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Neue Solidarität
Nr. 26, 24. Juni 2009

Nachrichten aus Deutschland

Mega-Solarzelle in Afrika für europäischen Stromverbrauch?

Man fühlt sich an Jonathan Swifts Gullivers Reisen und seinen Besuch bei den Wissenschaftlern in Laputa erinnert: Der Versicherungskonzern Münchner Rück will zusammen mit anderen Investoren wie der Deutschen Bank, Siemens und RWE 400 Milliarden Euro sammeln, um Solarzellen in der afrikanischen Wüste zu bauen. Damit sollen dann angeblich bis Ende des nächsten Jahrzehnts 15% der europäischen Stromerzeugung gedeckt werden.

An dem Projekt „Desertec“ ist auch der Club von Rom beteiligt. Eben dieser Club of Rome hatte Anfang der siebziger Jahre nach eigenen Angaben bewußt alarmierende Zahlen über die noch vorhandenen Ressourcen vorgelegt, um mit seinen linearen Computermodellen Schauermärchen von angeblichen „Grenzen des Wachstums“ und  „Überbevölkerung“ zu verbreiten. Dabei wurde der Faktor der menschlichen Kreativität, z.B. durch den Einsatz der Kernenergie und Entwicklung der Kernfusion neue, billige Energiequellen für die Menschheit zu erschließen, methodisch bewußt außen vor gelassen, wie der Ökonom Lyndon LaRouche damals betonte.

Es ging ja auch um etwas anderes - nämlich darum, den Marsch in die „nachindustrielle“ Spekulationsgesellschaft ideologisch vorzubereiten und den Menschen einzubläuen, sie müßten sich - in einer zunehmend ausgeplünderten Weltwirtschaft - freiwillig einschränken. Für den Entwicklungssektor gab es dann ab Beginn der siebziger Jahre und der Verschuldungsspirale nach der „Ölkrise“ 1973 sowieso nur noch sog. „angepaßte“ Technologie“ - und die berüchtigten IWF-Konditionen, um Schulden einzutreiben.

Statt mit Solarzellen vollgepflastert zu werden, müssen die Wüsten jetzt zurückgedrängt und begrünt werden! Afrika benötigt die Kernenergie, um seine Bevölkerung ausreichend mit billigem Strom versorgen zu können, z.B. für Meerwasserentsalzung im großen Stil.  Deutschland muß sich der Renaissance der Kernenergie anschließen und hierzulande wieder moderne Kernkraftwerke bauen, um den eigenen Bedarf zu decken.

Und auf neue „Ökofinanzblasen“ kann die Welt wohl auch sehr gut verzichten.

Arcandor-Pleite - ein Fall für Pecora

Die Insolvenz von Arcandor eröffnet einen Blick auf das häßliche Gesicht der Globalisierung, und das gleich in mehrerer Hinsicht:

Li & Fung ist eine der größten Lieferantenfirmen für Kaufhausketten in aller Welt. Auch Arcandor (Karstadt/Quelle) arbeitet mit Li & Fung zusammen. Die Aufgabe der 1906 gegründeten Handelsgesellschaft mit Sitz in Hongkong, die für den Freihandel mit dem britischen Empire gegründet wurde, besteht darin, Verträge zwischen Billiglohnfirmen aus China und anderswo mit Kaufhausketten in den USA und Europa abzuschließen. Dabei werden z.B. asiatische T-Shirt Hersteller zum Nutzen der Mittelsmänner und natürlich der Endverkäufer preislich gegeneinander ausgespielt. Wie WalMart, verkaufen westliche Kaufhausketten Billiglohn-Produkte aus Ostasien wie Bekleidung und andere Billigwaren. Der Profit entsteht zwischen der Billiglohnproduktion und den letztendlich viel teureren Warenhauspreisen. William Fung ist ein Direktor der britisch-imperialen Hongshang Banking Corporation (HSBC), die der über hundert Jahre alten Firma in ihrer Geschichte immer beistand.

