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Aus der Neuen Solidarität Nr. 7/2008 |
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Nicht zufällig wurde LaRouches französischer Mitarbeiter Jacques Cheminade kürzlich in der größten französischsprachigen Schweizer Zeitung über den Zusammenbruch des Finanzsystems zitiert.
Am 28. Januar berichtete die größte französischsprachige Tageszeitung der Schweiz, Le Temps (die mit der Pariser Le Monde zusammenhängt), auf ihrer Finanzseite über die wirtschaftspolitischen Vorschläge von Lyndon LaRouches französischem Mitstreiter Jacques Cheminade. Cheminade wird dort als „französischer Denker“ vorgestellt, und seine Thesen werden inhaltlich so ehrlich wiedergegeben, wie man es in Frankreich selbst bisher noch nicht gesehen hat. Es heißt dort:
„Jacques Cheminade empfiehlt eine Umgestaltung des Systems gemäß eines neuen Bretton Woods: feste Wechselkurse zwischen den vier Hauptwährungen und Bestimmung einer neuen Währungsdeckung, wozu ein Korb von Rohstoffen geeignet wäre... Er meint, es sei wichtig, die Vorteile der Regulierung wieder einzuführen, die organischen Bindungen zwischen Zentralbanken und Staaten zu stärken und bei den von Privatinteressen belagerten Führungspolitikern den verschwundenen Sinn für ,bürgerliche Pflichten’ wieder aufzurichten. Dagegen scheint ihm Bushs Rettungsplan kaum besser als finanzielle Masturbation (für den Ausdruck bitten wir um Verzeihung), weil das Problem nicht an der Wurzel angepackt wird, nämlich Investition in die Produktion realer Güter.“
Nachdem sich dieselbe Zeitung vor noch nicht langer Zeit verleumderisch gegen LaRouche ausgesprochen hatte, als dieser im Club 44 in La-Chaux-de-Fonds eingeladen war, ist diese prominente Vorstellung ein klares Zeichen europäischer Interessen, daß sie es ablehnen, mit den unverantwortlichen, kriminellen Plänen oligarchischer britischer Kreise gemeinsame Sache zu machen.
Wenn Cheminade als eine der wesentlichen „Stimmen, die sich für eine grundsätzliche Reform des internationalen Währungssystems aussprechen“, betrachtet wird, ist das schon bemerkenswert. Le Temps hatte schon dem ehemaligen französischen Premierminister Michel Rocard ihre Seiten zur Verfügung gestellt, wo dieser sich auch für ein „neues Bretton Woods“ ausgesprochen hatte. Die bisherige allgemeine wirtschaftspolitische Redaktionslinie von Le Temps hatte sich nicht gerade als „dirigistisch“ dargestellt. Also, was ist da eigentlich los?
Vor allem muß wohl festgehalten werden, daß so gut wie alle Verantwortlichen in der Schweiz die derzeitige Finanzkrise als Krise des ganzen Systems betrachten. Nur einige wenige, wie der Präsident der Nationalbank Jean-Pierre Roth, denken darüber (zumindest in ihren öffentlichen Äußerungen) anders und verteidigen die gegenwärtige Politik der Zentralbanken. Alle anderen wissen, daß die amerikanische Hypothekenkrise nur der Anfang ist und daß die Krise sich überall hin ausbreiten wird.
Die Senkung der amerikanischen Leitzinsen auf 3%, d.h. eine Senkung um 1,25% innerhalb zweier Wochen (was in der jüngeren Geschichte ohne Beispiel ist), gilt in der Schweiz nicht als Defensivmaßnahme, die eine Katastrophe abwenden kann, sondern als ein Zeichen von Verzweiflung und Auslöser einer unkontrollierbaren Hyperinflation.
Die Krise des Bankriesen UBS ist in ihrem Ausmaß beispiellos, und das wird auch uneingeschränkt so gesehen. Die größte Bank der Schweiz mußte für das letzte Jahr 18 Mrd. Dollar an Wertminderung ihrer Aktiva hinnehmen, und selbst das ist nur eine erste Schätzung. Die Bank mußte ihr Kapital aufstocken, und das tat sie bezeichnenderweise durch die Begebung einer Wandelanleihe von 13 Mrd. Schweizer Franken (ca. 8,7 Mrd. Euro) an die GIC (Government of Singapore Investment Corporation), die Singapurs Währungsreserven verwaltet, und einen Kapitalgeber aus dem Mittleren Osten. Die damit ausgegebene Schuldverschreibung wird außergewöhnliche 9% Zinsen pro Jahr abwerfen und nach zwei Jahren in UBS-Aktien eintauschbar sein. Als verschiedene Aktionäre ebenfalls von so günstigen Konditionen profitieren wollten, handelten sie sich jedoch eine Absage ein. Mit anderen Worten: Die Lage ist so schlecht, daß man „exotische“ Neulinge besser behandelt als alteingesessene Aktionäre! Nun wartet man auf die Bekanntgabe der Verluste der Crédit Suisse...
