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Aus der Neuen Solidarität Nr. 42/2008

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Rußland und Sachsen

Im folgenden Aufsatz beschreibt Marcus Kührt die historisch gewachsene Freundschaft zwischen Sachsen und Rußland, der die Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Technologie und Infrastruktur zugrunde lag.

Die Freundschaft zwischen den friedliebenden Russen und Sachsen entstand lange vor der Industrialisierungsphase. Diese Freundschaft entwickelte sich, wie jede gute Freundschaft, aus Neigung und Ähnlichkeit, aber auch aus der Notwendigkeit heraus, daß man einander brauchte, um gemeinsam mehr Potenzial zu haben als allein. Das Verhältnis wuchs gesetzmäßig und folgte dem Prinzip des Technologietransfers. Länder haben, genauso wie Menschen, naturbedingte Schwächen und Stärken, doch die Freundschaft zwischen den Ländern kann die Schwächen durch gegenseitiges Helfen und Fördern überwinden oder sogar nutzen. Infolge dieser Freundschaft, so kann man sogar sagen, geht die kulturelle und wirtschaftliche Blütezeit in Sachsen mit der russischen einher.

Dieses Prinzip und Verhältnis will ich hier anhand von zwei Beispielen erhellen, möchte mich dabei aber auf die wichtigsten Faktoren in der Wirtschaft, die (in beiden Ländern) zur Industrialisierung geführt haben, beschränken; den Bergbau und den dadurch möglich gemachten Maschinen- und Werkzeugmaschinenbau.

Bergbau

Der Bergbau ist der Bereich des menschlichen Wirkens, auf dem das rasche Wachstum der Volkswirtschaften basierte. Der Bergbau spielt eine Schlüsselrolle in der Entwicklung der Menschheit. Nur durch den Bergbau war es möglich, eine hocheffiziente Wirtschaft zu entwickeln, obwohl der Bergbau es anfangs nicht einfach hatte, wichtig für die Menschen zu werden. Denn die Allgemeinheit war der Auffassung, der Bergbau sei keine „Kunst“, die zum Anstieg des Wohlstandes beitrüge; sie sei überflüssig und nützte nur den Reichen, die bloß aus Prestigegründen Silber und Gold abbauen ließen. Weiterhin sagte man, das Auffinden von Erzen und Mineralien unterliege dem Zufall, und das Wissen über den Bergbau basiere auf Erfahrung. Weil der Bergbau nutzlos sei, so lautete die Schlußfolgerung, reiche es aus, daß die Kenntnisse darüber nur innerhalb einiger Familien weitergegeben werden.

Der Chemnitzer Georgius Agricola (Georg Bauer, 1494-1555) widerlegte jedoch diese Auffassung in seinem Hauptwerk De re metallica libri, das 1541 mit einem Vorwort von Erasmus von Rotterdam verlegt wurde. Agricola erhebt in dieser Schrift den Bergbau zur Wissenschaft, und zwar zu der sehr umfangreichen „Montanwissenschaft“, und befreite ihn damit von den Fesseln der Empirie. Er war der Ansicht, der Bergbauer müsse breite Kenntnisse über Philosophie, Kunst, Astronomie usw. besitzen, um zu wissen, wie man Metalle aus unterschiedlichen Steinen erhält, oder was Ursprung und Ursachen, aber auch die Eigenschaften der Dinge sind. Weiter müsse er auch Kenntnis des Schmelzens besitzen. Er definierte sogar die Bedeutung des Bergbaus für die ganze Wirtschaft: „Der Bergbau ist sehr von Nöten, wie der Ackerbau, ohne den das menschliche Leben nicht erhalten werden kann.“

Es war ihm ein besonderes Anliegen, den Bergbau zu einer Wissenschaft zu erheben, weil er Anhänger der Renaissance-Bewegung in Italien war und dort die wiederentdeckten Denker der Antike studierte. Durch seine umfassenden Studien über die Wissenschaftsmethode der antiken Denker wurde er ein wahrhaft universeller Gelehrter. Als Agricola von Italien in die Heimat zurückkehrte, brachte er die großen universellen Ideen und damit die italienische Renaissance nach Sachsen.