In Deutschland wurde Ende 2006, als die Immobilienblase schon zum Bersten aufgeblasen war und innerstädtische Immobilienpreise sehr hoch waren, entschieden, die Karstadt-eigenen Häuser mit der berüchtigten „Verkaufen und zurückleasen“-Masche dem spekulativen Markt auszuliefern. Vorangetrieben wurde dies laut vielfachen Presseberichten maßgeblich von der Bank Sal Oppenheim, der wiederum Frau Schickedanz als Hauptbesitzerin von Arcandor finanziell verpflichtet war. Dafür wurde ein Konsortium mit dem Namen Highstreet gegründet; Goldman Sachs' Immobilienfiliale Whitehall bekam 51% der deutschen Immobilien, Karstadt/Quelle (Arcandor) behielt 49% der Anteile.

Die Übernahme war fremdkapitalfinanziert: Whitehall mußte nur einen kleinen Betrag aufbringen und lieh sich den Rest bei der Investmentbank Goldman Sachs. Goldman Sachs verbriefte die Anteile und brachte sie als Asset-backed Securities (ABS) auf den Spekulationsmarkt. 2008 übernahmen dann die Immobiliengruppe der Deutschen Bank und italienische Partner die 49% Anteile von Arcandor, wobei die Annahme nicht fern liegt, daß dabei die gleichen Mechanismen eingesetzt wurden.

Die neuen „Inhaber“ der Karstadt-Verkaufshäuser bedienten ihre eigenen Verpflichtungen wiederum durch überteuerte Langzeitmietverträge. Die erwarteten Einnahmen der Warenhäuser dienten damit sozusagen als „Cash-Milchkuh“ für Finanzgeschäfte. Somit schließt sich der Kreis - rund um den Globus.

Die Rolle des damaligen Arcandor-Chefs Thomas Middelhoff, der für diese Verkäufe unter dem Motto einer „Sanierung“ des angeschlagenen Karstadtkonzerns verantwortlich war, und seine mögliche Beteiligung an Fonds, die mit den Immobiliengeschäften zu tun hatten, soll jetzt laut Bundesjustizministerium untersucht werden. Aber nur mit einer großangelegten Untersuchung aller Verantwortlichen im Stile einer Pecora-Kommission kann den Mitarbeitern geholfen und Arbeitsplätze erhalten werden. Es wäre auch ein Beitrag dazu, das bankrotte Finanz- und Wirtschaftssystem, das mittlerweile komplett von solchem finanziellen Spekulationsgeflecht durchwoben ist, davon zu befreien und mit Sachverstand zu reorganisieren. Denn das ist die einzige Möglichkeit, wieder produktive Arbeitsplätze in großem Stil zu schaffen!

Was Statistiken über die Arbeitslosenzahlen in Deutschland verbergen

Selbst in schlechten Jahren sinkt normalerweise die Zahl der Arbeitslosen im Frühling und Sommer. Dieses Jahr aber steigt die Zahl der Arbeitslosen infolge der Wirtschaftsdepression, auch wenn die offiziellen Statistiken einen leichten Rückgang der Arbeitslosigkeit angeben. Wieder einmal verschweigt die Statistik einen Teil der Wahrheit: ab Mai erscheinen aufgrund einer neuen Regulierung die knapp 200.000 Arbeitssuchenden, die durch private Arbeitsvermittler eine Arbeit suchen, nicht mehr in den offiziellen Statistiken. Und die knapp 700.000 Arbeitnehmer, die durch Kurzarbeit jeden Monat teilarbeitslos sind, finden sich natürlich auch nicht in der Statistik.

Aber schon 2007 wurden knapp 3,2 Millionen Arbeitslose nicht mehr in die Statistiken aufgenommen. Dabei sind die drei Hauptkategorien: 2,85 Millionen Hartz IV-Empfänger, die in sogenannten Ein-Euro-Jobs arbeiten müssen, 225.000 Menschen, die über 58 Jahre alt sind und nicht mehr erwarten können, eine Arbeit zu finden, sowie weitere 60.000, die die ersten 18 Monate Arbeitslosenunterstützung bekommen, die aber zu krank sind, um arbeiten zu können. Dann muß man auch noch 1,15 Millionen Arbeitslose hinzurechnen, die sich gar nicht arbeitslos gemeldet haben - eine „stille Reserve“, die kein Arbeitslosengeld bezieht.

Das sind Zahlen des IAB (Staatliches Institut für Arbeitsmarktforschung), die letztes Jahr in einer parlamentarischen Sitzung vorgestellt wurden. Die wirkliche Zahl der Arbeitslosen in Deutschland liegt also gegenwärtig eher bei mindestens acht Millionen.