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Aus der Neuen Solidarität Nr. 13/2009

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Machtergreifung Hitlers

Die ZDF-Serie „Die Machtergreifung“ läßt die wohldokumentierte Unterstützung Hitlers durch die anglo-amerikanische Finanzelite außen vor.

Wofür informiert man sich über Geschichte, wenn nicht dafür, die heutige Zeit besser zu verstehen, so daß heute zu fällende Entscheidungen durch die „Lehren aus der Geschichte“ geläutert und verhängnisvolle Wege der Vergangenheit nicht noch einmal beschritten werden? Nimmt man diese Haltung als Maßstab für die neue, dreiteilige ZDF-Serie „Die Machtergreifung“, so muß man nach zwei ausgestrahlten Teilen sagen, daß sie diesem ernsthafteren Geschichtsverständnis nicht entspricht. Leider kommt hier mehr der Faktor „Unterhaltung“ als der der Wahrheit zum Tragen.

Das erste, was auffällt, ist die fehlende Einordnung der deutschen Situation Anfang der dreißiger Jahre in den internationalen Zusammenhang. Deutschland war zur Zeit der Weimarer Republik nicht souverän, sondern - ähnlich wie heute ein Land der Dritten Welt den Kreditbedingungen des IWF - den Mächten und Personen ausgeliefert, die die Finanzbedingungen der Versailler Reparationen diktiert hatten.

An erster Stelle ist dabei das Bankhaus Morgan zu nennen, das entscheidend für die Finanzierung der alliierten, besonders der britischen, Kriegsanstrengung gewesen war und das nach dem Ersten Weltkrieg sein Geld zurückhaben wollte. Von den eigentlichen Versailler Verhandlungen 1919, über den Dawes-Plan (1924) und den Young-Plan (1929), immer war das Bankhaus Morgan führend beteiligt. Damit Deutschland „keine Dummheiten“ machte und die Versailler Reparationen immer pünktlich bezahlte, gab es in Berlin eine alliierte Behörde, die von einem Morgan-Mann, Seymour Parker Gilbert, geleitet wurde und die in jeden deutschen Haushaltsplan „hineinregieren“ konnte, um die Reparationszahlungen sicherzustellen.

Diese Zusammenhänge werden in der ZDF-Serie mit keinem Wort erwähnt, so als ob all das zur Zeit der Machtergreifung Hitlers „wie weggeblasen“ gewesen wäre und nicht mehr existiert hätte.

Das positive Interesse und sogar die begeisterte Unterstützung führender Vertreter der anglo-amerikanischen Welt für die Entwicklung faschistischer Massenbewegungen in Europa läßt sich für die zwanziger und dreißiger Jahre ohne weiteres belegen, wobei dieser Zusammenhang zunächst bei Mussolini augenscheinlicher ist, aus dem einfachen Grund, daß Mussolini schon elf Jahre vor Hitler an die Macht kam.

In der ZDF-Serie wird in Teil 1 der amerikanische Historiker Henry Ashby Turner als Zeuge dafür zitiert, daß die NSDAP sich im wesentlichen aus den Beiträgen ihrer Mitglieder, wenn auch besonders der etwas wohlhabenderen, finanziert habe und nicht vom „Großkapital“ ausgehalten worden sei. Das mag statistisch belegbar sein (was kann man nicht alles statistisch belegen!), verhüllt aber einige politische Tatsachen, die relevanter sind als der Schleier quantitativer Aufzählungen.

Fritz Thyssen als Spitze des Eisbergs

1940, nachdem er sich im Jahr zuvor dem Nazi-Regime durch Emigration entzogen hatte, diktierte der deutsche Großindustrielle Fritz Thyssen in Südfrankreich dem Journalisten Emery Reeves das Buch I paid Hitler („Ich finanzierte Hitler“) in die Feder. Darin sagt Thyssen, daß seine finanzielle Unterstützung im Oktober 1923 begann, als er eine beträchtliche Summe für den Marsch auf die Feldherrnhalle, Hitlers versuchten Münchener Putsch vom November des Jahres, spendete. Doch dabei blieb es nicht. In den darauffolgenden Jahren, als führender Mann bei den 1926 zustande gekommenen Vereinigten Stahlwerken, ging die finanzielle Unterstützung der NSDAP weiter, und auch der andere große Anteilseigner der Vereinigten Stahlwerke, Friedrich Flick, gehörte bald zu den finanziellen Unterstützern der Nazis. Mit dem Geld von Flick und Thyssen konnten die Nazis sich ihre Privatarmeen SS und SA leisten.