Mit diesen revolutionären neuen Einsichten wurde Sachsen in kurzer Zeit weltführend im Bergbau und Hüttenwesen. Das Geheimnis, das Agricola aufdeckte, ist das Verhältnis zwischen der Tiefe des Wissens und der Tiefe des Stollens. Das Mittel zwischen den beiden Tiefen war die Bergschule. In den Bergschulen bildete man Bergleute aus, und ihr erlerntes Wissen wiederum machte den Abbauprozeß ertragreicher. Die Entdeckung neuer Methoden oder Verfahrensweisen machte es möglich, die Stollen tiefer zu treiben, wodurch auch die Erträge stiegen. Die Produktivität stieg mit dem Wissen der Arbeiter. Und mit der Übersetzung von Agricolas Werk ins Deutsche, Italienische, Spanische und Chinesische gelangte das Fachwissen in weite Teile der Welt.

Die Anfänge der sächsisch-russischen Beziehungen

Nicht nur dadurch wurde die sächsische Kultur und damit einhergehend das sächsische Können im Ausland sehr begehrt. Im Zuge der großen Reformen in Rußland durch Zar Peter I., der gute Beziehungen zum sächsischen Kurfürsten August den Starken hatte, wurden sächsische Bergbauspezialisten nach Rußland entsandt. Erstmals fuhren 1699 Sachsen nach „Moskowien“.

1706 kamen aber auch russische Studenten nach Freiberg, um vor Ort die Bergbau-Künste zu erlernen. Das war der Anfang einer russisch-sächsischen Freundschaft, die sich allerdings nicht auf das Montanwesen beschränkte, sondern sich eigentlich um eine wissenschaftliche Erkenntnismethode und nicht nur um reinen Wissensaustausch drehte. Diese Wissenschaftsmethode war die beste Basis für eine langfristige friedliche Zusammenarbeit.

Der Leipziger Gottfried Wilhelm Leibniz, der die Wissenschaft der „physischen Ökonomie“ begründete, schreibt in seiner Schrift Sozietät und Wirtschaft, jedes Land sollte seine Wirtschaft zunächst einmal mit den Dingen entwickeln, die Gott ihm durch die Natur zur Verfügung gestellt habe, um den Lebensstandard der Menschen zu verbessern. Dies erforderte jedoch Innovationen, die von neuen Entdeckungen abgeleitet werden müßten.

Das heißt, ein Staat brauchte Arbeiter und Forscher, die permanent Entdeckungen machten. Leibniz meinte, das werde nur gehen, wenn die Studenten forschen dürfen, so daß die Lehre mit der Forschung verschmelze. Nun war es nicht mehr die Aufgabe, den Arbeitern das Wissen nur in Schulen zu übermitteln, sondern Fachkräfte heranzuziehen, die ihr Wissen von sich aus nutzten, um neue Entdeckungen zu machen. Neue Entdeckungen aber erfordern viel soziale Diskussion und, ganz wichtig, Experimente. Um diese zwei Faktoren umzusetzen, war eine Art Schule erforderlich, die die Methode des Denkens schult.

Hier liegt eine der wichtigen Einsichten, die Leibniz in der von ihm selbst begründeten Wissenschaft der „physischen Ökonomie“ machte. Das heißt, er entwickelte die Idee einer Akademie, an der die Schüler an realen Problemen Hypothesen entwickeln und den Wahrheitsgehalt der Hypothesen mit Hilfe von Experimenten prüfen. Wenn das Experiment die Wahrheit einer These beweist, kann aus dem Experiment eine technologische Innovation abgeleitet werden, mit der zum Beispiel im Bergbau der Abbauprozeß verbessert wird. Die Innovation repräsentiert dann eine höhere Kraft, die die Produktivität dynamisch beeinflußt und damit den Lebensstandard verbessert.

Leibniz war bestrebt, diese ungemein wichtige Idee einer Akademie, die wie ein Motor für die Wirtschaft funktioniert, nach Rußland und natürlich auch in die ganze Welt zu tragen. Er traf sich mit Zar Peter I., als dieser in Sachsen die sächsischen Stollen besichtigte. Die Reise führte den Zaren auch durch das schöne Schöna und Stollberg (bei Chemnitz), wo er sehr angetan war von den sächsischen Künsten.

