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Von Pater Bonifacio Honings
Pater Bonifacio Honings ist Professor für Moraltheologie und früherer Dekan der Lateran-Universität in Rom. Er hielt diesen Vortrag auf der Konferenz des Schiller-Instituts am 22. Februar 2009 in Rüsselsheim.
Nicht nur wir, sondern auch viele andere wissen, daß Lyndon LaRouche seit vielen Jahren nicht nur den weltweiten Zusammenbruch des Wirtschaftssystems verkündet hat, sondern zur gleichen Zeit sehr weise auf die Möglichkeit einer weltumspannenden Lösung hingewiesen hat. Es ist eine tausendfache Schande, daß er über so viele Jahre wie ein Prophet in der Wüste wirken mußte. Die Wirklichkeit besonders auf der Finanzebene entwickelt sich jetzt aber mehr und mehr in Richtung seiner Sicht der Zeichen der Zeit. Seit unter Präsident Obama die Clinton-Leute einen Teil der zukünftigen Regierung der Vereinigten Staaten übernommen haben, gibt es Grund zum Optimismus. Durch seine Verbindungen und besonders durch seine Glaubwürdigkeit, die er sich aufgrund seiner erfolgreichen Prognose des größten Finanzkrachs der modernen Geschichte, der nun im Gange ist, erworben hat, ist LaRouche damit in gewisser Weise Teil der Mannschaft. Ich fasse seinen Plan kurz zusammen.
In einer Ansprache am 5. Dezember 2008 in Neu-Delhi1 betonte LaRouche, daß die Lösung für den globalen Finanzkrach, der Ende Juli 2007 begann, die Schaffung eines Viermächte-Bündnisses sei, um das Weltsystem einer Konkursreorganisation zu unterziehen, denn es gebe auf der gesamten Welt nicht genug Geld und Wohlstand, um die Billiarden von Dollar an Finanzverpflichtungen aus Giftmüll-Derivaten zu begleichen. Daher bestehe die grundlegende internationale Reform darin, eine Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten, Indien, Rußland und China zu beginnen. Gemeinsam müsse eine allgemeine Reform des internationalen Währungssystems in Angriff genommen werden. Ohne eine solche Reform gebe es, kurz gesagt, keine Möglichkeit, ein drohendes Neues Finsteres Zeitalter zu verhindern.
Es müsse jedoch ein bestimmter Weg beschritten werden, um die Weltwirtschaft von der Finanzderivat-Blase zu befreien. Die Zukunft der Welt wird davon abhängen, wie die Welt auf Eurasien schaut - vor allem auf Asien, wo die größte Krise konzentriert ist. In Indien leben wahrscheinlich über 63% der Bevölkerung in extremer Armut; in China, in ganz Asien ist die Lage vergleichbar. Die soziale Krise droht uns in den Händen zu explodieren. Daher besteht für die Welt insgesamt kaum eine Chance, solange es für Asien keine Aussicht auf wirksame Entwicklung gibt. Daher ist es sehr wichtig, daß die USA, die aufgrund ihrer Verfassung für die Lösung der Krise eine Schlüsselrolle spielen, und die großen Nationen Eurasiens zusammengehen; und die Schlüsselnationen Eurasiens sind Rußland, Indien und China.
Nach dieser Zusammenfassung von LaRouches Vorhersage der Krise und besonders seiner Lösung basierend auf dem Naturrecht eines jeden Menschen und der Notwendigkeit weltweiter Solidarität, muß ich sagen, daß LaRouches Reformvorschläge innerhalb der USA wie auch international sehr einflußreich sind.
Bevor ich mich meiner Darstellung der ethischen Grundlagen von LaRouches Plan in Übereinstimmung mit der kirchlichen Soziallehre zuwende, möchte ich die moraltheologischen Gründe für meine Darstellung verdeutlichen.