Beide, Thyssen und Flick, waren geschäftlich mit den New Yorker Harriman-Interessen verbunden. Bei Thyssen war das so eng, daß Harrimans New Yorker „Union Banking Corporation“ (UBC) mitunter als Thyssens Auslandsbank bezeichnet wurde. Einer der leitenden Angestellten der Bank war Prescott Bush, Vater bzw. Großvater der US-Präsidenten George H.W. Bush und George W. Bush. Vorsitzender und Direktor der UBC war mit 3991 von 4000 Anteilen E. Roland Harriman. Die weiteren fünf Mitglieder des Vorstandes waren entweder Thyssen-Männer oder sie repräsentierten die Harriman-Interessen. 1942, nach Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg, beschlagnahmte der amerikanische Staat unter dem Trading with the Enemy Act (Gesetz gegen Feindhandel) dann die UBC und andere „Partner“ des Dritten Reichs in den USA. Doch bis dahin gestaltete sich die Zusammenarbeit eng und aktiv. Im Mai 1933 war in Berlin ein Abkommen unterzeichnet worden, das die Harriman International Co. zur Leiterin einer Arbeitsgemeinschaft von 150 Unternehmen und Individuen machte, über die sämtliche Exporte des Dritten Reichs in die USA abgewickelt wurden.

Der 4. Januar 1933

Gegen Ende des Jahres 1932 schien der „braune Spuk“ sich im Niedergang zu befinden. Gegenüber dem bis dahin besten Wahlergebnis im Sommer 1932 hatte die NSDAP bei den Reichstagswahlen im November 1932 zwei Millionen Wählerstimmen verloren, und es machte sich Verdruß in den eigenen Reihen breit. In dieser Situation kam es am 4. Januar 1933 in der Kölner Villa des Bankiers Kurt von Schröder zu dem Treffen zwischen Hitler und von Papen, bei dem laut Meldung in der New York Times auch John Foster Dulles zugegen war (Dulles vertrat damals mit seinem Bruder Allen als Rechtsanwalt die Interessen der Familie Bush). Es wurde verabredet, daß Hitler demnächst als Reichskanzler in eine neu zu bildende Regierung eintreten sollte. Um Hitlers Regierungseintritt vor der Öffentlichkeit plausibel erscheinen zu lassen, mußte das Spektakel eines Wahlsiegs organisiert werden, wofür sich die bevorstehende Landtagswahl im Mini-Ländchen Lippe-Detmold am 15. Januar anbot. Das Schauspiel gelang, und am 30. Januar ernannte Hindenburg Hitler zum Reichskanzler.

Wer eigentlich Freiherr Kurt von Schröder bzw. die Bankiersfamilie der von Schröders war, erfährt man im ZDF nicht.

Kurt von Schröder bekleidete zusammen mit Johann Groeninger, Vorstandskollege Prescott Bushs bei Harriman-Thyssens New Yorker UBC, den Posten eines Direktors bei der Thyssenhütte. Er gehörte damit zum „inneren Kreis“ der transatlantischen Kabale, die Hitler unter allen Umständen an die Macht bringen wollte. Schon nach den schweren Wahlverlusten für die NSDAP im November 1932 hatte er mit einer Reihe weiterer Persönlichkeiten (u.a. Thyssen und Schacht) in einem Memorandum an Hindenburg gefordert, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen. William L. Shirer berichtet in The Rise and Fall of the Third Reich (New York 1960), daß von Schröder das Treffen am 4. Januar mit dem vom Chef der Bank von England Montagu Norman protegierten ehemaligen Reichsbankpräsidenten (bis 1930) Hjalmar Schacht vorbereitet hatte.

Die Liste der Detailinformationen ließe sich noch ohne weiteres verlängern, aber sie würden nur eine Grundaussage untermauern: daß es eine transatlantische faschistische Kabale gab, die in den zwanziger und dreißiger Jahren faschistische Regimes an die Macht brachte und schließlich auch einen faschistischen Putsch in den USA vorbereitete. Die Hierarchie dieser Machtelite war so, daß ganz unten die europäischen „Vasallenstaaten“ wie Deutschland, Italien oder Spanien standen, dann kamen die anglophilen Kreise der USA und ganz oben waren die Machtzirkel des anglo-holländischen Empire. Für die USA machte Präsident Franklin D. Roosevelt diesen Kreisen einen Strich durch die Rechnung, aber die Verheerungen der faschistischen Regimes und des Zweiten Weltkriegs hat diese Kabale auf dem Gewissen. Das ist die mahnende Lehre für heute.

hpm

Lesen Sie hierzu bitte auch:
Die Oligarchie gegen Roosevelt: Damals und heute
- Neue Solidarität Nr. 9/2009
Die Vereinigten Staaten: Faschismus einst und jetzt
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