der Monetarisierung, welche die globale Wirtschaft in den letzten Dekaden kennzeichnete, ein Ende zu setzen;

- tatsächlich gibt es zwei mögliche Methoden, mit der gegenwärtigen Krise umzugehen: die Durchführung einer „Korrektur“, indem man bestimmte Regeln für den Finanz- und Unternehmenssektor verschärft, aber ohne eine wirkliche Änderung in dem Ansatz, der in den letzten Jahren dominierte - oder die Anhebung dieser Reformen auf eine systemische Ebene und die Beseitigung der Pathologien, die zu der gegenwärtigen Krise geführt haben; dieses Konzept wurde auch von Wirtschaftsminister Giulio Tremonti zum Ausdruck gebracht, der ein neues System gefordert hat, „das auf Ethik beruht“;

- der italienische Senat debattierte im Februar 2009 eine Reihe von Resolutionen über die Frage eines „Neuen Bretton Woods“ (Resolutionen 1-00029, Peterlini et al., 1-00032, Morando et. al., 1-00035, Bricolo et al., 1-00033, Lannutti et al.), d.h. eine Reorganisation des internationalen Währungs- und Finanzsystems, die es erlaubt, die unmittelbaren Folgen der Krise zu stoppen und die Grundlage für eine gesunde, nicht-spekulative Wirtschaft in der Zukunft zu legen;

- die wichtigsten Punkte des Neuen Bretton Woods sind:

1. Sanierung des Systems nach dem Vorbild eines Konkursverfahrens, in dem die spekulativen Schulden (Derivate oder „Giftmüll“) gestrichen werden, während die Ersparnisse der Privathaushalte geschützt und die Finanzierung der notwendigen Aktivitäten in der Realwirtschaft garantiert werden. Wir müssen die Aufteilung in ordentliche Banken und andere Finanzinstitute wiederherstellen und die Vermischung zwischen der reinen Spekulation und der Realwirtschaft an der Wurzel beenden;

2. Neue Regeln, welche die notwendige Stabilität für die Produktion und den internationalen Handel garantieren: a) Wechselkurse, die durch Verträge zwischen den Nationen bestimmt werden („feste Wechselkurse“), um so die Fluktuationen der spekulativen Märkte zu vermeiden; b) Kontrollen des Transfers von Kapital zu spekulativen Zwecken („Kapitalkontrollen“), wodurch langfristige Investitionen in produktive Aktivitäten gefördert werden;

3. Anstelle eines rein monetären Systems ein Kreditsystem, welches niedrige Zinsen, langfristige Investitionen in Infrastruktur, Industrie und Hochtechnologie („produktiven Kredit“) sicherstellt, um die Orientierung der letzten Jahrzehnten, die schnellem Profit förderte und gleichzeitig produktive Aktivitäten bestrafte, zu brechen;

- obwohl dieser Frage bei internationalen Konferenzen, insbesondere beim Treffen der G20 in London, das am 1. April stattfand, und beim gerade beendeten Treffen der G8 in L’Aquila Aufmerksamkeit geschenkt wurde, erreichten die an diesen Orten vorgeschlagenen Reformen nicht die systemische Ebene;

- tatsächlich wurden die Mechanismen, die der Spekulation zugrunde liegen und zur Trennung der Finanzbewegungen von den Aktivitäten der Realwirtschaft geführt haben, nicht in Frage gestellt: die Verbriefungen, mit der die Verbindung zwischen Geldinstitut und Kunden gebrochen wird und die den Banken und Geldinstituten allgemein ermöglichen, von Bürgern aufgenommene Schulden als Werte zu behandeln, die man auf einem Markt handeln kann, dessen einziger Zweck ist, durch extreme Formen der Hebelung (Leverage) neue Quellen des Profits zu finden; die weitverbreitete Nutzung von Derivaten, deren ursprünglicher Zweck es war, Landwirte zu schützen, die aber zum zentralen Element einer Finanzblase geworden sind, die inzwischen so groß ist, daß man sie in Billiarden zählen muß, gegenüber der die Realwirtschaft winzig erscheint;

- auch wenn es unverzichtbar ist, alle Finanzinstrumente zu regulieren - wenn wir den wirtschaftlichen Kurs ändern wollen, reicht es nicht aus, einfach nur weitergehende Informationen zur Verfügung zu haben, oder Kriterien wie eine Beschränkung der Managergehälter oder stärkere Maßnahmen gegen Korruption und Steuerhinterziehung zu schaffen; das Risiko ist, daß wir über die Praktiken, die eigentlich Teil der Ursache des Problems sind, nämlich die Monetarisierung der Wirtschaft, einfach nur mehr wissen und ihnen den Anschein von Stabilität verleihen könnten;

- gerade weil diesen Fragen von Regierungen, Parlamenten und der Bevölkerung in aller Welt derzeit große Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist es notwendig, jetzt zu handeln, um systemische Reformen durchzuführen, bevor die alten Praktiken wieder aufkommen und es den Vertretern der Sonderinteressen gelingt, die Kräfte des Wandels zu blockieren;

daher beauftragt der Senat die italienische Regierung,

im Hinblick auf den bevorstehenden Gipfel der G20 in Pittsburgh zu handeln, um in allen internationalen Foren die Ziele des Lecce-Rahmens zu fördern und zu erweitern, um eine fundamentale Änderung des Weltwährungs- und Finanzsystems auf der Grundlage der Prinzipien des Neuen Bretton Woods zu erreichen: wirtschaftliches Wachstum muß auf dem Fortschritt in der Realwirtschaft und der Verbesserung der tatsächlichen Lebensbedingungen aller Menschen auf der Welt beruhen, und nicht auf spekulativen Mechanismen als Quelle scheinbarer Gewinne, die in Wirklichkeit das Wohlergehen und die Stabilität der Gesellschaft schädigen.