Zuerst der Hauptgrund: Für eine fundierte Kenntnis und geeignete Lösungen von Fragen, die verschiedene Bereiche des wirtschaftlichen, politischen und sozialen Lebens betreffen, sind Wissenschaft, Philosophie und Religion bedeutende Gebiete. In seiner Enzyklika Fides et ratio (Glaube und Vernunft) fordert Papst Johannes Paul II. die Philosophen auf: „Sie mögen in Anbetracht einer ewig gültigen philosophischen Tradition den Mut haben, die Dimensionen echter Weisheit und auch metaphysischer Wahrheit des philosophischen Denkens zurückzugewinnen“2
In der Dynamik ihres Glaubens, mit dem der Heilige Geist die ganze Erde erfüllt, muß die Kirche in den Ereignissen, Bedürfnissen und Wünschen der Menschen versuchen, die wahren Zeichen der Gegenwart Gottes und Seiner Vorsehung verständlich zu machen. Schließlich erhellt der Glauben nicht nur alles mit einem neuen Licht, sondern enthüllt auch den göttlichen Ratschluß hinsichtlich der Berufung jedes einzelnen Menschen und der Gesellschaft weltweit. Auf diese Weise konzentriert der Glauben den Geist auf Lösungen, die der Menschenwürde entsprechen.3
Das ist der Grund, weshalb Glauben und Vernunft für die kirchliche Soziallehre nicht nur nützlich, sondern notwendig sind. LaRouches Plan enthält eine Seite dieser Soziallehre, und daher ist es möglich, die ethischen Grundlagen dieses Plans zu untersuchen. Darüber hinaus, und dies ist mein zweites Argument, berücksichtigt die Vorhersage der weltweiten Krise und vor allem die von LaRouche vorgeschlagene grundlegende Lösung die Würde der ganzen Menschheit. Das Zusammengehen der USA mit Eurasien, die Entwicklungsperspektive für Asien und für die vier Kulturen zur Einigung des Planeten entsprechen nicht nur dem richtigen Erkennen der Zeichen unserer Zeit, sondern auch ihrer richtigen Deutung auf wirtschaftlich-finanziellem und sozial-politischem Gebiet weltweit.
Zu den Zeichen der Zeit, und dies bestätigt auch den Grund für meine Worte, haben Papst Paul VI. und 2000 Geistliche des II. Vatikanischen Konzils 1965 erklärt: „Im Glauben daran, daß es vom Geist des Herrn geführt wird, der den Erdkreis erfüllt, bemüht sich das Volk Gottes, in den Ereignissen, Bedürfnissen und Wünschen, die es zusammen mit den übrigen Menschen unserer Zeit teilt, zu unterscheiden, was darin wahre Zeichen der Gegenwart oder der Absicht Gottes sind. Der Glaube erhellt nämlich alles mit einem neuen Licht, enthüllt den göttlichen Ratschluß hinsichtlich der integralen Berufung des Menschen und orientiert daher den Geist auf wirklich humane Lösungen hin.“4
„Zur Erfüllung dieses ihres Auftrags obliegt der Kirche allzeit die Pflicht, nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten. So kann sie dann in einer jeweils einer Generation angemessenen Weise auf die bleibenden Fragen der Menschen nach dem Sinn des gegenwärtigen und des zukünftigen Lebens und nach dem Verhältnis beider zueinander Antwort geben. Es gilt also, die Welt, in der wir leben, ihre Erwartungen, Bestrebungen und ihren oft dramatischen Charakter zu erfassen und zu verstehen.“5
Entsprechend dieser authentischen Erklärung des II. Vatikanischen Konzils kann man als Lehrer einer gesellschaftlichen Moraltheologie die ethischen Grundlagen für LaRouches Plan A und B am besten darstellen, indem man die Zeichen der Zeit und die entsprechenden Lösungen, welche die Soziallehre der Kirche vorschlägt, versteht. Ich beginne mit den Zeichen der Zeit und den Lösungen, die in Rerum Novarum von Papst Leo XIII. am 15. Mai 1891 vorgeschlagen wurden.
Die Enzyklika Leos XIII. „Über die Arbeit“ wurde die erste Magna Charta der Kirche, die forderte, sich um die im Aufbau befindliche Sozialordnung zu kümmern. Um dieses erste Päpstliche Rundschreiben richtig zu verstehen, sind einige Worte zu dem historischen Kontext erforderlich, indem Leo XIII. lebte und welcher ihn veranlaßte, dieses Dokument zu schreiben.