Am Ende der Reise empfing Peter der Große Leibniz 1711 in Torgau (bei Leipzig). In dem Treffen ging es hauptsächlich um die Reformen für Rußland. Peter I. wollte einen Staat, der für die Menschen da war, und sein Credo lautete „Man muß sich mühen, den Staatsruhm auf dem Wege über die Kunst und die Wissenschaft zu suchen“. Leibniz unterbreitete ihm ein umfassendes Reformprogramm. Das wichtigste, meinte Leibniz, sei die Schaffung einer Akademie, in der an Grundlagenforschung gearbeitet würde. Leibniz wurde anschließend zum russischen Geheimen Justizrat ernannt und blieb mit dem Zar im regen Briefwechsel. So wurde Leibniz durch diese einschneidenden Reformen zum sächsischen Solon Rußlands.

Die Idee von Leibniz’ platonischer Akademie wurde 1724 im 1703 gegründeten, neuerbauten und griechisch anmutenden St. Petersburg umgesetzt. Dieses Erfolgsmodell einer Akademie der Wissenschaften inspirierte auch die Gründung der kurfürstlich-sächsischen Bergakademie zu Freiberg um 1765 und die 1794 gegründete Ecole Polytechnique in Paris.

Es gab eine Menge deutscher Professoren, die an der Akademie in St. Petersburg lehrten.

Einer war Christlieb Ehregott Gellert aus Hainichen (bei Chemnitz). Von 1735 bis 1744 war er Professor in St. Petersburg und wurde 1765 erster Hochschullehrer für Metallurgie, Chemie und Probierkunst an der neugegründeten Bergakademie in Freiberg. Er galt als größter Metallurg seiner Zeit.

Auch eine Menge russischer Studenten kamen nach Freiberg, die für Rußland sehr wichtig wurden. Auch Michail Wassiljewitsch Lomonossow studierte in Freiberg bei dem sehr berühmten Lehrer Johann Friedrich Henckel. Lomonossow wurde später Professor an der Petersburger Akademie der Wissenschaft und spielte eine sehr bedeutungsvolle Rolle  für das russische Montanwesen. Er machte große Entdeckungen in Chemie und Astronomie, wobei ihm seine Studien in Sachsen sehr zugute kamen. Er wurde ein wahrer Universalgelehrter. Sehr bekannt machten ihn auch die Übersetzung von deutscher Fachliteratur und seine große Liebe, Gedichte zu schreiben.

Das 1885 in Brand-Erbisdorf (bei Freiberg) entdeckte Mineral sollte dazu beitragen, die russisch-sächsische Freundschaft über bloßen Austausch von Wissen hinaus zu erweitern, weil der Freiberger Chemiker Clemens Alexander Winkler (1838-1904) aus dem Erz mit wissenschaftlichem Scharfsinn das neue Element „Germanium“ (Ge-32) gewann, wie er es bezeichnete. Bei der Gesteinsanalyse, bei der die verschiedenen enthaltenen Elemente isoliert werden müssen, bemerkte Winkler, daß in der chemischen Bilanz sieben Prozent an der Gesamtmasse fehlten. Seine Mitarbeiter meinten, das sei ein Meßfehler und man sollte in diesem Fall darüber wegsehen. Winkler war jedoch der Auffassung, daß sich hinter diesen sieben Prozent ein neues Element verbergen könnte. Schließlich stellte sich heraus, daß Dmitrij Iwanowitsch Mendelejew das neue Element schon 1869 in dem von ihm aufgestellten Periodensystem der Elemente angenommen hatte. Mendelejew stand schon längere Zeit mit Winkler in Briefkontakt, doch als Mendelejew von der Entdeckung hörte, war er überglücklich und reiste sofort nach Sachsen. Germanium ist heute ein Basiselement für die moderne Elektronik.

Die russisch-sächsische Kooperation entwickelte sich gesetzmäßig, und zwar nach dem Werkzeugmaschinenbauprinzip. Wenn durch eine Wissenschaftskultur im eigenen Land fortlaufend wissenschaftliche Durchbrüche gemacht und neue Technologien entdeckt und auch umgesetzt werden, ergeben sich gesetzmäßig gute Beziehungen mit anderen Ländern, und so war es auch mit Rußland. Klassischer Technologietransfer bedeutet die Weitergabe von Wissen über Umsetzung eines neu entdeckten Naturgesetzes in die wirtschaftlichen Vorgänge. Somit bildete die industrielle Revolution die Spitze des russisch-sächsischen Technologietransfers.