Der Skandal der Société Générale wird überall kommentiert, aber bei all dem Spott über französische Gebräuche muß gesagt werden, daß auch die sprichwörtliche schweizerische Vorsicht überrascht wurde. Die Vermögensverwalter bemühen sich, ihre Fonds und die ihrer Klienten zu schützen, indem sie Gold und Rohstoffe kaufen, manchmal sogar ohne jeden Umweg über Banken!
Die Schweizer Experten sind sich in zunehmendem Maße bewußt und sagen es auch, daß wir uns erst am Anfang der finanziellen Desintegration befinden.
Sie gehen davon aus, daß als nächster Dominostein die Anleihenversicherer (Monoliner) fallen werden. Diese Gesellschaften versicherten früher meist die Anleihen, die amerikanische kommunale Einrichtungen, vor allem Städte und Gemeinden, auflegten. Aber im Laufe der letzten zehn Jahre haben sie sich um der „höheren Rentabilität“ willen ebenso wie die Banken zunehmend bei minderwertigen Hypotheken und damit verbundenen komplexen Finanztiteln engagiert. Die Krise trifft sie daher mit voller Wucht.
Die Ratingagentur Fitch hat bereits die Bewertung des viertgrößten Anleihenversicherers der Welt, FGIC (Financial Guaranty Insurance Corporation, zu ca. ¼ in der Hand der Private-Equity-Gesellschaft Blackstone), heruntergestuft. FGIC verliert die Spitzenbewertung AAA, die eigentlich für seine Aktivität unerläßlich ist. Mit den anderen amerikanischen Giganten des Anleihenversicherungsbereichs, AMBAC, MBIA und Radian, werden die Ratingagenturen bald ebenso verfahren. MBIA hat 2,3 Mrd. Dollar Verlust für das vierte Quartal 2007 angekündigt, und Fitch geht davon aus, daß AMBAC nicht mehr in der Lage sein wird, seine Verpflichtungen als Versicherer zu erfüllen.
Eine Senkung von AAA auf AA bedeutete nach Aussage der deutschen Ausgabe der Financial Times, daß die amerikanischen Marktführer ihr Geschäft nicht mehr ausüben könnten und vor einem Schuldenberg aus ihrem Anleihenversicherungsgeschäft in Höhe von 23 Mrd. Dollar stünden. Bei einer noch stärkeren Herunterstufung überschritten die Buchverluste die 100-Mrd.-Dollar-Grenze. Das Gesamtrisiko für das Weltfinanzsystem durch die Monoliner beläuft sich nach Schätzungen von Schweizer Experten auf mehr als 2000 Mrd. Dollar.
„Die Ratingagenturen“, schreibt S. Willer in der Finanztageszeitung l’Agefi (Agence économique et financière), „machen weiterhin ihre Arbeit zu spät… Einerseits werden die amerikanischen kommunalen Einrichtungen nur mit großer Mühe ihre Investitionen (Straßen, Bauten aller Art, weitere Infrastrukturprojekte) weiter tätigen können. Zweitens werden sich die Banken ohne diese Stütze [die Versicherer, die Red.] wiederfinden, derer sie sich bisher noch bedienen konnten. Schließlich sind diese Versicherungsgeschäfte so gut wie zum Tode verurteilt: Ihre Geschäftsaktivitäten werden sich verringern, jedenfalls die von vertretbarer Qualität. Zur Rettung ihres guten Rufs haben die Versicherten ein Interesse daran, sich schnellstens von ihnen zu lösen, um nicht von ihnen heruntergezogen zu werden.“
Aber auch wenn sich die unmittelbarste Gefahr in diesem Bereich befinde, sei es noch nicht einmal die schwerwiegendste. „Was wir bisher hatten, nämlich einen besonders respektierten, wenn vielleicht auch nicht ehrenwerten Portfoliomanager, ist noch nichts gegenüber dem, was uns erwartet.“ Am 30. Januar stufte Standard & Poors (wie Fitch eine der drei „großen“ Ratingagenturen) das Rating von 534 Mrd. Dollar an Anleihen und Wertpapieren, die sich auf zweifelhaften Schuldforderungen aufbauten, rücksichtslos herunter, und die Verluste durch die Wertminderung könnten sehr schnell 265 Mrd. Dollar erreichen. Die dritte große Ratingagentur Moody’s ließ am 31. Januar verlauten, man müsse „mit einem starken Anstieg der Zahlungsunfähigkeiten rechnen“.