Es war eine Zeit der Finsternis und radikaler Revolutionen auf wirtschaftlicher und politischer Ebene. Die materialistische Philosophie des Liberalismus stellte sich als allmächtig dar. Dank des technischen Fortschrittes konnte die Produktion in bisher unbekanntem Umfang ausgeweitet werden. Die geläufigste und am häufigsten benutzte Auffassung über Wirtschaft bestand darin, daß alles ein Spiel zwangsläufiger Naturkräfte sei und es deshalb keine Verbindung zwischen ethischen und wirtschaftlichen Gesetzen gäbe. In der Wirtschaft müsse und dürfe ein jeder nur seinen eigenen Vorteil suchen, wobei sich die jeweiligen Positionen der Menschen im Wirtschaftsbereich nur durch das allgegenwärtige Gesetz des Liberalismus definieren.
Allerdings hat diese automatische Freiheit der Märkte nicht zu einer gerechten Verteilung des Wohlstands geführt. Die Arbeiter wurden ihrem Schicksal überlassen, völlig machtlos gegenüber rücksichtslosen Arbeitgebern und dem unkontrollierten, hemmungslosen Wettbewerb. In den meisten Ländern war es den Arbeitern verboten, sich zu organisieren, so daß die Macht der Starken auch über die gemeinsamen Belange der Menschen herrschen konnte. Darüber hinaus mußte die Regierung eine neutrale ökonomische Position einnehmen, sie durfte noch nicht einmal in diese ungerechte Situation eingreifen.
Eine solche Haltung stellte nicht nur die Wirtschaftsordnung in Frage, sondern führte als unausweichliche Konsequenz zu zunehmender Unzufriedenheit der Arbeiter und zum offenen Widerstand. Die verschiedenen Strömungen des Sozialismus, vereinigt unter dem „Wissenschaftlichen Sozialismus“ von Karl Marx, stellten sich als Lösungen in Form des Kollektivismus, der Kommunalisierung aller Produktionsanlagen, dar. Dieses Rezept war aber schlimmer als die Krankheit.6 In dieser traurigen und dramatischen Lage der Arbeiter entwickelte der Papst systematisch die Lehre der Kirche.
Papst Leo XIII. führte zunächst verschiedene Gründe an, warum die vom Sozialismus vorgeschlagene Lösung für die Arbeiter nachteilig wäre. Der Hauptgrund liege darin, daß dieser das Recht auf Eigentum verneine.
„Eine tiefere Betrachtung der Natur des Menschen lehrt dieses noch klarer. Da der Mensch mit seinem Denken unzählige Gegenstände umfaßt, mit den gegenwärtigen die zukünftigen verbindet und Herr seiner Handlungen ist, so bestimmt er unter dem ewigen Gesetze und unter der allweisen Vorsehung Gottes sich selbst nach freiem Ermessen; es liegt darum in seiner Macht, unter den Dingen die Wahl zu treffen, die er zu seinem eigenen Wohle nicht allein für die Gegenwart, sondern auch für die Zukunft als die ersprießlichste erachtet. Hieraus folgt, es müssen Rechte erworben werden können nicht bloß auf Eigentum an Erzeugnissen des Bodens, sondern auch auf Eigentum am Boden selbst; denn was dem Menschen sichere Aussicht auf künftigen Fortbestand seines Unterhaltes verleiht, das ist nur der Boden mit seiner Produktionskraft. Immer unterliegt der Mensch Bedürfnissen, sie wechseln nur ihre Gestalt; sind die heutigen befriedigt, so stellen morgen andere ihre Anforderungen. Die Natur muß den Menschen demgemäß eine bleibende, unversiegliche Quelle zur Befriedigung seiner Bedürfnisse angewiesen haben, und eine solche Quelle ist nur die Erde mit den Gaben, die sie unaufhörlich wendet. Es ist auch kein Grund vorhanden, die allgemeine Staatsfürsorge in Anspruch zu nehmen. Denn der Mensch ist älter als der Staat, und darum besaß er das Recht auf Erhaltung seines körperlichen Daseins, ehe es einen Staat gegeben hat.“7
Darüber hinaus basiert die Historie der kirchlichen Sozialethik auf vielen Textstellen des Alten und Neuen Testamentes.