Maschinen- und Werkzeugmaschinenbau

Der Werkzeugmaschinenbau ist der experimentelle Bereich, in dem technologisch-wissenschaftliche Entdeckungen in die Ökonomie eingeführt werden. Naturgesetze, aus denen sich neue Eigenschaften im industriellen Prozeß ableiten, werden so für die Ökonomie nutzbar gemacht. Nach ihrer Einführung müssen alle menschlichen Interaktionen in der Ökonomie reorganisiert werden, so daß das Naturgesetz bestmögliche Wirkung hat. Der Werkzeugmaschinenbau ist das Tor, durch das die menschliche Kreativität direkten Eingang in die Produktivität und damit in den Lebensstandard der Bürger findet.

Die Geschichte des Werkzeugmaschinenbaus geht auf die griechische experimentelle Wissenschaft zurück, zum Beispiel auf den Versuch, zu zeigen, daß zwei geometrische Mittel oder zwei Bewegungen mit unterschiedlichen Eigenschaften gleichzeitig in einer Bewegung möglich sind, so daß die sich ergebende Bewegung komplett neue Eigenschaften erhält. Die Lösung ist in der werkzeugmaschinenartigen Konstruktion des Archytas zu finden, die später als Konstruktion der Verdoppelung des Würfels bezeichnet wurde.

Dem Werkzeugmaschinenbau liegt das Übertragen oder Führen des Werkstückes und der Werkzeugbewegung bei der formgebenden Bearbeitung zugrunde. Im Laufe der Zeit stellten sich dem Werkzeugmaschinenbau immer neue Aufgaben, und dadurch wurde er in der Verfahrensweise immer komplexer. Von hölzernen Topferbänken und Drechselmaschinen, deren Drehbewegung mit Muskelkraft erzeugt wurde und worin sich das Werkstück nicht bewegen konnte, und auch die Werkzeugbewegung und das Wechseln mit Muskelkraft erfolgte, ging die Entwicklung zu Werkzeugmaschinen, in denen Werkstück und Werkzeug aufgrund einer Magnethalterung unabhängig voneinander bewegt werden können. Dadurch wurde auch eine Bearbeitung von allen Seiten gleichzeitig möglich, ebenso Werkzeuge, die durch ein Werkzeugmagazin mechanisch gewechselt werden, oder Werkzeuge, die während des Gebrauches beziehungsweise während der Abnutzung an Schärfe gewinnen. Im Grunde ging die Endwicklung also in die Richtung, immer mehr Freiheitsgrade zu gewinnen, um sehr viele unterschiedliche Bewegungen (Eigenschaften) gemeinsam als einen Zyklus ablaufen lassen zu können.

Die Industrialisierung in Rußland und Sachsen wäre ohne den Werkzeugmaschinenbau nicht möglich gewesen. Der Einsatz von Maschinen in Bergbau, Stahlindustrie, Landwirtschaft und Verkehrswesen beschleunigte die Produktionsprozesse. Parallel dazu stiegen der Lebensstandard, die Bevölkerungsanzahl und die Bevölkerungsdichte.

Der Werkzeugmaschinenbau, auch Hilfsmaschinenbau genannt, löste sich in Sachsen ca.1840 im Zuge des Eisenbahnwesens vom Maschinenbau ab. Prof. Andreas Schubert (1808-1870), der 1839 die erste sechsrädrige Dampflokomotive „Saxonia“ baute, war ein sehr guter Freund des deutsch-amerikanischen Ökonomen Friedrich List und wies darauf hin, daß der Weg zur maschinellen Produktion nur mit wissenschaftlicher Einsicht in den Produktionsprozeß funktionieren könnte.

Das Eisenbahnwesen stellte den Werkzeugmaschinenbau vor völlig neue Aufgaben und Dimensionen. Zum Beispiel wurden Radsatzdrehmaschinen entwickelt. Diese Form der Drehmaschine gibt dem Rad kleinstmögliche Durchmesserdifferenz und Kreisformabweichung.

Der 1783 in Auerswalde (bei Mittweida) geborene und gelernte Zimmermann Carl Gottlieb Haubold errichtete 1822 seine erste Maschinenbauwerkstatt. Er wird als Vater des Chemnitzer Maschinenbaus bezeichnet, und sein Unternehmen galt 1836 als die größte Maschinenbaufabrik im ganzen damaligen Deutschland.