Das ist, wie gesagt, nur der Anfang. In der Ausgabe vom 23./24. Januar der Genfer Wochenzeitung GHI kündigte Gérard le Roux den „nächsten Ärger“ an, nämlich „die Zahlungsunfähigkeit auf Finanzkontrakte, die als ,credit default swaps’ bekannt sind, bei denen eine Finanzgesellschaft oder eine Bank für einen gewissen Preis das Risiko akzeptiert, daß eine Schuldverschreibung oder ein Darlehen nicht bezahlt wird. Dieser Markt hat ein Volumen von 45 Billionen (soviel wie sämtliche Bankeinlagen weltweit), und es gibt hier und dort den Beginn eines Prozesses, daß Unternehmen ihren Verpflichtungen nicht nachkommen können.“ Die Zahl dieses globalen Risikos - 45.000 Milliarden Dollar - ist mehr als das Bruttoinlandsprodukt der Welt!
Eine daraus resultierende Kettenreaktion mit Zahlungsunfähigkeiten von Banken wird in Genf und Zürich offen ins Auge gefaßt.
Die Schwachstellen in Europa angesichts des „Finanzvirus“ sehen die Schweizer vor allem in Spanien, England und Deutschland.
In Spanien und Großbritannien hat der Krach des Immobilienmarktes begonnen. In Spanien schrumpften die Immobilienverkäufe im zweiten Halbjahr 2007 um 70%. Mehr als eine Million Objekte sind nicht verkauft, und fast die Hälfte (40.000) der Immobilienagenturen mußten schließen. In Großbritannien verbirgt man seine Probleme besser, aber es ziehen sich vergleichbare Gewitterwolken zusammen. Senkt man die Zinsen, schürt man Hyperinflation, werden sie erhöht, dann sind alle Schuldner von Krediten mit variablen Zinsen ruiniert.
In Deutschland haben die spekulativen Finanztitel sich stark vermehrt, besonders die CDOs (Collateralized Debt Obligations, auf Hypothekenkrediten beruhende strukturierte Kredite), die Hypotheken verbriefen und neu kombinieren. Die zweitgrößte deutsche Bank, die Commerzbank, hält noch 12 Mrd. Euro an Kreditderivaten. Außerdem ist sie mit 7 Mrd. Euro bei amerikanischen Anleihenversicherern exponiert.
Besonders „medienwirksam“ dürfte aber die Entwicklung der staatlichen Landesbanken sein, die mit schweren Problemen kämpfen. Die LBBW und die WestLB haben Milliardenverluste angekündigt. Die nächsten Verlustkandidaten seien die HSH Nordbank, die Bayern LB und die Nord/LB“, sagt der Börsenmakler Kepler. Er schätzt, daß „ihre Anzahl von zwölf auf die Hälfte reduziert werden wird“. Die Eigenmittel der Postbank beliefen sich auf weniger als 4% der Bilanzsumme, und sie halte noch 6,3 Mrd. Euro an Kreditderivaten.
Noch schlimmer dran ist die Münchner Hypo Real Estate, einer der größten Kreditgeber des gewerblichen Immobiliengeschäfts in Deutschland. Sie hat gerade einen Verlust von 390 Millionen auf 1,5 Mrd. Euro CDOs bekanntgegeben, aber das ist nur die Spitze des Eisbergs: Über die DEPFA (Deutsche Pfandbriefbank AG, seit Oktober 2007 eine 100%ige Tochter der Hypo Real Estate) ist sie bei amerikanischen Anleihenversicherern in der Höhe von 44 Mrd. exponiert.
Die verantwortlichen Kreise in der Schweiz sind sich also bewußt, daß sich das internationale Finanz- und Währungssystem in der Auflösung befindet. Und es gibt keine Hoffnung, daß sich dieser Trend umkehren könnte. Sie zitieren die Worte des Abbé Prévost zu der Krise der von John Law aufgepumpten Blase (1720): „Man kann nicht gleichzeitig Sparkasse und Börsenspekulant sein.“
Sie gehen davon aus, daß das weltweite Spekulationskasino geschlossen und durch ein System, das dem Finanzvirus gegenüber immun ist, ersetzt werden muß. Aus diesem Grund berufen sie sich auch auf Roosevelt im Jahr 1933, „der einen Mechanismus zur Überwachung der Banken und der Kreditvergabe einrichtete und der die Spekulation mit dem Geld der anderen beendete“. Deshalb lassen sie Cheminade zu Wort kommen und beziehen sich auf LaRouches Vorschläge, wenn auch ohne ihn beim Namen zu nennen.
Wenn das Schiff schon sinkt und die Piraten anfangen, die Crew zu massakrieren, hört man endlich auf „Stimmen, die sich für eine grundlegende Reform des internationalen Währungssystems aussprechen“, wie es Le Temps am 28. Januar auf der Finanzseite formulierte. Wir können dem nur hinzufügen, daß eine Mannschaft des Schiller-Instituts in diesen Tagen mit viel Erfolg auf den Straßen Lausannes aktiv war - eine Premiere für die Schweiz.
Emmerich Couvet
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