Daher schreibt Leo XIII. unter Bezug auf verschiedene Stellen im Alten und Neuen Testament: „Im allgemeinen ist in Bezug auf den Lohn wohl zu beachten, daß es wider göttliches und menschliches Gesetz geht, Notleidende zu drücken und auszubeuten um des eigenen Vorteils willen. Dem Arbeiter den ihm gebührenden Verdienst vorenthalten, ist eine Sünde, die zum Himmel schreit.“8 Denn: „Das Leben Jesu Christi durchdrang den Erdkreis, nachdem das Licht des Evangeliums aufgegangen und das große Geheimnis von der Menschwerdung Gottes und der Erlösung unseres Geschlechtes verkündet war. Es drang zu allen Völkern, allen Klassen und gründete in ihnen den christlichen Glauben und dessen sittliche Vorschriften.“9
Das Alte Testament bekräftigt nachdrücklich das ethische Fundament dieser auf Vernunft und Glauben basierenden Lösung: „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Haus, Acker, Knecht, Magd, Ochs, Esel und alles, was sein ist.“ Auch die staatlichen Gesetze, die ihre Verbindlichkeit, sofern sie gerecht sind, vom Naturgesetz herleiten, haben überall dieses Recht bestätigt und mit Strafbestimmungen gestützt.
Das heißt, wenn die menschliche Gesellschaft Heilung brauche, könnte dies nur durch die Ausdehnung des christlichen Lebens und der christlichen Institutionen geschehen. Hier ist eine Rede von Papst Johannes XXIII. sehr wichtig. Aus Anlaß des 70. Jahrestages der Enzyklika Rerum Novarum am 14. Mai 1961 forderte er die katholischen Arbeiter auf: „Was hat sie in so großer Zahl zu diesem Ort geführt, Männer und Frauen allen Alters, aller Klassen, aus allen Ländern?“ Seine unmißverständliche Antwort war: „Sie haben sich versammelt, um eines großen Papstes zu gedenken und einer Enzyklika, die er zu seiner Zeit geschrieben hat und in alle Welt versandt hat. Dieses Schreiben spricht nicht über ein Thema des normalen päpstlichen Amtes, beispielsweise die Religiosität und die christliche Hingabe, sondern es handelte theoretisch und praktisch von der Arbeit aller, die ihre menschliche Energie, ihren Arm, ihr Herz und ihren Kopf, Körper und Seele dem Dienst der Lebenserhaltung widmen, der konkreten Entwicklung der ganzen Welt.“10
Diese Antwort, und das war meine Intention, beweist, daß die ethischen Grundlagen für die Lösung hinsichtlich der Zeichen der Zeit von Rerum Novarum auch die Grundlage für LaRouches Plan A und B bilden, insofern sie auf den natürlichen Rechten jedes nach dem Ebenbild Gottes geschaffenen Menschen basieren. Dieses anthropologische Argument als Beweis für die ethische Grundlage von LaRouches Plans findet sich in der Enzyklika von Pius XI. noch akzentuierter.
Pius XI., der Papst der Katholischen Aktion und des Laien-Apostolates, erklärt, daß sich sein Rundschreiben, vierzig Jahre nach dem Erscheinen von Rerum Novarum, mit der Erneuerung der Gesellschaftsordnung und deren Erfüllung im Einklang mit den Lehren des Evangeliums beschäftigt.11
Um dem weiteren Aufbau der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Ordnung zu folgen, gilt unsere Aufmerksamkeit den großen Veränderungen, die seit der Zeit der Magna Charta Leos XIII. stattgefunden haben. Die Verhältnisse des wirtschaftlichen Lebens unter dem Kapitalismus wie dem Sozialismus haben große Umwälzungen erfahren. Die Wirtschaftssysteme des Kapitalismus, soweit das eine Kapital und das andere Arbeit liefert, werden an sich von Leo XIII. nicht bewertet. Seine wichtigste Frage bestand darin, Normen aufzuzeigen, um Gerechtigkeit herzustellen und die Bedürfnisse des allgemeinen Wohlergehens zu befriedigen.12
Aber wie stehen die Dinge vierzig Jahre später? Das kapitalistische System hat die sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen auch des außerkapitalistischen Raums sein Gepräge aufgedrückt, es mit seinen Vorzügen, nicht minder aber mit seinen Nachteilen und Schäden maßgebend beeinflußt. Pius XI. sorgt sich besonders um die Akkumulation des Kapitals, welche eine Konzentration uneingeschränkter Macht und wirtschaftlicher Herrschgewalt in den Händen einzelner geschaffen hat. Diese Zusammenballung von Kapital und Macht bewirkt einen Kampf um die Vorherrschaft, der in keiner Weise die Ethik berücksichtigt. Aus diesem Grund wird die Wirtschaft auch immer mehr Einfluß auf die nationale und internationale Politik ausüben. Mit einem Wort: Das kapitalistische System ist zu einer Art ökonomischer Diktatur ausgeufert.13
Im weiteren werden wir sehen, daß die ethisch begründete Lösung, welche die kirchliche Soziallehre liefert, wiederum als ethische Grundlage von LaRouches Plan A und B dargestellt werden kann. Als besonderen Beweis hierfür möchte ich anführen, daß LaRouche das Ende der Bankendiktatur vorhergesagt hat, weil sie völlig unmoralisch ist.