Haubold war klar, daß er mit dem natürlichen Partner Rußland handeln müsse. Er bereiste Rußland viele Male, nicht nur, um Verträge abzuschließen, sondern auch, um die alte Beziehung Sachsens zu Rußland aufrecht zu halten. Das war die Geisteshaltung eines wirklichen Unternehmers. In Haubolds Werkstatt lernten auch der später als „Sächsischer Krupp“ bekannt gewordene Richard Hartmann und der Pionier des deutschen Werkzeugmaschinenbaus Johann Zimmermann. Wie ihr Meister bereisten sie später Rußland und exportierten auch nach Rußland.

Johann Zimmermann (1820-1901) schaffte es sogar in den 1860er Jahren, daß sein Werk die modernste Werkzeugmaschinenbaufabrik im damaligen Deutschland wurde. Sein Geheimnis war, den Arbeiterstamm gut auszubilden, ihnen die physikalischen Gesetze näherzubringen und ihren Ehrgeiz und Leistungswillen ständig anzuregen. Zwischen 1825 und 1900 wurden in Chemnitz sechsmal mehr Patente pro Kopf der Bevölkerung angemeldet als im übrigen Deutschen Reich. Diese Kreativität erhielt durch die Zusammenarbeit mit Rußland deutlichen Auftrieb. Hauboldts Akkordmeister Richard Hartmann (1809-1878) gründete 1837 eine Werkstatt, in der er Lokomotiven bauen wollte, und schon 1848 stellte er seine erste Lok „Glück auf“ her. Das war der Beginn einer umfangreichen Produktion von Lokomotiven in Chemnitz.

Neben den großen Firmen gab es sehr viele kleine, die die Industrialisierung überhaupt möglich machten, sich auf einen Maschinentyp spezialisierten und sie auch nach Rußland exportierten. Carl Sondermann eröffnete 1857 seine Werkzeugmaschinenfabrik in Kappel (Stadtteil von Chemnitz) und produzierte schon 1859 schwere Werkzeugmaschinen und Sondermaschinen für den Eisenbahnbau. Teilhaber der Firma wurde 1860 der Techniker Heinrich Stier. Gemeinsam rüsteten sie die Reparaturwerkstätten russischer Eisenbahngesellschaften mit Werkzeugmaschinen aus.

Richard Hartmanns Sohn hatte die Idee, eine Tochterfirma in St. Petersburg zu erbauen, doch als Gustav Hartmann (1842-1910) nach St. Petersburg fuhr, konnte ihm der Eisenbahnminister Chilkow als Standort nur die Stadt Lugansk anbieten. Lugansk, Geburtsort des großen Wladimir Iwanowitsch Dal, der ein Mitglied der Akademie der Wissenschaften und Freund Alexander Puschkins war, liegt weit im Osten der Ukraine und hatte den Vorteil, daß dort, ähnlich wie in Chemnitz, Kohle und Erz leicht zubeschaffen waren, weil der große Bruder des Erzgebirges, das Uralgebirge, in der Nähe lag. Aber die Verwaltung der 1896 gegründeten russischen Maschinenbaugesellschaft Hartmann blieb in St. Petersburg. Zum Erstaunen vieler entwickelte sich dieses Werk zu einem der größten Lokomotivproduzenten in ganz Rußland. Heute ist sie die größte ihrer Art in ganz Europa.


Literaturhinweis:

1. Rudolf Kötzschke und Hellmut Kretzschmar: Sächsische Geschichte

2. Georgius Agricola: De re metallica libri

3. Dresdner Hefte 74, Beitrag zur Kulturgeschichte: Russland und Sachsen in der Geschichte.

4. Chemnitzer Lebensbilder 6, Richard Hartmann

5. Naumann / Neugebauer: Werkzeugmaschinenbau in Sachsen, Herausgeber Verlag  Heimatland Sachsen.

6. Sky Shields: Was genau ist eigentlich ein Mensch?

7. Lyndon. H. LaRouche: Was ist physische Ökonomie?

8. Lyndon. H. LaRouche: Rückkehr zum Prinzip des Werkzeugmaschinenbaus.

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