Die gesunden Prinzipien christlicher Sozialphilosophie müssen für das Kapital wie auch für die Arbeit definiert werden, denn die Wirtschaftsordnung hängt vom Kapital und von der Arbeit ab. Die Bewertung des Doppelcharakters von Besitz auf der einen und Arbeit auf der anderen Seite muß fair und korrekt sein. Um die Klippen von Individualismus und Kommunismus zu umschiffen, war eine faire und korrekte Beurteilung des individuellen und sozialen Charakters von Kapital und Arbeit unbedingt notwendig. Die gegenseitigen Beziehungen, gestützt von der christlichen Nächstenliebe, müssen nach den Gesetzen einer strikten Gerechtigkeit geregelt werden. Der freie Wettbewerb und besonders die wirtschaftlichen Machtbereiche müssen der Staatsgewalt wirksam untergeordnet sein, soweit dies durch das öffentliche Interesse einer weltweiten Wohlfahrt geboten ist. Letztlich, und dies ist die anthropologische ethische Grundlage, muß die menschliche Gesellschaft durch den offenen Geist der Nationen zu einem Konsens gebracht werden, indem das Gemeinwohl und die Normen sozialer Gerechtigkeit eingefordert werden.
Das Wirtschaftssystem kann weiterhin auf Kapital und Arbeit gründen, aber nur unter der Voraussetzung, daß wir ein Ordnungssystem schaffen, das nach gerechten Handelsbedingungen und nach sozialer Gerechtigkeit strebt.14
Mit anderen Worten: Einerseits ist eine Reaktion auf die Veränderungen des Sozialismus nötig, andererseits wird vom Kapitalismus mehr soziale Gerechtigkeit gefordert. Die Soziallehre der Kirche hebt besonders die christliche Vision hervor: „Ein wahres Zusammenwirken aller zu dem einen Ziel des Gemeinwohls ist daher nur dann möglich, wenn die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen sich ganz durchdringen lassen von dem Bewußtsein ihrer Zusammengehörigkeit als Glieder einer großen Familie, als Kinder eines und desselben himmlischen Vaters, wenn sie sich fühlen als ein Leib in Christo, ,einer des andern Glied’, so daß, ,wenn ein Glied leidet, alle anderen mit ihm leiden’.“15
In LaRouches Plan A und B zur Lösung der wirtschaftlichen und sozialen Krise finden wir die gleiche ethische Grundlage, denn solange es keine Aussicht auf wirkliche Entwicklung in Asien gibt, wird die Welt insgesamt kaum eine Chance haben. In der Soziallehre von Papst Johannes XXIII. ist diese ethische Grundlage besonders präsent, jedoch - und dies ist noch wichtiger - mit besonderer Berücksichtigung der Probleme auf weltweiter Ebene.
„Die heilige Kirche hat so zwar vor allem die Aufgabe, die Seelen zu heiligen und ihnen die Teilnahme an den himmlischen Gütern zu schenken. Sie bemüht sich aber auch um die Bedürfnisse des menschlichen Alltags. Dabei geht es ihr nicht nur um das Lebensnotwendige. Sie kümmert sich auch um der Menschen Wohlstand und Wohlergehen in den verschiedensten Kulturbereichen, sowie es jeweils die Zeit erfordert.“16 Bezeichnend für die Enzyklika von Papst Roncalli [Johannes XXIII.] ist seine Beachtung der sozialökonomischen Ordnung in ihrer Vollständigkeit für alle Menschen. Er bemühte sich besonders um die verschiedenen Probleme auf weltweiter Ebene.
Einige der weltweiten Probleme werden angeführt, vor allem die Probleme der Landwirtschaft. Es ist eine der drängendsten Fragen der Gerechtigkeit, das ökonomische und soziale Gleichgewicht zwischen den beiden gesellschaftlichen Hauptgebieten, dem Produktionsbereich und der Landwirtschaft, wiederherzustellen. „Die Entwicklung der geschichtlichen Situation stellt immer klarer heraus: Die Maßstäbe von Gerechtigkeit und Billigkeit müssen nicht nur auf die Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern angewandt werden, sondern ebenso auch auf die verschiedenen Wirtschaftszweige untereinander und die wirtschaftlich unterschiedlich gestellten Gebiete ein und desselben Landes; das gleiche gilt innerhalb der ganzen menschlichen Gemeinschaft für die verschiedenen wirtschaftlich und gesellschaftlich in verschiedenem Grade entwickelten Länder.“17 Welche Lösung erfüllt die Forderung der kirchlichen Soziallehre nach mehr wirtschaftlicher Gerechtigkeit und sozialer Fairneß in aller Welt?
„Die Wirtschaft in den einzelnen Ländern sollte sich ferner Schritt für Schritt in rechter Ausgewogenheit ihrer verschiedenen Zweige entfalten. Man muß sich also darum bemühen, zunächst die Landbestellung durch Einsatz moderner Verfahrensweisen zu rationalisieren, in der Anbautechnik, in der Auswahl der Kulturen, in der Ausstattung des landwirtschaftlichen Betriebes mit Inventar, wie es der allgemeine Stand der Wirtschaft ermöglicht, wenn nicht gar erfordert. Das alles soll nach Möglichkeit so durchgeführt werden, daß man mit der Industrie und den Dienstleistungsgewerben Schritt hält.“18
Papst Roncalli betont hier, daß es wohl eine der größten Aufgaben unserer Zeit sei, zwischen den wirtschaftlich fortgeschrittenen und den wirtschaftlich noch in Entwicklung begriffenen Ländern die rechten Beziehungen herzustellen. „Während die einen im Wohlstand leben, leiden die andern bittere Not. Wenn nun die wechselseitigen Beziehungen der Menschen in allen Teilen der Welt heute so eng geworden sind, daß sie sich gleichsam als Bewohner ein und desselben Hauses vorkommen, dann dürfen die Völker, die mit Reichtum und Überfluß gesättigt sind, die Lage jener anderen Völker nicht vergessen, deren Angehörige mit so großen inneren Schwierigkeiten zu kämpfen haben, daß sie vor Elend und Hunger fast zugrunde gehen und nicht in angemessener Weise in den Genuß der wesentlichen Menschenrechte kommen.“19
Die ethische Grundlage entsprechend der kirchlichen Soziallehre ist immer sehr offenkundig: Wir brauchen eine größere und wirksamere Welt-Solidarität. In einer Rede am 3. Mai 1959 sagte Johannes XXIII.: „Uns alle gemeinsam trifft die Verantwortung für die Völker, die an Unterernährung leiden.“20
Die Soziallehre der Kirche muß sich mehr denn je um eine gerechte Wirtschaftsordnung und einen humanen gesellschaftlichen Zusammenhalt kümmern, der sich auf die integrale Entwicklung aller Menschen konzentriert. Nach dem II. Vatikanischen Konzil erkannte die Kirche noch deutlicher und tiefer, was das Evangelium Jesu Christi fordert: Die integrale Entwicklung aller Menschen in jedem Bereich zu unterstützen.
Ich meine ohne Übertreibung, daß LaRouches Plan A und B die gleiche ethische Grundlage weltweiter Solidarität aufweist. Darüber hinaus ist wohlbekannt, daß diese besondere gemeinsame Verantwortung eine der ersten Voraussetzungen in der Enzyklika Populorum Progressio von Papst Paul VI. gewesen ist.
Montini [Papst Paul VI.] lehrt mit großer Sorge und Tiefe, daß es an diesem Wendepunkt der Geschichte entscheidend ist, getragen von Glauben und Vernunft in Solidarität zu handeln.21
Und jeder, der den LaRouche-Plan für den historischen Wendepunkt unserer Zeit kennt, weiß, daß dessen ethische Grundlage auf der globalen sozioökonomischen Ordnung von Populorum Progessio fußt. Für Montini und LaRouche ist die globale Dimension der Kern ihrer sozialen und wirtschaftlichen Überlegungen. Für beide bedingt die integrale Entwicklung aller Menschen die Befreiung von Ungerechtigkeit, Hunger, Elend, Krankheit und Unbildung.
Die gesamte Menschheit hat Anspruch auf einen größeren Anteil am Reichtum der Zivilisation, und dazu gehört das Recht auf ihre eigenen menschlichen Qualitäten und die immer weitere Verwirklichung ihrer vollen Entwicklung. Individuell oder in Gruppen unternommene Initiativen sowie bestehende technologische Strukturen sind nicht ausreichend.
Papst Montini kümmert sich um die Integralität menschlicher Vervollkommnung, d.h. des ganzen Menschen und aller Menschen. Weil jeder Mensch Mitglied der Gesellschaft ist, ist seine Entwicklung eine gemeinschaftliche Aufgabe. Als Erben frührer Generationen haben die Menschen unserer Zeit weltweit eine menschliche Pflicht zur Solidarität. Wenn die weitere Entwicklung eine täglich wachsende Zahl von Technikern benötigt, so erfordert sie um so mehr weise und scharf denkende Leute. Mehr denn je brauchen wir Leute, die einen neuen Humanismus anstreben, in dem es jedem Menschen für sich und insgesamt gelingt, von weniger menschlichen zu mehr menschlichen Lebensbedingungen überzugehen.22
Jedes Programm zur Erhöhung der Produktion muß dem Menschen zugute kommen. Außerdem muß die Entwicklung sich harmonisch vollziehen, damit ein Grundgleichgewicht gewahrt bleibt.
Fassen wir den besonderen Grund, warum die kirchliche Soziallehre die ethische Grundlage von LaRouches Plan A und B ist, zusammen, so muß bemerkt werden, daß sich trotz lobenswerter Anstrengungen die Bedingungen der Menschheit weltweit merklich verschlechtert haben. Die Verantwortung für diesen Niedergang liegt besonders bei denen, die die wirtschaftliche und politische Macht haben. Darüber hinaus müssen die wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Mechanismen verurteilt werden, welche zwar von Menschen gelenkt werden, häufig aber beinahe automatisch bewirken, daß sich der Reichtum für einige vergrößert und die Armut für alle anderen verschärft. In Populorum Progressio hatte Paul VI. bereits vorhergesagt, daß unter einem solchen System der Wohlstand der Reichen gemehrt und das Elend der Armen bestehen bleiben würde. Ein Beweis für diese Vorhersage war das Entstehen der sogenannten Vierten Welt.
Um die ethische Verankerung des LaRouche-Plans in der kirchlichen Soziallehre zu betonen, zitiere ich, was Johannes Paul II. zwanzig Jahre nach Populorum Progressio in seiner Enzyklika Sollicitudo Rei Socialis erklärt hat. Er antwortet darauf, warum die soziale Frage eine weltweite Dimension erreicht hat:
„...darum, weil die Forderung nach Gerechtigkeit nur auf dieser Ebene erfüllt werden kann. Sich um eine solche Forderung nicht zu kümmern, könnte bewirken, daß auf Seiten der Opfer der Ungerechtigkeit die Versuchung zu einer gewalttätigen Antwort aufbricht, wie es am Beginn vieler Kriege geschieht. (...) Demgegenüber wäre in einer anderen Welt, die von der Sorge um das Gemeinwohl der ganzen Menschheit geleitet ist, das heißt, von der Sorge um die ,geistige und menschliche Entwicklung aller’ statt von der Sorge um den persönlichen Vorteil, der Friede möglich als Frucht einer ,vollkommeneren Gerechtigkeit unter den Menschen’.“23
Daher bin ich überzeugt, daß LaRouches Plan A und B die Antwort auf die Forderung nach Gerechtigkeit auf Weltebene ist und seine ethische Begründung bereits in der Soziallehre von Rerum Novarum findet, wie Johannes Paul II. in Centesimus Annus erklärt. „Es wäre keine angemessene Jubiläumsfeier für Rerum novarum, würde man dabei nicht die heutige Situation ins Auge fassen. Schon von seinem Inhalt her gibt das Dokument Anlaß zu einer derartigen Betrachtung, weil der geschichtliche Rahmen und die daraus abgeleitete Vorausschau sich im Lichte des Gesamtgeschehens der nachfolgenden Jahrzehnte als erstaunlich exakt herausstellen.“24
Was LaRouche über die Zeichen unserer Zeit mit Blick auf den Bankrott des jetzigen Systems sagte, ist das gleiche, das wir über den Sozialismus gesagt haben; der Sozialismus, gleichviel ob als Lehre, als geschichtliche Erscheinung oder als Bewegung, auch nachdem er der Wahrheit und Gerechtigkeit Raum gibt, bleibt mit der Lehre der katholischen Kirche immer unvereinbar. Schließlich steht seine Sicht der Gesellschaft in offenem Widerspruch mit der christlichen Wahrheit.25
Anmerkungen
1. “LaRouche in New Delhi: As $1.4 Quadrillion Crashes, There Is Reason for Optimism”, EIR, 26. Dezember 2008, Vol. 35, Nr 50, S. 28-33.
2. Johannes Paul II., Enzyklika Fides et Ratio, 14. September 1998, Absatz 106.
3. Gaudium et Spes, Absatz 11
4. ebenda
5. Gaudium et Spes, Absatz 4
6. Siehe Johannes XXIII., Mater et Magistra, 10-14, auch C. Van Gestel, Sociale leer van de kerk. T Groeit Antwerpen 1951, Seite 54
7. Rerum Novarum, Absatz 10
8. Rerum Novarum, Absatz 17
9. Rerum Novarum, Absatz 22
10. L’Osservatore Romano 14.Mai 1961, Seite 1
11. Papst Pius XI., Enzyklika Quadragesimo Anno
12. Rerum Novarum, Absatz 15, und Quadragesimo Anno, Absatz 100-101
13. Quadragesimo Anno, Absätze 103-109
14. Quadragesimo Anno, Absatz 110, besonders den zweiten Teil: Die Soziallehre der Kirche im sozialökonomischen Bereich
15. Quadragesimo Anno, Absatz 137
16. Mater et Magistra, Vorwort, Absatz 3
17. Mater et Magistra, Absatz 122
18. Mater et Magistra, Absatz 163
19. Mater et Magistra, Absatz 157
20. Ansprache vom 3.5.1959, zitiert in Mater et Magistra, Absatz 158
21. Populorium Progressio, Einleitung, Absatz 5
22. Populorium Progressio, Absatz 15-17
23. Sollecitudo Rei Socialis, Absatz 10
24. Centesimus annus, Absatz 12
25. Quadragesimo Anno, Absatz 117
Links zu verschiedenen Enzykliken im Internet:
Enzyklika Rerum Novarum: http://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/320.html
Enzyklika Mater et Magistra: http://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/318.html
Enzyklika Quadragesimo Anno: http://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/319.html
Enzyklika Populorum Progressio: http://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/317.html
Enzyklika Sollicitudo rei socialis:
http://www.vatican.va/holy_father/john_paul_ii/encyclicals/documents/hf_jp-ii_enc_30121987_sollicitudo-rei-socialis_ge.html
Enzyklika Centesimus annus: http://www.vatican.va/edocs/DEU0071/_INDEX.HTM
Enzyklika Gaudium et Spes:
http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_const_19651207_gaudium-et-spes_ge.html
Ansprache von Papst Paul VI.:
http://www.vatican.va/holy_father/paul_vi/speeches/1971/april/documents/hf_p-vi_spe_19710430_lavoratori-tedeschi_ge.html